Texte, Photos, Vortrags- und Seminarankündigungen
Unredigierte Schriften
Taoismus



Eva Reich





Heiko Lassek und Björn Blumenthal  Juni 2010, Potsdam


Heiko Lassek, September 2010, Opatija



Nächster offener Seminartermin:

Workshop:
19. und 20. Februar 2011 in Zürich  

Thema:

Theoretisches Verständnis und praktische Erfahrung der Lebensenergie des menschlichen Körpers  

Inhalt des Workshops:
Im Workshop werden fundierte Kenntnisse über das Verständnis des Chi in taoistischen und buddhistischen Schule vermittelt. DenSchwerpunkt bildet die Erfahrung dieser Energie in den sogenannten „Spontanen Bewegungen des Taoismus“, welche die einzige und tiefste Meditationsform des Tai Ji Men bilden.
In einem vom Vortragenden hergestellten speziellen Chi – Feld können die Teilnehmer in tiefe selbstregulatorische Effekte dieser kosmischen Energie in ihrem eigenen Körper eintauchen. Bei vorliegendem Interesse der Teilnehmer wird ausserdem die Orgontherapie Reichs demonstriert und Übungen zur Hebung des menschlichen Energieniveaus vermittelt. Bei vorhandenen psychischen Erkrankungen sowie Herz-/ Kreislauferkrankungen ist eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Leiter vor der Anmeldung zum Workshop erforderlich.

Programm:
Samstag und Sonntag 19./20. Februar 2011
Beginn jeweils 10:30 Uhr
Ende jeweils 18:30 Uhr
Heiko Lassek geht im Workshop gerne auf die Wünsche der Teilnehmenden ein. Gemeinsames Mittagessen (nicht in den Kosten enthaltend) mit freiem Tafelgespräch.

Organisation:
Organisator des Workshop ist Heiko Lassek. Für Administration und Anmeldung ist Alex Brunner vor Ort zuständig.  

Kontakt:

-Heiko Lassek, Planufer 78, D-10967 Berlin Telefon +49 (0)308 914 914 E-Mail: heiko-lassek@t-online.de
-Alex Brunner Bahnhofstrasse 210, CH-8620 Wetzikon Telefon +41 (0)44 930 62 33 Fax +41 (0)44 930 71 69 E-Mail: info@brunner-architekt.ch

Weiterer Workshop:
Ein weiterer Workshop zum gleichen Thema ist zirka im Mai 2011 vorgesehen.

Besondere Bedingungen und Hinweise:
Zu beachten ist, dass die Garderoben und der Übungsraum nur barfuss, mit Socken, sauberen Hausschuhen oder Haussocken betreten werden dürfen. In allen Räumen darf nicht geraucht werden.
Kursort Bäckerstrasse 40, Zürich
 
Ausbildungshinweise / Literatur:
Zu Wilhelm Reich:
-Film: Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?
-http://www.wilhelm-reich-gesellschaft.de
-http://www.heiko-lassek.de

Kosten des Workshop:
Die Kosten belaufen sich für Samstag und Sonntag auf Fr. 420.00.  

Anmeldung:
Die Teilnehmerzahl ist auf 16 Personen begrenzt. Die Anmeldebestätigung erfolgt in der Reihenfolge des Zahlungseingänges. Eine Teilnahme ohne Vorausanmeldung ist nicht möglich. Die Anmeldung erfolgt ausschliesslich über Alex Brunner, info@brunner-architekt.ch Bankverbindung zur Überweisung der Kosten des Workshops: Clientis Bezirkssparkasse Uster PC-Konto 30-38102-7 IBAN: CH24 0688 8016 2004 7640 9  

Anmeldebedingungen:
Stornierungen bis 3 Tage vor dem Workshop: Es werden 50 Prozent des bezahlten Preises zurück bezahlt. Spätere Abmeldungen werden nicht vergütet. Ein Ersatz durch eine andere Person ist zu jeder Zeit kostenfrei möglich.


Eva

Meiner Lehrerin, Vertrauten und Freundin anlässlich des Verlassens ihrer irdischen Hülle.

Ich bin der Auffassung, dass eine wirkliche Würdigung eines so großartigen Wesens nur durch die Schilderung vieler Aspekte einer schillernden Persona möglich ist...

Meine Erinnerungen, in Verbundenheit und Dankbarkeit, Heiko.

1981

Ich hatte von Eva Reich von verschiedenen Zeitzeugen nur Negatives gehört; dies schien sich zu bestätigen, als ich 1981 aus N.Y.C. zum ersten Mal mit ihr telefonierte. Sie wirkte – und war- arrogant und teilte mir mit, das niemand außer ihr die mikrobiologischen Experimente ihres Vaters unserer Berliner Arbeitsgruppe aus Medizinstudenten erläutern konnte. Einen Tag davor war ich bei Dr. Chester M. Raphael, der hinter Allem, und im Hintergrund, von Forest Hills, dem Wohnort Wilhelm Reichs in N.Y.C. die gesamte Arbeit des Wilhelm Reich Infant Trusts leitete, mit Mary Boyd Higgins als seine vertraute Schülerin  bis zu seinem Tod.
Da ich auf amerikanisch abspielbare Videodokumentationen unserer Blutdiagnostik und Bionforschung bei ihm abspielen konnte, konnte er wahrnehmen, welche Arbeit wir geleistet hatten und erstütze uns bei allen Laborversuchen und erkrankten Menschen. Er hatte eine eigene Meinung über Eva Reich. Ich fand sie einfach arrogant während unserem Telefongespräch.

1983

Eva – ich nenne sie im Folgenden so – kommt auf Einladung von Hebammen und Körperpsychotherapeutinnen nach Westberlin, ich begegne ihr zum ersten Mal persönlich und ich nehme war, das sie mit weiblichen Wesen besser umgehen kann als mit deren Gegenteil.
Eva sitzt mit mir in der Liegnitzer Strasse in West Berlin und schaut stundenlang U- Matic- Videos über bionösen Zerfall und Blutdiagnostik und beginnt zu weinen immerfort. Sie sagt, dass sie dies seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts nie wieder gesehen hat; eine tiefe Freundschaft und Lehrerin/ Schüler Beziehung beginnt.

Spaziergänge

In Schöneberg im Volkspark und in Kreuzberg am Landwerkanal beginnen tiefe Begegnungen; ich erfahre viel über ihre Mutter – Annie Pink - , ihre Schwester Lore und ihre Zusammenarbeit mit ihrem Vater in den 50er Jahren.

Eva arbeitet mit vielen Freunden und Kollegen mit sanfter Geburt und Widererlebens des Geburtstraumas, manchen von ihnen muss ich tagelang ein Essen vor die Tür stellen, weil sie sich aus der Wohnungstür nicht mehr heraustrauen – so tief war die Arbeit – in der Klinik waren sie krankgeschrieben. Was macht Sie? Sie arbeitet mit meinen an Krebs erkrankten Menschen; die überwiegende Anzahl ist begeistert, manche sind wütend auf mich, das ich eine Arbeit mit D. Eva Reich empfohlen habe.

1986 und die folgenden Jahre

Eva ist inzwischen Ehrenpräsidentin der auf ihre Anregung gegründeten „Wilhelm Reich Gesellschaft zur Erforschung lebensenergetischer Prozesse e.V.“ – wir versuchen unsere Jahrestagungen mit ihren Aufenthalten zu koordinieren. An zahlreichen Terminen in den folgenden Jahren gelingt dies und Eva leitet engagiert unsere Tagungen. Im gleichem Jahr erteilt sie mir die notarielle Bevollmächtigung zur Gründung eines Wilhelm Reich Institutes und der Weiterentwicklung der Vegeto-/ Orgontherapie. 

Abende

Wir sprechen über gemeinsame Patienten. Im Restaurant „Morgenrot am  Südstern in Berlin – Kreuzberg geht sie auf die Damentoilette – ich sitze mit dem Rücken zu ihr, sie war davor auf einer Bank gegenüber – plötzlich spüre ich eine sanfte Berührung an meinem Schädel und ein leichtes Zurückführen meines Kopfes durch ihre zweite Hand an meinem Kehlkopfes. Mein gesamter Körper beginnt zu pulsieren und der Tisch fällt mit allen Tellern und Gläsern zu Boden zu fallen. Fast alle Gäste im Restaurant schauen uns an. Was macht sie? Sie setzt sich auf die Bank gegenüber und strahlt mit funkelnden Augen und sagt „ Du pulsierst“. Und dann: „Ich möchte Viel an ich weiter geben“. Überwältigung?

Und so geschah es dann auch: während ihrer zahllosen Aufenthalte in Berlin holte ich Eva vom Flugplatz ab und – ich glaube jedes Mal sagte sie schon während der Fahrt zu meiner Wohnung, das sie etwas neues gelernt habe, was ich unbedingt kennen lernen sollte. Es ging so schnell, sie war so neugierig und wissbegierig das in gleicher Weise wie sie ihr Wissen an vielen Orten auf der Welt weitergab, sie offen und bereit war, von Anderen zu lernen. Ich war oftmals so überschwemmt, das ich zu sagen begann: „Eva, wenn du in einem Jahr davon genauso begeistert bist wie heute, dann bin ich bereit, diese Methode von dir zu erlernen.“ Es ging um Methoden wie Polarity, Metamorphische Methode, Osteopathie, Osteocraniosakrale Therapie bis hin zu Bach Blüten Essenzen, um nur einige zu nennen.
Ihr Weg war gekennzeichnet von dem Erlernen dessen, was sie „Sanfte Bioenergetik“ nannte – in einem gewissen Gegensatz zur eingreifenden Orgontherapie ihres Vaters oder der „harten“ Bioenergetik Alexander Lowens.
 Manchmal drängte sie mich geradezu, ihre Lehrer einzuladen und mich um die Verbreitung der von ihr favorisierten Methoden in Berlin zu sorgen. Ein wundervolles Beispiel war für die osteocraniale Technik Dr. Martin Allen, ein amerikanischer Zahnarzt und Kiefergelenksspezialist, der mir Trance induzierenden Zonen im tiefen Halsbereich beibrachte und unvergessliche Workshops im Rahmen meiner Ausbildungsgruppen durchführte. Andere Techniken, wie z.B. die Arbeit mit den Bach Blüten Essenzen sind mir zur ihrer Enttäuschung immer wesensfremd geblieben.

Nach einigen Tagen Aufenthalts im damaligen Reich – Institut entwickelte sich bei Eva immer ein leichtes Asthma auf Grund ihrer Katzenallergie (meine Lebensgefährtin Claudia und ich hatten zwei Katzen) und sie begann dann für längere Zeit bei ihren Freundinnen Helgard Passow und Paula Knapp-Diedrichs zu wohnen. Obligatorisch waren längere Aufenthalte in der damaligen DDR, besonders in Halle, wo sie bei dem Psychiater Hans Joachim Maaz unterrichtete. Ein typisches Ritual war in jenen Jahren, das ich sie bei ihren Freundinnen mit dem Wagen abholte und zum zentralen Busbahnhof in West – Berlin brachte. Wir mussten aufgrund unserer verschiedenen Reisepässe (Eva benutzte ihren amerikanischen Pass, mit dem sie unter dem alliierten Status problemlos nach Ost – Berlin einreisen konnte) zwei weit auseinander liegende Grenzübergänge nehmen, um uns dann wieder in Ost – Berlin zu treffen. Eva hatte jedes Mal mindestens vier (!) volle große Plastiktüten mit biologischen Lebensmitteln und Obst dabei, manchmal auch hunderte von Fahrradventilen und anderen Sachen, die es in der DDR kaum gab. Sie sprach oft über die mangelnde gesunde Ernährung, die chronische Kontraktion der Menschen im anderem Teil Deutschlands und das es Generationen dauern würde, bis sich das bioenergetische System beider Staaten angleichen könnte.

Eva Reich gab ihr Wissen in 31 Ländern weiter, zumeist unendgeldlich oder sie spendete fast alle ihre Einnahmen für lokale Projekte...

1999

Travemünde

Eva kam gerade vom Transatlantikflug aus Hamburg als sie mich im weißen Hotelbademantel mit den Worten empfing „Heiko, glaubst du ich bin ein schlechter Mensch?“
Sie erzählte, dass sie seit langer Zeit immer wieder Schuldgefühle gegenüber ihrer Schwester Lore empfand - sie hatte ihr in der Kindheit immer Angst mit Gruselgeschichten eingeprägt und sich über Lores Verunsicherung amüsiert.
Diese und andere Geschichten beschäftigten sie nun Tag für Tag.
Im folgenden Konferenzgeschehen war sie ganz die alte Eva.
Privat und ohne Bezahlung arbeitete sie in ihrem großen alten Zimmer des Kurhotels mit lateinamerikanischen Teilnehmerrinnen, viele Menschen wollten sie sehen, kennen lernen - sie aber therapierte den ganzen Tag um ihr Wissen und ihre Techniken weiter zu geben.
Ein unvergessliches Bild: Abends, sie wollte im feinem Hotelbademantel zum Dinner gehen, schlief sie vor dem Fahrstuhl in einem großen Ledersessel der Hotellobby ein.
Niemand wagte sie zu wecken.
Und so gingen unzählige Konferenzteilnehmer lächelnd, vor Hochachtung aber schweigend an ihr vorbei zum Fahrstuhl.
Am nächsten Tag wurde sie auf dem Podium gefragt aus welchem Grunde sie mir damals eine so einmalige und umfassende notarielle Bevollmächtigung auf die Gründung eines Wilhelm-Reich-Institutes gegeben hatte.
Und warum gerade Heiko Lassek? Die Frage war kritisch gemeint.
In ihrer fast unübertrefflichen, ironischen Art antwortete sie: „er liebt schöne Frauen, er liebt schöne Autos, er arbeitet mit Krebspatienten, er hat die Blutdiagnostik und Bionforschung meines Vaters wiederholt, ich kenne vieler seiner Krebs erkrankten Patienten, er ist Arzt hält Vorträge und bildet Menschen mit Orgontherapie aus, er raucht viel, trinkt viel, er ist in allen guten und schlechten Seiten wie mein Vater. Wem sonst?“
Es gab keine weiteren Nachfragen’ in ihrer brillanten Antwort hatte sie genau die Intention des Fragestellers ad absurdum geführt.
Am dritten Tag unternahmen ihre schon erwähnte Berliner Freundin Helgaard Passow Eva’s wunderbare lebendige Tochter Renata und ich einen Ausflug zur Steilküste der Lübecker Bucht.
Ich wollte ihr ein altes, einsam gelegenes Restaurant über dem Steilufer zeigen, die so genannte „Hermannshöhe“ spielte in meiner Kindheit und Jugend eine bedeutende Rolle, da meine Eltern mit mir in den Sommerferien jedes Jahr nach Travemünde fuhren (es war dank der damaligen Vorsitzenden der EABP, der von mir sehr geschätzten Ilse Schmidt-Zimmermann, nicht ganz ein Zufall, dass diese Konferenz dort stattfand).
Nach dem Essen wollte ich Eva noch einen Teil meiner geliebten Wege an dieser Steilküste zeigen.
Nach wenigen Minuten Spaziergang in Richtung Norden/ Niendorf begann Eva ganz aufgeregt zu sagen: „das hier kenne ich, ich war schon einmal hier, gleich nach der Biegung kommen ganz kleine einsam gelegene Häuser.“
Sie lief fast voraus, wartete auf mich und ging mit mir in einen kleinen Wald. Renata und Helgaard folgten.
Ich stand plötzlich mit ihr vor dem letzten wegen dem jahrzehntelangen Abbruch der Steilküste letzten unbewohnten Haus, es war das letzte Teil eines Sommerlagers in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wo sie von ihren Eltern mit einer sozialistischen Jugendbewegung in den Sommerurlaub geschickt worden war.
Renata machte Fotos.
Eva erinnerte auf einmal völlig fasziniert’ die gesamte Steilküste bis zum nächsten Dorf.
Wir hatten über viele Jahre zahlreiche solcher seltsamen Erlebnisse, auch in Bezug auf entlegene Orte, Eva meinte öfters, wir hätten eine vielleicht reincarnative Beziehung – sie nannte mich dann immer „meinen Junker“, was ich in seiner gesamten Bedeutung nie ganz in der Tiefe verstanden habe.
Den letzten Tag der Konferenz führte sie intensive Gespräche mit vielen Teilnehmern auf der Terrasse des Kurhotels; abends ging ihr Flug von Hamburg nach Boston zurück.

Dezember 1999 - der erste Schlaganfall

Er kam aus dem Nichts – doch nicht wirklich. Eva litt seit fast zwei Jahrzehnten an einer atypischen Leukämie mit sehr hohen Leukozyten und Thrombozyten (Blutplättchen). Die – vereinfacht gesagt- herabgesetzte Fließgeschwindigkeit und „Verdickung“ des Blutes führt zu Neigung von Thrombosen und damit Schlaganfall, auch Bill Moise war daran gestorben.
Eva führte dies auf ihrer beider Anwesenheit währen des Oranurexperiments zurück (zu Erinnerung: fast alle Labormäuse auf Orgonon erkrankten nach den Versuch an Leukämie, Reich bezeichnete dies als Überstrahlungsphänomen). Eva behandelte ihre Erkrankung ausschließlich biologisch. Eva war nun im Krankenhaus im Rollstuhl, erholte sich schnell von der vorübergehenden Lähmung. Renata erzählte mir erlöst und lachend folgende Geschichte: wegen einer Überbelegung des Krankenhauses zur Zeit ihres Aufenthalts wurde Eva ungewöhnlicher Weise für ein paar Tage in ein Zweibettzimmer gelegt in dem der andere Patient (ein Mann) ein Manager mit mittelschweren Brandverletzungen war, Eva war schon wieder höchst lebendig, saß in einem alten Rollstuhl, trug schwarze Lederhandschuhe um sich an den Gummirädern nicht die Hände aufzureiben. Nach drei Tagen begann sie schon zu dozieren und die Abteilung der Inneren Medizin über biologische Ernährung und Orgontherapie aufzuklären. Sie war bis auf die leichte Lähmung voll präsent, sogar etwas euphorisch, ihr Wissen im Heimatkrankenhaus weitergeben zu können.
Am vierten Tag sagte der Mitpatient zur Renata: „Ich hätte nie gedacht, einmal mit Jack Nicholson in einem Krankenzimmer sein zu dürfen.“

Eva hat sich dann ganz schnell erholt und schon ab Mitte Januar telefonierten wir fast jeden zweiten Tag über ihre Teilnahme einer zentralen Podiumsdiskussion der seit 8 Jahren größte Konferenz Deutschlands „Visionen menschlicher Zukunft“ im Kongresszentrum Bremen. In Absprache mit dem Kongressleiter Frank Siepmann sollte ich meine beiden Lehrer Doktor Eva Reich und Professor Lu Jinchuan moderieren, beide freuten sich sehr auf diese Begenung.
Lu Jinchuan schätzte Wilhelm Reich als den bedeutendsten Wissenschaftler des Westens und Eva unterstützte mich kontinuierlich seit Jahren bezüglich meiner Beschäftigung und Ausbildung in Chi-Medizin und Taoismus. Sie sagte damals zu mir „Heiko mein Vater hatte 60 Jahre, die Funktion der Lebensenergie zu erforschen, der Taoismus hatte 6000 Jahre.“
Ein zweiter kleiner Schlaganfall verhinderte dies, Eva war nicht mehr reisefähig.


Im Juli 2006 sah ich Eva das letzte Mal; ich war mit meinem Freund, dem Wiener Regisseur und Produzenten Antonin Svoboda wegen einer Recherche für einen Spielfilm über Wilhelm Reich längere Zeit in den USA und wir konnten Peter Reich, Ilse Ollendorff, Dr. Richard Blasband, Orgonon und vieles mehr besuchen und auch Medien – und Zitatrechte klären.
Ich rief dann spontan Evas Tochter Renate an und fragte sie, ob sie sich über unser beider Besuch freuen würde – sie sagte sofort zu.
Wir beide kamen abends in Evas Wohnort Hancock im nördlichen US – Bundesstaat Maine an, die kleine Stadt ist etwa vier Stunden Autofahrt von Orgonon entfernt.
Renata und ihr Mann Antonio leben von Eva nur durch eine kleine Landstraße getrennt; Renata arbeitet seit Jahrzehnten als Hebamme und malt wunderschöne Ölbilder in der Tradition ihres Vaters. Bill Moise, dessen früheres kleines Atelier immer noch an Eva’s kleine Farm angrenzt, Antonio organisiert Kanufahrten und Erlebnistouren für Touristen in der Umgebung der Kleinstadt. Wir vier gingen zum Dinner, Renata sagte, das ich nicht erschrocken sein sollte, wenn Eva mich am nächsten morgen nicht erkennen würde, sie sei manchmal etwas verwirrt und hätte auch zunächst ihre lebenslange Freundin Sophie Freud ein Tag vor uns zu Besuch war nicht erkannt.
Seit einigen Monaten lebte Renatas Sohn Christopher mit seinem großen Schäferhund nach einer langjährigen Beziehungstrennung mit Eva auf der kleinen Farm.

Letzte Begegnung
 
Gegen 10.00 Uhr morgens gingen Antonin und ich mit Renata zu Evas Haus.
Eva saß mit einem großen Sonnenhut im Garten und schien etwas amüsiert und ein wenig verwirrt über unseren Besuch zu sein.
Christoph erschien in der Farmtür und Eva fragte uns was denn dieser fremde Mensch - ihr Schwiegersohn, der bereits zwei Monate mit ihr zusammen lebte – in ihrer Haustür machen würde. Danach stellte sie mir ihren (wie sie meinte) neuen Hund vor und Renata begann mir zu erklären, dass es manchmal auch sehr lustig mit ihr ist. Z.B. hatte sie ein paar Tage zuvor den von ihr erkannten Christopher gesagt, er sollte nicht weiter traurig über seine von ihm getrennte Freundin sein, sie würde ihm eine neue kaufen – worauf Christopher zu Eva sagte, sie würde sich nicht in Thailand befinden.
Nach einiger Zeit gingen wir in die kleine Küche wo Renata uns viele Fotos und Unterlagen für unser Filmprojekt zur Dokumentationszwecken zeigte.
Innerhalb weniger Minuten kehrte nach zahlreichen Bildern aus Berlin Evas gesamtes Gedächtnis wieder zurück, selbst an den Namen meiner Katze erinnerte sie sich.
Wir waren danach 7 oder 8 Stunden zusammen und sprachen über gemeinsame Freunde, Aufenthalte, Patienten, über die Aktivitäten in Berlin, Wien und Helsinki - Eva war völlig präsent und stellte immer wieder ganz spezifische Fragen, hellwach und in meiner Wahrnehmung über ihre Kräfte gehend. Zum Glück konnte von all dem Gesagten Antonin vieles mit einer Profikamera aufzeichnen, darunter viele Dokumente und Protokolle von Reichs späten Wetterbeeinflussungsexperimenten und den Wüstenexpeditionen.
Am frühen Abend brachte Renata dann Eva ins Schafzimmer und zeigte uns dann noch die Ölgemälde ihres Vaters im Atelier. Das unvergessliche Gefühl beim Halten von Evas  Hand wird mir immer ihre leuchtenden Augen bleiben, es war unser Abschied.


Dein „Junker“


Heiko Lassek, Peter Reich, Dr. Richard Blasband, Dr. Myron Sharaf und Gisele Sharaf, Antonin Svoboda






Heiko Lassek, Digne Meller Marcovicz, Alejandro Jodorowsky, Lore Reich, Antonin Svoboda, Wolfram Ratz






Artikel aus "Lebensenergieforschung" (Hrsg. Heiko Lassek), "Wissenschaft vom Lebendigen", "Emotion - Beiträge zum Werk Wilhelm Reichs" (Mitherausgeber 1979 - 2006: Heiko Lassek), "Bukumatula" - Periodikum des Wilhelm Reich Instituts Wien, und hier erstmals veröffentlichte Beiträge (nicht redigiert).

Die Artikel sind fortlaufend aneinandergereiht.


Unter anderem:

Günther Hebenstreidt, Doppelblindstudie über den Orgonakkumulator (Universität Wien),

Prof. Dr. Arnim Bechmann über ein Konzept einer auf Wilhelm Reichs Forschungen aufbauenden "Nachmaterialistischen Naturwissenschaft",

Wolfgang Runge, Diplomarbeit über Orgontherapie (Fachbereich Psychologie TU Berlin)

und andere Beiträge und persönliche Fotographien

Günther Hebenstreidt, Mitglied der Wilhelm-Reich-Gesellschaft, ehemaliger Obmann des WRI Wien, Diplomarbeit im Fachbereich Psychologie der Universität Wien

Die psychophysiologischen Effekte des Orgonakkumulators. - Eine experimentelle Untersuchung mit sexualökonomischer Interpretation.

Der vorliegende Beitrag stellt einen Auszug bzw. eine Zusammenfassung der Abschlußarbeit für das Studienfach Psychologie an der Wiener Universität dar, die 1995 approbiert wurde.  

1. Grundlagen  

Zwei Dinge sind in Wilhelm Reichs Werk außergewöhnlich: Erstens einmal seine wirklich interdisziplinäre Aufarbeitung der ihm zur Verfügung stehenden Literdaten zum Thema biologische Erregbarkeit von lebendem Gewebe (Raknes 1970).
So stand in der psychoanalytischen Phase Reichs das Problem der Sexualerregung und der (vegetativen) sexuellen und emotionalen Stauung bei Neurotikern im Mittelpunkt. Später dehnte sich sein Bemühen auf körperliche Erregungsprozesse bzw. Regulations- und Abwehrmechanismen aus.  

Zweitens ist sein erkenntnistheoretisches Konzept des energetischen Funktionalismus sehr originell. Durch die Betonung des - wie Freud sagte "libidoökonomischen Faktors" bzw. des bioenergetischen Zustands des untersuchten Objekts gelangt Reich zu einer dialektischen Erkenntnisauffassung, die versucht, eine vorgefundene antithetische Paarbeziehung (z.B. Sexualität vs. Angst) in ihrer Gegensätzlichkeit dadurch zu überwinden, indem sie die gemeinsame bioenergetische Verwurzelung hervorkehrt. Beispiele wären hier die funktionelle Gegensätzlichkeit der Aktualneurose ohne offensichtliche psychischen Inhalte und der Psychoneurose, die sehr wohl psychische, analysierbare Inhalte in sich birgt:
Von der Betrachtung her gegensätzlich in bezug auf die (nicht) nachweisbaren psychischen - sexuellen Inhalte, funktionell ident in bezug auf den Umstand, daß bei beiden Arten neurotischer Erkrankung ein Übermaß an (libidinöser) Erregung die Psyche zu überfluten droht. Ein anderes Beispiel ist das libidoökonomische, wechselseitige Zusammenspiel der Abwehrmechanismen zu Charakterstrukturen auf der einen, körperlicher Ausdruckshaltung, Muskeldystonus und psychosomatischer Symptome auf der anderen Seite. Sie alle stellen körperliche oder psychische Symptome dar, und sie sind von der Erscheinung her gegensätzlich.
Betrachtet man sie vom (libido-) ökonomischen Standpunkt bzw. vom Standpunkt der Erregungverarbeitung, dann legen die beiden antithetischen Pole in ihrer Gemeinsamkeit offen: Es ist die Gemeinsamkeit der neurotischen bzw. pathologischen Erregungsregulation und -kanalisierung, der mißlungene Versuch, gestaute, d.h. nicht umgesetzte, nicht ausgedrückte Gefühle, Emotionen, körperlich vegetative Erregung auszuregulieren.    

A. Grundsätzliches vorweg  

Inhaltlich gesehen lassen sich in Reichs Werk zwischen 1919 und 1952 in etwa drei, (teilweise ineinander übergehende) Zeitabschnitte abgrenzen:  

Psychoanalyse und Entwicklung der Orgasmustheorie: 1919 - 1927
Sexualökonomie als eigenständige Wissenschaft zwischen 1927 und 1938 Orgontheorie ab 1939.  

Eine völlige Abgrenzung dieser Abschnitte ist aber nicht möglich. Ein verbindendes Element zeigt sich in Form der praktischen Anwendung der dialektisch-materialistischen Erkenntnismethode, der zur energetisch funktionellen Erkenntnismethode weiterentwickelt wurde. Inhaltlich stand die Orgasmustheorie im Zentrum der Überlegungen Reichs, auf der das interdisziplinäre Gebäude der Sexualökonomie aufbaut. Die von Reich begründete Orgasmustheorie stellt den Kern der Sexualökonomie (Der Wissenschaft von der Art der Haushaltung libidinöser bzw. vegetativer Erregung) dar und ist in ihrer allgemeinen Grundlage der meisten Konzepte von Reich (Charakterbildung und seine ökonomische Funktion, Panzerung, Neurosenprophylaxe, Spannungs-Ladungs-Formel, Pulsation, biophysische Erregung, etc.).  

Zuvor sollen aber noch kurz einige Gesichtspunkte der Reichschen Forschungsmethodik (die aus der Methode des dialektischen Materialismus heraus entwickelt wurde) diskutiert werden. Leider fehlt bis heute eine umfassende systematische Darstellung des energetischen Funktionalismus.  

Als Wissenschaftler versuchte Reich die Grenzen einzelwissenschaftlicher Disziplinen und ihrer speziellen Methoden zu überwinden, indem er die Erkenntnis- und Forschungsmethode des dialektischen Materialismus (später zum energetischen Funktionalismus entwickelt) anwendete und die Forschungsergebnisse anderer Teildisziplinen auf sein aktuelles Forschungsgebiet mit einbezog.
Reich gelangte eben durch die Anwendung des dialektischen Materialismus zur Formulierung eines Grundgesetzes der Sexualität. Diese Vorgehensweise stellt die Besonderheit an Reichs Versuch dar, eine einheitliche Lehre von der Sexualität im weiten Sinn zu entwickeln, was ihm andererseits nicht nur von psychoanalytischer Seite Kritik einbrachte, wie z.B. jene von Strotzka (1984, S. 109), der Reich vorwirft, den Orgasmus enorm zu überschätzen. Allerdings soll noch weiter unten auf die Unterschiede in der Orgasmusdefinition, wie sie üblicherweise in der wissenschaftlichen Literatur im Vergleich zu Reichs Definitionen verwendet wird, eingegangen werden.

Reich legte größten Wert auf die Unterscheidung zwischen der Anwendung von Forschungsmethoden des einen Spezialfachs auf andere Spezialdisziplinen und der Anwendung von Forschungsergebnissen auf andere Spezialdisziplinen. Ersteres unterließ er peinlichst, letzteres pflegte er mit großem Einsatz. Gerade diese Unterscheidung führte Reich in Widerspruch zu den Freudomarxisten bzw. zu mechanistischen und vitalistischen Denkmodellen der Biologie.  

"Nach wie vor vermeide ich die Anwendung der psychoanalytischen Methode auf gesellschaftliche Tatbestände, und zwar aus folgendem Grunde, den ich hier zum ersten Mal zu formulieren vermag. Es ist richtig: Mit der Methode des dialektischen Materialismus untersuchen wir gesellschaftliche Phänomene; es ist richtig: die Psychoanalyse ist eine dialektisch-materialistische Methode der Untersuchung ...". (Reich 1934c, S. 55)  

Der logische Schluß daraus könnte etwa lauten, daß durch diese Qualifikation der psychoanalytischen Methodik auch soziologische bzw. massenpsychologische Phänomene mit ihrer Hilfe untersucht werden könnten (Reich 1934c). Nach abstrakt-logischer Überlegung und idealistischer Denkensart wäre dies zulässig, nach den Gesetzen der Dialektik wäre dies ein Trugschluß. Der Grund dafür ist nach Reich ein "höchst einfacher Tatbestand":  

"Die Methode des dialektischen Materialismus ist zwar eine einheitliche Methode, wo immer wir sie anwenden. Überall gilt der Satz der Einheit der Gegensätze, des Umschlagens der Quantität in die Qualität etc. Und doch ist die materialistische Dialektik eine andere in der Chemie, eine andere in der Soziologie und wieder eine andere in der Psychologie. Denn die Methode der Untersuchung hängt nicht in der Luft, sondern ist mit ihrem besonderen Wesen von demjenigen Gegenstand bestimmt, auf den sie angewendet wird. Gerade hier enthüllt sich die Richtigkeit des Satzes von der Einheit von Denken und Sein. Man kann daher den Sonderfall der materialistischen Dialektik der soziologischen Methode nicht austauschen gegen den anderen Sonderfall der Dialektik der psychologischen Methode."
(Reich 1934c, S. 55)  

Die Relevanz für die Berücksichtigung der Anwendbarkeit von Spezialmethoden der einen Einzelwissenschaft auf andere Spezialdisziplinen liegt in dem Umstand, daß sich leicht Trugschlüsse aus den daraus erhaltenen Forschungsergebnissen ergeben würden (Reich 1934c). Reich führt dazu ein Beispiel an:  

"Wer den Standpunkt vertritt, man könne soziologische Fragen mit der psychoanalytischen Methode richtig lösen, bezieht gleichzeitig, ob er will oder nicht, auch den anderen Standpunkt, daß man etwa den Kapitalismus mittels der Methoden der chemischen Analyse erklären könne ... denn der gesellschaftliche Prozeß hat zweifellos ebenso mit Materie wie mit Menschen zu tun. Wenn man also psychologisch untersuchen kann, warum denn nicht auch chemisch?"
(Reich 1934c, S. 55)  

Durch eine derartige Umgrenzung und Darstellung seines Forschungs- und Denkschemas war es Reich möglich, die Ergebnisse seiner Forschungen auf andere Einzeldisziplinen anzuwenden. Inwieweit ein anderes Vorgehen nicht ebenso nutzbringend ist, kann hier nicht weiter untersucht werden. So trägt Reich z.B. psychoanalytisches Gedankengut in die Soziologie und Massenpsychologie (z.B. Reich 1945, 1946 und 1951f), aber nicht die psychoanalytische Methodik, wie etwas das Strukturmodell oder die Methode der psychoanalytischen Deutung somatischer Funktionen (mittels der Theorie des Unbewußten; diese psychologisierte Vorgehensweisen kritisierte Reich sehr stark; vgl. Reich 1942, S. 56).      

B. Reichs Orgasmustheorie - Die Spannungs-Ladungs-Formel  

Als Psychoanalytiker beobachtete Reich bei seinen Patienten häufig den Zusammenhang zwischen dem Grad der aktuellen libidinösen Stauung bzw. Unbefriedigtheit und der Stärke der neurotischen Symptome. Gelang es den Patienten, zu einer sexuellen Befriedigung zu kommen, wirkte sich das unmittelbar lindernd auf die Stärke der neurotischen Symptomatik aus. Im Laufe der folgenden Tage und Wochen begann abermals die alte Symptomstärke zurückzukehren.
So konnte dieser Zusammenhang wiederholt beobachtet werden. Besonders bei Menschen mit einer schwachen Ich-Struktur, bei denen Affekte geneigt sind, hervorzubersten, und bei Menschen mit einer deutlichen aktuellen psychischen und vegetativen Stauungssymptomatik. Der Zusammenhang zog Reichs Neugierde so sehr an sich, daß er der theoretischen Aufarbeitung und der praktischen Nutzbarmachung sein ganzes Leben widmete. Reich formulierte seine libidoökonomischen Thesen erstmals 1924, in denen er den oben zitierten Zusammenhang festhielt. Im Nachhinein läßt sich sagen, daß das die Spitze des Eisbergs war, der damals erschlossen wurde, zumal sich in der weiteren Folge herausstellte, daß bei Neurotikern zumeist der gesamte Lebensbereich, nicht nur der der Sexualität, beeinträchtigt war. Später stellte sich heraus, daß auch der Arbeits-, Beziehungs-, Sozialbereich etc. betroffen sind. Mehrere Jahre an klinischen Beobachtungen und der Analyse experimenteller Ergebnisse zur vegetativen Physiologie waren nötig, um die sogenannte "Orgasmustheorie" von der psychologischen auch auf psychophysiologische Ebene in eine allgemeinere Form zu bringen. Im Zentrum der Orgasmustheorie steht die ökonomische Funktion des Orgasmus als vegetativer und unwillkürlicher Erregungsablauf, der den gesamten Sexualakt umfaßt, nicht nur die Phase vor, während und unmittelbar nach dem Höhepunkt. Bei neurotischen Menschen ist dieser Erregungsablauf auf vielfältigste Arten beeinträchtigt. Die ökonomische Funktion des unwillkürlichen vegetativen Erregungsablaufs war auch der inhaltliche Grund, warum Reich sich der Physiologie und Biologie und noch später auch der Physik zuwandte (der erkenntnistheorietische Grund ist durch den dialektischen Materialismus gegeben). So begann Reich bei der psychoanalytischen Betrachtung des Orgasmus und seiner Störungen und später gelangte zur Formulierung eines allgemein gefaßten Grundgesetzes der Sexualität, welches er als "Orgasmusformel" bzw. "Lebensformel" beschreibt, da es schon bei primären Lebensprozessen wie der Zellteilung etc. wirksam ist.

Reich (1927 und allgemeiner 1942) definierte die Orgasmusformel in ihrer ersten, speziellen Fassung so: Nach Berichten vieler hunderter Patienten gelangte er zum Schluß, daß keine neurotische Erkrankung ohne einer Störung der Genitalfunktion sein könne bzw. die Genitalstörung das Hauptsymptom der Neurose sei. Eine gesunde Genitalfunktion umschrieb er mit dem Begriff der "orgastischen Potenz".
Sie bedeutet die Fähigkeit des Menschen, sich der unwillkürlichen psycho-physischen Erregung während des Orgasmus bzw. während des genitalen Akts voll hinzugeben. In dieser Fähigkeit sieht Reich eine Art Regulationsfaktor der sexuellen (bzw. der libidinösen oder der vegetativen) Erregung, die das Individuum danach trachten läßt, sich nach entsprechender Anstauung periodisch lustvoll zu entladen (Reich 1942, S. 69f.).
Ist diese Fähigkeit nicht oder nur unzureichend vorhanden (= orgastische Impotenz), so gerät der Erregungshaushalt aus dem Gleichgewicht. Dies hat zur Folge, daß eine Libidostauung entsteht, die, wenn sie chronisch wird, zum Motor neurotischer Symptome bzw. neurotischer Charakterzüge wird. In der Herstellung der ungestörten Genitalität mittels analytischer Arbeit an den Symptomen bzw. neurotischen Charakterzügen durch den Energieentzug der ihnen zugrunde liegenden Libidostauung sah Reich die wirkungsvollste Möglichkeit, die neurotische Erkrankung zu beseitigen. Durch dieses Handlungskonzept schien erstmals der quantitative, "ökonomische" Faktor faßbar, um den sich schon Freud (1905, in Freud 1972) bemühte, ihn aber nicht fassen konnte. Die Frage nach der effektiven Berücksichtigung des ökonomischen Faktors, das ist die Frage nach der Auflösung der die neurotische Erkrankung begründende Stauung libidinöser bzw. vegetativer Erregung, stand bei der Entwicklung der Theorie, wie auch der Methodik der Charakteranalyse im Zentrum der Überlegung.  

"Infolge der Unkenntnis der orgastischen Funktion mußte der Psychoanalyse die Bestimmung des "quantitativen Faktors der Neurose", der energetischen Quelle der neurotischen Symptome und Charakterzüge verschlossen bleiben ...
Die Sexualökonomie sieht die Quelle der Energie neurotischer Leistungen in der Diskrepanz zwischen vegetativer Energieproduktion und Energieabfuhr, die durch die orgastische Störung hergestellt wird. Sie erkennt den ökonomischen Unterschied zwischen einer Energieabfuhr in einem Symptom und der Energieabfuhr in der effektiven orgastischen Befriedigung, faßt also den Begriff der sexuellen Stauung konkret."
(Reich 1935, S. 7)  

Es war für Reich offensichtlich, daß die genitale Sexualität bzw. der Orgasmus als psycho-physischer Erregungsablauf mit den Funktionen der (libidinösen wie auch vegetativen) Spannung bzw. Entspannung ident ist, ebenso wie Störungen derselben mit einer Störung des sexuellen Spannungs- und Entspannungsablaufs ident sind. Durch die adäquate orgastische Umsetzung der angestauten sexuellen Erregung (Spannung) bleibt der Organismus im libidoökonomischen Gleichgewicht. Bei nicht-orgastischer Lösung der Erregung persistiert die aufgebaute, aber nicht abgeführter Energie im Organismus, was beim Gesunden an und für sich kein Problem ist, da er nicht gestaut ist. Beim Neurotiker hingegen besteht durch die sexuelle, vegetative und emotionale Stauung sowieso schon ein "zuviel" an Erregung. So erfordert die zusätzlich aufgebaute und nicht-orgastisch abgeführte Erregung ein Mehr an Abwehrmechanismen, so daß durch die aktuelle Stauung zeitlich aktuelle Konflikte leicht in neurotische ausufern können. Den individuell unterschiedlichen Erregungskurven ist allen gleich, daß ein Restbetrag nicht orgastisch umgesetzter Erregung im Organismus verbleibt (vgl. auch Hebenstreit 1996a). Dies trifft auf alle Neurotiker zu, da sie nicht in der Lage sind, zu einer adäquaten Entladung, zu einem adäquaten Ausdruck sexueller, vegetativer und emotionaler Erregung zu gelangen. Reich (1927) nahm an, daß solch ein chronisch persistierender Restbetrag den prägenitalen Triebapparat überflutet und in der Folge frühkindliche Konflikte aus aktuellen Schwierigkeiten heraus reaktiviert. Deshalb begann Reich (1942) zunächst auf psychologischer Ebene, später auch auf der somatischen Ebene (Reich 1949d und 1949f) die Quellen der mangelnden Fähigkeit, libidinöse Erregung adäquat abzubauen, ausfindig zu machen. Seine Absicht war es, geeignete Behandlungsmethoden und Techniken zu entwickeln, die diese Beeinträchtigung aufheben würde.  

Die Begriffe Spannung bzw. Entspannung entstammen dem Begriffsfeld der Psychoanalyse. Da jene eine psychologische Lehre ist, ist deren Sichtweise auf das Psychologische eingeschränkt. Funktionen wie Spannung, Entspannung, der Aufbau und die Abfuhr bzw. Entladung libidinöser, vegetativer und emotionaler Erregung sind sehr eng an das Triebgeschehen gekoppelt, wobei nach Freud (1905) die Triebdynamik aus dem Grenzbereich zwischen Organischem und Psychischem entspringt
(Mehr über das Wesen der Libido in Hebenstreit 1995b).
Diese Einschränkungen ermutigten Reich (siehe Reich 1951e) schon zu seinen Studienzeiten zum Studium der Sexualphysiologie und -biologie, der Physiologie der vegetativen Funktionen und der vegetativen Physiologie des Orgasmus.      
 
I. Die Abteilung der Orgasmusformel

Reich ging bei seinen Überlegungen von der dialektisch-materialistischen Betrachtung der Orgasmusfunktion und deren Störungen aus. Anhand der folgenden Zitate soll begreifbar gemacht werden, was Reich unter der Orgasmusfunktion verstand. Deren zentrale Stellung in der Reichschen Theorie macht eine weitere Auseinandersetzung notwendig. Die Kenntnis dessen, was Reich unter der Orgasmusfunktion versteht, stellt eine Voraussetzung dar, Reichs Theorie und seine Entwicklungsschritte nachvollziehen zu können.  

"Die erste Voraussetzung der orgastischen Funktion ist die vegetative Erregung. Das Wesen der Erektion [und Lubrikation; Anm. GH] besteht in einer starken Füllung der genitalen Blutgefäße, zunächst der genitalen Arterien (Vaguswirkung). Auch die genitale Muskulatur wird vagisch erregt, das heißt, sie gerät in höheren Tonus ... " (Reich 1934d, S. 35)  

Reich versucht anhand einer Verlaufsbeschreibung eines typischen Ablaufs des Geschlechtsakts zweier im sexualökonomischen Sinne gesunder Menschen eine physiologische Definition des Orgasmus zu finden (Reich, 1927). Reich weist auf die Nützlichkeit eines solchen Schritts hin:  

"Die folgende Beschreibung des befriedigenden Geschlechtsverkehrs betrifft nur den Ablauf einiger typischer, naturgesetzlich bestimmter Phasen und Verhaltensweisen. Ich berücksichtige die Vorlustakte nicht, die von den verschiedenen individuellen Bedürfnissen bestimmt werden und keine allgemeine Gesetzmäßigkeit aufweisen." (Reich, 1927, S. 27)  

In der Folge soll der sexuelle Erregungsablauf im weiter fortgeschrittenen Stadium, wie ihn Reich aus einer größeren Anzahl von Beschreibungen zusammenfaßt, wiedergegeben werden.  

"... Die orgastische Erregung teilt sich dem ganzen Körper mit und bedingt lebhafte Motorik der gesamten Körpermuskulatur. Selbstbeobachtungen von gesunden Patienten beiderlei Geschlechts wie auch die Analyse gewisser Störungen des Orgasmus zeigen, daß das, was wir die Lösung der Spannung nennen und als motorische Entladung empfinden (absteigender Schenkel des Orgasmus), vorwiegend ein Erfolg des Rückströmens der Erregung auf den Körper ist. Dieses Rückströmen wird überdies als plötzliches Sinken der Spannung empfunden. Die Akme stellt somit den Wendepunkt vom genitalwärts gerichteten zum entgegengesetzten Ablauf der Erregung dar. Nur der komplette Rücklauf der Erregung macht die Befriedigung aus, die zweierlei bedeutet: Umsetzung der Erregung und Entlastung des Genitales. ... Ehe der Nullpunkt erreicht ist, klingt die Erregung in sanfter Kurve aus und wird unmittelbar von wohliger körperlicher und seelischer Schlaffheit abgelöst; zumeist stellt sich ein starkes Schlafbedürfnis ein. Die sinnlichen Beziehungen sind erloschen, doch besteht eine "gesättigte" zärtliche Beziehung zum Partner fort, der sich das Gefühl der Dankbarkeit zugesellt."
(Reich 1927, S. 31)

In folgendem Diagramm soll die Erregungskurve stilistisch wiedergegeben werden:


 Zum Zeitpunkt der Ausweitung der Sexualökonomie auf physiologische Gebiete (Ende der zwanziger bis Anfang der Dreißiger Jahre) bemühte sich Reich, die im Rahmen der Psychoanalyse formulierte Orgasmustheorie in eine engere Beziehung zu somatischen Vorgängen zu bringen. Durch das Studium der vegetativen Physiologie und besonders der Sexualphysiologie versuchte Reich (vgl. Reich 1942) den Begriffen Spannung, Entspannung, Erregung etc. eine vermehrt physiologische Bedeutung zu geben. Dadurch sollte die Libidotheorie besser an ihren somatischen Wurzeln (be-) greifbar werden.  

Reich (1934d, S. 36f.) nimmt an, daß sich im Organismus bei der sexuellen Friktion zunächst Energie (Erregung) aufbaut. Sie wird idealerweise am Höhepunkt der Erregung entladen. Bei der sexuellen Erregung handelt es sich um "bioelektrische" (elektrochemische) Potentiale, die an Zell- und Organmembranen aufgebaut wird, und an andere Organe und Organsysteme (z.B. Blut- Kreislaufsystem, Muskelsystem, vegetatives und Zentrales Nervensystem etc.) weitergeleitet werden. Daß es sich um solche elektrochemischen Potentiale hierbei handeln müsse, schloß Reich aus mehreren Gründen. Unter anderem korrelieren somatische Veränderungen (unwillkürliche Bewegungen und Muskelkontraktionen, körperliche Empfindungen, ...) mit dem wahrgenommenen Ausmaß der sexuellen Erregung während des Akts (aus Erlebnisberichten gesunder Menschen bzw. geheilter Patienten). Sehr wichtig für die Entwicklung dieser Anschauung waren die Arbeiten von Friedrich Kraus (z.B. Kraus 1926), der alle Lebenserscheinungen gänzlich oder zumindest teilweise zurückführt auf den unausgesetzten Auf- und Abbau elektrochemischer Potentiale an den Membranen des Körpers (Reich, 1934b). Reich sah vor der Formulierung der Orgontheorie (vor 1940) die Funktion der Ladung bzw. Entladung beim Erregungsablauf des Orgasmus in der Bioelektrizität der Elektrolyte des Cytoplasmas an den Membranen der Zellen des Organismus begründet
(vgl. Kraus in seiner "Nässetheorie des Lebens", 1926).

Den "bioelektrischen" Ladungs- und Entladungserscheinungen zugrunde liegen sollen der Orgontheorie zufolge die bereits noch basaler, auf einfachstem biologischem Niveau wirkenden Funktionen der Orgonenergie, wie die der Kontraktion und Expansion, der Kontaktbildung, der bioenergetischen Erstrahlung etc. Daß deshalb das elektrochemische Konzept nun weniger richtig wäre ist ein Trugschluß. Vielmehr ist bei jedem Konzept seine Spezifität und sein Erklärungsbereich zu berücksichtigen, der hier das elektrochemische Modell als das speziellere und mit wissenschaftlichen Methoden leichter untersuchbare Modell ist, während das Orgonkonzept allgemeiner ist und seine wissenschaftliche Erforschung in einem weiter gefaßten Bereich vor sich gehen muß. Den Orgasmus bzw. die Funktion des Erregungsauf- und -abbaus definiert Reich selbst folgendermaßen:  

"Der Orgasmus erweist sich ferner in der psychoanalytischen Klinik der Neurosen und Sexualstörungen als ein Erregungsablauf, der sich durch komplette Reduktion aller psychischen Tätigkeit auf ihren Kern, vegetative Spannung und Entspannung, kennzeichnet."
(Reich 1934d, S. 31)  

Die somatischen Funktionen, wie z.B. die Vasodilatation der genitalen Blutgefäße bilden eine Grundvoraussetzung für den Aufbau der sexuellen Erregung. Daß zur Erklärung der Entstehung sexueller Erregung die Schwellung der weiten genitalen Gefäßräume nicht vollständig ausreicht, zeigt das Beispiel der sogenannten "kalten" Erektion und das Schwanken der Erregung trotz gefüllter genialer Bluträume. Reich (1942) vermutete, daß zur Blutfüllung der Schwellkörper noch ein zweites Moment hinzukommen muß. Dieses Moment ist die (bio-) elektrische Funktion, die sich aus den Teilfunktionen der elektrischen Ladung und der elektrischen Entladung zusammensetzt. Erstere wird subjektiv als Erregungsaufbau erlebt, letztere als die Lösung der aufgebauten Spannung.  

Reich berief sich dabei auf Ansichten, die Forscher aus ganz unabhängigen Gebieten äußerten: Unter anderem waren dies Friedrich Kraus und sein Mitarbeiter S.G. Zondek, die Biologen Max Hartmann und Paul Kammerer (vgl. auch Reich 1934b). Reich abstrahiert aus seinen Beobachtungen des Sexualakts den "Viertakt" des Erregungsablaufs und damit die allgemeine Beschreibung der Orgasmusfunktion:   "Die Organe füllen sich zuerst mit Flüssigkeit: Erektion mit mechanischer Spannung. Dies führt eine starke Erregung mit sich, wie ich annahm, elektrischer Natur: Elektrische Ladung. Im Orgasmus baut die Muskelzuckung die elektrische Ladung beziehungsweise sexuelle Erregung ab: Elektrische Entladung. Diese geht über in eine Entspannung der Genitalien durch Abfluß der Körperflüssigkeit: Mechanische Entspannung. Den Viertakt: Mechanische Spannung - Elektrische Ladung - Elektrische Entladung - Mechanische Entspannung nannte ich Orgasmusformel." (Reich 1942, S. 206)  

Die einzelnen Funktionen können nach Reich aber nicht sinnvoll in verschiedensten Variationen aneinandergereiht werden, wie etwa als "Ladungs - Entladungs - Spannungs - Entspannungs-" Formel oder ähnliche Anordnungen. Sie sind in ganz bestimmter (dialektischer) Weise zusammengefügt und bauen gesetzmäßig aufeinander auf
(vgl. auch Reich 1950c, S. 99f.).  

"So wie vorher die mechanische Spannung die Vorbedingung der elektrischen Ladung der Genitalorgane war, so wird jetzt die elektrische Entladung die Bedingung für die mechanische Entspannung. Da diese doppelte wechselseitige Beziehung zwischen mechanischem und elektrischem Vorgang den eigentlichen orgastischen Prozeß darstellt, wollen wir ihn "Spannungs - Ladungs - Vorgang" bzw. "Entladungs - Entspannungs - Vorgang" nennen. Beide zusammen bilden den Orgasmus."
(Reich 1934d, S. 37, fett hervorgehoben vom Autor)

In folgendem Diagramm sollen die Erregungskurven entsprechen der Spannungs- Ladungs- Formel stilistisch wiedergegeben werden. Hier gibt es sowohl für die Funktion der Hydratation - Dehydratation, wie auch für die elektrochemische (bioelektrische) Funktion einen eigenen Graphen:


Abbildung 2: Die Erregungskurven der elektrischen und der "mechanischen" Funktion entsprechen der dialektischen Anordnung der Spannungs- Ladungs- Formel.

Reich versteht unter dem "Erregungsablauf des Orgasmus" (=Orgasmusfunktion) einen Vorgang, der durch die Körperphysiologie vermittelt wird. Die "psychischen" Wahrnehmungen beruhen dabei auf den unmittelbar erlebten Organempfindungen (Selbstempfindung) und sind funktionell ident mit den Prozessen der Körperphysiologie. Sie sind einander gleichzeitig engegengesetzt wie Körper und Soma, andererseits bestimmt vom bioenergetischen Phänomen der Überlagerung. 

II.  Die Problematik der Orgasmusdefinition

Reichs Definition der genitalen Orgasmusfunktion beschreibt einen Erregungsablauf, der den gesamten Geschlechtsakt und das erotische Vorspiel umfaßt (vgl. Reich 1927). Gleichwohl ist die Bedeutung von Orgasmus und Geschlechtsakt in Reichs Theorie nicht dieselbe. Reich abstrahiert aus einem befriedigenden und ungestörten Akt den Erregungsablauf des "Orgasmus".
Wichtig scheint, daß im Idealfall dem Erregungsaufbau ein entsprechender Erregungsabbau folgt. Bei orgastisch potenten Menschen stellt sich in einem ungestörten Akt solch ein Auf- und Abbau der Erregung ein. Für Reich steht nicht der Akt an und für sich im Vordergrund, sondern dessen libidoökonomische Funktion (vgl. auch Hebenstreit 1996b).
Die organischen Vorgänge der Blutfüllung und der Blutentleerung, sowie die Friktionen bilden in diesem Sinne die physiologischen Voraussetzungen für die Orgasmusfunktion. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Begriffe Orgasmus bzw. Orgasmusfunktion in diesem Sinne verwendet werden. Neben dem genital-sexuellen Orgasmus sind auch andere Verläufe der genitalen Erregung möglich, wie sie Reich (1927, S. 41f.) darstellt. All diesen Verläufen der Erregungskurven ist gemeinsam, daß entweder der Erregungsauf- oder -abbau gestört ist.
In beiden Fällen bleibt die orgastische Befriedigung aus und die aufgestaute Erregung wurde nicht abgeführt. Der Organismus kann zum Beispiel die unter idealen Bedingungen mögliche sexuelle Erregung bei einer frühzeitigen Ejakulation nicht vollständig aufbauen. Die Erregung bleibt geringer und auch lokal begrenzt. Lowen (1980) bezeichnet diese Art sexueller Höhepunkte als "Akme" oder "Klimax".
Er unterscheidet diese von einem den gesamten Organismus mit einbeziehenden "Orgasmus". Das unterschiedliche Ausmaß der Fähigkeit, die aufgebaute vegetative Spannung adäquat abzubauen, drückt sich auch in unterschiedlichen subjektiven Empfindungen aus (Befriedigung oder Unruhe, Niedergeschlagenheit etc.).  

Reich sieht den Erregungsablauf, wie er sich beim sexuellen Orgasmus einstellt, als den potenzierten Fall dessen an, was sich auch in Emotionen ausdrückt bzw. was sich auch an vegetativen Funktionen beobachten läßt (vgl. das Kapitel über die Spannungs- Ladungs- Formel bzw. Reich 1942, S. 204f.).

Immer tritt dabei das Konzept eines Erregungsaufbaus mit einem anschließenden adäquaten Erregungsabbau in den Vordergrund. So führt bei Neurotikern die chronische Hemmung eines emotionalen Ausdrucks wie auch die Unterdrückung sexueller Erregung zu einem Erregungsstau und dieser unter bestimmten Bedingungen weiter zur Verdrängung emotionaler wie auch sexueller Erregung (vgl. Reich 1949d, S. 359f.), bei Gesunden nicht unbedingt. Die Gemeinsamkeit von sexueller und emotionaler Erregung in bezug zur Orgasmusfunktion liegt im Umstand, daß beide Arten von Erregungen vom sexualökonomisch gesunden Individuum auf- und adäquat abgebaut werden können.
Liegen Blockaden vor, dann entstehen neurotische Symptome oder ebensolche Charakterzüge (vgl. Reich 1927, S. 61f.).  

In Reichs Werk tritt Verwirrung bezüglich der Orgasmusdefinition auf, da er mit demselben Terminus mindestens zwei verschiedene Sachverhalte beschreibt: Einmal im Sinne der hier vorgestellten Sichtweise eines Erregungsablaufs beim genitalen Akt, in emotionalen, biologischen und vegetativen Funktionen. Andererseits benützt Reich aber den Terminus für den Höhepunkt (Akme, Klimax) speziell beim sexuellen Akt. Beispielsweise in folgender Textstelle: Die "Verspätung des Orgasmus bei der Frau" 1927, S.32.
Auch das oben angeführte Zitat von Reich "Der Orgasmus kann nichts anderes als eine elektrische Entladung sein..." deutet in diese Richtung. Auch Lowen (1980, z.B. S. 247f.), Baker & Nelson (1987, S. 846) und Rosenberg (1979) bezeichnen mit dem Begriff Orgasmus den sexuell-genitalen Höhepunkt, obwohl z.B. Baker 1967 wiederum den Begriff Orgasmus in einem umfassenden Sinne (als Erregungsablauf) beschreibt.

Reich wies wiederholt darauf hin, daß der Orgasmus eine elektrophysiologische Entladung sei (Reich 1934d, 1942). Diese Form der Beschreibung ist in bezug auf die Definition des Orgasmus als einen Erregungsablauf zwar unvollständig, doch läßt sich das Fehlende unter Zuhilfenahme anderer Arbeiten Reichs ergänzen. Es stellt sich die Frage, warum der Orgasmus im hier verwendeten Sinne nicht genauso gut eine Aufladung mit bioelektrischer Energie bzw. Erregung sein könnte? Eine Lösung bietet sich an, wenn man zu Reichs Zitat ergänzt, daß im Orgasmus eine adäquate elektrophysiologische Entladung vorher aufgebauter Erregung stattfindet, so, wie er in anderen Zusammenhängen ausführt.  

Mehr Klarheit in diese Verworrenheit bringt Baker (1967) in seinen Beschreibungen von Genitalität und Orgasmus. Er beschreibt diese Begriffe ausgehend von einem biophysikalischen Verständnis. Dabei unterscheidet er die Funktion der bioenergetischen Überlagerung von der Funktion der orgastischen Konvulsion. Der Ausdruck Überlagerung meint den sexuellen Kontakt an sich. Die orgastische Konvulsion bezeichnet die Phase der unwillkürlichen Hingabe an die körperliche Erregung in der Orgasmusphase (- im Sinne vom Konzept von Masters & Johnson, 1966).  

"Die genitale Vereinigung erfüllt zwei Grundfunktionen in der ganzen Natur. Die eine ist universell, sowohl in der unbelebten als auch belebten Natur. Die andere ist bei lebenden Wesen unerläßlich für ihr Funktionieren. Diese beiden Funktionen sind: Überlagerung (Superimposition); hier erregen sich zwei Energiesysteme gegenseitig, ziehen einander an und verschmelzen zu einem Energiesystem - beim lebenden Organismus belebt dies den Lebensfunken neu und löst ihn aus - und die orgastische Konvulsion, mit deren Hilfe überschüssige Energie abgeführt wird, damit ein normales Energieniveau erhalten bleibt."
(Baker 1967, S. 139)  

Spezifisch für den sexuellen Orgasmus sind rhythmische Konvulsionen, durch die aufgestaute Erregung abgebaut werden soll (vgl. auch Baker 1967, S. 138).
Wenn Reich von der "Verspätung des Orgasmus bei der Frau" berichtet oder vom Orgasmus als eine elektrische bzw. elektrophysiologische Entladung, dann scheint er hier offenkundig die orgastischen Konvulsionen im Geschlechtsakt gemeint zu haben. Reich hielt die beiden Funktionen der Überlagerung und der Konvulsion nicht konsequent auseinander. Es wird nochmals auf die weiter oben vereinbarte, Definition der Orgasmusfunktion als vegetativer bzw. biologischer Erregungsablauf hingewiesen, womit die Brücke geschlagen werden kann von der Psychologie zur Biologie und Physiologie.

III.  Die Orgasmusformel und physiologische Funktionen

Reich abstrahiert aus den physiologischen Abläufen während des Geschlechtsakts (und aus dem mit ihnen verbundenen subjektivem sexuellem bzw. orgastischem Erleben) die formelhafte Anordnung zweier in der Biologie vorkommenden Funktionen: mechanische Oberflächenspannung von Gefäßwänden und elektrische (elektrochemische) Ladung bzw. Entladung. Reich verwendet auch synonym für Oberflächenspannung Begriffe wie "mechanische Spannung", "Mechanik", sowie für die Bioelektrizität des Körpers einfach "Spannung" (z.B. in der Bezeichnung: Spannungs-Ladungs-Formel), "Elektrik" oder "elektrische Funktion mit den Teilfunktionen der elektrischen Ladung und Entladung". Reich betrachtet die Orgasmusfunktion im engen Zusammenhang mit dem Organsystem Blut und dem Herz-Kreislaufsystem. Auf einer vegetativen Ebene vermittelt der Parasympathicus  im Genitalbereich eine Vasodilatation durch die Öffnung arterieller Sphincteren. Dadurch kommt es zur Blutfüllung der Gefäßräume der Schwellkörper. Das bedeutet für die begrenzenden Gefäßwände die Steigerung des Binnendrucks (Blutdrucks). Durch die Blutfüllung entsteht also ein gesteigerter mechanischer Druck auf die begrenzenden Membranen. Die Gefäßwände geraten dadurch in einen Zustand größerer Spannung. Allgemein soll der Begriff "Oberflächenspannung" meinen, daß verschiedenartig gestaltete Membranen verschiedenartige Gefäß- oder Flüssigkeitsräume umschließen. Gegenüber den umgebenden Geweben und Organen besitzen die Gefäßwände eine Begrenzungs- und Isolationsfunktion.
Beispielsweise ist die Blutflüssigkeit durch die dicken Arterien- und Venenwände vom restlichen Körper getrennt. Nur in den Kapillaren sind die Gefäßwände so dünn bzw. so strukturiert, daß ein funktioneller Austausch von Nahrungsstoffen, Sauerstoff, Stoffwechselprodukten etc. stattfinden kann. Weiters kann in den Kapillarräumen auch ein Austausch bzw. Ausgleich von unterschiedlichen elektrochemischen Potentialen stattfinden, die sich an verschiedenen Stellen des Körpers aufgebaut haben und durch die Blutflüssigkeit "kurzgeschlossen" werden
(vgl. Kraus 1926 und Reich 1942).  

Der vierstufige Ablauf der Orgasmusformel bzw. der Spannungs-Ladungs-Formel wird von Reich synonym auch als "Lebensformel" bezeichnet. Er fand an vielen physiologischen und biologischen Funktionen den 4-Takt von Mechanik (Spannung und Entspannung der Gefäßräume) und Bioelektrik (Ladung und Entladung vegetativer Erregung) dialektisch gekoppelt (siehe nächstes Kapitel: "Die Orgasmusformel als Lebensformel").
Reich beschreibt deshalb diese Formel als eine "Grunderscheinung des Lebens". Die Beschreibung der Orgasmus-Funktion bzw. ihres spezifischen Erregungsverlaufs (entsprechend der S-L-Formel) gelang erstmals von der Seite der Psychologie und Psychotherapie der Neurosen her. Sie  war begründet durch Reichs Tätigkeit als Psychoanalytiker.  

Forscher wie Friedrich Kraus, S.G. Zondek und Max Hartmann wurden von Reich immer wieder zitiert. Sie entwickelten auf den Gebieten der Physiologie bzw. Biologie Anschauungen, die sich bezüglich der Funktionen der mechanischen Spannung und elektrischen Ladung gut in die sexualökonomische Theorie einfügen lassen
(Reich 1934b, S. 212).
Deswegen meint Reich in diesem Zusammenhang, daß der Erregungsablauf der Spannungs-Ladungs-Formel ebenso von der dialektisch-materialistischen Betrachtung des vegetativen Nervensystems oder von der physiologischen oder biologischen Seite her entdeckt werden hätte können. Eine umfangreiche Auflistung der wissenschaftlichen Beiträge von Kraus und Zondek zu diesem  Thema findet sich in Kraus (1926, S. 85f.). Unter den Begriff "Membran" fallen in diesem Zusammenhang sowohl Einheitsmembransysteme der Zelle (Zell- und Kernmembran, Membranen des endoplasmatischen Retikulums und der verschiedenen Zellorganellen). Organumhüllende Bindegewebsmembranen (Muskelfaszien, Bindegewebssepten und -kapseln der Organe) bzw. ähnliche grenzbildende anatomische bzw. histologische Strukturen. Hartmann (z.B. 1953) und andere Biologen führten Bewegungserscheinungen von Einzellern bei in vivo- und in vitro- Versuchen ebenfalls auf Veränderungen im Cytoplasma (Hydratation und Dehydratation; Wasseranreicherung und Wasseraustreibung), die mit Veränderungen auch in der Oberflächenmembran (bzw. der Oberflächenspannung) einhergehen, zurück (Reich 1934a und 1934b).

IV.  Die Orgasmusformel als Lebensformel

Reich (1942, S. 204f.) unternahm den Versuch, autonome Körperfunktionen auf ein Zutreffen der S-L-Formel (Spannungs-Ladungs-Formel) hin zu untersuchen. Er zielte darauf ab, die dialektische Anordnung von mechanischer Spannung und elektrischer Ladung neben der genitalen Sexualität auch in anderen vegetativen und biologischen Funktionen ermitteln zu können. Trotz der Variation in der Erscheinung konnte die Grundformel in ihrer markanten Anordnung in einer Reihe vegetativer und biologischer Funktionen gefunden werden. Reich zählt einige seiner Beobachtungen auf:   "Genauere Betrachtung der Herzaktionskurve bestätigte meine Annahme, daß der Spannungs-Ladungs-Vorgang auch die Herzfunktion dirigiert. Er läuft als elektrische Welle vom Vorhof mittels des Herzleitungssystems bis zur Herzspitze ab. Voraussetzung des Beginns der Zuckung ist die Füllung des Vorhofs mit Blut."
(Reich, 1942, S. 212)  

Durch die Füllung der Hohlräume der Vorhöfe und Ventrikel entsteht im Inneren ein Druck auf den begrenzenden Muskelmantel und setzt ihn unter Spannung. Der Blutfüllung des linken wie auch des rechten Vorhofes folgt vom Sinusknoten aus der Aufbau und die Überleitung der elektrischen Erregung auf das gesamte Reizleitungssystem des Herzens
(Waldeyer 1986 Bd. 1, S. 590f.).

Die erste Auswirkung der elektrischen Erregung ist die Kontraktion der Vorhofmuskulatur, welche einer Entladung entspricht. Die elektrische Entladung führt zur Kontraktion der Vorhofmuskulatur und zur Auspressung des Bluts in die Hauptkammern. Diese Aktion kommt einer mechanischen Entspannung der begrenzenden Wände der Vorhöfe gleich. Gleichzeitig mit der Kontraktion der Vorhöfe erfolgt eine Füllung der Ventrikel mit Blutflüssigkeit. Diese setzt die den Ventrikel begrenzenden Muskelzüge und Membranen in den mechanischen Spannungszustand. Dabei wiederholt sich im Ventrikel der Vorgang der Überleitung und der Ausbreitung der elektrischen Erregung auf die gesamte Ventrikelmuskulatur wie bei der Vorhofaktion. Anschließend an die Kontraktion der Muskulatur (= wieder eine Entladung) folgt die mechanische Entspannung der angrenzenden Kammerwände.  

Weiters wirken quellende Heilmittel auf den Darm abführend, wobei die mechanische Spannung durch die Quellung dieser Mittel verursacht wird. Aus der Physiologie ist bekannt, daß ein Dehnungsreiz der Darmmuskulatur beantwortet wird mit einer Kontraktion der Längsmuskulatur des Darmkanals (vgl. auch Bösel 1987, S. 133). Nach Reich (1942, S. 212) ist hier die Erregung der Muskulatur in direktem Zusammenhang mit dem Dehnungsreiz zu sehen. Die Dehnung verursacht eine elektrische Ladung des Gewebes. Diese führt dann zur Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand. Die Kontraktion entspricht wieder der Entladung. Der hier beschriebene Vorgang hat die Weiterbeförderung des Speisebreis vom Magen bis in den Dickdarm zur Folge und bewirkt darüber hinaus auch die Austreibung der Fäzes. Die Flüssigkeitszufuhr durch die zahllosen Drüsen des Verdauungstrakts bringt einen bestimmten Grad der Füllung, der Dehnung und der Oberflächenspannung innerhalb des Darmrohres mit sich. An bestimmten Stellen der Muskulatur des Darmkanals entsteht eine Kontraktionswelle, die sich meist peripherwärts weiterbewegt, wobei von der Reichschen Sichtweise sich die lokalen Muskelbezirke deshalb kontrahieren, weil die Nachbarbezirke der Muskulatur sich knapp zuvor kontrahiert haben und somit die lokale Oberflächenspannung innerhalb des Darmrohres erhöht ist. Daran schließt mehr oder weniger zeitversetzt ein Erregungsprozeß an, der hier durch die Nervenerregung vermittelt und an der darauffolgenden Muskelzuckung sichtbar wird. Die Entladung äußert sich dabei in Form einer Bewegung (Zuckung) der Muskulatur.  

In der sogenannten Darmzottenpumpe scheint ebenfalls der Mechanismus der Quellung und Entquellung bzw. der Ladung und Entladung abzulaufen. Die Darmzotte besteht aus einer dem Lumen zugewendeten Schichten von Epithelzellen, die auf einer Faltung der Darmschleimhaut aufsitzt. In der Bindegewebsfalte finden sich noch Blutgefäße, Bündel glatter Muskulatur, autonome Nervenfasern und ein dichtes Kapillargefäßnetz. Durch die Epithelzellschicht hindurch gelangen die Nahrungsstoffe mittels aktiver Transportmechanismen in das Kapillarnetz (Schwarzacher & Schnedl 1988). Anschließend werden die resorbierten Stoffe in das dichte Kapillarnetz, welches unmittelbar an die Basalmembran (das ist die Membran, der die Epithelzellen aufsitzen) der Darmzotte anschließt, eingespeist. Ein Muskelfaserbündel, welches von einer tiefer liegenden Muskelschichte des Darmrohres bis in die Spitze der Darmzotte hineinreicht, kontrahiert sich nach ausreichender mechanischer Flüssigkeitsfüllung. Sobald die Blutgefäße der Darmzotte prall angefüllt sind, preßt das Muskelfaserbündel die Zotte zusammen und hilft so bei der Entleerung der prall gefüllten Kapillaren (mechanische Gefäßentspannung). Es soll angemerkt werden, daß täglich im Rahmen der Verdauung durchschnittlich etwa 6 Liter Wasser in Form von Sekreten im Magen-Darm-Kanal ab- und von Kapillargeflechten aus dem gefüllten Darmrohr wieder rückresorbiert werden. Es fällt auf, daß immer eine große Menge Flüssigkeit (Blut, Harn, Sekrete etc.) ein alternierendes Pendeln zwischen der Oberflächenspannung, die die elektrische Funktion vorbereitet, ermöglicht.

Schon Kraus (1927) diskutierte die Wirkung von Ionen, Hormonen, Giften und der Nervenwirkung auf den Wasserhaushalt der Gewebe, Organe und des Organismus. Kraus geht bei seiner Argumentation von einer Reihe von Stoffwechsel- und anderen Erkrankungen aus. Er versucht die Bedeutung von Ionen- und Hormonkonzentrationen, Giftwirkungen und Nervenwirkungen für den Zustand der Wasseranreicherung und des Wasserentzugs hervorzuheben. Alle erwähnten Stoffarten können dabei die Wirkungen der vegetativen Innervationen in bezug auf Wasserhaushaltsveränderungen aufheben, verstärken oder ersetzen.  

"Wie Nerven- und Elektrolytwirkung lassen sich auch Hormon- und Giftwirkung mit Bezug auf die Membranhydratation gegenseitig austauschen." (Kraus 1927, S. 11).   Es sei hier noch betont, daß Reich mit seinem Begriff der "mechanischen Funktion" mehr oder weniger das meint, was Kraus unter "Membranhydratation" versteht.
Daß diese Wasserhaushaltsveränderungen eng mit dem Blutsystem zusammenhängen, ist evident. Aufgeben muß man aber hier die Ansicht, daß das Kapillarsystem röhrenartig den Körper durchzieht und daß dabei bloß Sauerstoff und Nährstoffe mit dem umliegenden Gewebe ausgetauscht werden. Vielmehr betont Birbaumer (1991), daß pro Minute 70% des Blutplasmawassers gegen die interstitielle Flüssigkeit ausgetauscht wird. Das Blutplasma und die interstitielle Flüssigkeit bilden aus dieser Sicht einen einheitlichen Flüssigkeitsraum, nämlich den Extracellulärraum (Birbaumer, 1991).  

Bei der Harnblase kann der S-L-Vorgang ebenfalls beobachtet werden. Dem gefüllten Zustand der Harnblase folgt bei der Dehnung der Muskulatur durch die Flüssigkeit (Spannung) eine Erregung (die auch subjektiv als "Drang" erlebt wird) und eine muskuläre Kontraktion (= Entladungserscheinung), die einhergeht mit der Entleerung des Blaseninhalts (Entspannung).  

Die Prostata beginnt im Zustand der sexuellen Erregung Flüssigkeit zu sezernieren. Dadurch baut sie einen Binnendruck in ihrem Inneren auf, der die Membranen des Drüsengewebes in eine größere Spannung versetzt. Entsprechende vegetative Nervenimpulse führen dazu, daß sich während der Phase der Ejakulation die Muskulatur der Prostata mehrmals kontrahiert (Entladung). Die Entladung geht einher mit dem Ausstoß des Ejakulats. Die Ejakulation bewirkt eine Verkleinerung der Oberflächenspannung und stellt in diesem Sinne die mechanische Entspannung in Reichs Formel dar. Ein ähnlicher Rhythmus läuft in etwa bei den Bläschendrüsen des Mannes ab, der dem jeweiligen Takt der S-L-Formel der Prostata etwas zeitlich vor (vgl. JÄNIG 1990, S. 371).
Weitere Untersuchungen vegetativer Funktionen müßten noch angestellt werden, um die postulierte universelle Verbreitung der S-L-Formel zu überprüfen.  

Nicht nur im Bereich der vegetativen Funktionen fand Reich den 4-Takt der Formel. Im Ablauf der mitotischen Zellteilung konnte er ebenfalls das Schema der S-L-Formel finden. Im Zustand des Wachstums nimmt die Zelle mehr Nährstoffe und Flüssigkeit in sich auf, als sie an Stoffwechselprodukten abgibt. Dies hat zur Folge, daß das Zellvolumen zunimmt. In derselben Zeit ist das Volumen des Zellkerns viel geringeren Größenschwankungen unterworfen. Die Phase des Wachstums entspricht dem ersten Takt: Die Oberflächenspannung vergrößert sich. Es verschiebt sich während dieser Phase das Verhältnis von Zellkern zu Zellplasma weit in die Richtung des Zellplasmas. An einem bestimmten Punkt dieses Verhältnisses verändern sich die inneren Umstände entscheidend. Im Zustand des größten Volumens der Zelle, welcher nach Reich der äußersten mechanischen Spannung der Zellmembran entspricht, beginnt die Zellteilung. Es erscheint im Zellkern während der Teilung die "mitogenetische Zellstrahlung", die Gurwitzsch im Jahre 1925 als erster beschrieb (Reich 1942, S. 213). Die Zellstrahlung sieht Reich als das unmittelbare Zeichen einer Entladung der aufgebauten elektrochemischen Erregung.  

"Die Spindelbildung wird von vielen Biologen als elektrisch begründete Spaltung oder Gegenüberstellung angesehen." (Reich 1942, S. 214)   Anschließend an die Kernteilung ereignet sich die Teilung des Zellkörpers. Dabei wird das Volumen der Mutterzelle auf eine im Verhältnis zur Mutterzelle weit größere Membranoberfläche der Tochterzellen aufgeteilt, d.h. es herrscht in der Summe eine geringere mechanische Spannung als vor der Teilung. Reich sieht aufgrund der enormen Reichweite und Wichtigkeit der Zellteilung die S-L-Formel als den "bedeutendsten Vorgang im Lebendigen" an (Reich 1942, S. 214) und bezeichnet sie deshalb auch als "Lebensformel".  

Inwieweit die in der Physiologie bekannten Transportmechanismen (z.B. die "Na-K-Pumpe" - Natrium-Kalium-Pumpe - und Transportproteine etc.) in Zusammenhang mit dem Funktionsablauf der Spannungs-Ladungs-Formel stehen, sollte noch eingehender untersucht werden. Da es kaum eine physiologische Lebensfunktion gibt, an denen die Kationen Na+, K+ und Ca+ (Calzium) bzw. die Anionen Cl-, P-, SO3- (Chlor, Phosphor, Schwefeloxid) etc. nicht beteiligt sind, ergibt sich ein Schritt zur Überprüfung der Auffindbarkeit der S-L-Formel. Ob die Reichsche Anschauung auch auf die Abläufe rund um die Bildung des Ruhe- und Aktionspotentials in der Nervenzelle und im neuromuskulären System zutrifft, ist bisher noch nicht weiter erforscht worden. Es weist jedoch einiges auf gewisse Parallelitäten hin: Die GIBBS-DONNAN-Verteilung (nach ihren Urhebern benannt) versucht gemeinsam mit der Theorie der Na-K-Pumpe und die Entstehung des Ruhe- und Aktionspotentials zu erklären. Der treibende Faktor beim Aufbau eines Ruhepotentials soll auf dem gegensätzlichen Verhalten von einem elektrischen und einem Konzentrationsgradienten beruhen. Allgemein bewirken solche Ionenpumpen vor allem an den Membranen von Nervenzellen, aber auch an solchen von anderen Zellen, folgendes:

"Es ist also ein ganz allgemeines Prinzip im Organismus, durch aktive Ionen-"Pumpen" relativ langsam (z.B. Na+-K+-ATPase; ca. 1µmol.m-2.s-1) elektrochemische Gradienten aufzubauen (Zell-inneres Na+-arm) und dann den erreichten elektrochemischen Gradienten durch Regelung der passiven Membrandurchlässigkeit (Poren) für schnelle Ionenflüsse auszunützen (z.B. Na+-Einstrom beim Aktionspotential: ca. 1000 µmol.m-2.s-1)." (Silbernagel & Despopoulos 1979, S. 15; Anmerkung vom Autor: ATPase = Enzym zur Spaltung von ATP - Adenosintriphosphat; µmol.m-2.s-1 ist die Maßeinheit für die Pumpleistung der Ionenpumpen)  

Das Verhältnis der Geschwindigkeit zwischen Aus- und Einstrom der Na+- Ionen beim Aktionspotential ist in diesem Falle 1:1000. Der Auf- und Abbau von elektrischen Gradienten („Gefälle“) an dem Zellmembranen paßt sich gut zu den beiden Teilen der Ladung und Entladung des 4-Takt-Prozesses der S-L-Formel ein. Ob die Veränderungen des Flüssigkeitshaushalts (Oberflächen- bzw. mechanische Spannung) der polarisierten Nerven- und anderen Körperzellen auch der S-L-Formel folgen, bedarf noch weiterer Nachforschung. Es erscheint naheliegend, daß durch den aktiven Transport verschiedener Anionen bzw. Kationen durch die Zellmembran in das Zellinnere hinein und aus dem Inneren heraus auch Cytoplasma entsprechend der Spannungs- Ladungs- Formel mitströmt.  

Auch beim Vorgang der Überleitung des Aktionspotentials von einer Nervenzelle auf eine andere bzw. im Bereich der neuromuskulären Endplatte findet sich der Viertakt der S-L-Formel: Das in die Synapse eintreffende Aktionspotential entspricht der Entladung. An der Synapse führt die Entladung zum Ausstoß der in den Vesikeln („Speichersäcke“) der Synapse gespeicherten Transmittersubstanz. Die bereits in den Vesikeln gespeicherte Überträgersubstanz entspricht dem mechanisch gespannten Zustand in Reichs 4-Takt, der Ausstoß der Transmittersubstanz dem der mechanischen Entspannung, die verbunden ist mit dem elektrischen Impuls der Nervenzelle. Der Binnendruck in der Synapse ist geringer geworden. Die Transmittersubstanz gelangt von der Synapse in den synaptischen Spalt und führt zur Erregung der postsynaptischen Membran der angelagerten Nerven- oder Muskelzelle. Die aus dem Vesikel ausgetretene Transmittersubstanz wird zumeist enzymatisch rasch inaktiviert und rückresorbiert. Teilweise werden die resorbierten Substanzen wieder zum Aufbau aktiver Transmittersubstanz verwendet (vgl. Dudel 1990, S. 51).  

Inwieweit die von Reich beschriebene Anordnung der Funktionen der Spannung und der Ladung auch im Erregungsablauf des Muskelsystems anzutreffen sind, wurde bisher auch noch nicht untersucht. Die Sichtweise dieser Vorgänge vom Verständnis der Orgasmusfunktion her wäre aber von großer klinischer Wichtigkeit. Es sei hier nur hingewiesen auf die Möglichkeit einer fundierteren theoretischen Grundlage der Körperpsychotherapieformen. Ein sehr zentraler Begriff ist dort die Problematik der Muskelverspannungen bzw. des Muskeldystonus. Nach der Beschreibung von Rüegg (1990) läßt sich hier eine gewisse Parallelität zu Reichs S-L-Formel herstellen. Schon Reich (1934b) betrachtete das Muskelsystem und die das Muskelsystem steuernden Teile des Zentralnervensystems (ZNS) bzw. des peripheren Nervensystems (pNS) als eine funktionelle Einheit (= neuromuskuläres System). Das Muskelsystem beinhaltet unter anderem zwei Röhrensysteme, die grundsätzlich voneinander unabhängig sind und nur an bestimmten Stellen einander sehr nahe kommen. Das eine Röhrensystem ist das sogenannte transversale System (T-System), das andere das longitudinale System (L-System). Das T-System ist im Grunde nichts anderes als eine Einstülpung der Zellmembran der Muskelzelle. Derart kommt die Muskelzelle in engen und großflächigen Kontakt mit dem Extrazellularraum. Das L-System ist das eigentliche Röhren- und Zisternensystem des endoplasmatischen Retikulums (= das Gang- und Transportsystem in der Zelle, das aus „Röhren“ besteht und netzartig (Þ reticulum) aussieht), das hier sarkoplasmatisches Retikulum heißt (Schwarzacher & Schnedl 1988). Eine Calziumpumpe hält im Ruhezustand des Muskels die Speicherung des Calziums in der Zelle durch seine Speicherung im sarkoplasmatischen Retikulum niedrig. Bei der Aktionspotentialübertragung auf den Muskel (=elektromechanische Kopplung) läuft das Aktionspotential über die Nervenzelle zu den Synapsen der motorischen Endplatte. Das Potential depolarisiert (erregt) daran anschließend wellenartig die Membranen des T-Systems. So dringt die Erregung schnell in die Tiefe der Zelle. An den Kontaktflächen zum L-System springt die elektrische Erregung vom T-System auf das L-System über und gelangt somit ins Innere der Zelle. Das elektrische Signal bedingt eine kurzfristige Ausschüttung der im sarkoplasmatischen Retikulum gespeicherten Ca++-Ionen. Die Anwesenheit der Calzium-Ionen im Zellinneren wiederum führt unter Energieverbrauch zur Kontraktion der Muskelfaser. Der Phase der mechanischen Spannung entspricht der Ruhezustand der Muskelzelle. Hier liegt das Calzium im sarkoplasmatischen Retikulum gespeichert vor, die Membranen des Sarkoplasmas sind gespannt. Die aktive Ionenpumpe erzeugt eine elektrische Potentialdifferenz und der elektrische Reiz führt die Entladung herbei.  

In der Entladung ändert sich die Membrandurchlässigkeit bezüglich der Ionen (analog der Nervenzelle) und Calzium-Ionen strömen (im Protoplasma gelöst) in die Zelle aus. Der Ausfluß der Ionen führt zu einer Entspannung des sarkoplasmatischen Retikulums (vgl. auch Silbernagel & Despopoulos 1979, S. 38).  

Reichs Schluß aus der wiederholten Beobachtbarkeit der S-L-Formel in den Funktionen des autonomen Nervensystems und in weiteren vegetativen Funktionen ist, daß die Nerven des vegetativen Nervensystems die dialektische Anordnung der Funktionen der Mechanik (mechanischen Spannung und Entspannung) und der Elektrik (elektrischen Ladung bzw. Entladung) innervieren. Des weiteren folgen basale biologische Funktionen des Cytoplasmas der Spannungs-Ladungs-Formel. Auf Basis der Schwingung der Potentialhöhe und der Plasmadichte (Pulsation) entlang der S-L-Formel soll der gesamte Organismus, als auch Organe, Gewebe und biochemische Funktionen funktionieren, auch wenn sie großen Variationen in der Erscheinungsform unterworfen sind (Reich 1934a, 1934b und 1942).  

Für eine bessere Beurteilung dieser These wären aber noch weitere Forschungen nötig. Trifft Reichs Annahme wirklich zu, dann wäre ein gemeinsames Funktionsprinzip der vegetativen und autonomen Funktionen gefunden. Es könnte die S-L-Formel und Reichs Verständnis von vegetativen Funktionen einen weiteren Fortschritt in der Erforschung von vegetativen Funktionsstörungen (psychosomatische Erkrankungen) bringen.

V.  Die experimentelle Überprüfung der Spannungs- Ladungs- Formel und die Überleitung zum Orgonakkumulator

In der Zeit seines skandinavischen Exils plante Reich die experimentelle Überprüfung des Spannungs-Ladungs-Vorganges am Menschen. Er erhielt eine Einladung des Direktors des Psychologischen Universitätsinstituts in Oslo, Dr. H. Schjelderup. Reich konnte die Räumlichkeiten des Instituts mitbenutzen. Er hatte die Gelegenheit, mit Spezialisten zusammen zu arbeiten (Boadella 1980). Die grundsätzliche Fragestellung skizziert Reich so:  

"Ferner ergab sich aufgrund der vegetativen Erregungsvorgänge bei der Behandlung seelisch Kranker eine Anschauung, wonach Sexualität und Angst als zwei zwar der gleichen Quelle entstammende, jedoch in entgegengesetzter Richtung ziehende Erregungen oder "Strömungen" des biologischen Organismus anzusehen wären. Sexualität wäre der Inbegriff all dessen, was mit peripher gerichteter Erregung, Strömung, Oberflächenspannung und Weitung verbunden ist. Ihr wesentliches innerpsychisches Merkmal ist das Lustempfinden. Im Gegensatz dazu wäre unter Angst alles zu begreifen, was mit zentralwärts gerichteter, von der Welt weggewandter Strömung und Erregung zusammenhängt; ihr Kennzeichen alles Empfinden, das sich mit den Worten Enge, Beklemmung, Angst, innerer Druck etc. beschreiben läßt."
(Reich 1937, S. 5)  

Eine besondere Rolle bei den körperlichen Erregungsempfindungen spielen die erogenen Zonen:  

"Es gibt bestimmte Stellen der Oberfläche, die sich in ihrem Verhalten grundsätzlich von der übrigen Hautoberfläche unterscheiden. Das sind die sexuell erogenen Zonen: Lippen, Afterschleimhaut, Brustwarzen, Penisoberfläche, Schleimhaut der Scheide, Zunge, Handflächen und merkwürdigerweise - auch die Stirn. Ihre Ladung kann im Bereiche des Potentials der übrigen Haut liegen, sie können aber auch ein weit höheres oder ein weit niedrigeres Ruhepotential aufweisen als die gewöhnliche Haut. Die Potentiale ein und derselben sexuellen Zone sind bei vegetativ freien Menschen selten konstant."
(Reich 1942, S. 279/80)  

Im Experiment sollte sich die „Aufladung der Haut" in Form einer Positivierung des Potentials zeigen bzw. in einer quantitativen Zunahme eines Potentials mit positiven Vozeichen. Die Angsterregung sollte eine Negativierung, eine Wanderung des Hautpotentials in die entgegengesetzte Richtung zur Folge haben. Im letzeren Falle kommt es - psychologisch gedeutet - zur Flucht der libidinösen Besetzungen ins Innere.  

Es soll umrissen werden, welche Veränderungen sich bei der experimentellen Überprüfung der Spannungs-Ladungs-Formel ergeben müßten, wenn das postulierte dialektische Zusammenwirken von Spannung und Ladung (bzw. Entladung und Entspannung) tatsächlich experimentell beobachtbar wäre.  

Wissenschaftliche Berichte zur Gefäßmotorik und der elektrophysiologischen Erregung sind bereits ausführlich in der Literatur beschrieben worden (vgl. SCHMIDT & THEWS 1991; BOUCSEIN 1988, Schandry 1989; EDELBERG 1972). In der Spannungs-Ladungs-Formel sind die Funktionen der Oberflächenspannung ("Mechanik") und der (Bio)-Elektrik dialektisch angeordnet. Soll der S-L-Vorgang eine Grunderscheinung des Lebendigen sein, so müßte sich in Verbindung mit dem Vorgang der Blutfüllung der Gefäßräume erogener Zonen unter geeigneten Umständen eine bioelektrische Aufladung des betreffenden Organs bzw. der Haut ergeben, die meßbar gemacht werden müßte. Bei der bioelektrischen Entladung müßte ein Abfall des bereits aufgebauten Erregungspotentials erfolgen. Die orgastische Konvulsion würde in diesem Falle als Prototyp bioelektrischer Entladung gelten. Eine lustvolle, sexuelle Reizung müßte zu einer bioelektrischen Ladung der Peripherie (Haut bzw. Schleimhaut der erogenen Zonen) führen. Andererseits müßte bei Angst, unlustvollen Reizen und bei angstvollen inneren Reizen (z.B. subjektiv gefährliche Gedanken, Angst vor Elektroden und Apparaten etc.) ein Abfall der Ladung eintreten und das Biopotential entsprechend abfallen. Durch das Experiment war indirekt auch die Frage nach der funktionellen Identität objektiv meßbarer körperlicher Erregungszustände und ihres subjektiven Erlebens gestellt.  

"Für die vorliegende Abhandlung ist nur wichtig, daß in der Literatur über die Beziehungen zwischen Affektivität und vegetativem Apparat die Anschauung einer funktionellen Identität bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit fehlt. Entweder wird das physiologische Phänomen als "Begleiterscheinung" des Affekts aufgefaßt, oder der Affekt gilt als die "Folge" einer vegetativen Erregung ... Durch die Annahme, daß der Affekt und die Erregung eine untrennbare und unteilbare Funktionseinheit darstellen, daß das eine ohne das andere nicht zu denken ist, eröffnen sich für die Untersuchungen des psycho-physiologischen Grenzgebietes einige wesentliche Perspektiven."
(Reich 1937, S. 8)

Reich (1934c) versucht die absolute Gegensätzlichkeit oder einseitige Kausalität anderer Modelle des körperlich-seelischen Funktionierens durch die sexualökonomische Theorie zu überbrücken. Sein funktioneller Ansatz betont die dialektische Entwicklung des Psychischen aus dem Somatischen heraus und die sexualökonomische Identität von vegetativer und libidinös-sexueller Erregung.  

Eine Reihe verschiedener experimenteller Versuchsbedingungen wurde ausgearbeitet. Der Verlauf des Hautpotentials während verschiedener Reiz- und situativer Gegebenheiten (z.B. Kitzel- und Druckreize unter verschiedenen Situationen und Ableitungsbedingungen) wurde aufgenommen und auf einem lichtempfindlichen Photostreifen festgehalten. Die Versuchspersonen wurden angenehmen bzw. lustvollen Situationen, als auch Schreckreizen (lauter Gong, Platzen einer Tüte) und Unlustsituationen (saurer Zitronensaft auf Zunge, emotionaler Unmut) ausgesetzt. Mittels Zucker und Salz wurde die Zungenoberfläche gereizt und die Veränderungen der Potentialverläufe aufgezeichnet. Auch die Messung des Hautpotentials der Penisglans während eines masturbatorischen Aktes konnte von Reich festhalten werden (vgl. Reich 1937, S.29).  

Aus den verschiedenen Versuchsreihen, die zwischen 1935 und 1937 stattfanden, erhielt Reich Ergebnisse, die seiner Meinung nach die Richtigkeit der Spannungs-Ladungs-Formel bestätigen. Eine ausführlichere Darstellung der Ergebnisse und einer Reihe von Experimenten im Rahmen der bioelektrischen Untersuchung von Sexualität und Angst ist in Reich (1937) zu finden. Das operationalisierte Ziel war es, das Schema der Spannungs-Ladungs-Formel experimentell zu erforschen und die Bedingungen zu durchleuchten, die den Sprung von mechanischer Spannung zur elektrischen Ladung ermöglichen. Zur Beziehung zwischen elektrischer Potentialerhöhung und Lusterregung stellt Reich fest:  

"Das Potential erhöht sich nicht, wenn mit der Blutfüllung des Organs nicht auch eine erogene, strömende Empfindung verbunden ist. Das Glied kann also erigiert sein, ohne daß eine Potentialerhöhung statthat." (Reich, 1937, S. 13)  

Die ursprüngliche Annahme, daß die Erektion des Gliedes an sich mit einer Potentialsteigerung verbunden sei, erwies sich als falsch. Diese Besonderheit gilt nicht nur für die primären Geschlechtsflächen alleine, sondern für alle sexuell erregbaren Körperzonen (erogenen Zonen), wie z.B. auch für die erigierte Brustwarze. Allgemein formuliert heißt dies, daß sich ein erhöhter Gewebsturgor einstellen kann, ohne daß eine lustvolle Erregung folgt. Wesentlich ist jedoch der unmittelbare Zusammenhang von Potentialanstieg und erogener Empfindung.  

"Die Erhöhung des Potentials an der sexuellen Zone geht immer einher mit einer Steigerung des Lustempfindens und umgekehrt die Erniedrigung des Potentials mit einem Schwund der lustvollen Empfindung." (Reich 1942, S. 280)  

Diese Feststellung ist in der sexualökonomischen Theorie als sehr wichtig und spricht für die funktionelle Natur der Beobachtungen. Statistisches Datenmaterial bringt Reich kaum. Ebenso führte Reich bei seinen Experimenten keine echten statistischen Untersuchungen durch und er bringt (außer deskriptive Schätzwerte) kein genaues Zahlenmaterial. Es wäre hier von Interesse, wie dieser Zusammenhang ausgebildet ist (z.B. auch im korrellationsstatistischen Sinne), welchen inneren und äußeren Faktoren er unterworfen ist, von welchen äußeren Größen er modifiziert wird, etc. Reich bringt aber umfangreiches empirisches Material.  

Der Personenfaktor im Zusammenhang mit den Potentialschwankungen dürfte allerdings wichtig sein: Im Gegensatz zu solchen vegetativ nicht erkalteten Versuchspersonen zeigen affektgesperrte und vegetativ starre Menschen, wie zum Beispiel Katatoniker, keine bzw. nur sehr schwache Potentialverschiebungen als Reaktionen auf potentiell lusterzeugende Reize. Diese Potentialverschiebungen liegen im Bereich des Wertes nichterogener Hautflächen, also etwa bei +10mV. Die Aufzeichnung der elektrischen Ladung und Entladung der Haut erfordert daher auch eine geeignete Auswahl an Versuchspersonen bzw. sollte bei den Versuchspersonen der Grad ihrer vegetativen Beweglichkeit berücksichtigt werden. Reich meint, daß der Grad der Panzerung eine große Rolle beim Verlauf der Potentialkurven spielt. Die gepanzerte Person verhindere die libidinöse Erregung der erogenen Zonen
(= „vegetative Peripherie“). Unmittelbarer Ausdruck der somatischer Panzerung ist die mit ihr einhergehende mangelnde periphere somatische bioelektrische Aufladung.
     

Da die Sexualökonomie eine Wissenschaft vom "Lebens- und Sexualprozeß" ist, ist die Meinung weit verbreitet, daß sich eine solche mit exakter Mathematik (Statistik) nicht vereinbaren läßt. Ein solches Vorgehen hat der naturwissenschaftlichen Seite Reichs wahrscheinlich sehr geschadet und Raum gelassen für Mystifizierungen der Thesen der Sexualökonomie und der Orgonomie. Daß sich funktionelle Betrachtungsweisen und exakte Mathematik durchaus vereinabaren lassen, beweist das Werk des deutschen Physikers Burkhard Heim (vgl. Heim 1980, 1982a und 1982b, 1990). In seiner "einheitlichen Quantenfeldtheorie" lassen sich viele Aspekte von Reichs Wissenschaftsauffassung wiedererkennen.

Auch der Menstruationszyklus beeinflußt die Höhe der peripheren Ladung: Es folgen die Aufzeichnungen zweier Ableitungen von der Analschleimhaut zur Zeit der Menstruation (b) und im Zustand der libidinösen Erregung (a) zu verschiedenen Zeitpunkten.  


Abbildung 3a und b: Potentionalkurven, abgenommen von der Anusschleimhaut einer Frau: a) in Lust; b) in prämenstrueller Depression (nach Reich 1937, S. 29).

Reich führt die ungleichen Potentialverläufe auf die unterschiedlichen emotionalen Zustände der Versuchsperson zu den beiden Meßzeitpunkten zurück. Über die Gegensätzlichkeit von Lust- und Angsterregung faßt Reich zusammen:   "Einzig und allein biologische Lust, die mit dem Empfinden des Strömens und der Wollust einhergeht, ergibt Steigerung der bioelektrischen Ladung. Alle anderen Erregungen, Schmerz, Schreck, Angst, Druck, Ärger, Depression, gehen mit Erniedrigung der Oberflächenladung des Organismus einher." (Reich 1942, S. 284)  

Die grundsätzliche Bestätigung der S-L-Formel als eine allgemeine und spezifisch für das Lebendige gültige Grundformel gab Reich die Möglichkeit, einen weiteren Schritt bei der theoretischen Lösung des Widerspruchs zwischen Materialismus und Vitalismus zu setzen:  

Die Spannungs-Ladungs-Formel setzt sich aus zwei in der Natur vorkommenden Funktionen zusammen. Es sind dies die Funktionen der Oberflächenspannung und der Elektrik, die schon im anorganischen Bereich der Physik exakt beschrieben wurden. Es lag die Frage auf der Hand, ob die S-L-Formel deshalb auch auf Prozesse in der nichtlebenden Natur anwendbar ist. Nach dem Reichschen Modell kommt das, was wir Leben nennen, durch die spezifische dialektische Anordnung der beiden Funktionspaare zustande: Aber die Anwesenheit dieser dialektischen Anordnung selbst bedingt noch kein Leben, erst durch das, was dauraufhin folgt: Das Grundlegende für den Lebensprozeß ist dabei der dialektische Sprung von der Oberflächenspannung zur elektrischen Ladung, das Charakteristische dabei ist das Schwingen bzw. Oszillieren (Pulsieren) dieser beiden Funktionen in Zellen, Organen und Organismen.      

2. Der Orgonakkumulator

A.  Das Bauprinzip der Orgonakkumulators

Der Orgonakkumulator (OA, ORAK) ist ein Gehäuse aus organischem Material (z.B. Holz, Celotex, Kunststoffplatte), dessen Innenwände mit dünnem Eisenblech ausgekleidet sind (Reich 1949f). Diese einfache Anordnung genügt, um eine Konzentration der atmosphärischen Orgonenergie herbeizuführen. Die Theorie gibt folgende Auskunft über die Wirkungsweise des Orgonakkumulators:  

"Der Mechanismus dieser Konzentration beruht auf zwei Tatsachen.
1. Organische Stoffe jeder Art ziehen Orgon an sich und halten es fest. Umgekehrt zieht orgonhaltiges Material kleine organische Partikel an sich und hält sie fest.
2. Metallische Stoffe, im besonderen Eisen, ziehen Orgon an sich, stoßen es aber rasch wieder ab. Umgekehrt stößt orgongeladenes Metall metallische Partikel ab." (Reich 1949f, S. 128)  

Die Wirkungsweise des Orgonakkumulators besteht im antithetischen Verhalten von organischen bzw. elektrisch isolierenden Materialien und metallischen Stoffen. Für weitere Ausführungen soll eine derartige Kombination von einer Schichte isolatorischem Materials und einer Schichte metallischem Materials (Eisenblech) "Doppelschicht" genannt werden. Aufgrund der spezifischen Anordnung der Doppelschicht ergibt sich eine Akkumulation der Strahlung im Innenraum der Box. Reich unternahm auch Versuche mit Orgonakkumulatoren, deren Wände aus mehreren Doppelschichten aufgebaut waren. Die Wirkung des Akkumulators schien bis zu einer gewissen Doppelschichten - Anzahl verstärkbar zu sein.  

"Die organische Hülle nimmt die Energie aus der Atmosphäre auf und gibt sie nach innen ans Metall weiter. Das Metall strahlt die Energie nach außen ... [und] ... nach innen in den freien Raum des Akkumulatorinnern ab. Die Bewegung der Energie ist nach innen frei, nach außen gehindert. Daher kann sie innen frei oszillieren, außen nicht. Ein Teil der vom Metall nach außen abgegebenen Energie wird überdies ... aufgesaugt und ans Metall zurückgegeben. Wie die Energie das Metall durchdringt, wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß sie es tut, denn die subjektiven und die objektiven Erscheinungen sind innerhalb des Apparats bedeutend intensiver als außerhalb." (Reich 1949f, S. 134f.); Hervorhebung GH.  

Daß es die vielerorts beschriebenen Effekte gibt, daran wird hier nicht gezweifelt. Solange Reich aber nicht weiß, wie die Energie das Metall durchdringt, solange muß die von ihm beschriebene Orgontheorie als eine Hypothese behandelt werden. Wir wissen letztlich immer noch nicht, was im Orgonakkumulator wirkt, nur daß er wirkt.  
Es darf- wenn man der Orgontheorie Glauben schenkt - nicht angenommen werden, daß die Bewegung der Energie, wie Reich sie vermutet, nur von außen nach innen erfolgt. Reich mutmaßte, daß der resultierende Vektor der beiden Flußrichtungen außen---innen und innen---außen aufgrund der spezifischen Materialanordnung in Richtung außen---innen zeigt. Der Einstrom der Strahlung in den Kasten überwiegt gegenüber dem Ausstrom aus dem Kasten heraus.

Abbildung 4: Symbolbild eines einschichtigen Akkumulators. Dem Modell zufolge soll mehr Strahlung ein- als ausfließen und im Inneren des Kastens angehäuft werden.

Reich meinte, daß die Orgonenergie alle Materialien durchdringen könne, nur sei die Durchdringungsgeschwindigkeit je nach Dichte des Materials sehr unterschiedlich (Reich 1949e und 1976). Am Orgonakkumulator ließ sich auch ein für physikalische Forschungsbereiche atypisches Gesetz formulieren: Das "orgonomische Potentialgesetz" besagt, daß eine im Vergleich zur Umgebung höhere Konzentration von Orgonenergie demnach bestrebt ist, die Differenz zu vergrößern. Mittels dieses Gesetzes glaubte Reich (1976), auch meteorologische Prozesse in der Atmosphäre beeinflussen zu können. Weiters wurde im Zusammenhang mit diesem Gesetz immer wieder die Diskussion aufgeworfen, ob dadurch die Allgemeingültigkeit des ersten Hauptsatzes der Wärmelehre in Frage gestellt sei (vgl. Reich 1949f, SEILER 1982). Eine derart grundsätzliche Frage wird aber erst wohl nach umfangreichen Experimenten eindeutig beantwortet werden können.      
  
B.  Einflüsse auf die Akkumulatorwirkung

Eine Reihe von Faktoren, die auf die quantitative Wirkung des Orgonakkumulators einen Einfluß haben, sind in der Folge aufgezählt. Sie wurden meist empirisch beobachtet, ohne daß ihr Einfluß quantitativ unter experimentellen Bedingungen überprüft wurde. Sie stammen ausschließlich aus dem Bereich der Empirie und wurden von Reich (1951b) und seinen Mitarbeitern, sowie von späteren Forschern beschrieben.  

Luftfeuchtigkeit: Die relative Luftfeuchtigkeit der Atmosphäre beeinflußt die Wirkung des Orgonakkumulators merklich. Je höher die Luftfeuchtigkeit, desto schwächer die Wirkung. Nach Reich sind relative Luftfeuchtigkeiten zwischen 40 und 50% eine gute Bedingung für die Konzentration der Orgonenergie (Reich 1949f). Reich beschreibt an mehreren Stellen seiner orgonphysikalischen Arbeiten die starke wechselseitige Affinität von Orgon zu Wasser und umgekehrt (Reich 1949e). Als Beispiel dafür läßt sich anführen, daß geglühte Materie sehr gierig Wasser aufsaugt, was zur Quellung der Materie führt.  

Die Art des verwendeten Materials: Die Fähigkeit elektrisch isolierender Stoffe zur Orgonspeicherung hängt auch von ihrer Tendenz ab, Wasser aufzunehmen. So sind zum Beispiel Baumwolle oder Holz zwar prinzipiell für den Akkumulatorbau geeignet bzw. wurden sie dafür schon verwendet. Durch ihre Tendenz, aus der Luft die Luftfeuchtigkeit aufzunehmen, ist ihre effektive Nutzung jedoch nur bei trockener Luft möglich. Es verhält sich dabei so, daß diese Materialien diese Energie leicht auf-, aber nicht ohne weiteres abgeben. Es dürfte das Wasser die Fähigkeit besitzen, die biologische Strahlung zu binden. Ist das organische bzw. isolierende Material des Akkumulators feucht, dann saugt es selbst diese Energie auf, hält sie fest und es kann entsprechend weniger frei bewegliche Orgonstrahlung in Richtung Innenraum weitergelangen (Reich 1949f).  

Als wirksame Materialien für Akkumulatoren erwiesen sich Stoffe mit keiner oder nur minimaler Fähigkeit zur Wasseraufnahme, wie Glas- und Steinwolle. Aber auch Kunststoffolien stellen geeignete Materialien für den Aufbau der anorganischen/isolatorischen Schichte eines Orgonakkumulators dar (vgl. Demeo 1989a und SENF 1981c).  

Die Innenseite des Orgonakkumulators begrenzt meist eine verzinkte Eisenblechplatte. Auch unverzinktes Eisenblech wurde schon verwendet. Für den Einsatz im Humanbereich empfiehlt Reich dringend den ausschließlichen Gebrauch von verzinkten oder unverzinkten Eisenblechplatten im Orgonakkumulator. Versuche mit Aluminium anstelle von Eisenblech ließen den Verdacht aufkommen, daß Aluminium in dieser Anordnung eine toxische Wirkung auf den Organismus ausübt (Reich 1951b).  

Geographische Breite: Mit Ansteigen der geographischen Breite soll auch die Wirkung des Orgonakkumulators sinken. Er wirkt am Äquator am besten. Diese Feststellung dürfte eher eine theoretisch abgeleitete sein, ebenso wie die Annahme unter Punkt 4.  

Entfernung von der Meereshöhe: Mit zunehmender Höhenlage soll der Akkumulator besser funktionieren, da das Orgon durch die dünnere Luft weniger an die Gaspartikel der Luft gebunden und so besser akkumulierbar sein soll.  

Anzahl der in nächster Nähe befindlichen Akkumulatoren: Je mehr Akkumulatoren auf kleinem Raum, umso stärker soll ihre Wirkung sein.  

Anzahl der Doppelschichten des Akkumulators: Eine einzige Doppelschicht reicht aus, die konzentrierende Funktion der Gerätes darzustellen. Mit zunehmender Doppelschichtanzahl wird die Wirkung des Orgonakkumulators erhöht. Jedoch soll es eine beliebige Vermehrung der Schichten ab einer bestimmten Grenze keinen Gewinn mehr zeigen. Bei der Messung der sog. Temperaturdifferenz To-T (Temperatur im Inneren des Akkumulators gegen die OA-Umgebung) stellten sich bei der Verwendung von Orgonakkumulatoren mit vielen (24) Schichten Umkehreffekte ein. Für den Durchschnitt empfehlen sich 3 bis 5 Schichten. Im Rahmen seiner Behandlungen von terminalen Krebspatienten setzte Reich Akkumulatoren bis 24 Schichten ein.

Die Entfernung des Organismus von der Eisenblechplatte im Inneren des Akkumulators. Liegt der Organismus mehr als 5 bis 10 cm entfernt von der Eisenblechplatte, so gibt es einen wesentlichen Abfall der Wirkung. Dies ist vor allem bei eher unterladenen, erschöpften Menschen der Fall. In diesem Falle bedarf es einer Art Anlaufzeit, bis das körpereigene Orgonfeld, das über die Grenzen des physischen Körpers hier eben wenig hinausragt, zu erstrahlen beginnt, d.h. weiter wird. Dies erfolgt bei Menschen, die orgonotisch stark geladenen sind, viel rascher. Daher wird auch die knappe Abmessung eines Orgonakkumulators für Ganzkörperbestrahlung verständlicher (ca. 140 X 80 X 70 cm).  

Wetterlage und Jahreszeit: Bei "Schönwetter" (das ist im orgonomischen Sinne klares windiges Wetter mit Sonnenschein mit mittlerer Luftfeuchtigkeit) gibt es normalerweise stärkere Wirkungen (im Sinne von meßbaren Effekten, später dazu mehr) als bei "unbewegten" und "trägen" Bedingungen der Atmosphäre und hoher Luftfeuchtigkeit (Nebel, Smog). In ausgeprägten Phasen dieser Trägheit und Stille in der Atmosphäre ist die Wirkung des Orgonakkumulators quantitativ schwächer und sie soll auch qualitativ weniger hochwertig sein. Die subjektiv wahrnehmbaren Effekte des Orgonakkumulators bei Schönwetter sind im Vergleich zu trägen Wetterbedingungen stärker. Trotzdem erzeugt der Orgonakkumulator bei letzterer Großwetterlage ebenfalls die typischen Empfindungen, wenn auch schwächer (vgl. auch Demeo 1989a). Im Winter soll es überdies schwächere Effekte geben als im Sommer.     

C.  Psychologische und psychophysiologische Effekte des Orgonakkumulators

Auf die physikalischen Effekte des Orgonakkumulators kann hier nicht näher eingegangen werden. Bisher gab es aber Untersuchungen zur erhöhten Kasteninnentemperatur im Orgonakkumulator, zum verzögerten elektroskopischen Entladungsverhalten im Orgonakkumulator, zur verzögerten Wasserverdunstung im Orgonakkumulator und zu Leuchteffekten in Hochvakuumröhren (vgl. Hebenstreit 1995a). In der Folge werden experimentelle Studien zum Orgonakkumulator dargestellt werden, womit klinische Experimente und Berichte, die von Reich selbst, wie auch von einer Reihe anderer Forscher eingebracht wurden, weitgehend ausgeschlossen sind. In Gebauer & Müschenich (1987) findet sich eine gute Zusammenfassung klinischer Arbeiten, die die Wirkungsweise des Orgonakkumulators im medizinischen Bereich anschaulich darstellen, sodaß hier ein Verweis auf diese Zusammenstellung genügt. Wesentlich sind hier nur Arbeiten, die der Konkretisierung der Fragestellung dienen.     

I.  Körpertemperaturveränderungen

In der Physiologie liegt die Grenze, ab der von einer "signifikanten" Änderung der Kerntemperatur gesprochen werden kann, bei ca. 0,1 bis 0,15 Grad C (vgl. SILBERNAGL & DESPOPOULOS 1988). Die Körperkerntemperatur ist eine der konstantesten physiologischen Größen überhaupt (BRÜCK 1990). Ein fein eingestelltes Regulationssystem besorgt diese Konstanthaltung.  

Reich entdeckte 1942 eine Erhöhung der Körperkerntemperatur, die mehrere Zehntel Grad und mehr betragen konnte, wenn eine Testperson (oder ein Patient) für etwa 15 bis 40 Minuten einen Orgonakkumulator aufsucht (Reich 1949f, S. 322). Die Erhöhung der Kerntemperatur tritt bei verschiedenen Versuchspersonen unterschiedlich schnell auf und erreicht unterschiedlich hohe Werte nach unterschiedlich langen Anstiegszeiten. Liegt die Temperatur des Körperkernes nahe an der Fiebergrenze (37°), so überschreitet die Kerntemperatur der betreffenden Person normalerweise diese Grenze nach einiger Zeit des Aufenthaltes im Orgonakkumulator (Reich 1949f). Genauere Ausführungen zur Versuchsanordnung macht Reich kaum.  

Ritter & Ritter (1953; nach Boadella 1980) untersuchten in zwei Blind-Versuchen die thermischen Wirkungen des Orgonakkumulators. In beiden Versuchsreihen waren die Versuchspersonen nicht informiert, die Versuchsleiter hingegen schon. Die Versuchspersonen absolvierten mehrere Sitzungen. Die erste Versuchsreihe fand im Winter 1949/50 mit 8 Versuchspersonen statt, die insgesamt 35 Sitzungen absolvierten. In der zweiten Untersuchung absolvierten 4 naive Versuchspersonen insgesamt zehn Sitzungen. Das Forscherpaar untersuchte die von Reich beschriebenen Akkumulatoreffekte mittels eines vierschichtigen Orgonakkumulators und einem Kontrollkasten, der nur aus Preßspanplatten bestand. Es wurden die Körperkerntemperatur und subjektive Körperwahrnehmungen bzw. Empfindungen erhoben. Der Versuch fand in einem ungeheizten Raum statt. Die unbekleideten Versuchspersonen betraten zuerst den Kontrollkasten, dann den Orgonakkumulator. In der Attrappe waren keine Erhöhungen der sublingual (am Zungengrund) gemessenen Kerntemperatur zu verzeichnen. Im Vergleich zum Orgonakkumulator traten bei der ersten Versuchsreihe Erhöhungen der Kerntemperatur zwischen 0,06 und 0,75°C ein. Die ermittelten Höchstwerte wurden zwischen 20 und 80 Minuten nach dem Betreten des Orgonakkumulators erreicht. Bei der zweiten Versuchsreihe lagen die Kerntemperaturerhöhungen zwischen 0,11 und 0,5°C (vgl. Boadella 1980, S. 168f.). Da sich die Autoren ausschließlich auf deskriptive Aspekte der Darstellung der Ergebnisse beschränkten, fehlen statistische Signifikanztests. Insoferne gelten die Ergebnisse dieser Studie als Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen.

Gebauer & Müschenich (1987) untersuchten erstmals die Effekte des Reichschen Orgonakkumulators mittels professioneller psychophysiologischer Methodik. In einem Doppel-Blind-Versuch gingen sie der Fragestellung nach, ob sich die psychophysiologischen Meßvariablen wie Kerntemperatur, Fingertemperatur und Pulsfrequenz während eines 30-minütigen Aufenthaltes im Orgonakkumulator signifikant verändern. Als Parameter wurden bei den beiden Temperaturvariablen sowohl der Durchschnittswert der gesamten Sitzung wie auch der Höchstwert der Sitzung ermittelt. Bezugspunkt für die postulierte Veränderung war wie bei Ritter & Ritter (1953) auch hier wiederum eine optisch idente und wärmetechnisch weitgehend angeglichene Akkumulator-Attrappe. Die Attrappe enthielt in ihnen Wänden nur Holz und Wärmeisolationsmaterial, während der Akkumulator über 7 Doppelschichten verfügte. Um einen Basiswert für die Veränderungen während der Orgonakkumulator- bzw. Attrappensitzungen ermitteln zu können, absolvierten die Versuchspersonen jeweils vor der "Kasten"-Sitzung eine 15-minütige Entspannungs- bzw. Ruhesituation. Im Hauptversuch kamen 10 Versuchspersonen an 10 Tagen sowohl zu einer Orgonakkumulator- wie auch zu einer Attrappensitzung.
Die Autoren fanden bei den Parametern "durchschnittliche Körperkerntemperatur" und "Höchstwert Körperkerntemperatur" einen hoch signifikanten Einfluß des Orgonakkumulators im Vergleich zum Attrappenkasten. Während bei der "durchschnittlichen Kerntemperatur" die durchschnittliche Differenz zwischen der Attrappensitzung und der vorangestellten Ruhesituation +0,03 Grad C betrug, stieg die Differenz zwischen Orgonakkumulator und Ruhesitzung auf +0,20 Grad C an. Während erstere Differenz nicht signifikant blieb, bedeutete die zweite Differenz der Körperkerntemperatur eine signifikante Erhöhung. Das Signifikanzniveau lag bei der varianzanalytischen Überprüfung (MANOVA) auf dem 1%-Niveau, was bedeutet, daß dieser Unterschied statistisch sehr bedeutsam ist. Der durchschnittliche Höchstwert in der Orgonakkumulatorsitzung des Parameters "Höchstwert Kerntemperatur" unterschied sich signifikant sowohl von der 15-minütigen Ruhesitzung im allgemeinen, als auch von dem der Attrappensitzung auf dem 1 %-Niveau.      

II.  Hauttemperaturveränderungen

Bei den Parametern Durchschnitts-
Fingertemperatur und Höchstwert-Fingertemperatur fanden Gebauer & Müschenich (1987) ebenfalls einen hochsignifikanten Einfluß des Orgonakkumulators gegenüber dem Kontrollkasten (KK) auf dem 1%-Niveau. Während die Differenz der "durchschnittlichen Hauttemperatur" (gemessen am Handrücken der rechten Hand) zwischen KK und Ruhesituation +0,62 Grad C betrug, brachte jene zwischen Akkumulator und Ruhesituation eine Erhöhung von +1,48 Grad C. Der Unterschied zwischen diesen beiden Differenzen untereinander ist auf dem 1%-Niveau signifikant, d.h. OA und KK unterschieden sich bedeutend und statistisch bedeutend.
Beim Parameter "Höchstwert-Fingertemperatur" betrug die Differenz Attrappe - Ruhesituation +1,05°C, die Differenz Orgonakkumulator - Ruhesituation +2,06°C. Unterscheiden sich die Differenzwerte jeweils von den Temperaturen der vorher stattgefundenen Ruhesituation signifikant auf dem 1%-Niveau, so gibt es einen signifikanten Unterschied der Differenzwerte (zw. OA und KK) untereinander auf einem 5%igen Niveau.  

Gebauer & Müschenich (1987) interpretieren ihre Ergebnisse folgendermaßen:  

"Wie schon beschrieben, unterscheiden sich Orgonakkumulator und Kontrollkasten hinsichtlich ihrer Wärmedämmeigenschaften nur unwesentlich voneinander. Die oben aufgeführten Ergebnisse interpretieren wir deshalb dahingehend, daß zusätzlich zu den Isolationseinflüssen, die ja in beiden Kästen vergleichbar sind, im Orgonakkumulator ein weiterer physikalischer Wirkungsfaktor hinzukommt, der auf das Thermoregulationssystem der Haut im Sinne einer weiteren Erhöhung einwirkt." (Gebauer & Müschenich 1987, S. 247f; Hervorhebung vom Autor).  

Ob dieser geforderte Faktor die von Reich postulierte Orgonstrahlung ist, bleibt aber offen. In einer anderen experimentellen Arbeit zu den psychophysiologischen Effekten des Orgonakkumulators untersuchte Snyder (1990) die periphere Körpertemperatur, die Hautleitfähigkeit und weiters eine Reihe subjektiver und meteorologischer Parameter. Der Orgonakkumulator bestand in dieser Untersuchung aus nur zwei Doppelschichten. Die Messungen der Temperatur erfolgten mit einem digitalen Biofeedback-Temperaturmeßgerät mit Meßfühler. 30 Versuchspersonen, die vom eigentlichen Versuchsziel nichts wußten und eine anders lautende, nämlich eine Scheininstruktion erhielten, besuchten nach randomisierter (zufälliger) Vorgabe entweder den Orgonakkumulator oder eine optisch idente Attrappe. Laut Instruktion hatte die Studie das Ziel  

"... die Auswirkungen eines 15-minütigen Aufenthalts in der Beengtheit einer Isolationszelle auf die autonomen Funktionen der Hauttemperatur und der EDR (elektrodermale Reaktion) zu studieren. Der tatsächliche Inhalt des Experiments wurde verschwiegen." (Snyder 1990, S. 11)  

Waren bei Gebauer & Müschenich die Versuchspersonen je 10 Mal im Orgonakkumulator und in der Attrappe, so erfolgte im Versuch von Snyder die Zuordnung der Versuchspersonen nach einem Entweder-Oder-Prinzip. Beide Kästen befanden sich in verschiedenen Räumen. Vor der Sitzung im zugeteilten Kasten wurde die Temperatur des Fingers ermittelt. Wenn diese innerhalb einer Minute um nicht mehr als 0,1°C schwankte, wurde der aktuelle Wert als Ausgangstemperatur für die Differenzwerte akzeptiert. Es wurden neben der Fingertemperatur und dem Hautleitfähigkeitsniveau auch die Raumtemperatur, die Temperatur im Innern der Kästen sowie meteorologische Kennwerte festgehalten. Bei der Fingertemperatur wurde minütlich die Akkumulator- bzw. Attrappentemperatur erhoben. Bei der Auswertung wurden minütliche Durchschnittswerte berechnet und die Differenzwerte zwischen der Attrappe und dem Akkumulator gebildet. Bezüglich der Fingertemperatur konnte Snyder das Experiment von Gebauer & Müschenich bestätigen:  

"Das Hauptergebnis dieses Experimentes ist eine nachgewiesene Durchschnittserhöhung von 1,9° C im Akkumulator gegenüber einer durchschnittlichen Erhöhung von 0,4 °C im Kontrollgehäuse. Mittels einer Einweg-Varianzanalyse wurde festgestellt, daß sich der Akkumulator von der Kontrolle beträchtlich unterscheidet (p < .04)." (Snyder 1990, S. 11)

Der Term (p< .04) bedeutet, daß sich ein signifikanter Unterschied zwischen Akkumulator und Kontrolle feststellen ließ. Von einem geschlechtsspezifischen Merkmal der Fingertemperatur berichtet Snyder, wobei die Temperaturwerte der weiblichen Teilnehmer sehr viel mehr variierten, als die der männlichen Teilnehmer. Neben diesen Gruppenkennwerten der Fingertemperatur gab es starke interindividuelle Unterschiede. Meist lag der Bereich des Temperaturanstiegs zwischen 3,9°C und 5,6°C. Andere Kandidaten zeigten in den Kästen keinerlei Temperaturveränderungen im Vergleich zur Grundtemperatur, bei einer Versuchsperson (Vp) sank sie sogar um 1,1°C ab. Aufgrund des experimentellen Aufbaus glaubt Snyder aussagen zu können,  

"... daß Fingertemperaturdifferenzen auf den Versuchsaufbau zurückzuführen waren, nämlich auf den zweischichtigen Orgonakkumulator." (Snyder 1990, S. 13)  

Es stimmen die Ergebnisse von Snyder grundsätzlich mit der Studie von Gebauer & Müschenich überein, jedoch nimmt Snyder an, daß durch seine Vorgehensweise der Haupteffekt durch die starke interindividuelle Streuung der Versuchspersonen undeutlich blieb.      

III.  Elektrodermale Veränderungen

Ein weiterer Parameter, den Snyder (1990) erhob, war die "elektrodermale Reaktion" (EDR). Aufgrund der Beschreibungen läßt sich entnehmen, daß Snyder das SCL (Skin Conductance Level bzw. das Hautleitfähigkeitsniveau; nach Walschburger 1976 und Boucsein 1988) gemessen hat. Nähere Einzelheiten über die Art der Aufzeichnung der SCL-Werte gibt Snyder nicht bekannt, was allerdings wichtig wäre. Denn:  

"Die EDR-Daten korrelieren in keiner Weise mit den Daten der Fingertemperaturen. Die höheren EDR-Werte ergaben sich jeweils am Beginn und am Ende des Experiments, was größere Angst zu diesen Zeitpunkten anzeigt, weniger in der Mitte des Experiments."
(Snyder 1990, S. 12)  

Hat Snyder die SCL-Werte minütlich gemessen, wie er angibt, so hat er die großen Schwankungen dieser Variable nicht zuverlässig erfaßt, da sich die Meßwerte der elektrodermalen Reaktion im Vergleich zur Fingertemperatur um ein Vielfaches schneller verändern. Eine minütliche Registrierung des SCL ist mangelhaft, da das Meßinterwall zu große Zwischenräume läßt. Auch die enge Gleichsetzung von Anstieg der Hautleitfähigkeit mit Angst ist nach neuen Konzepten der Psychophysiologie nicht gerechtfertigt, da sich Erhöhungen der Hautleitfähigkeit auf unterschiedlichste innere und äußere Reize einstellen können. Angst stellt insoferne nur eine Möglichkeit dar, die zur Erhöhung des SCL führen kann. So kann die Erhöhung des SCL zu Beginn und am Ende der Sitzung ebenso Ausdruck einer psychophysischen Aktivierung sein, einer Orientierungsreaktion entstammt, oder sie kann von schnelleren oder tieferen Atmungzügen stammen etc.    
  
IV.  Kardiovaskuläre Veränderungen

Reich (1949f) schreibt neben Änderungen der Kerntemperatur durch die Orgonakkumulatorsitzung auch über Veränderungen des Herzkreislaufsystems.
Reich berichtet im Zusammenhang mit der Behandlung von terminalen Krebspatienten, daß die Hautblässe bzw. die aschfahle Haut nach einigen Wochen einer rosa Färbung Platz machte. Dieser Effekt soll begleitet sein von einer Veränderung des Zerfallverhaltens der roten Blutkörperchen. Bei letzteren soll sich die Zerfallsgeschwindigkeit verlangsamen.
Weiters soll eine allfällig vorhandene Anämie durch eine wiederholte Behandlung mit dem OA wegfallen. Noch weitere Parameter des Blutbildes werden von den Orgonakkumulatorwirkungen beeinflußt
(vgl. Lassek 1981 und Lassek & Gierlinger 1984 und Lassek 1989).

Bezüglich kardiovaskulärer Parameter stellt Reich (1949f) fest:  

"Eine sehr erfreuliche und zukunftsreiche Wirkung ist die Herabsetzung des Blutdrucks bei vaskulärer Hypertension."
(Reich 1949f, S. 339)  

Reich führt diesen Effekt auf die generell vagotone (durch Aktivierung des Parasympathicus zustande kommende) Wirkung des Orgonakkumulators zurück. Diese Wirkung wurde im klinischen Bereich entdeckt, ist aber experimentell im Laborversuch noch nicht untersucht.  

Gebauer & Müschenich (1987) untersuchten in ihrer experimentellen Doppel-Blind-Studie auch den Einfluß des Orgonakkumulators auf die Pulsfrequenz. Die Pulsfrequenz wird weitgehend über den im Vorhof gelegenen Sinusknoten des Herzens geregelt. Vom vegetativen Nervensystem kommend greifen auch parasympathische und sympathische Nervenfasern (Innervationen) in die Regulation der Herzfrequenz ein. Der Vagus wirkt senkend, der Sympathikus steigernd auf die Schlagfrequenz des Herzens. Entsprechend der Reichschen Hypothese, der Orgonakkumulator wirke vagoton, müßte also die Pulsfrequenz während des Aufenthalts im Orgonakkumulator absinken. Bei der Untersuchung von Gebauer & Müschenich stellte sich ein entgegengesetzter Effekt ein. Es wurden wiederum die Differenzwerte zwischen der Ruhesituation und der darauffolgenden Kastensitzung (Orgonakkumulator oder Attrappe) berechnet.  

"Der nun mögliche Vergleich der Mittelwerte zeigt, daß die Herzfrequenz zwischen Entspannungssessel und Attrappe um durchschnittlich 0,28 Herzschläge pro Minute sank, während zwischen Sessel und Akkumulator ein Ansteigen um 3,91 Herzschläge pro Minute vorliegt", was einem hoch signifikanten Ergebnis entspricht."
(Gebauer & Müschenich 1987, S. 242)  

Die Erhöhung der Pulsfrequenz stellt sich durch eine dominante Sympathicusinnervation ein. Diesen Widerspruch vermögen die Autoren nicht ohne weiteres zu lösen. Sie berufen sich auf eine Annahme von Lassek (1982), die dahin geht, daß in einer sogenannten "Initialphase" während der ersten Sitzungen einer Serie von Akkumulatorsitzungen eine sympathische Anfangsreaktion des vegetativen Nervensystems überwiegt und anschließend diese von einer Reizung parasympathischer Zentren abgelöst wird, was die eigentliche Heilwirkung bedingt.   Gebauer & Müschenich warfen die Diskussion um Reichs Begriff der Vagotonie auf und stellten fest, daß ihr Zusammenhang mit der spezifisch sexualökonomischen Definition von Vagus und Sympathicus noch eingehender untersucht werden müßte. Sie fassen nochmal die Hauptaspekte ihrer Arbeit zusammen:

"Wie schon bekannt, behauptete Reich erstens, daß sich physiologische Veränderungen während der Akkumulatorsitzungen ergeben, zweitens, daß sich diese Veränderungen größtenteils als vagotone Reaktionen verstehen lassen, drittens, daß sich die Körperkerntemperatur erhöht, viertens, daß hierbei eine Wetterabhängigkeit besteht und fünftens, daß Ausmaß und Art der Veränderungen von Person zu Person variieren. Unsere Untersuchung wurde in der Absicht angelegt, eine objektive und empirische Überprüfung dieser Annahmen durchzuführen. Aus unseren Ergebnissen und statistischen Auswertungen läßt sich ersehen, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit physiologische Veränderungen während der Akkumulatorsitzungen eintreten und daß diese Veränderungen jeweils stärker ausfallen als in einem Kontrollkasten. Am aussagekräftigsten hinsichtlich der Fragestellung waren die Ergebnisse der Haut- und Kerntemperatur, während sich die Herzfrequenz entgegen der angenommenen vagotonen Reaktion erhöhte."
(Gebauer & Müschenich 1987, S. 255)      
  
V.  Wärmeempfinfungen und andere subjektive Empfindungen

Schon beim Experimentieren mit mikroskopischen Proben (SAPA-Bionen), mit denen die Wirkung der Spannungs- Ladungs- Formel im mikrobiologischen Bereich untersucht wurden, verspürten Reich und auch seine Mitarbeiter subjektive Empfindungen, die von den SAPA-Bionen selbst und später auch vom Orgonakkumulator auszugehen schienen. Bei Sitzungen im Orgonakkumulator konnten diese Empfindungen noch deutlicher verspürt werden. Besonders deutlich sollen die Empfindungen werden, wenn die sensible Hautoberfläche ganz nahe an die Metallinnenwand des Orgonakkumulators gehalten wird, ohne sie zu berühren. Reich zählt häufig beobachtete und berichtete Veränderungen bzw. Empfindungen auf:

"Subjektive Wärmeempfindungen bis zum Aufwallen von Hitzeempfindungen, Schweißausbruch, Rötung der Haut oft im Gesicht und Nacken, aber auch an anderen Körperstellen. Sensationen von Prickeln, Ameisenlaufen etc. [...] Verschwinden von Spannungen und Schmerzen."
(Reich 1949f, S. 338)  

Auffallend ist, daß empfindsame Menschen vegetativ schneller und stärker reagieren als Menschen, die auch sonst über relativ wenig vegetative Empfindungen berichten. Sowohl Reich (1949f), als auch Ritter & Ritter (1953) beziehen sich darauf. Andererseits beginnen vegetativ träge Menschen erst nach mehreren Sitzungen bzw. erst nach einigen Wochen täglicher Sitzungen im Orgonakkumulator vegetative Empfindungen wahrzunehmen (Reich 1949f). Allgemeinen scheint zu Beginn einer längeren Periode von Orgonakkumulator-Sitzungen die Wahrnehmung für vegetative Empfindungen mit der Anzahl der Sitzungen zuzunehmen.  

Ritter & Ritter (1953; nach Boadella 1980) beschreiben einige Wahrnehmungen und vegetative Reaktionen von „naiven“ (d.h. vom eigentlichen Zweck des Versuchs nicht informierten) Versuchspersonen im Orgonakkumulator: Ameisenkribbeln, das Gefühl, erkältet zu sein und Hitzewallungen zu verspüren, Pochen in den Fingern, das Gefühl, wie magnetisch zu sein, eine Art Anschwellen der Gewebe, Heißer Nacken, Hitze von den Wänden, Jucken der Kopfhaut, wie nach einem Sprung ins kalte Wasser, Reizung der Augen, eine Reihe visueller Eindrücke wie Pünktchenmuster, Blitze in Purpur, blau, grün und rot, eine Art Summen (Vibrieren) im Körper oder an bestimmten Körperteilen.   "Der Anstieg der Körpertemperatur und die subjektiv wahrgenommenen und geschilderten Empfindungen sind Äußerungsformen dieser Erregung. All diese Empfindungen erinnern stark an gewisse körperliche Wahrnehmungen, die man machen kann, wenn sich der eigene Körper gegen eine Krankheit wehrt."
(Boadella 1980, S. 169)  

Zum Wärmegefühl im Orgonakkumulator schreibt Fischer (1982):  

"Intensives Hitzegefühl und das Ansteigen der Körpertemperatur beruhen auf einer recht heftigen orgonotischen Reaktion des Organismus. Die Reflexion der Körperwärme kommt als zusätzlicher Faktor hinzu, aber da mir und vielen anderen z.B. im Akkumulator nur selten heiß wird, ist klar, daß es eine organismische Reaktion sein muß, da sie sonst in jedem Fall auftreten müßte." (Fischer 1982, S. 53)
 
Gebauer & Müschenich (1987) legten ihren uneingeweihten („naiven“) Versuchspersonen nach jeder Kastensitzung zwei Fragebögen mit je 11 Fragen über subjektive psychische und subjektive körperliche Veränderungen bzw. Wahrnehmungen und Empfindungen zur Beantwortung vor. Zuerst wurde nach generellen Veränderungen auf körperlicher und psychischer Ebene gefragt. Wurden diese Items (Fragen) bejaht, wurden weitere 10 Einzelitems, die häufig beobachtete Reaktionen abfragen, vorgelegt.  

"Unsere Signifikanzberechnungen lassen sich dahingehend interpretieren, daß sowohl die Beantwortung der Fragen nach grundsätzlichen körperlichen wie auch nach grundsätzlichen psychischen Veränderungen in der Grundgesamtheit mit 99%iger Wahrscheinlichkeit abhängig vom Ort sind, an dem die Sitzungen stattgefunden haben (Orgonakkumulator versus Kontrollkasten)."
(Gebauer & Müschenich 1987, S. 251)  

Diese Feststellungen beziehen sich auf die allgemeinen Frage nach a) körperlichen und b) psychischen Veränderungen. Weiters wurden die dichotomen (entweder mit Ja oder nein beantwortbaren), positiv beantworteten Items bei den Akkumulator- und Kontrollkastensitzungen miteinander verglichen. Die Positiv-Antworten wurden summiert und einem statistischen Test (Chi-Quadrat-Test) unterzogen. Bei den psychischen Veränderungen, Empfindungen, Wahrnehmungen ergaben sich in der Fragebogensumme keine signifikanten Unterschiede, jedoch eine schwache Tendenz (p = 0.058). Jedoch brachten die Summen der körperlichen Wahrnehmungen während der Kastensitzungen einen signifikanten Unterschied zwischen Orgonakkumulatorsitzung und Kontrollkastensitzung auf dem 1%-Niveau. Bezüglich der subjektiven Befindlichkeit fühlten sich 9 der 10 Versuchspersonen im Orgonakkumulator wohler als in der Attrappe. Nur eine Versuchsperson gab an, sich im Kontrollkasten wohler zu fühlen.

Snyder (1990) versuchte in der bereits erwähnten Untersuchung an die Kastensitzungen anschließend ein genaues Bild subjektiver Reaktionen bzw. Empfindungen während der Kastensitzungen zu erhalten. Er ermittelte durch genaue Befragungen der Versuchspersonen auch deren subjektive Empfindungen bzw. Wahrnehmungen während der Orgonakkummulator- bzw. Kontrollkastensitzung ("Kontrollpersonen"). Den Eigenberichten der Versuchspersonen zufolge zeigte sich im allgemeinen eine beruhigende, entspannende Reaktion während der Kontrollkastensitzung.  

"Kontrollpersonen gaben an, daß sich bei ihnen nicht viel ereignete. Sie brachten im Grunde ihre Zeit nur so herum, entspannten sich in der Isolation."
(Snyder 1990, S. 13)  

Versuchspersonen (Vpn) im Akkumulator nahmen individuell sehr unterschiedliche Körperempfindungen wahr: Herzklopfen, Jucken der Nase, Hitze im Gesicht, juckendes Gefühl im Rücken, an den Schultern und auf dem Kopf. Weiters berichteten die Vpn nach genauerer Nachfrage über das Empfinden einer steigenden Körpertemperatur, einer beschleunigten oder tieferen Atmung wie auch allgemeine Empfindungen des Prickelns und Kribbelns.  

Steck (1992) konnte an der Universität Innsbruck ein Einfach-Blind-Experiment zur subjektiven Wahrnehmung eines Orgonakkumulators machen, der Stabform besaß. An der Oberseite einer "Black Box" befanden sich 4 markierte Orte, an denen sich der "Orgon-Punktstrahler" befand. Die Vpn sollte angeben, welcher der vier Orte der "richtige" ist, d.h. an welchem Punkt die Vp etwas spürt, wahrnimmt. Das soll der Hypothese nach der Ort des Punktstrahlers sein. Verschiedene experimentelle Kontrollen wurden berücksichtigt: Der Karton wurde nach der Hälfte der Versuche horizontal um 180° gedreht, um Standortartefakte auszuschalten. Die Hälfte der Vpn wurde unter Doppel-Blind-Verhältnissen getestet; sie erhielten schriftliche Instruktionen. Es folgt eine ausführliche Dokumentation der Antworten der Vpn. Steck resümiert, daß "ein vom ORAC-Rohr ausgehender Einfluß auf die Versuchspersonen angenommen werden" muß (Steck 1992). Leider legte Steck zu dieser Untersuchung keine statistischen Daten vor.      
  
VI.  Biometeorologische Faktoren

Ganz allgemein konstatiert Reich, daß der Orgonakkumulator besser wirken würde, wenn Hochdruckwetter bzw. Schönwetter vorliegt. Einen negativen Zusammenhang zwischen der relativen Luftfeuchtigkeit und dem Ausmaß der Wirkung des Orgonakkumulators fand Reich (1949f) in der Messung der physikalischen Größen der Temperaturdifferenz To-T und in der Entladungsgeschwindigkeit des Elektroskops. Auch im Zusammenhang mit den biologischen Wirkungen des Orgonakkumulators auf den (menschlichen) Organismus vermutet Reich diesen Zusammenhang.  

Snyder (1990) erfaßte in seiner Studie eine Reihe von Wetterdaten sowie Luftfeuchtigkeit im Inneren wie auch im Äußeren der Versuchskästen, Luftdruck, Jahreszeit, Handdominanz u.a. Keine der hier zitierten und untersuchten Parameter zeigten eine Wechselbeziehung mit der untersuchten Fingertemperatur. Über signifikante Unterschiede bei den gemessenen meteorologischer Größen berichtet Snyder nichts.  

Im Gegensatz zu Snyder (1990) fanden Gebauer & Müschenich (1987) bei der Untersuchung der relativen Luftfeuchtigkeit eine hohe positive Korrelation zwischen Ruhesitzung und Akkumulatorsitzung bei der Höhe der durchschnittlichen Kerntemperatur-Differenzwerte (r = 0,55), während der Differenzwert zwischen Ruhesitzung und Attrappe keinen derartigen Zusammenhang erkennen läßt. Der Buchstabe r bezeichnet hier das Maß des Zusammenhangs zweier Variablen. Die Werte können sich zwischen 1 und -1 bewegen. 1 heißt maximaler direkter linearer Zusammenhang (je größer A umso größer ist auch B), 0 bedeutet keinen linearen Zusammenhang. Ein - (Minus) vor der Zahl bedeutet einen indirekten Zusammenhang (je kleiner A umso größer B, und umgekehrt). Ähnliches trifft auch bei der durchschnittlichen Hauttemperatur zu. Hier liegt der Korrelationskoeffizient bei r = 0,579. Auch hier findet sich zwischen Ruhesitzung und Attrappe keine nennenswerte Korrelation. Gebauer & Müschenich (1987) stellten auch einen allgemeinen negativen Zusammenhang zwischen der Pulsfrequenz und der relativen Luftfeuchtigkeit über alle Testbedingungen fest. Je trockener die Luft außerhalb des Versuchsraums war, umso höher lag tendenziell die Pulsfrequenz (r= -0,69).    
  
VII.  Der Faktor des Versuchsleiters

Ein vieldiskutierter Einwand gegen die von Reich postulierte "Orgonwirkung" des Orgonakkumulators wurde auch von experimentell bemühten Reichianern wiederholt eingebracht. In der Psychologie ist ein "Störeffekt" bekannt, der sich auf die Rolle des Versuchsleiters bezieht. Dieser kann, ausgestattet mit einer Reihe von Absichten, "unbewußt" die Versuchspersonen beeinflussen, sodaß diese trotz einer Placebo-Versuchsanordnung einen bestimmten systematischen Effekt zeigen. Gebauer & Müschenich (1987) bemühten sich in dieser Hinsicht sehr, einen solchen Einfluß auszuschalten. In ihrem aufwendigen Design waren weder die Versuchspersonen über den wahren Sinn und Zweck des Experimentes unterrichtet, noch hatte der jeweilige Versuchsleiter (der von den beiden Autoren verschieden war) wahre Informationen über das Experiment. Somit unterlag das Wissen des Versuchsleiters und der Versuchspersonen strengster experimenteller Kontrolle.   In der Studie von Ritter & Ritter (1953) waren die Versuchspersonen über den wahren Zweck der Studie ebenfalls nicht informiert, der Versuchsleiter (VL) wußte jedoch vom Versuchsaufbau. Es lag somit eine Einfach-Blind-Studie vor.  

Snyder (1990) beschränkte die Kontrolle des Faktors "Wissen über den Versuchsaufbau" ebenfalls auf das Nichtwissen der Versuchspersonen über Sinn und Zweck bzw. dem Aufbau des Experiments. Er selbst hatte als VL aber sehr wohl Kenntnis über den Versuchsaufbau. WIE KAM ES ZUR ZUTEILUNG DER VP ZU DEN KÄSTEN?? Tel: FUCKERT!!   

Es ist fraglich, ob sich durch ein derart rigides experimentelles Vorgehen des "Ausschalten von Störeffekten" nicht andere schwerwiegendere Störeffekte durch die Hintertür wieder in das Design reinholt, wie z.B. die Unsicherheit bzw. Angst der "naiven", d.h. uninformierten Versuchsperson im Versuchsablauf?

D.    Allgemeine biologische Wirkung des Orgonakkumulators  

Für die Darstellung der biologischen Wirkung des Orgonakkumulators sind einige Grundbemerkungen nötig. Besonders bezüglich dieser Wirkungen des OA existieren Unklarheiten und Brüche in REICHs Theorie. Sie waren auch für die Entwicklung der allgemeinen Fragestellung von Bedeutung.  

Hielt sich REICH bis zur Zeit seiner skandinavischen Emigration in seinen wissenschaftlichen Arbeiten noch an die gebräuchlichen wissenschaftlichen Termini der einzelwissenschaftlichen Spezialdisziplinen, so änderte sich dies im Laufe seiner amerikanischen Schaffensperiode. Ein wesentlicher Grund dafür waren fehlende oder unzureichende Erklärungsmodelle jener Spezialdisziplinen. Seitdem REICH die Strahlungserscheinungen der SAPA-Bione und die Strahlungseffekte des Orgonakkumulators studierte, ging er dazu über, einerseits neue Begriffe für seine Thesen zu verwenden, andererseits gab er üblichen Begriffen einen speziellen sexualökonomischen und orgonomischen Sinngehalt (z.B. Vagotonie, Sympathicotonie, Pulsation, Kontraktion und Expansion etc.). Sie waren seines Erachtens zutreffender, als jene, welche die Naturwissenschaften zu jener Zeit boten. Ein Beispiel sei hier angeführt.  

REICH berichtet nach seiner Ankunft in den USA im Rahmen seiner Bionforschungen über verschiedene Eigenschaften bionöser Strukturen, Einzellern und andere organismische Strukturen (Blutkörperchen etc.). Noch in seinem Werk "Die Bione" orientierte sich REICH eigenen Aussagen zufolge (vgl. REICH 1949f) sehr an einer stofflich-materialistischen Betrachtungsweise. Auch zog er die entsprechenden Paradigmen, die diese Betrachtungsweise bietet, heran, um Erklärungsansätze für seine Beobachtungen formulieren zu können. In der darauffolgenden Zeit (ca. ab 1940) stehen statt stofflich-materielle Betrachtungsweisen mehr und mehr bioenergetische Funktionen im Mittelpunkt. Mit diesem Wandel verschiebt sich die Betonung von den materiellen Komponenten auf zunächst immaterielle Erregungsprozesse, die sich der Theorie REICHs zufolge nur der stofflich-materiellen Zuständen bedienen. So suchte REICH (1938) noch stofflich-materielle Gefüge und Veränderungen bei der Untersuchung der S-L-Formel. Später geht es REICH um die eingehende Untersuchung der Prozesse, die sich durch die S-L-Formel ausdrücken, also in erster Linie um Erregungs- und Strömungserscheinungen von lebenden plasmatischen Zellen oder Organismen.  

Je weiter er sich mit diesen Erscheinungen auseinandersetzte, desto mehr lösten sich für ihn gewohnte wissenschaftliche Anschauungen und mechanistisch-kausale Denkmodelle in der dialektisch-funktionellen Beschreibung auf. In den Werken nach den "Bionen" kann der Leser diesen Übergang in REICHs Methodik wieder finden. REICH (1949f) zählt die bioenergetischen Grundeigenschaften aller lebenden Materie auf:  

"Die Orgonenergiebläschen zeigen die Grundfunktion der lebenden Substanz voll ausgebildet: Attraktion, Erstrahlung, Strahlungsbrücke, Verschmelzung und Durchdringung. Diese Funktionen sind spezifische Eigenschaften der Orgonbläschen, denn Bione, die ihre Orgonladung verloren haben, lassen diese Funktionen vermissen. Diese Funktionen sind also nicht stofflich, sondern energetisch begründet. Sie sind spezifische Orgonfunktionen und haben nichts mit Magnetismus oder Elektrizität zu tun."
(REICH 1949f, S. 68)  

Diese Umstellung hat Konsequenzen: Aus dieser neuen Sichtweise erwachsen neue Möglichkeiten, die z.B. RAKNES (1970) für verschiedene Wissenschaftsdisziplinen diskutiert. Sie bringt aber auch für den Forschungsbetrieb noch einige ungelöste Fragen mit sich (z.B. die Frage der Subjektivität im Funktionalismus; vgl. VITTINGHOFF 1977, BOADELLA 1980). Graphisch zusammengefaßt lassen sich mehrere Entwicklungsstufen in REICHs Forschungsparadigmen feststellen: Zu der oben mitgeteilten Einführung muß noch ergänzt werden, daß REICH als Psychoanalytiker begonnen hat, wo er erstmals die "spezielle" Orgasmustheorie formulierte.    

1. Psychologie: Betonung des "Quantitativen Faktors" der Libidotheorie; Gesetze der Spannung und Entspannung in der ersten Formulierung der Orgasmustheorie (vgl. REICH 1927). GEGENSATZ: Lust vs Unlust, Ich vs Außenwelt, Psychischer Kontakt vs Kontaktlosigkeit
 
2. Physiologie: Gesetze der Spannung und Entspannung in dialektischer Kopplung mit biochemisch-elektrischer Auf- und Entladung von Protoplasma; Modell der "Vegetativen Strömung" von F. KRAUS (1926, 1927); Vegetatives Nervensystem als ein Funktionsträger des Urgegensatzes von Lust und Angst. GEGENSATZ: Sexualität vs Angst; Vegetative Strömung vs Panzerung; Sympathicus vs Parasympathicus
 
3. Orgonomie: Gesetze der bioenergetischen Erregung, Erstrahlung, Verschmelzung, Pulsation, Anziehung. GEGENSATZ: Plasmatische Expansion vs plasmatische Kontraktion, bioenergetische Expansion vs bioenergetische Kontraktion

Abbildung 1: 3 Bezugsbereiche in der REICHschen Begriffsbildung.

Da sich das Hauptaugenmerk auf der dritten Stufe nicht mehr auf materielle Prozesse konzentriert, wurden materiellen Folgeerscheinungen von bioenergetischen Prozessen auch nicht mehr so eingehend von der stofflich-materiellen Seite beschrieben. Im vorliegenden Falle sind dies Begriffe der Vagotonie (s.u.) und der Sympathicotonie, ferner die der Expansion, Kontraktion und Pulsation. Im geplanten Experiment sollen mittels der Erhebung und Messung psychophysiologischer Parameter festgestellt werden, ob eine Orgonakkumulatorwirkung tatsächlich reproduzierbar ist. Es ist etwas schwierig, durch diese verschiedenen Betrachtungsebenen hindurch zu blicken. Die Betrachtung der Gegensatzpaare stammt aus der Dialektik. Bei der funktionellen Betrachtung der Gegensatzpaare fällt auf, daß die Gegenüberstellung der Gegensätze eben nicht absolut ist, sondern den Gesetzen der Dialektik folgen: Nur in der Herauslösung der Gegensätze vom Gesamtgeschehen in die Isolierte Betrachtung stellen sie sich als solche dar. Im Gesamtgeschehen betrachtet gehen die Gegensätze unscharf ineinander über, können sich durchdringen und in ihrer Lage verändern. Unter diesem Aspekt muß auch die oben angeführten Gegensätze betrachten.   
   
I.  Die vegetativen Wirkungen des Orgonakkumulators

Im Zusammenhang mit klinischen und experimentellen Arbeiten formuliert REICH einen wesentlichen Effekt der Orgonstrahlung: "Die Orgonstrahlung wirkt vagoton ..."  (REICH 1949f, S. 182)  

Die Strahlung hat nach REICHs Zitat eine Beziehung zum vegetativen Nervensystem. Zu berücksichtigen ist wie erwähnt, daß REICH die Begriffe sympathisch und parasympathisch (vagisch) in ihrem sexualökonomischen Sinne gebraucht. Der normale Gebrauch des Orgonakkumulators läuft darauf hinaus, daß der Patient sich in den mit einer Türe versehenen Orgonakkumulator setzt und darin für ca. 10 bis 60 Minuten einfach verweilt.  

"Die Temperaturerhöhung des Organismus ist als eine grundsätzliche Erregungsreaktion der Zellen und des Blutes bekannt. Sie wurde bisher noch nicht verstanden. Diese Temperaturerhöhung weist auf eine Erstrahlung des orgonotischen Körpersystems hin. Genauso wie der Kontakt zweier Bione in eine orgonotische Erstrahlung ausläuft, erstrahlt auch das Blut und das Zellsystem im Kontakt mit dem Orgonfeld des Akkumulators. Dieser Kontakt der beiden Orgonsysteme führt zu einer Steigerung des Orgonenergiewechsels im Organismus, dem nun die belebende Wirkung der Orgontherapie zugeschrieben werden muß. Energiekontakt, Durchdringung, Zellerstrahlung und Steigerung des Energiewechsels sind der Reihe nach wesentliche Etappen des Vorgangs."
(REICH 1949f, S. 322f.)  

Demnach besitzt der Orgonakkumulator ein Energiefeld wie ein lebendiger Organismus! Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als sich aus dem bisher berichteten wohl die Möglichkeit eines solchen energetischen Kontaktes zwischen zwei oder mehrere lebendige Organismen oder Bionbläschen ergeben kann. Neu ist nun, daß eben auch ein Orgonakkumulator mit seiner speziellen Materialanordnung zu ebensolchem Kontakt geeignet ist (von qualitativen Unterschieden mal abgesehen).  
Die anfängliche Annahme, daß der Organismus passiv und unbeteiligt vom Orgon durchdrungen wird, war der Röntgen- und Radiumbestrahlung entlehnt. Bei jenen Strahlungsarten handelt es sich um nicht-biologische, körperfremde Energie. Die Orgonstrahlung dagegen stellt eine körpereigene, biologische Energie dar. Sie wird dem Organismus durch die Atmung der Haut, durch Kontakt mit anderen Menschen und Organismen oder z.B. auch mit der Lunge aus der Atmosphäre geholt oder man bekommt sie von der Sonne zugeführt. Der Organismus enthält in seinen Zellen und Flüssigkeiten Orgon, nimmt es auf bzw. strahlt er es unausgesetzt ab. Befindet sich nun der Organismus im Orgonakkumulator, so treten zwei orgonotische Systeme in eine funktionelle Beziehung zueinander (vgl. REICH 1949f, S. 318f.).
Anhand eines Beispiels aus der Mikrobiologie schildert REICH seine Sichtweise von den energetischen Prozessen zweier in Kontakt tretender orgonotischer Systeme (das sind im einfachsten Falle Bione mit einer Membranumhüllung oder sonstige ein- und vielzellige Organismen, oder rote Blutkörperchen):  

"Geraten nun zwei orgonotische Systeme in entsprechende Nähe zueinander, so bilden die beiden Orgonenergiefelder einen energetischen Kontakt. Die nächste Folge dieses orgonotischen Kontakts ist gegenseitige Erregung und Attraktion. Sie äußert sich darin, daß die orgonotischen Systeme einander näherrücken. ... Sind die Blutkörperchen nahe genug gerückt, so bildet sich eine Orgonenergiebrücke mit starker Lichtbrechung aus. Jetzt beginnen die beiden biologischen Kerne der orgonotischen Systeme stärker zu strahlen. Wir nennen die Erscheinung die "orgonotische Erstrahlung". Sie ist dasselbe, was die Schulbiologie als "mitogenetische Kernstrahlung" in der Zellteilung beschreibt. Sämtliche fundamentalen bioenergetischen Vorgänge wie Sexualerregung, Orgasmus, Zellverschmelzung und Zellteilung gehen mit hoher bioenergetischen Erregung, also mit orgonotischer Erstrahlung einher. Es handelt sich um starke Energieentbindung in der lebenden Materie." (REICH 1949f, S. 319)

Aus der Erstrahlung bzw. "Überlagerung" der Orgonenergiefelder des Akkumulators und des sich in ihm befindlichen Organismus soll die eigentliche und wesentliche Heilwirkung dieses Gerätes entspringen. Im Falle des oben zitierten Beispiels bildet sich zwischen den beiden orgonotischen Systemen eine Orgonstrahlungsbrücke an den Kontaktflächen. Im Falle des Orgonakkumulators umhüllt das Orgonenergiefeld des unbelebten orgonotischen Systems das Energiefeld des lebenden orgonotischen Systems von allen Seiten
(vgl. REICH 1949f, S. 320f.)  

"Die wiederholten, durch den Akkumulator hervorgerufenen Erstrahlungen des Organismus äußern sich ja auch darin, daß die roten Blutkörperchen mit der Zeit an biologischer Energie gewinnen und befähigt werden, stärker zu strahlen, praller zu werden, Krebsgewebe zu zersetzen, T-Bazillen zu töten etc., was sie im orgonschwachen Zustand nicht können."
(REICH 1949f, S. 323) "Ich halte nach bisherigen Beobachtungen die durch den Akkumulator erzielte Zellerstrahlung im Organismus für den eigentlichen und wesentlichen Heilfaktor."
(REICH 1949f, S. 323/324)  

Soweit der 3. Bezugsbereich und die bioenergetischen Funktionen. Eng verbunden mit den Heilwirkungen des Orgonakkumulators ist das vegetative Nervensystem (vNS), das dem 2. Bezugsbereich zuzuordnen ist. REICH schreibt dem Gerät eine vagotone Wirkung auf das vNS zu. Die dadurch ausgelöste zentrale Entspannung führt zur peripheren Spannung - eben der „Vagotonie“. Unter diesen Umständen besteht dann wieder die Möglichkeit, die Erregung abzuführen bzw. umzusetzen. Wichtige Erfahrungen über die Wirkungsweise des Orgonakkumulators machte REICH im Rahmen der experimentellen Krebstherapie, bei der die Klienten neben einer Vegetotherapie auch regelmäßige Sitzungen im Orgonakkumulator absolvierten. Zu den biologischen Effekten des Orgonakkumulators meint REICH:  

"Das Plasmasystem gibt die chronische Kontraktion auf und beginnt sich zu strecken, vagoton zu erweitern. Mit dieser "plasmatischen Streckung" geht die Herabsetzung des typischen Krebskrankenschmerzes einher."
(REICH 1949f, S. 182)  

Dieses Zitat ist etwas unglücklich, da der Begriff chronische Kontraktion aus dem 3. Bezugsbereich stammt und in Beziehung gesetzt wird mit Abläufen des 2. Bereichs. Das Problem dabei ist, daß hier eben der bioenergetische Begriff der chronischen Kontraktion mit der Funktion des Vagus in einen Gegensatz gesetzt und eine funktionelle Beziehung zwischen beiden suggeriert wird. Korrekt und durchsichtiger wäre die Gegenübersetzung der chronischen Sympathicotonie mit der Vagotonie, dann würde es klappen. Die sind nun wirklich zueinander zugleich gegensätzlich und funktionell ident, das von Reich aufgezeigte Gegensatzpaar nicht. Die chronische Sympathicotonie ist die vegetative Folge der bioenergetischen chronischen Kontraktion. Diese Ungenauigkeit hat bei Reichianern oft das Mißverständnis hervorgerufen, daß Kontraktion als Gegenteil von "vagoton erweitern" (ein Ziel der Therapie) schlecht sei, das Gegenteil gut und wünschenswert
(vgl. auch Davis 1993).  

Die einzelnen Reaktionen auf regelmäßigen Gebrauch eines Orgonakkumulators sind individuell verschieden stark ausgeprägt:  

"Bei dem einen ist die eine Wirkung, bei dem anderen die andere mehr ausgesprochen. Rötung der Haut, Herabsetzung der Pulsfrequenz, Ausbrechen warmen Schweißes und die subjektiven Empfindungen, daß sich im Körper "etwas lockert", "anfüllt" oder "schwillt" etc. ... ."
(REICH 1949f, S. 181)  

REICH (1949f) beruft sich auf andere Forscher (z.B. BURR 1972), die die Theorie stützen, daß jeder lebende Organismus ein energetisches Feld besitzt, das über dessen materiellen Grenzen weit hinausreicht. Bezeichnen jene Forscher dieses Feld als elektromagnetisch, so geht REICH einen Schritt weiter und schreibt die meßbaren Effekte der Wirkung des Orgonenergiefelds des Organismus zu.      
  
II. Einige Bemerkungen zur Vagotonie im Sinne REICHs

Am Beginn wird auf die folgende Tabelle hingewiesen. REICH fand in einer dialektisch-materialistischen Ordnung der psychoanalytischen Triebgegensätze, daß aus einem einzigen (Ur-)Gegensatzpaar sämtliche andere Gegensatzpaare abzuleiten sind (vgl. REICH 1949d; Es sei auf die Charakteranalyse: Kapitel: Einige Bemerkungen über den Urkonflikt Bedürfnis - Außenwelt verwiesen). In der Tabelle finden sich wichtige Funktionen, derer sich der Urgegensatz von Sexualität und Angst (bzw. Sexualerregung und Angsterregung) bedient. Die organbezogenen vegetativen Einzeleffekte, wie sie in schulmedizinischen Büchern zumeist dargestellt werden, sind vernachlässigt.

Die Dimensionen des Urgegensatzes

Psychisch             Lust                                           Angst

Libidinös               "Auf die Welt zu"                           "Weg von der Welt"

Vegetativum         Parasympathicus                           Sympathicus

Muskulatur            tonisiert                                      atonisch-schlaff

Biochemie             Acetylcholin                                 Adrenalin

Chemie                 Kalium                                         Kalzium
                          OH-                                            H+

Ort der Erregung    somatische, vegetative Peripherie,    Herz- Zwerchfellgegnd, Solar
                          Organe = Peripherie                        Plexus = vegetatives Zentrum
 


Tabelle 1: Der Urgegensatz des vegetativen Lebens; nach REICH (1934b).

Wie schon weiter oben erwähnt, soll auf die unklare Gebrauchsweise des Wortes "vagoton" hingewiesen werden. Ein kurzes Beispiel soll zeigen, wie verwirrend manchmal das mit energetischen Begriffen erweiterte Begriffsinventar REICHs sein kann. Es geht um die Wirkung der Orgonstrahlung:  

"Wenn die Krebsschmerzen nicht Ausdruck einer lokalen mechanischen Läsion, sondern einer allgemeinen Kontraktion der Lebensnerven, einem "Zerren an den Geweben" entsprechen, dann wird verständlich, daß mit der vagotonen Streckung der Nerven das Zerren und damit der Schmerz nachläßt.  

"Sie [die Orgonenergie; G.H.] lädt lebende Gewebe auf und bedingt Expansion des plasmatischen Systems ("Vagotonie")". (REICH 1949f, S. 184)  

auch hier wird von Reich kräftig gemischt: Aus der Reihe der bioenergetischen Funktionen wird Expansion und Vagotonie gleichgesetzt. Die bioenergetische Funktion der Expansion wird dem Begriff der Vagotonie aus dem 2. Bezugsbereich gleichgesetzt. Dieser Umstand brachte auch unter REICHianern einige Unklarheiten hervor (vgl. MÜSCHENICH (1987). Einerseits geht es um die Aufladung der Gewebe und der Expansion des plasmatischen Systems, zum anderen um den Begriff der Vagotonie. Die Aufladung der Gewebe meint die Steigerung der bioelektrische Erregbarkeit der Gewebe, die im engen Zusammenhang mit der These der vegetativen Strömung steht. Expansion meint in etwa den sexualökonomischen Grundzustand des Organismus. Er bedeutet, wie sehr der Organismus die Fähigkeit besitzt, in seiner Gesamtheit nach der Spannungs-Ladungs-Formel zu funktionieren („Es geht mir gut, Ich bin in Kontakt mit mir und meiner Umwelt“). Kontraktion ist dagegen der Zustand, in dem der Organismus dies kaum oder gar nicht vermag („Ich fühle mich scheußlich, erstarrt, isoliert, etc.“). REICH beschreibt die Symptome der "bioenergetischen" Kontraktion sehr ausführlich und setzt sie prinzipiell gleich mit einem chronischen Sympathicus-Hypertonus (REICH 1949f), während letzterer ein Symptom der bioenergetischen chronischen Kontraktion ist.
Jedenfalls ist hier eine Verbindung mit der Spannungs-Ladungs-Formel (S-L-Formel) erkennbar. Insofern führt REICHs sexualökonomische Theorie ohne weiters in die Orgonomie hinein, obwohl REICH nicht sehr ausführlich über die Verbindungen seiner beiden großen Theoriengebäuden berichtet.  

Daß das physiologische Zustandsbild der (plasmatischen bzw. bioenergetischen) Expansion auf der anderen Seite nicht den Innervationseffekten des Parasympathicus entsprechen, hebt REICH ebenfalls hervor (z.B. REICH 1949f). Damit im vegetativen Bereich die S-L-Formel funktioniert, bedarf es des rhythmischen Wechsels von Sympathicus- und Parasympathicusinnervation (REICH 1982). Damit beginnt das eigentliche Leben abgebildet zu werden, denn auch ein toter Organismus verfügt über die strukturellen Voraussetzungen zum Leben, es fehlt eben die dialektische Bewegung (Schwingung, Pulsation) der beiden Funktionen Bioelektrik und Oberflächenspannung zueinander. Über das Zusammenspiel der Innervationen zu einem einheitlichen System berichtet REICH:  

"Die schematische Gegenüberstellung von Vagus und Sympathicus ist in der Tat unrichtig; ... Der Wirklichkeit kommt wohl die Vorstellung näher, daß es sich um ein funktionell und morphologisch einheitliches System handelt, das in zwei entgegengesetzten Richtungen funktionieren kann. Die Funktion der Streckung und die der Zusammenziehung wären somit funktionell ein und demselben Organ überlassen."
(REICH 1982, S. 124f.)  

REICH unterscheidet dabei mehrere verschiedene Funktionszustände: Aus einer mittleren Gleichgewichtslage heraus kann sich der Organismus auf die Welt zu bewegen, oder sich von ihr zurückziehen. In diesem Zustand kann er zwischen den Extrempunkten, der Sympathicotonie bzw. Kontraktion ("Angst") und der Vagotonie bzw. Expansion (Lust) hin- und herschwingen. Das vegetative Nervensystem ist auch mit der Fähigkeit zur biopsychischen Panzerung ausgestattet. Sie stellt einen "biopathischen Gleichgewichtszustand" dar, der den Zustand der Expansion, als auch den der bewußt erlebten Kontraktion verhindert (biopathisch bedeutet hier, daß der Organismus in seiner Gesamtheit der S-L-Formel zu folgen, ernsthaft beeinträchtigt ist; vgl. REICH 1982, S. 126). Andererseits  gibt es eine Angstdiarhöe, die durch Innervation des Vagus zustande kommt, oder während der orgastischen Konvulsion eine lebhafte Motorik. Letztere entspricht einem wiederholten Zusammenziehen und Expandieren, und nicht nur bloßer Parasympathicus-Aktivität und weist auch Sympathicusinnervationen (Emission und Ejaculation) auf. Beziehen sich die tabellarischen Zuordnungen von Vagus zu Expansion bzw. von Sympathicus zu Kontraktion auf die vegetative Innervation, so darf nicht außer Acht bleiben, daß der Lebensprozeß sich durch den Wechsel von Expansion und Kontraktion (vermittelt durch Parasympathicus und Sympathicus) bzw. von "auf die Welt zu" und "in sich zurück" kennzeichnet. Innerpsychisch macht sich das in Form von Lust- oder Angsterregung erkennbar. Somit bekommen diese Begriffen ihre sexualökonomische Bedeutung und die Sexualökonomie ihre qualitative Komponente, die in der Psychophysiologie vermißt wird.  

Zum funktionellen Verhältnis der drei Stufen zueinander: REICHs Forschungsmethode, der energetische Funktionalismus, ist abgeleitet von der Forschungsmethode (und nicht vom geschichtlichen Konzept) des dialektischen Materialismus. Dieser besagt, daß alles Sein nicht aufgrund von Ideen, Gedanken etc. zustande kommt, sondern aus Gegensätzen entspringt, die in der Materie selbst bzw. der materiellen Welt angelegt sind (vgl. auch ENGELS 1952 und 1971).
REICH nimmt aufgrund seiner Sichtweise (vgl. in REICH 1934c) an, daß das psychische Sein ebenfalls seinen Ursprung im Materiellen hat und sich aus jenem entwickelt hat. Die Psyche hat somit einerseits die Funktionen der Physiologie übernommen und mit ihr gemeinsam (s. Tabelle), andererseits hat sie auch ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickelt: die Abwehrmechanismen, die es im somatischen nicht gibt!). Derart sind sich Vegetativum und Psyche einander gleich, andererseits einander entgegengesetzt. Das ist das Modell der funktionellen Identität bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit. Dasselbe gilt nun auch für das Verhältnis der bioenergetischen Funktionen und dem Vegetativum. Auch sie sind funktionell ident. So hat das Vegetativum die bioenergetische Funktion der Überlagerung in dem, was wir Sexualität nennen, übernommen. Andererseits ist die orgastische Konvulsion etwas, das im bioenergetischen Bereich anscheinend nicht auffindbar ist und somit ihm entgegengesetzt ist.  

MÜSCHENICH (1987) berichtet aufgrund der Ergebnisse der Arbeit von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) über die Unklarheit der REICHschen Definitionen von Vagotonie und Sympathicotonie im Vergleich zu den entsprechenden Definitionen der Schulmedizin.  

"Dadurch, daß REICH die vagotonen Effekte des ORAK im selben Zusammenhang erwähnt wie die Erhöhung der Körperkerntemperatur, kann leicht der Eindruck entstehen, als ob der Kerntemperaturanstieg in funktioneller Übereinstimmung mit der durch das Orgon erzeugten Vagotonie stünde. Dementsprechend schrieben wir in unserer Diplomarbeit: "Bei den beiden Körpertemperaturen ließ sich ein deutlicher Anstieg während des Aufenthalts im Orgonakkumulator aufzeigen. Diese Tatsache steht im Einklang mit REICHs Behauptung bezüglich einer Erhöhung der Kerntemperatur und einer Zunahme der parasysmpathischen Aktivation während der Orgonakkumulatorsitzungen." ... Diese Formulierung ist nicht direkt falsch, da man das "und" auch alternativ verstehen kann. Zu größeren Mißverständnissen kann allerdings folgende Textstelle führen: "Aus dem Gesagten geht hervor, daß eine Erhöhung der Körperkerntemperatur in engem Zusammenhang mit vagotonen Vorgängen steht, wenngleich hierbei auch noch andere Vorgänge beteiligt sind".(Müschenich & Gebauer: "Die (psycho-) physiologischen Wirkungen des REICH'schen Orgonakkumulators...", 1987, 206.)"
(MÜSCHENICH 1987, S. 68f.)  

Nach BRÜCK (1990) kommt die Erhöhung der Hauttemperatur und die erhöhte Durchblutung der Haut durch die Vasodilatation der Gefäße im Bereich der Hautgefäße zustande, die vom überwiegenden Vagotonus hervorgerufen wird. Andererseits wird ein Kerntemperaturanstieg hervorgerufen durch eine sympathische Reizung (Grundumsatzsteigerung) und somatische Reaktionen (z.B. Wärmebildung durch Kältezittern der Skelettmuskulatur). In diesem Sinne bedeutet eine Kerntemperaturerhöhung einen sympathischen Effekt, und nicht einen vagischen, wie es REICH an sich schrieb. MÜSCHENICH (1987) meint zu diesem Widerspruch:   "Laut den gängigen physiologischen Lehrbüchern ... kommen Hautrötungen und Erhöhung der Hauttemperatur durch periphere Vasodilatation (= vagotoner Effekt) zustande, Kerntemperaturanstieg und Fieber jedoch durch Kältezittern der Muskeln und Vasokonstriction der peripheren Gefäße, was einer von hypothalamischen Zentren gesteuerten Sympathicus-Reaktion entspräche. Dieses Problem halte ich deswegen für so zentral, weil einerseits REICH Expansion des Lebensapparates stets mit Vagotonie gleichsetzt (und umgekehrt Konstriktion mit Sympathicotonie), andererseits, weil wir in unserer Untersuchung sowohl einen Kerntemperatur- als auch einen Hauttemperaturanstieg während derselben ORAK-Sitzung nachgewiesen haben. Nun können die peripheren Gefäße ja schlecht gleichzeitig kontrahiert und erweitert sein!?"
(MÜSCHENICH 1987, S. 69)

Bei dieser Diskussion betrachten GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) die vegetativen Einzelfunktion. REICH betrachtet in seinen Schriften die Begriffe Vagus und Sympathicus unter mehreren Aspekten. Einerseits bedeuten sie für ihn die vegetativen Innervationen mit ihrem gewohnten Sinngehalt (wenn auch mit der Berücksichtigung des Gegensatzes von Peripherie und Zentrum, dem er die Einzelfunktionen zuordnet). Andererseits faßt REICH die mit den Begriffen Vagus und Sympathicus zwei antithetische Grundtendenzen des vegetativen Lebens (= Urgegensatz) zusammen, welche schon in den basalen Funktionen der Ionenzusammensetzung des Protoplasmas feststellbar sind. Die Definitionen weichen voneinander ab und sind miteinander nicht mehr ident, da einmal das Verhalten von Funktionen von Organen bzw. Organgruppen beschrieben wird. Im zweiten Falle wird der Gesamtorganismus selbst dieser Klassifikation unterzogen. Aus der Erfahrung ist bekannt, daß es so gut wie immer nur ein Überwiegen des einen Teiles des vegetativen Nervensystems gibt. Es gehen die gesamtorganismischen (d.h. sexualökonomischen) Definitionen von "vagoton" bzw. "sympathicoton" somit weit über die gewohnten Begriffsdefinitionen hinaus. Es erscheint ein Dilemma, das sich einerseits auf REICHs Ungenauigkeit zurückführen läßt. REICH hat nur bruchstückhaft die oben erwähnten gesamtorganismischen Definitionen umrissen. Der andere Teil des Dilemmas liegt in der bisherigen Unvollständigkeit der funktionellen Erkenntnismethode und der mangelnden Auseinanderhaltung der drei verschiedenen Bezugsbereiche in der wissenschaftlichen Forschung.  

Hinsichtlich der orgonomischen Begriffe bezieht sich die theoretische Grundlage der "Expansion" bzw. der biologischen Wirkung des Orgonakkumulators nicht auf die Einzelinnervationen. Vielmehr geht REICH im wesentlichen vom gesamtorganismischen Funktionszustand biophysikalischer Erregung aus. Aufgrund der Arbeit von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) ist es offensichtlich, daß sich vom aktuellen Zustand der Einzelinnervationen nicht automatisch die gesamtorganismische Situation ableiten läßt: Vagoton im sexualökonomischen Sinne muß nicht unbedingt nur einen vagotonen Hypertonus in  physiologischen Einzelfunktionen bedeuten. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit der Organismus (die Person) gesamtorganismisch nach der S-L-Formel funktionieren (pulsieren, schwingen) kann bzw. er sich in einem vagoton expandierten Zustand befindet.   Nach REICH funktioniert schon ein einfacher Einzeller nach dem Prinzip der S-L-Formel, also schon lange ehe onto- und phylogenetisch ein organisiertes vegetatives Nervensystem vorhanden ist. Hier liegt das Allermeiste noch im Dunkeln.      
III.  Die Orgonakkumulatorsitzung als gesamtorganischer Prozeß

Die biologischen Wirkungen des Orgonakkumulators können auch prozeßhaft betrachtet werden. Dem vagotonen Ansatz des vegetativen Impulses geht immer eine zentrale Kontraktion (Sympathicus-Aktion) voraus (REICH 1982). Ein Hypertonus des Vagus bedeutet nicht mehr als den ersten Ansatz zur Pulsation entsprechend des S-L-Formel. Im günstigen Falle geht die vagische Expansion in eine pulsierende Schwingung des Organismus über. Hier hat das Phänomen des Bewußtseins große Bedeutung. Nur wenn dieser erste Ansatz zur Pulsation bewußt wahrgenommen wird, scheint sie auch sich in eine Schwingung umzusetzen. Dieser Schwingungsprozeß ist jedoch viel umfassender als die Vagusinnervation selbst.   LASSEK (1982) nimmt an, daß es am Beginn einer Orgonakkumulatorsitzung nach einer initialen Sympathikusaktivität zur eigentlichen therapeutischen Reaktion durch "Stimulierung parasympathischer Zentren" kommt.  

In diesem Sinne erscheint folgendes Bild von der Wirkungsweise des Orgonakkumulators: Der Anfangspunkt einer jeden organismischen Reaktion drückt sich in einer "inneren Stauung der Energiebesetzungen" aus. Das ist immer die erste mögliche Antwort des Individuums auf Reize (REICH 1949d). Der Zustand der zentralen Spannung (vgl. Tabelle) drückt sich vegetativ in einer sympathischen Innervation aus. Das weitere Schicksal des (gesamtorganismischen) Impulses (, der vegetativ als zentrale Stauung auftritt,) hängt nun davon ab, ob das Individuum ihn in seinem entsprechenden Ausdruck umsetzen kann (vgl. REICH 1949d). Abhängig vom aktuellen Zustand der Panzerung gelingt dies in unterschiedlichem Maße.  

Im sexualökonomisch gesunden Zustand entspricht dieser Prozeß einem Expandieren, die (biologische und bioenergetische) Peripherie „lädt sich auf“. In der Folge verlegt sich die Spannung (Erregung, Energie) in die Peripherie, wo sie sich in Handlung und Verhalten manifestiert. Findet dieser Prozeß nicht statt, so verbleibt die Spannung zentral bestehen, ändert ihre Qualität und macht sich als Unlust bzw. Angst bemerkbar. Bleibt die Erregung an der Peripherie „hängen“ bzw. kann sie nicht adäquat umgesetzt werden, dann ändert sie wiederum ihre Qualität und schlägt in Angsterregung um. Die gestaute Erregung (Angst) wird gewöhnlich Opfer der Panzerung und entschwindet weitgehend oder ganz der bewußten Wahrnehmung. Flutet die Erregung wieder ins vegetative Zentrum (Herzbereich, Solar Plexus) zurück, dann bildet das ebenfalls eine zentrale Stauung von Erregung, die sich dann als Herzneurose oder Panikattacke zeigen kann.  

LASSEK (1982) liefert auch einen Beitrag zu dem Diskussionspunkt, ob die Veränderungen des Orgonakkumulators nun einem erhöhten Sympahicotonus oder einer dominanten Vaguswirkung entsprechen:

"Den schwer zugänglichen Daten über die ärztlich therapeutische Anwendung des ORAKs und eigenen Erfahrungen zufolge ist die Wirkung der konzentrierten Orgonenergie auf den menschlichen Organismus zweiphasig zu charakterisieren: Auf eine initiale Phase erhöhter Sympathicusaktivität erfolgt die eigentliche therapeutische Reaktion durch Stimulierung parasympathischer Zentren, die die jedem Akkumulatorbenutzer bekannten Erscheinungen der Wärme, vermehrter Hautdurchblutung, zunehmende Darmbewegung, Entspannung etc. hervorbringen ... " (LASSEK, 1982, S. 60)  

Zuerst reagiert der Organismus mit einem erhöhten Sympathicustonus. Erst im Laufe der Sitzung(en) wird dieser abgeschwächt und der Vagus dominiert schließlich die vegetative Innervation. Ist die Hypothese, daß sich zu Beginn einer ORAK-Behandlung eine sympathicotone Reaktion einstellt, welche dann in der folgenden Zeit immer mehr zu einer vagischen wird, richtig, dann dürften die Vpn nach einiger Zeit mehr oder weniger ausgeprägt vagotone Symptome zeigen.   Warum dann trotzdem vagotone Reaktionen gezeigt werden, bleibt dabei ungeklärt. Auch hier liegt allerdings die Schwierigkeit, daß sich die Bedeutungen der Begriffe "vagische bzw. sympathische Innervation" auf der organisch-vegetativen Ebene von denen auf einer bioenergetischen (orgonomischen) Ebene unterscheiden. Funktionell betrachtet liegt die Letztere der Ersteren zugrunde. Es gibt schon lange vor der Entwicklung eines vegetativen Nervensystems energetische Prozesse, die die gleiche sexualökonomische Funktion tragen. Es wäre nötig, die für die Erklärung der eigentlichen therapeutischen Reaktion angeführten vegetativen Nervenzentren in ein orgonomisch-funktionelles Erklärungsmodell einzupassen. Deshalb ist diese These vom logischen Zusammenhang her auf der 2. Bezugsbereich im Schema richtig und kann mit entsprechenden physiologischen Methoden experimentell untersucht werden.   REICH (1949f) gibt den Hinweis, daß im Akkumulator eine plasmatische Veränderung stattfindet. Nach REICHs eigener Sichtweise entsteht vor jeder energetischen Expansion eine energetische Kontraktion:  

"Jede Plamaströmung beginnt mit einer zentral ansparnenden Kontraktion, die sich in eine vagische Expansion auflöst ..." (REICH 1949f, S. 197)  

Dieser Vorgang spiegelt sich auf dem Bereich des Vegetativums in einer Erhöhung des Sympathicus-Tonus wider.  

Zum Abschluß wird noch einmal hervorgehoben, daß einerseits ein Mangel an genauen Definitionen besteht, andererseits unterliegt die Begriffsbildung der sexualökonomischen Konzepte einer „flexiblen, aber bewußten Handhabung durch den Forscher“. Der Forscher muß sich immer im Klaren sein, in welchem Bereich der Begriffsdefinitionen REICHs er sich befindet. Mit diesem Bewußtsein ist es sowieso tragbar, daß eben die sexualökonomischen Begriffe an sich sehr wohl valide sind. Aber ungleich leichter ist dann der Umstand zu tragen, daß aufgrund der Weite des Betrachtungsrahmens bzw. der verschiedenen Bezugsbereiche (s.o.) sie sich einander widersprechen können bzw. nicht ganz kongruent sein müssen - und das aus gutem Grund: Wegen der funktionellen Identität bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit, und: weil das Universum nicht "perfekt" ist, sondern eine Unmenge an Widersprüchen in sich trägt.  

Für die vorliegende experimentelle Arbeit zum OA soll folgendes Konzept angenommen werden: Es wird gemäß REICHs sexualökonomischer Theorie bei den vegetativen Einzelfunktionen unterschieden zwischen zentralen und peripheren Einzelfunktionen (vgl. REICH 1942). Die zentralen Funktionen (Herzgegend, Solar Plexus) scheinen sich zu verhalten, als würden sie sympathisch innerviert. GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) stellten bereits eine signifikant erhöhte Pulsfrequenz und eine ebensolche Kerntemperatur während der OA-Sitzung im Vergleich zu einer Kontrollbox fest. Die peripheren Funktionen (Temperatur, Muskelspannung) indes dürften ziemlich rasch mit einem erhöhten Vagotonus reagieren. Das bedeutet unter anderem: Verstärkte Darmperistaltik und intestinale Drüsensekretion, erhöhte periphere Körpertemperatur und des weiteren eine tonisierte Muskulatur mit belebten Bewegungen.  

Entsprechend diesem Modell können dann eindeutige Vorhersagen gemacht werden, wie sich die abhängigen physiologischen Variablen während der OA-Sitzung verändern sollten.

E.  Die Muskelspannung als Beispiel der Operationalisierbarkeit von Meßparametern in einer sexualökonomischen Untersuchung

Die Veränderungen und verschiedenen Funktionszustände der Muskulatur spielen in der Sexualökonomie und in den an Reich angelehnten Therapieformen eine große Rolle. Der Begriff der psychischen und somatischen Panzerung ist eng mit den Begriffen "Muskelverspannung" und "Muskelrigidität verbunden. Für Reich bedeutet der Begriff der Panzerung das Zusammenspiel der Abwehrmechanismen, welches die Aufgabe hat, den Organismus vor Angst im Sinne von "zentrale Spannung (Stauung) von Energiebesetzungen" (Reich 1949d) schützen soll. Hier soll die muskuläre Erscheinung der Panzerung diskutiert werden.    
  
I.  Muskuläre, körperliche Panzerung

Reich machte wiederholt die Erfahrung, daß charakteristische Körperhaltungen bzw. chronische Anspannungen bestimmter Muskelgruppen (die mit Schlaffheit anderer Muskelgruppen einhergehen) charakterliche Abwehrhaltungen ersetzen können. Wurde beispielsweise bei einem Patienten eine charakterliche Abwehrformation bearbeitet und gelockert, so konnte jener durch körperliche Muskelspannungen z.B. im Rücken-, Bein- oder Nackenbereich bzw. durch Einschränkung der Atmungsfunktion die Schwächung der charakterlichen Abwehrformation auf der körperlichen Ebene kompensieren. Ab 1932 ging Reich aufgrund dieser und ähnlicher Beobachtungen immer häufiger dazu über, Abwehrhaltungen (Panzerungen) auch am Körper aufzusuchen (vgl. auch Reich 1942). Aus den verschiedensten Mechanismen der Panzerung abstrahiert Reich die ihnen allen zugrundeliegende Gemeinsamkeit:   "Zunächst fällt die Identität dieser Funktionen auf, die nur aus einem Prinzip zu begreifen ist: aus der Panzerung der Peripherie des bio-psychischen Systems."
(Reich 1949d, S. 344)  

Als die Peripherie des Organismus auf einer somatischen Ebene gilt in der Sexualökonomie die Gesamtheit der erogenen Zonen und der vegetativ innervierten Organe. Reich führt eine Reihe von Beobachtungen an, die die funktionelle Identität von körperlichen und psychischen Erregungsprozessen bezüglich der Panzerfunktion belegen sollen. Im therapeutischen Bereich fällt die durch den therapeutischen Prozeß veränderte Körperhaltung bzw. Muskelspannung auf.  

"Sehr oft stellt man fest, daß der muskuläre Spannungszustand vor der Lösung einer akuten Verdrängung anders ist als nachher. Die Patienten spüren meist im Widerstand, das heißt dann, wenn sie einem Gedanken oder einer Triebregung den Zutritt zum Bewußtsein versagen, eine Spannung am Schädel, in den Oberschenkeln, in der Gesäßmuskulatur etc. Fällt ihnen die Lösung ein oder erfolgt diese durch richtige Deutung seitens des Analytikers, dann fühlen sie sich plötzlich entspannt; eine Patientin sagte in einer derartigen Situation: ‘Es ist mir, als ob ich eine sexuelle Befriedigung erlebt hätte’."
(Reich 1949d, S. 346)  

Den Gegensatz von Sexualität und Angst beschrieb Reich sowohl auf der psychischen Ebene, als auch im vegetativen Bereich (vgl. Reich 1942 und 1949d). Neben diesen beiden Uraffekten gibt Reich noch ein drittes Grundgefühl an, das in der therapeutischen Arbeit regelmäßig auftritt. Es ist dies Wut bzw. Haß.
Reich betrachtet diese Emotionen als das Ergebnis einer Hemmung von libidinösen Impulsen, die an eigenen Strukturen des Panzers abgelenkt werden und dadurch ihre Qualität verändern (Liebe --> Haß). Diese Gefühle kommen aber auch durch äußere Hemmungen, Versagungen etc. zustande.  

"Sobald die Ausdrucksbewegung der Hingabe auf Panzerblocks stößt, so daß sie nicht frei ablaufen kann, verwandelt sie sich in destruktive Wut."
(Reich 1949d, S. 376)  

Die genaue Berücksichtigung der Wut- bzw. Haßemotion (von Reich als sehr verwandt angesehen; vgl. Reich 1949d) ist für die klinische Diskussion der somatischem Panzerfunktion wichtig. Eine eingehende klinische Diskussion kann hier nicht gegeben werden, denn die genaue Diskussion der Entstehung der Wut- bzw. Haßaffekte vom sexualökonomischen Standpunkt aus wäre zu umfangreich. Reich (1949d und 1949e) diskutiert die klinische Bedeutung und die Genese der Grundaffekte Sexualität, Angst und Wut ausführlich. In unserem Zusammenhang ist die dritte Grundemotion im Verbindung mit der Muskelrigidität wichtig. Reich entwickelt die Anschauung, daß durch eine rigide Muskelhaltung Emotionen und Gefühle in Verdrängung gehalten werden können.  

Die Emotionspsychologie stellt allgemein fest, daß "die vegetative Innervation ein wesentlicher Bestandteil emotionaler Prozesse ist"
(Miltner 1986, S. 80). Emotionsspezifische vegetativ-muskuläre Reaktionen sind dabei eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen intensiver Gefühlsreaktionen (vgl. auch die Theorie von James und Lange; Lange 1887).
Aber auch die zentralnervöse Verarbeitung der situativen Reizbedingungen stellen eine wichtige Voraussetzung für die Innervation vegetativ-motorischer Muster dar (Miltner 1986). Die Psychosomatik vermutet, daß zu häufiges und überstarkes Auslösen von "negativen" Grundemotionen (Wut, Ärger, Furcht, Angst und Trauer) zu Organstörungen führen kann. Sie führen an, daß bei sozialen Bestrafungen z.B. zwar die motorischen Anteile der Ausdrucksäußerungen, nicht aber der hormonelle und autonome Anteil derselben gehemmt werden. Es kann sogar vorkommen, daß z.B. der motorische Teil bestraft und wenig später zeitlich inkontingent autonom-endokrine Anteile sogar sozial belohnt (verstärkt) werden. Die meist als Bewegungsrestriktion bestrafte motorische Ausdrucksäußerung schafft in der Folge eine starke autonome und hormonelle Gegenreaktion, die eine Dysfunktion des Systems verursachen kann. Als neurophysiologischen Mechanismus führen die Autoren eine gegensätzliche intrafusale und extrafusale Muskelinnervation an. Reich bezieht sich in seiner Theorie auf sehr ähnliche Beobachtungen und zieht zur theoretischen Erklärung seine Triebtheorie heran.

II.  Lust, Angst und Wut am Muskelsystem

Vom sexualökonomischen Standpunkt aus lassen sich - in Abhängigkeit von der emotionalen Verfassung des Organismus - verschiedene qualitative Zustände der Spannung bzw. Erregung der Muskulatur unterscheiden. Die libidoökonomische Unterscheidung zwischen den verschiedener Arten von Angsterregung bzw. die Unterscheidung von Wut und sexueller Erregung auf einer physiologischen Ebene findet sich in der Psychophysiologie nicht. Dort hat die Muskelspannung als gemessene Größe quantitativen Gehalt. Als rein quantitatives Maß drückt die Muskelspannung die integrierte Summe (Fläche) der pro Zeiteinheit gemessenen Muskelaktionspotentiale aus. Dies ist auch für die geplante experimentelle Untersuchung von Belang.  

Clynes (1975; nach Miltner 1986) berichtet, daß Mikrobewegungen nicht nur der Gesichtsmuskeln, sondern auch Muskeln fast jeden anderen Körpersystems im Dienste einer spezifischen emotionalen Ausdrucksäußerung stehen können. Miltner (1986) zieht in Betracht, daß eine gehemmte Ausdrucksmotorik ein ätiologischer Faktor bei der Entstehung einzelner Störungen oder Krankheiten sein kann. Zu häufiges und überstarkes Auslösen von vor allem negativen Grundemotionen führt dazu, daß diese zu lange andauern und vom sozialen Umfeld häufig bestraft werden. Reich meint hierzu, daß die Energie (physiologisch-körperliche Erregung) der unausgedrückten Emotionen muskulär zurückgehalten wird (Reich 1949d).  

In der sexualökonomischen Theorie existiert eine komplexe Sichtweise über das Verhältnis zwischen Muskelspannung bzw. sexueller Erregung, Angst und Wut. In der Folge soll deren Beziehung näher beleuchtet werden. Das Verhältnis zwischen Muskeltonus und emotionaler Erregung ist hier nicht nur quantitativ aufzufassen, sondern es besitzt auch eine qualitative Komponente.  

Bei der Angst unterscheidet Reich wie schon vor ihm Freud zwischen der Erwartungsangst und dem plötzlichen Schrecken.  

"In der Erwartung einer Gefahr ist die Muskulatur gespannt, wie zur Aktion bereit  ["auf die Welt" gerichtet; Anm. des Autors]. Man vergegenwärtige sich ein zum Davonrennen bereites Reh. Beim Schreckzustand finden wir die Muskulatur von Erregung plötzlich entleert"... ["weg von der Welt", Anm. GH] (Reich 1949d, S. 349)  

In beiden Situationen entsteht Angst als Ausdruck zentraler Spannung. Im ersten Fall verursacht die zur Tat bereite, aber noch nicht in Handlung umgesetzte Erregung eine Stauung an der Peripherie. 
Die Erregung ist bereitgestellt und wartet gleichsam nur mehr auf die Abfuhr. Im anderen Fall verursacht die Flucht der peripheren Erregung "zurück ins Innere" eine zentrale Spannung (Stauung). Gemeinsam ist beiden die nicht abgeführte Erregung, die noch weiter unabgeführt im Körper bzw. in der Psyche verbleibt. Trotz dieser Gemeinsamkeiten erfahren die beiden Angstarten ein unterschiedliches Schicksal aufgrund ihrer verschiedenen Lokalisation:  

"Bei der ängstlichen Erwartung gerät die Muskulatur ... in eine Dauerspannung, wenn sie durch keinerlei Motorik abgelöst wird. Dann macht sie entweder einer Erschlaffung Platz, wenn die Schreckreaktion folgt, oder aber sie weicht einer motorischen Fluchtreaktion."
(Reich 1949d, S. 349)  

Beim Fortbestand der Erwartungsangst erfolgt keine motorische Lösung der Spannung. Es tritt ein Zustand der körperlichen Erstarrung ("starr vor Schreck") ein. Hier ist der Zustand chronischer Muskelanspannung gemeint. Die periphere Muskulatur bleibt vorerst in rigider Spannung, die Angstempfindung fehlt bzw. ist sehr abgeschwächt. Das kardiovaskuläre System ist unter solchen Umständen meist wenig erregt. Bei der Schrecklähmung hingegen ist der Angstaffekt stark entwickelt und das kardiovaskuläre System in hoher Erregung. Die Muskulatur befindet sich hier in einem erschlafften Zustand. Reich interpretiert dieses unterschiedliche vegetative Verhalten als Ausdruck einer ungleichen Verlagerung vegetativer Erregung von einem Organsystem zum anderen (Muskelsystem, Herzkreislaufsystem, Gastro-Intestinalsystem).

Tabellarisch dargestellt ergeben sich folgende Varianten für die Verarbeitung von Angsterregung. Angst- und Schreckreaktion sind einander tabellarisch gegenübergestellt.


Erwartungsangst                                       Schreckreaktion
zur Aktion bereit                                       Erregungsflucht / Gelähmtheit
periphere muskuläre Spannung                     periphere Schlaffheit
wenig Angstempfinden                                starkes Angstempfinden 
wenig kardiovaskuläre Erregung                    hohe kardiovaskuläre Erregung

Verschiedene Arten der Angstverarbeitung.

Die in der Muskelspannung gebundene ("verhaltene") Angstempfindung läßt sich in der Therapiesituation durch geeignete Interventionen dem Bewußtsein wieder nahe bringen. Dies geschieht z.B. durch Entspannung, Vertiefung der Atmung, Massage angespannter Muskelgruppen, bestimmte ausdrucksfördernde Bewegungen etc. (siehe z.B. Lowen 1975, Lowen & Lowen 1979). Regelmäßig treten dabei verschiedene vegetative Reaktionen wie Schweißausbrüche, Herzklopfen oder allgemeine Nervosität auf, nach der Lösung der Angst auch Wohlbefinden und Entspannung. Gleichzeitig damit verbundenen sind auch vegetative Veränderungen, deren Effekt sich unter dem Sammelbegriff des körperlichen Wolhlbefindens subsummieren läßt.
(vgl. Reich 1949d und 1942).  

Wuterregung folgt der Angsterregung bezüglich ihrer Gesetzmäßigkeit in weiten Zügen: Beim affektiven Wutausdruck befindet sich die Muskulatur im ständigen Wechsel von Kontraktion und Spannungslösung. In diesem Wechsel von Spannung und Entspannung soll die vegetative Erregung abgebaut werden (Reich 1949d). Die Hemmung der Wut- bzw. Haßemotionen führt zur Stauung der Erregungsspannung. Die Erregungsstauung schlägt in der Folge um in ängstliche Erwartung oder in einen Schreckzustand. Die Umwandlung geht einher mit einem veränderten (chronisch gespannten bzw. schlaffen) Muskeltonus derjenigen Muskelgruppen, die für den jeweiligen emotionalen Ausdruck benötigt werden. Reich spricht hier von "funktionelle Muskelgruppen" (1942). Im chronischen Zustand kommt es hier auch zur Einschränkung der körperlichen Beweglichkeit (Starrheit der Gelenke, chronisch gespannte Muskeln mit ihrer Sekundärsymptomatik, wie z.B. Gelenksentzündungen, Rheuma, etc.).  

Das Verhältnis zwischen sexueller bzw. Lusterregung und der Muskelspannung ist ebenfalls in Verbindung mit der Angsterregung zu betrachten. Im Zustand der sexuellen Erregung (im Sinne von "auf die Welt zu") ist die Muskulatur durch einen ständigen Wechsel von Kontraktion und Entspannung gekennzeichnet. Mit dem pulsatorischen Wechsel von Spannung und Entspannung kann auch emotionale Bewegtheit im psychischen Bereich einhergehen. Der Wechsel von Spannung und Entspannung wird subjektiv als lustvoll erlebt.  

Die aktive Panzerfunktion ersetzt und verhindert schließlich die bewußte Wahrnehmung von Angsterregung bzw. tritt an ihre Stelle. Sie erspart dem Organismus das chronische Gefühl ängstlicher Erregung. Im Zustand der Panzerung gegen Angsterregung entsteht als körperliches Äquivalent zur Kontaktlosigkeit und dem Empfinden der psychischen Abgestorbenheit das Empfinden von mechanischer, lustloser Bewegung (Reich 1942). Die sexuell-lustvolle Erregung wird bei aktiver Panzerung genauso gehemmt wie die Angsterregung. Hier liegen funktionelle (dialektische) und keine absoluten Gegensätzlichkeiten vor. Bei richtiger therapeutischer Aktion zur richtigen Zeit läßt sich die libidinöse Erregung wieder aus der Panzerung herauslösen, der Vorgang ist also umkehrbar.  

Affektgesperrte Personen weisen regelmäßig einen hohen Muskeltonus der gesamten Körpermuskulatur auf (Reich 1949d). Bringt man sie zum bewußten Entspannen, so treten häufig Unruhe, Nervosität, ablenkende Gedanken etc. ein. Bei anderen Charaktertypen läßt sich neben chronischer Muskelspannung auch eine chronische Muskelschlaffheit finden. In diese Gruppe gehört z.B. der sog. passiv-feminine Charaktertyp. Reich schließt mit ein, daß extrapyramidale Innervationsstörungen in pathologischen Fällen eine Rolle spielen, doch er interpretiert die neuronale Aktivität als ein Mittel des Ausdrucks des allgemeinen vegetativen (emotionalen) Erregungszustandes des Organismus.  

Reichs Schluß aus seinen klinischen Beobachtungen zu den verschiedenen Erregungszuständen am Muskelsystem ist, daß die Veränderungen, die dort stattfinden, funktionell identisch sind mit den Erregungsempfindungen selbst.  

"Jede Erhöhung des Muskeltonus in Richtung zur Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde. Treten genitale Sensationen auf, so gelingt es manchen Patienten, sie durch motorische Unruhe zu beseitigen oder zu mildern; das ist genauso wie bei der Aufarbeitung ängstlicher Empfindungen. Wir denken dabei an die große Bedeutung, die die motorische Unruhe im Kindesalter als Energieabfuhr gewinnt."
(Reich 1949d, S. 346)  

Die motorische Unruhe bedeutet dem Abbau von vegetativer Erregung. Die Muskulatur kann im Prozeß der Bindung vegetativer Erregung wohl in einen chronisch hohen Tonus geraten. Da sie aber auch atonisch werden kann, erscheint es angebrachter, den Begriff der Rigidität der Muskulatur statt den der Muskel(ver)spannung zu verwenden. Letztere ist selbst nur eine der möglichen Manifestationsarten der Bindung vegetativer Erregung.   

"Für psychophysiologische Untersuchungen bietet sich die Integrationsmethode zur Quantifizierung der elektrischen Muskelaktivität an. Wie Epstein u. Webster (1975) zeigen, sind die integrierten Werte hinsichtlich der intraindividuellen Reliabilität einem Amplitudenmaß deutlich überlegen."
(Schandry 1989, S. 266)

Neben der willkürlichen Innervation der quergestreiften Muskulatur gibt es auch noch eine unwillkürliche Muskelinnervation. In der Sexualökonomie und der Vegetotherapie spielt vor allem diese Art der Muskelinnervation eine bedeutende Rolle. Unwillkürliche Muskelinnervationen betreffen nach Reich ganze Muskelgruppen, die am Ausdruck (bzw. an der Verhinderung) einer Emotion beteiligt sind (z.B. weit geöffnete Augen als Ausdruck eines Schreckens oder chronisches Schlucken etc.). Unwillkürliche Muskelreaktionen stehen auch in Zusammenhang mit psychischer Aktivierung und Streßbelastung.   "Psychophysische Aktiviertheit dürfte in einem ziemlich direkten Zusammenhang zur Muskelspannung stehen".
(Schandry 1989, S. 256)  

Dementsprechend scheint der Einsatz der Muskelspannung als Parameter zur Überprüfung eines möglichen Effekts des Orgonakkumulators durchaus sinnvoll. Üblicherweise wird die durchschnittliche Muskelspannung als Variable eingeführt, wie es auch in der vorliegenden Untersuchung beabsichtigt ist. Bezüglich weiterer geeigneter Parameter für psychophysiologische Aktiviertheit führt Schandry aus:   "Bei Anstieg des Aktivierungsniveaus nimmt die Standardabweichung der integrierten Muskelaktivität an Stirn und Unterarm deutlich zu."
(Schandry 1989, S 267)  

Dieser Umstand ist für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung. Neben der Höhe der Muskelspannung soll noch die Variabilität der Muskelspannung berücksichtigt werden.  

Auch aus der Sexualökonomie läßt sich ableiten, daß während einer Orgonakkumulatorsitzung die psychophysiologische Aktiviertheit zunimmt. Im Falle eines vagotonen Einflusses des Orgonakkumulators im Reichschen Sinne (also die Tendenz "auf die Welt zu", "Expansion") müßte sich auch ein Anstieg der Muskelspannung einstellen. Die derart zustande kommende "Expansion" führt im Falle des Orgonakkumulators einerseits zu einer zentralen Spannung und andererseits zu einer "vagotonen Weitung" (Reich). Es scheint sich bei den Effekten des Orgonakkumulators weniger um ein starres: Entweder sympathisch oder parasympathisch zu handeln. Vielmehr deuten auch die Ergebnisse von Gebauer & Müschenich (1987) daraufhin, daß auf der Ebene der Einzelinnervationen der Akzent auf sympathisch und parasympathisch gesetzt werden muß. Denn der von Reich so betonte gesamtorganismische Zustand, der so zentral von der Spannungs-Ladungs-Funktion bestimmt ist, bedient sich der vegetativen Einzelinnervationen und versucht sich in ihnen auszudrücken. Auf die Schwierigkeiten der Definition des Vagotoniebegriffes wurde schon weiter oben näher eingegangen, da sich im Begriff „Vagotonie“ Schwierigkeiten verbergen, die genauer untersucht werden müssen.   Im Falle des Orgoneinflusses sollte die Muskulatur "vagisch tonisiert" sein
(im Sinne von "auf die Welt zu").
Die Erschlaffung der Muskulatur korreliert hingegen mit der Flucht der libidinösen Besetzungen ins Innere. Im Extremfall setzt eine Schrecklähmung ein.  

"Jede Erhöhung des Muskeltonus in Richtung zur Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde."
(Reich 1949d, S. 346)  

"Die muskuläre Starre kann die vegetative Angstreaktion ersetzen, anders ausgedrückt, die gleiche Erregung, die bei der Schrecklähmung ins innere flieht, bildet bei der Schreckstarre aus der Muskulatur eine Periphere Panzerung des Organismus"
(Reich 1949d, S. 349f).  

Zusammengefaßt kann also die im Moment erfaßte Muskelspannung mehrere unterschiedliche Zustände des Organismus ausdrücken:  

Vegetative Erregung, die einhergeht mit dem Ausdruck Lust-, Angst- oder Wut bedeuten. Ihren charakteristischen Verlauf beschreibt Reich als zwischen Spannung und Entspannung hin und her schwingend. Dabei ändert sich die Muskelspannung rhythmisch. Möglicherweise die Bremsung von Lust-, Angst- oder Wutaffekten. Dieser Zustand zeichnet sich aus durch das chronische Verharren des Muskeltonus in einer fixierten Lage zwischen Expansion und Kontraktion. Die Muskelspannung ist mehr oder weniger rigid und wenig moduliert.   Sie kann weiters der Ausdruck lustvoller Natur sein bzw. auch Angst- und Wuterregung bedeuten. Reich schreibt diesen verschiedenen Erregungszuständen spezifische Qualitäten zu. Lustvolle Spannung ist unter anderem gekennzeichnet als zwischen Spannung und Entspannung schwingende Muskelaktivität. Liegt eine chronische Erregung (Stauung) vor, so zeigt sich ein Bild generell erhöhter Muskelspannung. In manchen Fällen ist sie durch chronische Schlaffheit bestimmter anderer Muskelpartien ergänzt. Unter diesen Umständen liegt eine Bremsung von Lust-, Angst- oder Wutaffekten vor. Dieser Zustand zeichnet sich durch chronisches Verharren in einer fixierten Lage zwischen Spannung und Entspannung aus. Der Muskel hat einen Teil seiner möglichen Schwingungsbreite eingebüßt.  

Die Höhe der Muskelspannung alleine (Durchschnittswerte) bringt also nicht alle Informationen, auf die die Sexualökonomie Wert legt. Trotzdem müßte bei einem eventuellen Effekt des Orgonakkumulators die Spannung bzw. die Aktivierung steigen, da die Person innerhalb des engen Orgonakkumulators (und das gilt auch für den Kontrollkasten) die aufgebaute Spannung nicht abbauen wird können.      
 
F.    Weitere physiologische Parameter

Auf der Suche nach weiteren Konstrukten, die interindividuell verschiedene physiologische Reaktionen im Orgonakkumulator verursachen könnten, drängte sich ein Personenparameter besonders auf: Jede Versuchsperson kommt mit einem bestimmten aktuellen vegetativen Ist-Zustand bzw. einem bestimmten Ausmaß an Aktivierung zum Experiment. Daher ist es wahrscheinlich, daß der vegetative Ausgangszustand der Vp eine wesentliche Rolle für den Verlauf des Experiments spielt.    
  
G.    Der vegetative Reaktionstyp

Der vegetative Grundtonus ist nicht bloß ein bloß momentaner Zustand (vgl. Reich 1942 und 1949f). Vielmehr stellt Reich vegetative Reaktionsmuster in Beziehung zu charakterlichen Gewohnheiten, also Verhaltens- und Erlebensmustern, die sehr eng an die Person gebunden sind. Aus dem Bereich des Biofeedback, dem Konzept der autonomen Balance und Homöostase von Eppinger & Hess (1910; vgl. auch Schandry 1989) und den diesbezüglichen Arbeiten dazu von M.A. Wenger (z.B. 1941) ist bekannt, daß solche grundsätzlichen vegetativen Reaktionsmuster auch tatsächlich experimentell gefunden werden konnten. Im Reich ökonomischem Konzept haben diese Reaktionsmuster die Aufgabe, biophysische Erregung zu verarbeiten. In Begriffen der Psychophysiologie gibt es ähnliche, allerdings rein auf psychologische und psycho-physiologische Dimensionen begrenzte Konzepte. Dies ist z.B. die Verarbeitung von Streß, das Konzept der Aktivierung, das Konzept der Habituation und der „autonomen Balance“.

Eppinger & Hess (1910) untersuchten eine Reihe von Krankheitsbildern und ordneten die Testpersonen anhand derer physiologischer Symptome einem Typus zu, der dem Überwiegen eines der beiden Teile des vegetativen Nervensystems entspricht. Entsprechend der vegetativen Reaktionen werden die betreffenden Personen auch Vagotoniker und Sympathicotoniker genannt. Dabei berücksichtigten EPPINGER & HESS besonders Symptome des Verdauungssystems und des Herz-Kreislaufsystems. Sie sind in der folgenden Tabelle angeführt:

VAGOTONIKER                                       SYMPATHICOTONIKER
langsamer Puls                                      schneller Puls
enge Pupillen                                        weite Pupillen
trockene kühle Hände                             feuchte kalte Hände

Tabelle 3: Die verschiedenen möglichen Symptome der beiden vegetativen Typen. 

Eppinger & Hess ermittelten diese Symptombilder aufgrund der vegetativen Reaktion auf Pharmaka. Bei dem Item "trockene kühle Hände" führen Eppinger und Hess allerdings einen sympathischen und einen vagischen Effekt in einer Zeile. Eine niedrigere Extremitätentemperatur muß unter normalen Umständen, (d.h. ohne Pharmakaeinfluß), wohl auf einen sympathischen Effekt zurückgeführt werden. Die Weite der Gefäßmuskulatur der Arterien und Arteriolen hängen vom Innervationstonus der adrenergen (sympathischen) Nervenfasern ab. Andererseits ist eine trockene Haut auf eine geringe Schweißdrüsentätigkeit zurückzuführen, d.h. der Sympathicus wird von einem höheren Vagotonus gehemmt.  

In der vorliegenden Untersuchung soll ebenfalls eine derartige Unterscheidung bezüglich dem vegetativen Reaktionstyp durchgeführt werden. Allerdings wird die Tabelle 4 abgeändert: Es wird 1. die eher schwer zu beurteilende Pupillenweite gestrichen; 2. scheint es auch angebracht, Handfeuchte und Handtemperatur voneinander zu trennen; 3. werden zwei Wahrnehmungsitems neu eingeführt: Es wird a) gefragt, ob sich die Versuchsperson (Vp) eher leicht nach emotionalen Aufregungen wieder entspannen kann. Vagotoniker sollten sich nach einer aufregenden und belastenden Situation leichter erholen können als Sympaticotoniker. Die vagotonisch reagierende Person kehrt schneller nach der Aufregung in das gewohnte vagotonische Verhalten zurück. Das zweite Item bezog sich auf die Leichtigkeit, zu einer den Anforderungen angemessenen Aktivierung zu kommen. Der Sympathicotoniker müßte grundsätzlich leichter in eine psychophysiologische Aktivierung kommen als ein Vagotoniker. Letzterer wird u.U. Schwierigkeiten haben, rasch in die optimale Aktivierungslage zu gelangen. Die Fragen werden so gestellt, daß die Vp selbst beurteilt, ob sie im allgemeinen eher z.B. warme Hände hat oder kalte, u.s.w. Die folgende Tabelle veranschaulicht die hier verwendeten Items und die Zuordnung der Ausprägung zum jeweiligen Reaktionstyp.

VAGOTONIKER                                   SYMPATHICOTONIKER
langsamer Puls                                  schneller Puls
warme Hände                                    kalte Hände
trockene Hände                                 feuchte Hände
rasche Erholung nach Belastung            langsame Erholung nach Belastung
lange Anlaufzeiten für Aktivitäten          kurze Anlaufzeiten für Aktivitäten

Tabelle 4: Die Items, die bei der vorliegenden Untersuchung erfragt wurden, um den vegetativen Reaktionstyp festzustellen.  

Es wird aber öfters der Fall eintreten, daß die Vp keine eindeutigen Angaben bezüglich der Items über den vegetativen Reaktionstyp macht. Als Quelle zusätzlichen Informationsgewinnes sollen deshalb auch die Verläufe der physiologischen Parameter der Vp während kurzer, in den Versuchsplan eingebauter Leistungssituationen herangezogen werden. Derartige Aufgabenstellungen werden z.B. als Diagnosemittel im Rahmen des Biofeedbacktrainings und der Biofeedbacktherapie verwendet (vgl. Kröner-Herwig & Sachse 1981, Eder & Eggetsberger 1991, Green & Green 1978), um entsprechende Informationen über die Reaktionen vegetativer und somatischer Funktionen zu erhalten.  

Als Beurteilungskriterien für die Bestimmung des vegetativen Grundtyps aus dem Verlauf der Leistungssituation heraus wurden folgende Variablen ausgewählt:  

Hautleitfähigkeit Hand- bzw. Fingertemperatur Puls Muskelspannung auf der Stirn.   Bei jeder dieser Variablen wurden aufgrund eines Expertenurteils des Versuchsleiters und der Fragen zum vegetativen Reaktionstyp entschieden, ob die Vp zur Sympathicotonie oder eher zur Vagotonie neigt. Dabei handelt es sich allerdings um qualitative Zuordnungen, die quantitative Aspekte vernachlässigen muß. Entscheidend ist dabei nicht bloß die Höhe der absoluten Meßwerte, auch der Verlauf des Meßwertes soll berücksichtigt werden. So zeigen ein Absinken des SCL und des Pulses ein vagotones Verhalten, das manchmal auch verbunden ist mit einem Anstieg der Fingertemperatur. Andererseits kann eine sympathicoton reagierende Vp vor und zu Beginn der Messung sehr vagotone Werte durch ihre Entspannung bringen, während oder unmittelbar nach einer Leistungssituation wird sich sehr wahrscheinlich ihr Sympathicustonus erhöhen (vgl. Miltner, Birbaumer & Gerber 1986, Eder & Eggetsberger 1991).  

Die Haupthypothese bezüglich des vegetativen Reaktionstyps lautet: Die vegetative Reaktionsspezifität der Versuchsperson leistet einen signifikanten Beitrag zu den unterschiedlichen Effekten, die im Orgonakkumulator im Vergleich zu einer optisch identen Attrappe auftreten.      
  
H.   Psychologische Parameter

Der dritte Punkt der speziellen Fragestellung zielt auf die Erhebung möglicher psychologischer Merkmale ab. Gibt es "Personönlichkeitsfaktoren" bzw. psychische Merkmale, die individuell unterschiedliche physiologische Reaktionen im Orgonakkumulator erklären können? Um dies feststellen zu können, überdauernde Merkmale, wie Persönlichkeitsfaktoren, Ängstlichkeit, Ursachenzuschreibung (Locus of Control) erhoben. Andererseits sollen Prozeßvariablen nicht außer Acht gelassen werden. Subjektive, in der Literatur beschriebene Veränderungen, die mit der Orgonakkumulatorsitzung zusammenhängen, sollen erfaßt und überprüft werden.  

Da es kein geeignetes Testinstrument für die vorliegende Fragestellung gab, wurden mehrere angeführte psychologische Testinstrumente herangezogen:

Die verwendeten psychologischen Testinstrumente
Persönlichkeitstest                                           Giessen Test
Erfassung der Ängstlichkeit                                STAI (State Trait Angstinventar)
Locus of Control (Kontrollüberzeugung)                IPC
Subjektive Veränderungen, Wahrnehmungen         Veränderungsfragebogen

Tabelle 5: Liste der in der Untersuchung verwendeten Tests.

3. Das Experiment  

Nach der ausführlichen theoretischen Einführung soll nun das Experiment, in dem die psychophysiologischen Wirkungen des Orgonakkumulators untersucht werden sollten, näher erläutert werden.    
 
A.    Der Versuchsplan

Da die Wirkungsweise des OAs auf den menschlichen Organismus meist bloß empirisch deskriptiv bzw. mittels medizinischer Fallstudien untersucht wurde (mit Ausnahme von Arbeiten in jüngerer Zeit; z.B. Gebauer & Müschenich 1987), ist es ein Anliegen dieser Arbeit, mittels experimentellem Herangehen an die Fragestellung weitere Informationen über die Wirkungsweise des Orgonakkumulators zu erhalten.
  
Es sollen neben den bisher beschriebenen Variablen, auch physiologische Indikatoren sowie komplexe physiologische Konstrukte auf einen möglichen erklärenden Einfluß auf die Orgonakkumulatorwirkung untersucht werden. Bei den psychologischen Indikatoren ist die subjektive Erlebensweise ebenso von Interesse wie Persönlichkeitsmerkmale, Ängstlichkeit oder die Verstärkerkontrolle. In diesem Sinne ist diese Untersuchung zum einem Teil als Erkundungsexperiment zu verstehen. Zum anderen gilt es dort, wo es um die Überprüfung von Aspekten der Arbeit von Gebauer & Müschenich (1987) bzw. Snyder (1990) geht, als Kontrollexperiment.  

Der von Gebauer & Müschenich (1987) beschriebene Versuchsaufbau wird aus methodischen Gründen auch für diese Arbeit herangezogen. Nur in wenigen Punkten wird er abgeändert oder ergänzt. Schließlich sollen die Ergebnisse von Gebauer & Müschenich (1987) mit den eigenen vergleichbar sein. Andererseits ist der Versuchsaufbau vom experimentalpsychologischen Hintergrund her gut durchdacht und hat sich grundsätzlich bewährt. Bei Gebauer & Müschenich (1987) wurde die Wirkung des Reichschen Orgonakkumulators im Vergleich zu einer optisch und wärmeisolatorisch identen Attrappe (auch Kontrollkasten - KK oder Placebokasten genannt) untersucht. Auch bei der vorliegenden Studie wird aus Gründen der Vergleichbarkeit neben dem Orgonakkumulator ein Placebokasten eingesetzt. Letzterer erzeugt aufgrund seines fehlenden Doppelschichtaufbaues keine "Orgoneffekte".  

Um die in der Literatur beschriebenen Effekte und Wirkungsweise des Orgonakkumulators auch experimentalpsychologisch untersuchen zu können, wird ein "Vorher-Nachher"-Design angewendet.  

a) Der Ablauf  

Die Versuchsperson (Vp) absolviert unmittelbar vor der Kastensitzung eine Ruhesituation mit einer Dauer von 10 bis 15 Minuten. Mit diesem Schritt sollten sich das Aktivierungsniveau der Vp und emotionale, durch den Versuch verursachte, Spannungen ausgleichen. Durch diese Vorkehrung sollen die Meßwerte interindividuell besser verglichen werden können. Würden beispielsweise Meßwerte während einer Sitzung im Orgonakkumulator oder in der Attrappe ohne einer vorhergehenden Ruhesitzung ermittelt werden, dann könnten Effekte einfließen, die aufgrund anderer physikalischer, psychologischer und psychophysiologischer Veränderungen zustande kommen. Derart könnten Störeffekte die Ergebnisse verzerren und schwieriger interpretierbar machen. Scheineffekte könnten als Orgoneffekt mißdeutet werden. Das vorliegende Experiment ist deshalb nach folgendem Schema gestaltet:    

R1,2 symbolisieren hier die erste und zweite Ruhesitzung, A und A´ jeweils die beiden Kastensitzungen. Die Realisierung von zwei Versuchsdurchgänge (Kastensitzungen) pro Person erfordert auch die Berücksichtigung des möglichen Reihenfolgeeffekts. Andererseits läßt sich beurteilen, ob es unterschiedliche Nachwirkungen von der ersten Kastensitzung zur zweiter Ruhesitzung gibt. Um etwaige Reihenfolgeeffekte auszuschließen, wird in randomisierter (zufälliger) Weise die Reihenfolge von A und A´ vertauscht. Der Versuch ist folgendermaßen gegliedert:

Gruppe 1                                          Gruppe 2

                Ankunft und Instruktion der Versuchsperson  
                Anlegen der Elektroden und Erhebung des vegetativen Reaktionstyps     Ruhesitzung 1  (R1)                            Ruhesitzung 1  (R1)  
ORGONAKKUMULATOR  (A)                   ATTRAPPE  (A´)
                Pause mit Tests                                                                    Ruhesitzung 2  (R2)                            Ruhesitzung 2  (R2)                          ATTRAPPE  (A´)                                 ORGONAKKUMULATOR  (A)                           

                Aufklärung der Vp und Ende    

Tabelle 6: Vollständiger Überblick über den Versuchsablauf mit der Aufteilung der Gesamtstichprobe durch den Faktor "Reihenfolge".  

Damit entstehen zwei Versuchsgruppen, die in zufälliger Reihenfolge ausgewählt werden. Zwischen der ersten Kastensitzung und der zweiten Ruhesituation wird noch eine Pause eingeführt, um eventuelle kurze Kasteneffekte ausklingen lassen zu können. Zusätzlich bekommen die Vpn nach dieser Pause die psychologischen Tests zur Bearbeitung vorgelegt.  

Die Planung des Versuches erzwang es, die beiden Kastensitzungen unmittelbar hintereinander stattfinden zu lassen, da sonst ein üblicher Drop-Out zu erwarten und der Organisationsaufwand doppelt so groß gewesen wäre. Obwohl die lange Dauer des Versuches für manche Vpn eventuell eine Belastung darstellen könnte, wird das Risiko in Kauf genommen, das sich aufgrund der langen Versuchsdauer ergibt. Darunter fallen etwa Aufmerksamkeitsdefizite oder körperliche Ermüdung. Die Dauer des gesamten Versuchs wurde mit ca. 2½ Stunden veranschlagt. Der Versuch hat meist tatsächlich so lange gedauert.      

B.  Zusammenfassung des Experiments und der Ergebnisse  

Im psychophysiologischen Experiment wurden die Auswirkungen des von Wilhelm REICH entwickelten Orgonakkumulators (OA) im Vergleich zu einem optisch identen Placebokasten (Kontrollkasten; KK; Attrappe) untersucht. Es war nicht die Absicht dieser Arbeit, die Orgontheorie, d.h. die bio-physikalische Theorie einer Lebensenergie zu untersuchen. In erster Linie standen im experimentellen Vorgehen die psychophysiologischen Effekte, die im Orgonakkumulator auftreten sollen, im Mittelpunkt. Dabei werden die Effekte des Orgonakkumulators unter sexualökonomischen Aspekten betrachtet und diskutiert, d.h. unter dem Blickwinkel der Haushaltung biologischer, vegetativer und psychischer Spannung bzw. Erregung. Die weitere Ausarbeitung der experimentellen Methodik unter diesem Schwerpunkt, geschah in der Sexualökonomie bisher nur lückenhaft und mußte noch ein Stück weit geleistet werden. Schließlich ist sie die Voraussetzung für eine exakte wissenschaftliche Untersuchung.  

REICH formulierte die Grundzüge seiner Orgontheorie in engem Zusammenhang mit Beobachtungen, die mit einem Gerät mit einer speziellen Materialanordnung anstellte: dem Orgonakkumulator (OA). Dieser OA zeichnet sich durch seinen alternierenden Aufbau einer oder mehrerer Schichten von Metall (Eisenplatte bzw. Stahlwolle) und elektrisch isolierender Stoffe (Hier: Preßspanplatten, Kunststoffolie) aus. Zumeist besitzt der Orgonakkumulator Würfel- oder Kastenform, aber auch andere Formen sind möglich, wie z.B. ein Orgonrohr oder ein Orgonkissen. Im vorliegenden Versuch besitzt der Orgonakkumulator Kastenform, und ist so groß, daß eine erwachsene Person darin sitzend Platz findet. Der Placebokasten besitzt identes äußeres und inneres Aussehen bei gleichen Abmessungen.  

Die allgemeinen Fragestellungen der vorliegenden Arbeit lassen sich wie folgt formulieren:  

Sind die physiologischen und psychologischen Effekte, wie sie in der Literatur im überwiegendem Maße dem Orgonakkumulator zugeschrieben werden, auch im experimentellen Laborversuch nachweisbar? Besonders die Arbeit von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) soll überprüft werden. Die zweite Fragestellung untersucht den Zusammenhang des psychophysiologischen Konstrukts der autonomen Balance (EPPINGER & HESS 1910) mit den Effekten des Orgonakkumulators im Vergleich zur Attrappe. Die dritte Fragestellung beschäftigt sich mit Personenparameter, die mit einer speziellen Wirkung des Orgonakkumulators im Vergleich mit zum Placebokasten in Zusammenhang stehen. Lassen sich auf der psychologischen Ebene Merkmale finden, die einen entscheidenden Einfluß auf die Stärke und Art der Reaktionen im Orgonakkumulator haben? Die vierte Fragestellung setzt sich mit der Kasteninnentemperatur während der Kastensitzungen auseinander.  

Im psychophysiologischen Experiment sollten die Auswirkungen des Orgonakkumulators im Vergleich mit einer optisch identen und wärmetechnisch gleichwertigen Attrappe untersucht werden. Es wurde dabei postuliert, daß der Orgonakkumulator eine vegetativ stimulierende bzw. erregende Wirkung auf die biologische Person hat, die unter anderem über Veränderungen des vegetativen Nervensystems einhergehen. Die zusätzliche Attrappensitzung schien nötig, zumal sonst die Gefahr besteht, jede Art von Veränderung, die sich allgemein in einem solchen engen Kasten einstellt, als "Orgoneffekt" zu interpretieren. Um der experimentalpsychologischen Forderung nach Objektivität gerecht zu werden, wurden die Vpn unter Vorschiebung eines anderen Themas ("Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Organismus") angeworben. Um eventuellen suggestiven Einflüssen des Versuchsleiters entgegenzuwirken, wurde ein Assistent beauftragt, die Reihenfolge der Kästen randomisiert vorzugeben, so daß der Versuchsleiter über den jeweiligen vorgegebenen Kasten nicht informiert war. Die sogenannte Doppel-Blind-Bedingung konnte in den meisten Fällen eingehalten werden. Dort wo sie nicht eingehalten werden konnte (weil der Assistent nicht verfügbar war), wurde diese Veränderung im experimentellen Versuchsmodus (kurz: EXPMODUS) berücksichtigt.
Weiters wurde das Geschlecht der Vp in den Versuchsplan aufgenommen und ihr vegetativer Reaktionstyp (VEGTYP; mit den Idealtypen: Sympathicotoniker und Vagotoniker) nach einem modifizierten Modell von WENGER & CULLEN (1972) ermittelt. Um eine physiologische Baseline zu schaffen, wurden die Vpn vor den Kastensitzungen für die Dauer von ca. 10 bis 15 Minuten einer Ruhesitzung unterzogen. Danach nahmen die Vpn gleich in einem der beiden Kästen Platz.

Es wurden insgesamt 62 möglichst unkundige Versuchspersonen (Vpn) je einmal in den Orgonakkumulator und einmal in den Placebokasten für ca. 20 bis 30 Minuten gesetzt. Der größere Teil der Stichprobe (44 Versuchspersonen) durchlief im Spätherbst/Winter 1991 in Wien den Versuch (Winter- bzw. Stadtversuch). Eine zweite, kleinere Stichprobe von 18 Vpn wurde im Frühsommer in Niederösterreich untersucht (Sommer- bzw. Landversuch). Es wurden deshalb auch unterschiedliche klimatische Bedingungen in den Versuchsplan aufgenommen (Faktor KLIMA).  

Um physiologische Veränderungen zu messen, wurden die folgende Meßvariablen mittels psychophysiologischer Meßgeräte und modernster Computertechnik erfaßt und aus ihnen die in den Klammern stehenden Parameter rechnerisch abgeleitet: Hautleitfähigkeit (Mittleres SCL-Niveau: SCLX; Maximalwert des SCL pro Sitzung: SCLMAX); die periphere Hauttemperatur (Mittelwert HTX und Maximalwert HTMAX); die Achseltemperatur (mittlere Achseltemperatur ATX und der Maximalwert ATMAX); die Herzrate (Mittelwert und Streuung: PX und PSD; SD steht für standard deviation); die Muskelspannung am Musculus Frontalis (auf der Stirn; Mittelwert EMGFX und Variation EMGFSD); die Kasteninnentemperatur (Mittelwert KTX und Maximalwert KTMAX). Während des Winterversuchs wurde außerdem noch die Muskelspannung auf der Schulter (Mittelwert und Streuung EMGTX und EMGTSD) und im Sommerversuch statt dessen die Fußtemperatur (mit Mittelwert FTX und Maximalwert FTMAX) gemessen. Außerdem wurde unmittelbar nach jeder Versuchsphase der Basler Befindlichkeitsfragebogen (BBF) vorgegeben sowie nach jeder Kastensitzung ein eigens konstruierter Fragebogen zur Erfassung von subjektiven Wahrnehmungen und Veränderungen während der beiden Kastensitzungen.  

Weitere unabhängige Variablen waren Skalen verschiedener standardisierter psychologischer Tests: Die 6 Giessen-Test Faktoren, die 3 IPC-Skalen und die 2 STAI-Skalen wurden in einer ca. 20 bis 40 minütigen Pause zwischen den beiden Versuchsdurchgängen (Ruhesitzung + Kastensitzung) erhoben.  

Aufgrund methodischer und inhaltlicher Überlegungen wurde beschlossen, für die statistische Auswertung sowohl Absolutwerte, also auch Differenzwerte heranzuziehen: Neben den Absolutwerten jeder einzelnen Versuchsphase wurden auch noch Differenzwerte zwischen der Kastensitzung und der ihr jeweils unmittelbar vorausgegangenen Ruhesitzung berechnet. Letzteres sollte dazu dienen, um unabhängiger von unterschiedlichen Aktivierungsniveaus der Vpn zu sein. Die Auswertung der Daten erfolgte je nach Erfüllen oder Nicht-Erfüllen der Normalverteilungsvoraussetzung entweder durch eine multifaktorielle Varianzanalyse mit den fünf Kontrollfaktoren und einem 4-fach (Absolutwerte) bzw. 2-fach gestuften Meßwiederholungsfaktor (Differenzwerte Kastensitzung minus Ruhesitzung) oder mittels parameterfreien Tests.  

Es folgt nun eine Darstellung wichtiger Ergebnisse bezüglich der untersuchten Variablen. Da die Kontrollvariable REIHENFOLGE oft mit den Meßwerten systematisch kovariiert, wird zunächst das Hauptergebnis bezüglich jedes Meßparameters gemeinsam mit eventuellen signifikanten Einflüssen der REIHENFOLGE dargestellt. Wo es keinen bedeutenden Einfluß der REIHENFOLGE gibt, wird das nicht extra erwähnt. Anschließend folgt dann eine kurze Diskussion der Wechselbeziehungen zwischen dem OA und den anderen vier Kontrollvariablen GESCHLECHT, KLIMA, VEGTYP und EXPMODUS.  

Bei der Hautleitfähigkeit zeigte sich, daß das mittlere Hautleitfähigkeitsniveau (SCLX) des OA mit 14,37mS(iemens) signifikant höher liegt als jenes im KK, wo das SCLX der Vpn bei 13,21mS liegt. Ebenso sind die SCL-Maximalwerte (SCLMAX) im OA mit 19,29mS signifikant höher als im Kontrollkasten (KK) mit 17,53mS.
Betrachtet man die Differenzwerte (relativen Veränderungen) des SCL, dann nimmt das SCL von RO (=Ruhephase vor dem Orgonakkumulator) zum OA nur wenig ab (-0,13mS).
Dem gegenüber fällt die Verringerung des SCL von RK (Ruhephase vor der Kontrollkastensitzung) zum KK mit -2,46 viel stärker ins Gewicht. Die Differenzen unterscheiden sich hoch signifikant voneinander. Auch bei den Differenzwerten der SCLMAX-Werte gibt es prinzipiell das selbe Bild: Nur liegen jetzt die Maximalwerte in den Kästen höher als in den Ruhephasen.
Von RO zum OA gibt es eine Zunahme von +3,8 mS, während von RK zu KK der SCLMAX-Wert nur um bescheidene +0,75mS zulegte. In allen vier Fällen (2 Absolutwertvariablen, 2 Differenzwertvariablen) liegen die Werte des OA auf einem höheren vegetativen Spannungs- bzw. Aktivierungslevel.
Diese Beobachtungen gehen konform mit der Hypothese, daß während der OA-Sitzung ein zusätzliches Wirkungsmoment feststellbar ist, welches verhindert, daß in der an und für sich reizarmen, grundsätzlich desaktivierenden Kastensitzung die SCL-Werte im OA genauso tief absinken wie im KK.  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Hautleitfähigkeit (SCL)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator                              
SCLX             14.37       13.21             0.0194          -0.13    -2.6     0.0055
SCLMAX         19.29       17.53             0.0316          3.8       0.75     0.0024             

Bei der mittleren Muskelspannung auf der Stirn EMGFX wurde festgestellt, daß sie im OA mit 4,05mVolt um ca. 1/3 höher liegt als im KK, wo die Vpn durchschnittlich 2,99mV erreichen. Das heißt, die zusätzlich durch den OA aufgebaute vegetative Spannung drückt sich in einem signifikant erhöhten Durchschnittsniveau aus. Dieser signifikante Effekt zeigt sich bei den Differenzwerten DEMGFX allerdings nicht: Hier sinkt zwar der Mittelwert des EMG-Frontalis von RO zu OA geringfügig um 0,32mV ab, im Gegensatz dazu sinkt er aber von RK zu KK um 2,46mV, also einem Vielfachen, ab. Trotz dieses deutlichen Unterschieds ist dieser Wert aber nicht signifikant. Es muß hinzugefügt werden, daß der OA während der Untersuchung das EMG in zweierlei Hinsicht beeinflußt: Einerseits hebt er bei der Vp die absolute Muskelspannung an, andererseits ist der relative Anstieg von RO zu OA größer als von RK zu KK. Bei der Signifikanztestung der Differenzen werden nur die relativen Veränderungen verrechnet, es fällt also ein Teil des OA-Effekts von vorn herein aus der Analyse heraus.  

Bei den Variations- bzw. Streuungswerten des Stirn-EMG (EMGFSD) hingegen läßt sich weder bei den Absolutwerten, noch bei den Differenzwerten ein für einen der beiden Kästen spezifisches Verhalten erkennen. Die 1,53mV Streuung der EMGFSD des OA stehen einem Wert von 1,44mV im KK gegenüber. Die Differenzwerte (DEMGFSD) bewegen sich unter 0,1mV und sind aus statistischer und praktischer Sicht gesehen bedeutungslos. Die EMGFSD in ihrer Formulierung als ein Indikator für psychophysiologische Aktiviertheit zeigt also keinen Unterschied zwischen OA und KK. Die Vpn liegen in ihrer psychophysiologischen Aktiviertheit in beiden Kästen nicht unterschiedlich hoch. Das bedeutet, daß die Vpn nicht müder oder wacher, nicht aktivierter oder schlapper aus des Kästen kommen. Sie zeigen in bezug auf OA und KK keinen Unterschied.  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Muskelspannung auf der Stirn (EMGF)

Parameter    Absolutwerte                    signifikant?     Differenzwerte   signifikant?
                  Orgon-   Kontrollkasten                          RO-OA  RK-KK
                  akkumulator
EMGFX         4.05       2.99                  0.0001            -0.32   -2.46    n.s.
EMGFSD       1.53       1.44                  n.s.                -0.02   -0.06    n.s

Bezüglich der Hauttemperatur fanden sich sehr ähnliche Verläufe zwischen den Parametern HTX und HTMAX, weshalb in der folgenden Zusammenfassung der Ergebnisse zumeist beide Parameter betroffen sind: Aufgrund einer hoch signifikanten Wechselwirkung der beiden Variablen HTX und HTMAX mit der REIHENFOLGE ist für die Gesamtstichprobe der Unterschied zwischen OA und KK nicht signifikant. Es unterschieden sich also all die Leute, die zuerst im OA und danach im KK waren von jenen, die zuerst im KK und dann im OA gesessen sind. Erst durch die weitgehende Kontrolle und Ausfilterung dieser Wechselwirkung konnte ein signifikanter Effekt bei der Hauttemperatur nachgewiesen werden. Dabei betrug für die erste Kastensitzung, wenn sie eine OA-Sitzung war die HTX 33,07°C, wenn sie eine KK-Sitzung war 30,91°C. Für HTMAX liegen die Werte im OA bei 33,94°C, im KK bei 32,07°C, was ebenfalls einer Signifikanz auf dem 5%-Niveau entspricht. Aufgrund der Nachwirkung des OA weit über die Kastensitzung selbst sind die Phasen Ruhe 2 und Kasten 2 deutlich und signifikant beeinflußt und wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Dabei sind die Fingertemperaturen nach der OA-Sitzung im Vergleich zur Zeit nach der ersten KK-Sitzung stark erhöht. Die Differenzwerte DHTX (D steht für Differenz; sonst die gewohnten Parameterkürzel) und DHTMAX sind unabhängig von der REIHENFOLGE und besitzen auch entsprechende Aussagekraft. Beide Variablen sind bezüglich OA und KK hoch signifikant unterschiedlich. Vom RO zu OA steigt die Durchschnittstemperatur relativ um +2,11°C an, bei den Maximaltemperaturen sogar um +3,23°C. Im Vergleich dazu steigen die Durchschnittswerte von RK zu KK um +0,89°C, die Maximalwerte um +1,85°C an.   Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Hauttemperatur (HT)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator     
HTX               31.37       30.64            0.091           2.11      0.89     0.0016
HTMAX           32.59       31.70            0.0969          2.23      1.85     0.0041                        

Zu den Ergebnissen der Achseltemperaturvariablen ist zu sagen, daß sich die Wahl der Achselhöhle als Meßort für die Kerntemperatur als nicht sehr glücklich herausstellte: Durch nicht vermeidbare Bewegungen der Vpn während der Ruhe- und Kastensitzungen kam es immer wieder vor, daß kühlere Umluft in die Achselhöhle drang. Diese führte dort zu einer mehr oder weniger starken Abkühlung der Achselhöhlentemperatur. Die Folge davon war eine hohe Varianz und verzerrte Ergebnisse. Eine weitere Instruktion der Vpn schien allerdings nicht ratsam zu sein, da das ruhig Halten bzw. das Anpressen des Armes an die seitliche Brustwand auf Dauer sehr störend und unbequem ist, was unter Umständen auch die anderen Meßvariablen beeinflußt hätte. Die Größenordnung dieses Störeffekts ist wahrscheinlich bis zu 5 Mal so groß wie der in der Literatur beschriebene OA-Effekt. Aus diesem Grunde wurden keinerlei Unterschiede zwischen OA und KK gefunden. 

Bei den Pulsvariablen PX und PSD fanden sich Signifikanzen. Jedoch scheint der Mittelwertsunterschied bei PX zwischen OA und KK von +0,28 Schläge pro Minute im OA ein für die Praxis nicht bedeutsames Ergebnis zu sein. Wie kann das denn nun erklärt werden, daß ein statistisch signifikantes Ergebnis nun wenig Bedeutung hat? Hier sei auf die Wahrscheinlichkeit des ß-Fehlers hingewiesen, der mit steigender Anzahl der durchgeführten statistischen Tests zunehmend größer wird. Der ß-Fehler ist das Komplement zum a - Fehler. Inhaltlich bedeutet er die Wahrscheinlichkeit, daß ein statistischer Test eine Signifikanz anzeigt, obwohl die zu vergleichenden Bedingungen sich tatsächlich zu wenig voneinander unterscheiden - das ist eine Angelegenheit der Wahrscheinlichkeiten, die hier aber nicht weiter diskutiert werden soll. Die Differenzwerte der beiden Versuchsdurchgänge OA-RO und KK-RK von DPX zeigte immer positive Differenzen (= grundsätzlich mehr Aktivierung in den Kästen). Von RO zu OA nahm die Pulsrate um 1,4 Schläge pro Minute (c.p.m.) zu, von RK zu KK um 1,87 c.p.m. zu, was im Statistiktest nicht signifikant blieb.

Anders liegen die Dinge bei der Pulsfrequenz-Variation PSD: Während im OA die PSD bei 7,13 liegt, ist sie im KK bei 7,61. Dieser Unterschied ist im Mittelwertsvergleich signifikant. Die in der Psychophysiologie als Indikator von Vagotonie verwendete Größe zeigt an, daß im KK eine signifikant größere Vagotonie vorliegt als im OA, obwohl die Wirkungsweise des OA als "vagoton" propagiert wird. Daß hier eine Ungenauigkeit bzw. eine etwas andere Konzeption der Dimensionen Sympathicotonie und Vagotonie zwischen der Sexualökonomie und der (Psycho-) Physiologie vorliegt wurde bereits ausführlich dargestellt. Aufgrund der aus der Versuchssituation entspringenden Umstände (enger Kasten, weitgehende Einschränkung der Bewegung etc.) war zu erwarten, daß der postulierte Effekt des OA (Aufbau zusätzlicher vegetativer Spannung bzw. Erregung) ein im Vergleich zum KK höherer Sympathicotonus sein würde, bzw. daß sich beim PSD der höhere Sympathicotonus derart ausdrücken würde. Die Differenzwerte OA-RO und KK-RK bleiben nicht signifikant. Sie zeigen zu geringe Unterschiede.  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Pulsfrequenz (P)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator          
PX                 73.87      73.59             0.013            1.4      1.87     n.s.
PSD               7.13        7.61               0.033            0.01    0.58     n.s.                   

Zu erwähnen bleibt wiederum eine Wechselwirkung der REIHENFOLGE mit den beiden Absolutwertvariablen PX und PSD. Es konnte bei PX gezeigt werden, daß nach der OA-Sitzung in der Phase "Kasten 1" die Mittelwerte der Pulsrate von 74,9 auf 70,6 c.p.m. gesunken sind, was einem vagoton stimulierten Zustand entspricht. Dieser Effekt bleibt individuell verschieden für einige Zeit beobachtbar (ca. 30 bis 60 Minuten), bevor er wieder verschwindet. Der WW-Effekt von PSD ist auf die Phasen RO und OA beschränkt und scheint sich zu einem guten Teil aus der unterschiedlichen Verlaufsdynamik der beiden REIHENFOLGE-Stichproben zu ergeben: Während sich bei jenen Vpn, die zuerst in den KK und dann in den OA gingen, sich im Laufe der Ruhephase 1 7,07 c.p.m.), Kastensitzung 1 (7,38) und Ruhephase 2 (7,93) die PSD kontinuierlich erhöhte, und dann bei Phase Kasten 2 (= OA) einen Knick in Richtung Sympathicotonus machte (7,03 c.p.m.), findet sich eine Zick-Zack-Bewegung bei der Stichprobe, die zuerst in den OA und dann in den KK ging. Von der Ruhephase 1 zur Kastensitzung 1 gibt es einen Anstieg der PSD von 6,47 auf 7,22 c.p.m. (= OA), bevor sie wieder in Ruhephase 2 auf 7,0 c.p.m. zurückgeht, um dann wieder in der zweiten Kastensitzung (KK) wieder auf 7,81 c.p.m. anzusteigen. Obwohl eine weitere Analyse von PX und PSD durchgeführt wurde, die eine Ausschaltung des REIHENFOLGE-Effekts verfolgte, brachte sie in bezug auf die Gesamtstichprobe keine weiteren signifikanten Ergebnisse. Jedenfalls konnten Nachwirkungen der OA-Sitzung über die Zeit der Kastensitzung selbst nachgewiesen werden, was für zukünftige Untersuchungen von großer Wichtigkeit ist.  

Die Analyse der Variable der Schultermuskelspannung EMGTX brachte als Ergebnis, daß im OA die Muskelspannung signifikant höher ist als im KK. Liegt die EMGTX im OA bei 3,88mVolt, so ist sie im KK nur bei 3,25 mV. Bei den Differenzwerten trat eine starke WW mit der REIHENFOLGE auf. Nach der Korrektur der WW trat eine signifikant stärkere Verringerung bzw. relative Verringerung der Muskelspannung von RK zu KK im Vergleich zu OA-RO auf. Im OA sind bei jenen Vpn, die zuerst im KK und dann im OA gesessen sind, prinzipiell keine OA-spezifische Nachwirkungen feststellbar. Deshalb wurden nur diese Vpn zur weiteren Analyse herangezogen. Von RO zum OA kam es nur zu einem geringfügigen Rückgang der Schultermuskelspannung (3,92-4,17mV= -0,25 mV). Im Vergleich dazu ist die Differenz KK-RK größer: 2,63µV - 4,92 mV = -2,29 mV. Diese Differenzen sind entsprechend den Angaben des U-Tests signifikant voneinander unterschieden. Das bedeutet entsprechend der Theorie eine vermehrte vegetative Erregung der Muskelspannung (und in der Sexualökonomie wird die Muskulatur auch als vegetatives Organ gesehen), die sich in einem erhöhten Tonus ausdrückt.
Im Hinblick auf die Muskelspannungsvariation EMGFSD und DEMGFSD sei hier nur festgestellt, daß diese als Indikatoren für psychophysiologische Aktiviertheit in bezug auf OA und KK keinerlei Unterschiede aufzeigen. Vom Standpunkt des Konzepts der psychophysiologischen (bzw. muskulären) Aktivierung gibt es keinen Unterschied zwischen OA und KK.  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Muskelspannung auf der Schulter (EMGT)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator         
EMGTX           3.88        3.25              0.0413          -0.13    -1.19    n.s.
EMGTSD         2.59        2.68              n.s.              1.37      1.36     n.s.

Bei der Fußtemperatur und den Absolutwertvariablen FTX und FTMAX fand sich wie schon bei den anderen Temperaturen eine starke Wechselwirkung mit der REIHENFOLGE. Weder vor der Korrektur der Wechselwirkung, noch nach dieser konnten hier statistisch signifikante Effekte zwischen OA und KK festgestellt werden. Bei den Differenzwerten DFTX und DFTMAX, die frei von einer solchen störenden Beeinflussung sind, konnten unterschiedliche relative Temperaturrückgänge beobachtet werden: Während bei FTX von RO zu OA die Temperatur um -0,33°C zurückging, fiel sie von RK zu KK um -0,91°C. Bei FTMAX blieb die Temperatur von RO zu OA gleich, während sie von RK zu KK um -0,58°C fiel. Der verringerte Temperaturabfall während der OA-Sitzung läßt sich insofern als "vagotoner" Effekt deuten, als die Vp durch das ruhige Sitzen und der Unmöglichkeit der Bewegung der Füße nur geringfügig an Temperatur verlor, während im KK diese Veränderung ungleich stärker ausfiel. Trotzdem gingen allgemein die Fußtemperaturen - auch im OA - zurück!  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Fußtemperatur (DT)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator     
DTX               28.95       28.8             n.s.              -0.33    -0.91    0.014
DTMAX           29.33       29.17           n.s.               -0.01    -0.58    0.026

Beim Befindlichkeitsfragebogen als vorletzte abhängige Variable wurden ebenfalls Absolutwerte, als auch Differenzwerte zwischen den vier Versuchsphasen berechnet. Als Hauptergebnis läßt sich feststellen, daß im Versuchsdurchgang mit den OA die Befindlichkeit (Summenscore; SUMSCORE) niedriger ist, als in jenem mit dem KK. Im KK ist sie mit 80,29 am allerhöchsten, während das SUMSCORE im OA mit 78,19 am tiefsten liegt. Dieser Unterschied 2,1 Punkten ist signifikant. Er verdient - obwohl nicht sehr groß - aber trotzdem Beachtung, da die Streubreite des SUMSCORE sehr hoch ist. Der Erfinder dieses Testinstruments, HOBI (1985), gibt jedenfalls keine Zahlen bezüglich relevanter Unterschiede im BBF an. Generell läßt sich ableiten, daß - unter der Bedingung der vegetativen Stimulierung - die im OA ablaufenden Prozesse für die Vpn soweit beeinflussen, daß sie sich in ihrer Befindlichkeit eher eingeschränkt fühlen. Dies könnte einerseits auf die psychophysiologischen Einwirkungen zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite muß auf die mit dem Versuch verbundenen Fehlinstruktionen bzw. das Verschweigen des wahren Themas hingewiesen werden. Denn letzten Endes ist nicht abzuschätzen, inwieweit solche, für die Untersuchung notwendigen Rahmenbedingungen, auch tatsächlich in die gewünschte Richtung (Objektivität, Qualität der Daten) wirken. Nicht zuletzt ist die Organempfindung - wenn sie trainiert ist! - in der Sexualökonomie und der Orgonomie prinzipiell einem orgon-sensiblen Meßgerät gleichzustellen und gleichstellbar. Häufig wird aber gerade diese Seite im psychophysiologischen Experiment vernachlässigt bzw. stiefmütterlich behandelt. Hier scheint sich ein großer Graben zwischen den Thesen der Sexualökonomie und der akademischen Psychologie aufzutun.  

Bezüglich der Differenzwerte ist sagen, daß jene nur geringe, nicht signifikante Unterschiede ausmachen: Von RO zu OA nimmt das DSUMSCORE um 0,47 Punkte ab, von RK zu KK nimmt es um 0,65 Punkte zu. Wie man sieht: da gab es zu geringe Differenzen!  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Befindlichkeit (Sumscore)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator    
SUMSCORE      78.19       80.92            0.043           -0.47    0.65     n.s.

Zuletzt soll noch auf die WW der SUMSCORE-Daten mit der REIHENFOLGE hingewiesen werden. Sie zeigt, daß die SUMSCORE-Werte im KK dann am höchsten sind, wenn der OA vorangegangen ist (77,9 im OA zu 82,9 im KK). Umgekehrt sind die Werte im OA noch niedriger, wenn der KK vorausgegangen ist. Dann haben die Vpn im KK ein SUMSCORE von 79,4, während es im OA auf 77,3 absinkt. Mit einer gewissen Vorsicht läßt sich der hohe SUMSCORE-Wert im KK als 2. Kastensitzung (82,9 Punkte) auf eine Nachwirkung des OA interpretieren, da eine solche sich weder bei der anderen Versuchsgruppe mit der REIHENFOLGE 1. KK - 2. OA, noch insgesamt ein zeitlicher Effekt erkennen läßt. Die OA-Sitzung wäre übertrieben gesprochen eine bio-physikalische Belastungssituation, während nachher die Früchte der "harten Arbeit" geerntet werden. Es steht auch zur Frage, ob nicht die Vpn anders reagiert hätten, wenn sie über den Sachverhalt der beiden Kästen informiert worden wären und sie z.B. auch raten könnten, was nun der „richtige“ Kasten ist ...  

Als letzte abhängige Variable wurde die Kasteninnentemperatur der Kästen aufgezeichnet: Hier zeigen sich die absolut deutlichsten Ergebnisse von allen bisherigen Variablen, eventuell die mittlere Stirnmuskelspannung ausgenommen: Durchschnitts- und Maximalwert sind einander sehr ähnlich im Verlauf, weshalb das nun Folgende für beide Parameter gilt: KTX und KTMAX erreichen im OA 24,9 bzw. 25,43°C, während ihre Werte im KK mit 23,85 und 24,35°C (jeweils KTX und KTMAX) deutlich tiefer liegen. Diese Mittelwerte unterscheiden sich hoch signifikant voneinander. Im OA "heizen" die Vpn den Kasteninnenraum stärker auf als im KK. Gerade diese Fragestellung grenzt wie keine andere an physikalische Grundlagen, zumal zwar übereinstimmend in der Literatur behauptet wird, daß der OA aufgrund seiner Eisenblech-Innenwände kühler sein müßte als der KK. Andererseits fehlen bis heute Studien zur Problematik des Vergleichs einer mit Eisenblech ausgekleideten Box mit einer Box, die Holzinnenwände besitzt. Und dies, obwohl im nicht-humanen Bereich gerade auf diesem Sektor die meisten Arbeiten auf dem Gebiet der Orgonomie vorliegen. Die Differenzwerte zeigen folgendes Bild: Von RO (RO ist hier die Raumtemperatur) zu OA steigt die Temperatur relativ um 1,68°C bezüglich KTX, und um 2,17°C bezüglich KTMAX an. Im Vergleich dazu ist der Anstieg von KTX bei RK zu KK mit 0,79°C bescheidener ausgefallen, ebenso bei KTMAX: 1,24°C. Beide Variablen erweisen sich im Vergleich der relativen Temperaturzunahmen zwischen OA und KK als hoch signifikant.  

Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Kasteninnentemperatur (KT)

Parameter       Absolutwerte                signifikant?    Differenzwerte   signifikant?
                    Orgon-     Kontrollkasten                    RO-OA  RK-KK     
                    akkumulator   
KTX               24.90       23.85            0.000            1.68     0.79     0.000
KTMAX           25.43       24.35            0.000            2.17     1.24     0.000

I. Einige Ergebnisse zu Wechselbeziehungen des OA mit den Kontrollfaktoren    

DAS GESCHLECHT DER VERSUCHSPERSON  

Bei den Einflüssen der Kontrollfaktoren zeigte sich, daß das GESCHLECHT beim OA einen leicht nivellierenden Einfluß auf SCLX und SCLMAX ausübt. Ebenso bei der Muskelspannung auf der Stirn und auf der Schulter, wo in den anderen Phasen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu sehen sind, hat der OA die Tendenz, die Unterschiede zu verwischen: Bei Frauen fällt sie eher von dem gewohnten höheren Spannungsniveau ab, Männer reagieren im OA mit einer Spannungszunahme in bezug auf ihre sonst niedrigere Muskelspannung auf der Stirn. Weiters konnte festgestellt werden, daß der OA einen in etwa 30 bis 60 minütigen deutlichen Nacheffekt auf die Vpn ausübt, der dahin geht, daß geschlechstsspezifische Tendenzen signifikant auseinandergehen. Männer haben in der Zeit nach dem OA verringerte, Frauen gesteigerte bzw. hohe SCLX- und SCLMAX-Werte.  

Eine deutliche Wechselwirkung des OA mit dem Geschlecht ergibt sich bei den Variablen HTMAX sowie den beiden Differenzwertvariablen DHTX und DHTMAX: Bezüglich der Hauttemperatur finden sich im OA im Vergleich zum KK große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Hier vergrößert der OA die Differenzen bezüglich den Geschlechtern: Männer legen besonders viel Temperatur zu, Frauen weniger.  

Besonders auch bei den Differenzwerten DKTX und DKTMAX gibt es noch eine deutliche Wechselwirkung zwischen dem GESCHLECHT und den Differenzen der beiden Versuchsdurchgänge. Hier können Männer im OA einen überproportional großen relativen Temperaturanstieg im Vergleich zu Frauen einerseits und den Verhältnissen im KK andererseits erreichen. So steigt der KTX Wert von RO zu OA um +2,19°C, der KTMAX Wert gar um +2,74°C. Während dessen liegen die entsprechenden Werte der Frauen bezüglich KTX bei +1,3°C und +1,75°C. Im KK liegen die Werte von Männer und Frauen niedriger und viel näher beisammen (KTX: Männer: KK-RK: + 0, 89°C; Frauen: +0,72°C; KTMAX: M: +1,43°C; F: 1,09°C). Männer beheizen also den OA überproportional besser als Frauen.    

DER FAKTOR ORT/JAHRENSZEIT (KLIMA)  

Der Versuch wurde in zwei Teilen durchgeführt. Eine Stichprobe wurde im Spätherbst/Winter 1991 in der Stadt, eine zweite im Frühsommer 1992 auf dem Land getestet. Beide Stichproben werden anhand des „KLIMA“-Faktors unterschieden. REICH vermutete aufgrund einiger Beobachtungen, daß die Wirkung des OA unter anderem abhängig ist von der Jahreszeit und auch von der geographischen Lage.   Der auffällige KLIMA-Effekt bei der Hautleitfähigkeit läßt sich zum Teil als jahreszeitlicher Trend interpretieren, bei dem im Sommer die relativen Differenzen (von DSCLX und DSCLMAX; D steht für Differenzwert) immer negativ werden, während im Winter überwiegend die Tendenz besteht, daß in den Kastensitzungen höhere Werte zu finden sind. Andererseits sind die Differenzwerte zwischen Sommer- und Winterdurchgang beim OA statistisch deutlich unterschiedlich, während dies beim KK nicht der Fall ist. So ist dem OA eine klimaspezifische Wirkung zuzuschreiben: Zwischen Winter und Sommer unterscheiden sich die Differenzwerte beim OA signifikant. Im Winter steigt das SCLX und das SCLMAX signifikant stärker an als im Sommer. Beim KK gibt es solch einen Effekt nicht.  

Auch bei der Hauttemperatur ist der Einfluß des KLIMAs zu erwähnen: Es zeigte sich die Tendenz, daß im OA die sonst sichtbaren und „üblichen“ Unterschiede verwischt werden. Treten beim KK zwischen Winter und Sommer große, signifikante Unterschiede auf, so sind sie im OA bedeutungslos. Der KK ist sozusagen mehr den Gegebenheiten des KLIMAs ausgesetzt als der OA, der eine (zusätzliche) Eigendynamik besitzt.  

Von den zahlreichen Wechselwirkungen der Variablen KTX und KTMAX mit den Kontrollvariablen ist jene zwischen den Versuchssituationen und dem KLIMA am bedeutendsten: Hier zeigte sich, daß es eine jahreszeitliche bzw. geographische Gebundenheit der Höhe der Kastentemperatur im OA gibt. So zeigen die KTX- und KTMAX-Werte je nach Sichtweise im Winter hohe, und im Sommer tiefe Werte. Dieser Effekt dürfte mit dem Temperaturregulationssystem des menschlichen Organismus zusammenhängen: Je nach Jahreszeit ist der Organismus gewohnt, mit gewisser Stärke die Peripherie mit Wärme zu versorgen. Im Winter ist dies stärker erforderlich als im Sommer. So kommt der Temperaturregulation im Winter der enge Kastenraum entgegen, zumal er klein ist und die in größeren Mengen als im Sommer produzierte Wärme aufstaut. Bevor der Organismus gegenreguliert, ist die Temperatur in der Umgebung schon hoch. Andererseits ist dieser Prozeß auch im Sommer im OA zu verzeichnen, beim KK im Sommer ist dies aber viel schwächer ausgeprägt.

DER VEGETATIVE REAKTIONSTYP (VEGTYP)  

Der VEGTYP steht vor allem in enger Wechselbeziehung mit den Differenzwertvariablen der Hauttemperatur: Es erweist sich, daß Sympathicotoniker besonders im OA mehr zulegen als Vagotoniker. Sympathicotoniker können im OA besonders hohe Temperaturanstiege verzeichnen. Allgemein formuliert scheint der OA vor allem bei jenem Organismus bzw. bei jener Funktion zu wirken, wo der Ist-Zustand vom Vagotonus "weit entfernt ist" bzw. ein Sympathicotonus vorliegt. Hier kann der OA größere Veränderungen bewirken, als dort, wo bereits grundsätzlich ein stabiler Vagotonus vorliegt. Man könnte dabei von einem Deckeneffekt nach sexualökonomischen Kategorien sprechen.  

Darüber hinaus können die Vpn im OA den Kasteninnenraum überproportional stärker erwärmen als im KK. Grundsätzlich verzeichnen Vagotoniker höhere relative Rauminnentemperaturanstiege bei DKTX und bei DKTMAX als Sympathicotoniker. Andererseits kommen aber Sympathicotoniker im OA den Vagotonikern viel näher als es ihnen im KK gelingt (mit Hilfe des OA?). Der OA wirkt also insofern "VEGTYP"-spezifisch, als er vorhandene Unterschiede zwischen Sympathicotonikern und Vagotonikern im KK ausgleicht und nivelliert.
Die OA-Sitzung scheint den Sympathicotonikern in ihrer Temperaturregulation "unter die Arme zu greifen". Die schon weiter oben festgestellte Tendenz des OA beeinflußt die vom sexualökonomisch gesunden bzw. vagotonen Zustand weiter entfernten Personen quantitativ stärker in diese Richtung als Personen, die bereits in dieser Funktion einen vagotonen Zustand aufweisen.    

II. Weitere Ergebnisse  

Daß die unterschiedlich hohen Kasteninnentemperaturen von OA und KK nicht für die signifikanten Ergebnisse bei den anderen normalverteilten physiologischen Variablen verantwortlich ist, zeigte eine Kovarianzanalyse dieser abhängigen Variablen mit der mittleren Kasteninnentemperatur als Kovariate. Zwar kovariiert die HTX generell signifikant mit der Kasteninnentemperatur, dieser Effekt trifft aber gleichwohl auf OA wie auch auf den KK zu. Selektive, nur für den OA charakteristische Kovariationseffekte konnten keine gefunden werden. Die speziellen physiologischen Veränderungen im OA sind also unabhängig von der Höhe der mittleren Kasteninnentemperatur.  

Die in der Pause zwischen den beiden Versuchsdurchgängen vorgegebenen psychologischen Tests wurden ebenfalls im Rahmen von Kovariationsanalysen mit den abhängigen Variablen untersucht. Es wurden dabei Differenzwerte zwischen OA und KK berechnet, welche dann in der Kovarianzanalyse als abhänge Variablen dienten.
Von der Untersuchung der 6 Skalen des Gießen- Tests blieben die drei Skalen GT1, GT3 und GT5 übrig. In der Folge sollen die inhaltlichen Bedeutungen der Zusammenhänge verbal zusammengefaßt werden:
GT1: Je mehr positiv sozial resonanter sich die Vpn beschrieben (beliebt, beachtet und geschätzt) umso höher ist eigenartigerweise die Hauttemperatur im KK im Vergleich mit dem OA. Anders herum formuliert bedeutet das, daß Personen, deren Hauttemperatur im OA viel höher war als im KK, erleben sich selbst als eher negativ sozial resonant (=das Gegenteil dieser Eigenschaften).
Zunächst soll zur Skala GT1 keine psychologische Interpretation abgeleitet werden. GT1: Ein direkter Zusammenhang besteht zwischen den beiden Variablen KTX und KTMAX und der sozialen Resonanz: Je höher die Kasteninnentemperaturen im OA im Vergleich zum KK liegen, um so sozial positiv resonanter beschreiben sich die Vpn. GT5: Tendenziell existiert noch ein Zusammenhang zwischen der Größe der Differenz zwischen OA und KK und der Zurückhaltung der Vpn (Skala 5: retentiv vs. durchlässig = Maß, wieviel ich von mir als Person anderen preisgebe) bei den Variablen KTX und KTMAX. Je mehr Vpn von sich preisgeben, umso mehr heizen sie den OA im Vergleich zum KK auf. Je retentiver sie sind, umso mehr tun sie das im KK.

GT3: Eine weitere schwache Tendenz läßt sich bezüglich der Pulsdifferenz und dem Grad der Kontrolle feststellen: Je höher der PX-Wert im OA (im Vergleich mit dem KK), um so unterkontrollierter bzw. weniger zwanghaft sehen sich die Vpn. Stufen sich Vpn als eher zwanghaft ein, dann reagieren sie im OA nicht mit einem entsprechenden Pulsfrequenzanstieg. Vielmehr kehrt sich der Zusammenhang um: Je zwanghafter, umso eher ein Frequenzabfall! Hier ist besonders die bioenergetische Bedeutung ins Auge stechend - vom energetischen Standpunkt reagiert hier die Vp als ob die Erregung abfallen würde! Fraglich ist, ob das ein Muster einer Kanalisation darstellt, wie vegetative Erregung unterdrückt, zurückgehalten wird?  

Bei der Kovarianzanalyse der IPC-Skalen trat eine Kovariation der beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE mit dem Faktor C („Glaube an einen entscheidenden Einfluß und eine Macht des Schicksals, des Glücks und des Zufalls auf das eigene Leben, etc.“) auf. EMGFSD steht dabei in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis mit der Höhe des C-Skalenwerts. Je größer die Muskelspannungsvariation im OA gegenüber dem KK ist, umso tiefer ist der C-Wert, d.h. umso weniger führt diese Person Geschehnisse und Entscheidungen auf Zufall, Glück und Schicksal zurück. Andererseits fühlt sie sich im OA im Vergleich mit dem KK umso weniger wohl (SUMSCORE), je höher der C-Wert ist. Diese Tendenz entspricht in der weit gezogenen sexualökonomischen Dimension des Gegensatzes von Lust und Angst der Unlust- bzw. Angstreaktion: Die Dimensionen "Weg von der Welt" bzw. "In sich zurück" stehen für eine derartige Reaktion. Da nach der postulierten Wirkung des OA davon ausgegangen wird, daß während der OA-Sitzung vegetative Spannung und Erregung aufgebaut wird, scheint es, als würden Vpn mit hohen C-Werten mit Scheu oder Angst reagieren, wenn es darum geht, in Kontakt mit der körperlichen, vegetativen Spannung bzw. Erregung zu kommen.  

Die dritte Kovarianzanalyse wurde mit den beiden STAI-Skalen durchgeführt. Diesmal kovariieren die beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE mit den beiden STAI-Skalen beträchtlich. Während bei der STATE-Skala ein indirekt proportionaler Zusammenhang mit den beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE vorgefunden wurde, liegen die Verhältnisse bei der TRAIT-Skala umgekehrt. Die sich scheinbar widersprechenden Verhältnisse der Trait- und der State-Skala konnten nach sexualökonomischen Gesichtspunkten völlig aufgeklärt werden: Während die Trait-Skala sehr für die Art der Person steht, wie sie mit Angsterregung generell umgeht bzw. in die Richtung eines Charaktermerkmals geht, steht die State-Skala für die aktuelle situativ wahrgenommene Angsterregung.  

Da der Charakter bzw. seine in der Sexualökonomie so viel beachtete ökonomische Funktion der Regulation von vegetativer Erregung, automatisch und meist kaum bewußt arbeitet, ist sie eigentlich das Gegenteil von dem was die State-Skala repräsentiert: bewußtes Gewahrsein der eigenen vegetativen Erregung und damit auch der Angsterregung. Die Vp zeigt auf der State-Skala um so höhere Werte, je geringer die Stirnmuskelvariation EMGFSD im OA im Vergleich zum KK wird. Die Vp erstarrt im OA aufgrund der durch den OA zusätzlich aufgebauten Erregung, die vorher schwingende Muskulatur wird schlaff oder starr (je nach Spannungshöhe).
Es wird eine Vp, die über zu viel vegetative Erregung verfügt, eher dazu neigen, diese Erregung vom Bewußtsein abzuspalten, mehr noch, sich von ihr abzupanzern. Dieser Mechanismus ist deshalb wichtig, da üblicherweise die Qualität einer solchen vegetativen Erregung in Angsterregung umschlägt, was sehr unlustvoll für die Person wäre. Wenn die Angsterregung andererseits zu groß ist, ist die Person aber trotzdem in ihrer Befindlichkeit eingeschränkt, da sie über einen Teil der körperlichen Empfindung (Selbstempfinden, Selbstbewußtsein) nicht mehr verfügt. Denn es muß genau soviel Erregung, wie die Angsterregung darstellt, als Gegenbesetzung aufgewendet werden, damit jene nicht jäh ins Bewußtsein bricht (vgl. REICH 1949d). Insgesamt bedeutet dieser Prozeß für die Vp eine Verringerung der Befindlichkeit.
Im Gegensatz dazu wird eine Person mit niedrigen Angstwerten sich nach einer für sie vegetativ eher angenehm als unangenehmen OA-Sitzung wohler fühlen, zumal durch die zusätzliche vegetative Spannung das Selbstempfinden gesteigert ist, ohne daß das Erregungsmaß an das Maximum des Tragbaren geht. Die Trait-Skala hingegen gibt - mit sexualökonomischer Formulierung - an, wie sehr durchlässig der Charakter der Vp gegenüber vegetativer Erregung, also Angst- und Lusterregung, ist. Ist der Wert niedrig, so deutet im Durchschnitt das auf eine rigide Panzerung gegen vegetative Erregung hin. Denn eine (gesunde) Person, die Angsterregung kennt, wird in der Regel eine Toleranz entwickelt haben, um mit ihr - genauso wie mit Lusterregung, die ja auch vegetative Erregung ist - umzugehen. Unter diesem Aspekt lassen sich auch die Ergebnisse erklären: Haben Menschen hohe Trait-Angstwerte, dann müßten sie der vegetativen Erregung gegenüber eine gewisse Toleranz verfügen, die jemand, der niedrige Angstwerte besitzt, weniger oder kaum besitzt. Je höher die Differenz zwischen OA und KK zu Gunsten des OA liegt, um so höhere Angstwerte werden auf der Trait-Skala angegeben. Ebenso ist die Befindlichkeit im OA im Vergleich zum KK höher, je höher die Trait-Angstwerte sind.

Neben den abhängigen physiologischen Variablen und der Befindlichkeit wurde den Vpn unmittelbar nach jeder Kastensitzung ein Fragebogen vorgelegt, bei dem sie angeben sollten, welche Veränderungen, Wahrnehmungen und Empfindungen sie während der gerade abgeschlossenen Kastensitzung bemerken konnten. Von den 10 Items erwiesen sich 5 als REIHENFOLGE-abhängig. Die anderen 5 Items: Kribbeln bzw. Ameisenlaufen auf der Haut, Schwitzen im Kasten, Darmblubbern, Entspannung der Muskeln im Kasten und Langeweile erwiesen sich sämtlich als nicht signifikant. Lediglich die Frage nach den Darmgeräuschen bzw. dem Darmblubbern zeigt eine schwache Tendenz, wobei im OA öfter und intensiver diese Darmgeräusche wahrgenommen wurden. Von den verbleibenden Items zeigte besonders eines teilweise hoch signifikante Unterschiede: Der Inhalt des Items bezog sich auf die Spürbarkeit einer Wärme, die von den Wänden zu kommen schien. In beiden Versuchsdurchgängen war eine Signifikanz gegeben. Daneben unterschied sich das Item über die Empfindung einer Müdigkeit im Kasten zwischen OA und KK signifikant. Sie fühlen sich im OA müder (vgl. auch die Ergebnisse zum SUMSCORE).   Zusammenfassend läßt sich vom methodischen Standpunkt aus sagen, daß die Differenzwertvariablen durchgehend aufgrund von ihrer größeren Unabhängigkeit von den Kontrollfaktoren, besonders aber von der REIHENFOLGE, grundsätzlich mehr Aussagegewicht besitzen. Dort, wo die Unabhängigkeit von den Kontrollfaktoren auch bei den Absolutwertvariablen gegeben ist, sind auch durchwegs beachtliche Ergebnisse erzielt worden. Daher erweist sich der nachträgliche Entschluß, auch Differenzwerte zwischen den Kastensitzungen und ihren dazugehörigen Ruhesitzungen zu bilden, gerechtfertigt.  

Es zeigte sich, daß bei Berücksichtigung der meßmethodischen Störeinflüsse bei der Achseltemperatur und der Abhängigkeit v.a. der Körpertemperaturen von der REIHENFOLGE, im OA im Vergleich zum KK letztlich 17 von 26 möglichen Differenzwert- und Absolutwerthypothesen signifikante Unterschiede anzeigten. Von der Beeinflussung der OA-Effekte von der psychologischen Seite her gab es ebenso einige deutliche Ergebnisse. Die subjektiven Veränderungen während der Kastensitzungen fielen vergleichsweise bescheiden aus. In diesem Versuch waren die subjektiven Wahrnehmungen aber nicht im Mittelpunkt des Interesses, sondern v.a. die physiologischen Variablen.   Die Hypothesenprüfung bestätigte die anhand der aus der sexualökonomischen Theorie abgeleiteten Hypothesen zu einem beachtlichen Teil. In der Folge werden einige typische Ergebnisse dargestellt: Im wesentlichen fanden sich bei den betreffenden Variablen keineswegs nur "vagotone" Effekte, wie sie in der Literatur wiederholt beschrieben wurden. Vielmehr ist es von Vorteil, die OA-Sitzung, wie wahrscheinlich auch jede andere sexualökonomische Beobachtung und Untersuchung, als einen in einer spezifischen Situation ablaufenden Prozeß zu sehen, der primär als energetische (elektrochemische, libidoökonomische) Funktion abläuft, und der eine Reihe von Veränderungen auf der psychischen und bio-physikalischen Ebene zeigt. Bezüglich der Situation ist zu sagen, daß das weitere Schicksal der vegetativen Energie auch davon abhängt, wie einladend die Situation selbst ist, sich zu entspannen bzw. es sich gut gehen zu lassen. Dieser Prozeß beginnt im Falle des OA mit einer zentralen Stauung von Erregung, die sich dann in Abhängigkeit der Charakter- und Körperstruktur des Menschen in Richtung (vegetativer, psychischer) Peripherie bewegt, um sich dort Ausdruck zu verschaffen (vgl. REICH 1982). Je nachdem, wie die aktuelle Umweltsituation beschaffen ist, bzw. der aktuelle Funktionszustand des Individuums ist, wird sich die zentral gestaute Erregung ausdrücken können. Während der OA-Sitzung dürfte die zentrale Stauung eher zunehmen. So ist auch aufgrund vorerst unsystematischer Beobachtungen anzunehmen, daß, wie schon LASSEK (1982) vermutete, aufgrund der Erregungsstauung periphere vegetative Funktionen aktiviert werden. Wenn man den zahlreichen Erfahrungsberichten Glauben schenkt, dann drückt sich das auch in der zunehmend kürzer werdenden Verweildauer der OA-Benutzer nach einer größeren Anzahl von Sitzungen über ein oder mehrere Jahre hinweg aus, bis sie schließlich ganz auf den OA verzichten.  

Im vorliegenden Experiment waren die Ausdrucksmöglichkeiten der Person durch die enge Begrenzung während der Kastensitzung und die Strukturiertheit des Experiments nur eingeschränkt möglich, weshalb die Hypothesen allgemein dahingehend formuliert wurden, daß vegetativ zumindest teilweise die zentrale Stauung selbst zum Ausdruck kommt.

Es stehen den Ergebnissen zu Folge einander eine sympathische und parasympathische Tonussteigerung gegenüber. Sie können ins Konzept der Sexualökonomie (d.h. der Art, wie das Individuum mit seiner sexuellen, emotionalen, vegetativen, Energie haushält, d.h. wieviel es davon "orgastisch" (d.h. lustvoll) umsetzen kann, und wieviel es zurückhält, aufstaut oder z.B. in neurotischen oder psychosomatischen Störungen "verbratet") eingegliedert werden. Daß der sexualökonomische Standpunkt praktisch untersuchbar ist, ist besonders aus dem Ergebnis der Untersuchung der Kovariation der abhängigen Variablen ersichtlich, wo eine signifikante Kovariation zwischen den Variablen EMGFSD (Stirnmuskelspannungsvariation) und SUMSCORE (Höhe der Befindlichkeit) und den beiden STAI-Angstskalen sowie der IPC-Skala C festgestellt wurde. Der Zusammenhang konnte post hoc durch das Konzept der Libidoökonomie bzw. das der Panzerungsfunktion theoriekonform interpretiert werden.  

Die absoluten und die relativen Temperaturanstiege an den Händen und den Füßen im OA gegenüber dem KK bedeuten physiologisch und sexualökonomisch einen vagischen Effekt. Der Anstieg der Hautleitfähigkeit im OA ist hingegen physiologisch wie auch sexualökonomisch per definitionem ein sympathischer Effekt. Dasselbe gilt für die verringerte PSD, der Pulsfrequenzvariation. Nicht definiert in der Physiologie des vegetativen Nervensystems ist die Muskulatur. Sexualökonomisch ist die Muskulatur der vegetativen Peripherie zuzuordnen und der hier festgestellte Effekt der höheren Muskelspannung im OA gegenüber dem KK ließe sich im Sinne prinzipiell als Panzerungsmechanismus, aber auch als "zur Aktion bereite Spannung" deuten. Hier sind prinzipiell zwei Möglichkeiten offen.
Die gemessene erhöhte Spannung der Muskulatur im EMG kann im Sinne der Sexualökonomie daher weder eindeutig als sympathicotoner, noch als vagotoner Effekt gedeutet werden (der Grund für die nicht eindeutige Zuordenbarkeit sexualökonomischer Konzeptionen zu physiologischen Funktionen liegt darin, daß der gebräuchliche Parameter des EMG unterschiedliche sexualökonomische Funktionszustände nicht adäquat differenzieren kann; Es ist sowohl Lusterregung, als auch Angsterregung mit einer Spannungszunahme der Muskulatur verbunden; hier wäre es wünschenswert, Parameter auszuarbeiten, die diese Funktion berücksichtigen: eventuell wäre ein Koeffizientparameter o.ä. von Nutzen.  

Die beobachteten Effekte stehen in einer gewissen Nahbeziehung zum psychophysiologischen Konzept der Aktivierung: Hautleitfähigkeit, mittlere Muskelspannung und Pulsfrequenzvariation zeigen in die Richtung einer Zunahme der Aktivierung, während es bei der peripheren Durchblutung im Orgonakkumulator zu keiner Vasokonstriktion kommt, sondern sich eine Vasokongestion einstellt. Gerade dieser Effekt ist wesentlich, da die Verschiebung von Plasma in die Peripherie nach Reich ein Abbild der Urfunktion des Gegensatzes von Lust und Angst ist. Im Zustand der Lust bewegt sich das Individuum auf die Welt zu.
Die Amöbe tut dies mit ihren Scheinfüßchen, die durch Plasmaverschiebungen in Richtung Peripherie zustande kommen. Beim Menschen passiert dasselbe, wobei diese Urfunktion sich des kardiovaskulären Systems bedient. Im Zustand der Angst zieht sich die Amöbe mit ihren Scheinfüßchen von der Welt zurück, der komplexe Organismus reagiert mit einer Vasokonstriktion. Worin sich das Konzept der Sexualökonomie von jenem der Aktivierung unterscheidet, ist erstens die Dimensionierung des Forschungsgebietes, und zweitens die Berücksichtigung der libidoökonomischen Funktion des Organismus, also eine qualitative Komponente.
So läßt sich vorerst feststellen, daß das Konzept der Aktivierung in großer Übereinstimmung mit dem Reichschen Konzept der zentralen Entstehung vegetativer Impulse steht. Welches Schicksal diese Impulse in der Folge erfahren, erklärt die Aktivierungstheorie weniger differenziert. Im Reichs sexualökonomischen Erregungskonzpt gibt es die Charakterlehre, die Segmentlehre und andere Konzepte der psycho-physischen Verarbeitung vegetativer Erregungsimpulse. Dazu kommt eben noch der qualitative Aspekt und des qualitativen Sprungs vom neurotischen bzw. psychosomatischen Symptom zum Wohlfühlen (umsetzen der eigenen Entwicklungpotentiale) in Reichs Theorie.

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Prof. Dr. Arnim Bechmann
Orgonomische Selbstregulation und postmaterialistische Naturwissenschaft 


1. Orgontheorie und gesellschaftliche Praxis

Wilhelm Reich hat mit dem Konzept der Orgontheorie der Lebensforschung neue, wichtige Impulse gegeben. Er artikulierte die Orgontheorie in langen Jahren des experimentellen Arbeitens, in denen er sich um ein Verständnis von Lebenskräften und Lebensenergie bemühte. Die Orgontheorie entwickelte sich so zu einem Spannungsfeld, das von drei Polen aufgespannt wird (Vgl. Abb. 1) der Frage nach der Existenz und den Eigenschaften von Lebenskräften, der systematischen Beobachtung von Lebensprozessen und des gezielten Experiments mit
ihnen, der theoretischen Deutung des experimentell gefundenen Anschauungs- und Datenmaterials.
Wilhelm Reichs Orgontheorie wird bislang von herrschenden Wissenschaft, (d. h. von den Universitäten und staatliche Forschungsinstitute derzeit noch beherrschenden und an einem materialistischen Naturbild orientierten Wissenschaft) nicht zur Kenntnis genommen, belächelt oder für "verrückt" erklärt. Dennoch gibt es wichtige und sich ständig ausdehnende Praxisfelder in unserer Gesellschaft, in denen nach orgontheoretischen Vorstellungen gearbeitet wird und in denen sich Reichs orgonenergetisches Konzept in der Praxis bewährt. Das was herrschende Wissenschaft für nicht existent hält, schafft sich seit Jahren im gesellschaftlichen Alltag einen ständig wachsenden Lebensraum.
Beispiele hierfür sind: das Vordringen bioenergetischer Körpertherapien, die Weiterentwicklung der Reich'schen Vegeto-/Orgontherapie, die Nutzung von Orgonakkumulatoren, (leider auch) der Umgang mit Cloud-Bustern.
Ich möchte im folgenden über ein weiteres Feld der Anwendung der Reich'schen Orgontheorie sprechen, in dem sich orgonenergetische, homöopathische und radionische Konzepte miteinander verbinden. Es handelt sich um die Anwendung sogenannter transmaterialer Katalysatoren. Der Begriff des transmaterialen Katalysators ist ein Arbeitsbegriff, den ich eingeführt habe um eine bestimmte Form der Technik Orgonenergie zu binden, zu konzentrieren und in ihrer Qualität zu gestalten, zu benennen. Ich werde diesen Begriff in Abschnitt 3 genauer erläutern.


Transmateriale Katalysatoren werden in Deutschland heute in den Bereichen Humanmedizin, Veterinärmedizin, Gartenbau, Landwirtschaft, Wasserenergetisierung/-reinigung und Nahrungsmittelverbesserung genutzt. Oft geschieht dies allerdings, ohne daß die Anwender eine konkrete Vorstellung davon haben, was ein transmaterialer Katalysator ist, wie er wirkt und welche Risiken er eventuell beinhalten kann. D. h., die Praxis ist unaufgeklärt und der Anwender blickt nur auf den erwarteten Nutzen, ohne den transmaterialen Katalysator in seiner Ganzheit oder seinem Wesen zur Kenntnis zu nehmen.
Im folgenden werde ich zunächst Wilhelm Reichs Konzept der orgonomischen Selbstregulation mit dessen Hilfe die Wirkungsweise transmaterialer Katalysatoren ansatzweise gedeutet werden kann, darstellen. Im Folgeschritt werde ich den Begriff "transmaterialer Katalysator" erläutern und ein einfaches Erklärungsmodell für transmateriale Katalysatoren skizzieren. Daran anschließend werde ich kurz über empirische Arbeiten zu transmaterialen Katalysatoren berichten, um abschließend anzudeuten, welche Möglichkeiten und welche Risiken in ihrer Nutzung liegen. Im Ausblick möchte ich kurz das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft erläutern, in welches nach meiner Vermutung heutige Naturwissenschaft und Außenseiterkonzepte wie die Orgontheorie Wilhelm Reichs in den nächsten Jahrzehnten einmünden werden.

2. Orgonomische Selbstregulation

2.1. Grundaussagen der Orgontheorie

Wilhelm Reich war stolz darauf, daß die Orgontheorie (Orgonomie) werder ein spekulativer Ent­wurf noch gar eine "schnelle Erfindung" war, sondern daß sie im Prozeß intensiver empirischer For­schung geformt und gewachsen ist (Vgl. Abb. 2). Bezogen auf die Wissenschaft seiner Zeit hinterließ Reich mit ihr ein neues Paradigma der Lebensfor­schung. Die zentrale Leistung des orgonomischen Paradigmas liegt in der radikalen Veränderung des Blickes auf Welt. Reich vollzieht hier aus methodischer Sicht eine „kopernikanische Wende“. der Lebensforschung. Seine Grundannahme von einer, aller Materie, allem Lebens und allem Seelisch-Geistigen zugrunde liegenden Urenergie, die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, bedeu­tet einen Bruch mit dem herrschenden naturwissenschaftlichen Weltbild des 20. Jahrhunderts.
Im Reich´schen Paradigma der Orgonomie ist letztendlich die Lebenskraft der Materie vorgeordnet, während, der gängigen Meinung folgend, Leben eine späte komplexe Form der Organisation von Materie ist. Reich vollzieht diese „kopernikanische Wende“, indem er die Existenz von Energien und Kräf­ten behauptet, die er Orgonenergie nennt. Diese Existenz versucht er durch Evidenzverweise (Wahrnehmungsformen von Orgonenergie), Bionforschung, praktische Tauglichkeit orgontech­nischer Geräte, (Orgon-Akkumulator, Cloud-Buster usw.) zu belegen.Orgonenergie nimmt nach Reich bestimmte Zustände oder Qualitäten an und kann sehr mächtige Wirkungen hervorrufen.


Orgonenergie kann z. B.: sich zu Materie verdichten, Grenzflächen bilden und damit energetische Felder und Systeme, die ein Innen und ein Außen aufweisen, generieren, Lebensprozesse hervorrufen, komplexe Lebewesen integrieren und in ihrem Verhalten steuern. Orgonenergie hat eigene Gesetze. Orgonenergie kann z. B. unterschiedliche Zustände ein­nehmen, die sich zum Teil polar auch oder antagonistisch gegenüberstehen. Auf Grund dessen können orgonomische Systeme dialektische Prozesse durchlaufen. In seiner ausgestalteten Form lassen sich das Reich’sche Konzept der Orgontheorie und das durch diese Theorie geschaffene Paradigma, verkürzt und holzschnittartig wie folgt zusammenfassen:
Alles Sein hat seinen letzten Grund in einem universalen Ozean von Orgonenenergie. Sie ist die "Ur-Substanz", die "Ur-Energie", aus der alles hervorgeht, was Welt aus­macht. Die Orgonenergie gehorcht Gesetzmäßigkeiten, die von denen physikalischer und che­mi­scher Energien abweichen. Die wichtigsten dieser Gesetzmäßigkeiten sind in der Tab. 1 aufgeführt. Orgonenergie kann drei fundamentale Grundzustände annehmen (Vgl. Abb. 3). Sie kann in ihrer Ursprungsform pulsieren. (Reich nennt diesen Zustand "pulsierende Orgon­energie" oder OR) in ihrer Pulsation übererregt werden (Reich bezeichnet diesen Zustand mit "ORANUR") erstarren bzw. blockieren (Reich spricht hier von "Deadly Orgone Energy" oder DOR). Materie bildet sich durch Überlagerung und Verdichtung von Wellen im Orgonozean. Allen Lebensprozessen liegt das Pulsieren von Orgonenergie im belebten Organismus zu­grunde. Wird diese Pulsation behindert oder blockiert, so kommt es zur Devitali­sierung, zur Deformation von Leben oder sogar zu Todesprozessen. Die Erde ist von einer intensiven, pulsierenden Orgonhülle umgeben. Die globale, re­gio­nale oder lokale Qualität dieser Energiehülle wirkt gestaltend auf Klima, Wetter und äußere Lebensbedingungen. Reich erläutert dies im OROP-Wüste am Beispiel des Zusammenhanges von DOR-Wol­ken, Dürre und Wüstenbildung. Orgonenergie wirkt als Kernprozeß von Leben, sowohl "innerhalb" von Mensch, Tier und Pflanze als auch außerhalb von ihnen, so z. B. in der Orgonhülle der Erde. Orgonenergie kann sich dabei an Materie binden. Im Menschen äußert sich die Orgonenergie nicht nur in unbewußten "autonomen"
Le­bensprozessen, sondern auch in bewußt erlebten Emotionen, in Lust oder Angst und in Sexualität.


Die möglichen Zustände von Orgonenergie Die enge Verknüpfung von Orgonenergie und erlebter Emotion ermöglichen es dem Men­schen, die Qualität der ihn umgebenden Orgonenergie auf sich wirken zu lassen (Resonanz) und wahrzunehmen, sofern er seinen eigenen inneren Energiefluß nicht permanent blockiert oder sich gegen jede Wahrnehmung der ihn umgebenden Energie emotional und körperlich panzert. Reich gründet seine Wahrnehmung von Orgonenergie und damit seine Empirie in weiten Bereichen auf die mögliche Resonanz zwischen dem im Äußeren und dem im Innern des Menschen emotional erlebbaren Energiefluß. Zur Wahrnehmung von Orgonenergie und ihrer jeweiligen Qualität hat Reich unterschiedliche Wege beschritten (Vgl. Tab. 2). Reich hat subjektive, das heißt an die sinnliche und emotionale Wahrnehmungsfähigkeit des Beobachters gekoppelte Formen der Beobachtung und Beschreibung gewählt. Daneben hat er das Wirken von Orgonenergie an lebenden Systemen auch nach herkömmlichen Verfahren er­forscht (z. B. Laborexperimente mit Krebsmäusen) und versucht, die Wirkung von Orgonenergie mit Hilfe von physikalischen Meßgeräten indirekt sichtbar zu machen. (Temperaturdifferenz am Orgonakkumular, Geiger-Müllerzähler, Or­gonfeldmesser usw.)

Tab. 1: Beispiele für Beobachtungsmöglichkeit von Orgonenergie nach Wilhelm Reich

SAPA-Bione     Aufladung von Nichtleitern (Gummihandschuh)
                     Leuchterscheinung auf einer Fotoplatte
                     Bionwasser reagiert am Fluorezenzmeter wie eine organische Substanz
Atmosphäre     Flimmern zwischen Sternen (Orgonoskop)
                     Leuchtpunkte am Himmel
                     Leuchtreaktionen des Orgonfeldmeters
Orgon-            Wärme-/Prickelgefühl im Körper
akkumulator     Leuchterscheinungen
                     Temperaturdifferenz (innen/außen)
                     Flockenentwicklung im Bionwasser
                     Verringerung der Entladungsgeschwindigkeit eines Elektroskops im
                     im Akkumulator
                     veränderte Zählrate eines orgongeladenen Geiger-Müller-Zählers
                     Veränderung der Geschwulstbildung bei Krebskranken
                     in Verbindung mit Radioaktivität: Oranur-Effekt

 2.2 Orgonomische Pulsation und Selbstregulation

Als Selbstregulation bezeichnet man die Fähigkeit eines Systems einen bestimmten Zustand oder Entwicklungspfad auch bei von außen oder innen auftretenden Störungen aufrecht zu erhalten. Selbstregulative Systeme besitzen die Fähigkeit Störungen durch Regelung zu kompensieren. Man nennt ein System homöostatisch, wenn es in der Lager ist, sein internes Mileau, so z. B. seine essenziellen Variablen, in relativ engen Grenzen konstant zu halten. In diesem Sinne sind z. B. alle höheren Tiere und der Mensch Homöostaten. Aus der Sicht von Wilhelm Reich verleiht die Orgonenergie allen lebenden Systemen ihre Lebensfähigkeit. Sie durchdringt sie, bildet ein Feld um sie, pulsiert in ihnen und erhält so ihre Lebensfunktionen. Der physische Tod und das Erlöschen der Orgonfunktion sind zwei eng gekoppelte Vorgänge. Ein orgonomisches System ist voll funktionsfähig oder gesund, wenn es auf einem, ihm angemessen hohen Energieniveau funktioniert und wenn in ihm pulsierende orgonenergetische Auf- und Entladungsvorgänge ablaufen.
(Vgl. Müschenich, 1995, S. 166)
Gesunde (voll funktionsfähige) orgonomische Systeme besitzen in der Regel die Fähigkeit zur Selbstregulation. D. h., sie sind in der Lage ihren Lebensprozeß auch bei wechselnden äußeren Einflüssen oder bei bestimmten inneren Störungen aufrecht zu erhalten. Therapien an gestörten orgonomischen Systemen, wie z. B. Pflanzen, Menschen oder Tieren zielen deshalb im Sinne Wilhelm Reichs darauf ab, die gestörte orgonomische Pulsation wieder in Bewegung zu bringen. Die orgonomische Pulsation kann gestört werden indem sie blockiert wird (DOR-Bildung) oder in dem sie in einen Prozeß der Übererregung (ORANUR) überführt wird. Die wechselseitige Beziehung pulsierender Orgonenergie, DOR (blockierter Orgonenergie) und ORANUR (übererregter Orgonenergie) wurde bereits in Abschnitt 2 angesprochen (Vgl. Abb. 2). Störungen der natürlichen Pulsation eines lebenden Systems bezeichnet Reich als Biopathie. Biopathien können in allen Organismen ebenso wie in der die Erde umgebende Orgonhülle auftreten. Sie können sich in sehr verschiedenen Krankheiten und Krankheitsverläufen zum Ausdruck kommen. Umgekehrt kann die natürliche Pulsation eines lebenden Organismus verstärkt und intensiviert werden, indem seine orgonomische Durchlässigkeit und seine Energiehaltekapazität gesteigert werden. (Müschenich, S. 158)
Reich unterscheidet zwischen Überladungs- und Unterladungsbiopathien.
(Reich, 1951, S. 42-43, zitiert nach Müschenich, 1995, S. 165)

Befindet sich ein orgonomisches System z. B. ein lebender Organismus im Zustand der Biopathie, so gibt es verschiedene Strategien den Lebensprozeß und damit auch die Selbstregulation in ihm wieder anzustoßen. Dies kann z. B. dadurch geschehen, daß im Falle einer Überladungsbiopathie Blockaden abgebaut und die gestaute Energie zum Abfluß gebracht wird, Unterladungsbiopathie der energetische Zugang zum betreffenden System geöffnet und, oder seine energetische Haltekapazität erhöht wird. Reich hat für die Wiederherstellung der orgonomischen Selbstregulation unterschiedliche Techniken und Geräte entwickelt. Die bekannteste orgontherapeutische Technik ist die Vegetotherapie aus der sich unterschiedlichste Varianten der bioenergetischen Therapien entwickelt haben. Als Instrumente sind vor allem der Orgonakkumulator sowie der DOR- bzw. Cloud-Buster zu nennen. Der Orgonakkumulator reichert ein Orgonfeld an, während der DOR-Buster Energie abzieht und somit geeignet ist Stausituationen aufzulösen oder Konzentrationsgefälle zu schaffen. Um selbstregulatorische Prozesse in orgonomischen Systemen wiederherzustellen oder zu unterstützen richtet Reich seine Aufmerksamkeit auf die Intensität (Stärke) und die Pulsationsfähigkeit des Orgonflusses in und um das betrachtete System. Qualitative Differenzierungen frei pulsierender Orgonenergie faßt er dabei zunächst nicht ins Auge. D. h., er unterscheidet nicht zwischen der Qualität pulsierender Orgonenergie in unterschiedlichen menschlichen Organen, in unterschiedlichen Menschen oder in Menschen, Tieren und Pflanzen.

Seit Reich sind in unterschiedlichen Anwendungsbereichen Strategien und Vorgehensweisen zur orgonomischen Revitalisierung und Wiederherstellung der orgonomischen Selbstregulation entwickelt worden. Zu ihnen gehören die bereits erwähnte Vegetotherapie und alle an sie anknüpfenden bioenergetischen Therapieformen, die Orgontherapie nach Reich und ihre Weiterentwicklung durch Heiko Lassek, der Einsatz des Cloud-Busters zur Beeinflussung der orgonomischen Selbstregulation in der Atmosphäre und des Wetters, die Nutzung des Orgonakkumulators zur Unterstützung von Lebensprozessen bei Pflanzen, Tieren und Menschen sowie zur Energetisierung von Wasser, die Verwendung des DOR-Busters im medizinischen Bereich.
Alle diese Umgangsweisen mit Orgonenergie zielen entweder darauf ab biologische Prozesse innerhalb eines Organismus mit den Mitteln dieses Organismus zu verändern (Vegetotherapie, Bioenergetik) oder die orgonomische Umwelt des Organismus mit Hilfe von Orgongeräten zu verändern. In einigen dieser Fällen werden beide Techniken sinnvoll und erfolgreich miteinander kombiniert, so z. B. in der Orgontherapie. Im folgenden möchte ich nun am Beispiel der sogenannten transmaterialen Katalysatoren einen weiteren Weg schildern, Prozesse der orgonomischen Selbstregulation zu unterstützen und gestörte orgonomische Systeme zu revitalisieren.
 
3. Transmateriale Katalysatoren

3.1. Orgongeräte und transmateriale Katalysatoren

Wilhelm Reich hat die Frage, ob man Orgonfelder, die an einer Stelle produziert werden, transportieren kann und welchen Nutzen dies eventuell hat, nicht systematisch untersucht, obwohl ihm die Transportfähigkeit von Orgonfeldern bekannt war (Aufladung von elektrischen Nichtleitern durch Orgonenergie). In den vergangenen Jahren hat der Transport von künstlich erzeugten Orgonfeldern in Deutschland eine erhebliche Bedeutung erlangt. Dabei wird dem Qualitätsspektrum eines pulsierenden Orgonfeldes intensive Aufmerksamkeit gewidmet.
(Das Qualitätsspektrum eines Orgonfeldes ist etwas, was Reich kaum bekannt war und womit er sich nur in Nebenbemerkungen beschäftigt hat.) Qualitätsspektren lebensenergetischer Felder spielen z. B. in der Homöopathie oder der Radionik eine wichtige Rolle. Ein homöopathisches Mittel wird z. B. gewonnen, indem ein aufbereitetes Ausgangssubstrat durch Verdünnen und Verschütteln "energetisiert" wird. Der Homöopath nennt diese Vorgänge potenzieren. Ein homöopathisches Mittel besteht aus der Sicht herrschender Naturwissenschaft letztendlich fast ganz oder sogar vollständig aus Wasser (bzw. Milchzucker). Es kann somit weder chemisch noch elektromagnetisch wirken.
Sofern es einen Einfluß auf ein Lebewesen ausübt, so ist dieser als "lebensenergetische" Wirkung auf das beeinflußte System (den behandelten Organismus) zu deuten. (Selbst der in diesem Kontext häufig genannte Placebo-Effekt ist naturwissenschaftlich als "lebensenergetischer Wirkungsmechanismus" einzustufen. Die Wirkung, die ein homöopathisches Mittel hervorruft ist wesentlich von dem aufbereiteten Ausgangsmaterial, d. h. der Urtinktur abhängig. Homöopathische Mittel werden demzufolge auch nach den jeweiligen Urtinkturen und nach dem durch potenzieren erreichten Energieniveau benannt (Abb. 4) Radionische Geräte arbeiten nach einem ähnlichen Grundprinzip.
Sie rufen eine nicht-chemische, nicht-elektromagnetische Wirkung in einem lebenden System hervor, indem sie dieses mit modulierter (qualitativ gefärbter) "Lebensenergie" bestrahlen. Auch hier kann die Modulation (qualitative Färbung) der Strahlung von Ausgangssubstanzen abgegriffen werden. Homöopathische Mittel oder radionisch erzeugte "Strahlungen/Felder" weisen, soweit man heute empirisch vermuten kann, Wirkungsspektren auf, die von dem gewählten Ausgangsstoff und der Intensität der verwendeten Energetisierungsprozessen abhängen.
Bei radionischen Geräten kann der Ausgangsstoff durch wählbare Geräteneinstellungen simuliert werden.


Orgongeräte konzentrieren Orgonenergie (Orgonakkumulator) oder saugen Orgonenergie an und leiten sie in ein Transportmedium ein (DOR-Buster). Sie müssen punktuell d. h., an einen Standort plaziert werden und wirken von da aus ins Umfeld. Ihre Wirkung kann allerdings sehr weit reichen. Transmateriale Katalysatoren (Vgl. Abschnitt 3.2) sind Träger, die ein einmal künstlich erzeugtes Orgonfeld an den Platz tragen an den es zur Wirkung kommen soll. Sie werden an einem Standort produziert und können in sehr unterschiedlicher Form, an den für sie vorgesehenen Wirkungsort transportiert werden. Mit Hilfe von transmaterialen Katalysatoren lassen sich folglich auch größere Landflächen und bewegte Systeme gezielt beeinflussen.
Diese Beeinflussung kann darauf ausgelegt sein, am Wirkungsort die Konzentration von Orgonenergie zu verändern oder spezifische Bereiche des Qualitätsspektrums zu überlagern.

3.2. Transmateriale Katalysatoren - Eine Begriffserläuterung

Als transmateriale Katalysatoren bezeichne ich materielle Systeme, die das Verhalten biologischer Systeme beeinflussen, ohne mit diesen in einen Wirkungszusammenhang zu treten, der im Rahmen der herrschenden naturwissenschaftlichen Paradigmen wahrnehmbar ist. Darüber hinaus sind im Rahmen herrschender Naturwissenschaft weder die Wirkungen dieser Katalysatoren zu erklären noch gezielt zu prognostizieren.
Transmateriale Katalysatoren sind somit zunächst Katalysatoren im gängigen Sprachgebrauch. Das Adjektiv "transmaterial" kommt hinzu, da diese Katalysatoren im herkömmlichen naturwissenschaftlichen Weltbild weder physikalisch noch chemisch gedeutet werden können. Eine große Klasse von transmaterialen Katalysatoren läßt sich jedoch ansatzweise beschreiben und verstehen, indem das Reich'sche Konzept der Orgonenergie mit den Konzepten der Homöopathie oder der Radionik zusammengeführt werden. Ein transmaterialer Katalysator besteht aus folgenden Komponenten: einem materiellen Träger (Trägersubstanz), einem künstlich erzeugten Orgonfeld, welches an diesen Träger gekoppelt wird, einer qualitativen Ausprägung (qualitativen Färbung), die diesem Feld eingeschrieben bzw. aufmoduliert wird. (Manche Autoren sprechen davon, daß das Feld informiert bzw. das dem Feld Informationen eingeprägt wird.)


Das Orgonfeld, welches an die Trägersubstanz angekoppelt wird, kann mit Hilfe eines Reich'schen Orgonakkumulators erzeugt werden. In Abb. 5 ist die Herstellung eines Transmaterialsen Katalysators nach dem Prinzip des "Plocher-Energie-Systems" wiedergegeben. ( Geräte zur Herstellung Transmaterialer Katalysatoren werden hier als Transmateriale Generatoren bezeichnet. )
Der Wirkungsprozeß transmaterialer Katalysatoren läßt sich folgendermaßen beschreiben: Ein Ausgangsstoff wird in ein starkes Orgonfeld gebracht dem eine bestimmte Qualität so z. B. durch Einbringen eines bestimmten Materials aufgeprägt wird. Ist dies geschehen, so wird der transmateriale Katalysator an den für ihn vorgesehenen Wirkungsort, d. h., den Ort an dem er wirken soll, gebracht. Die Wirkung geschieht nicht auf stofflicher oder elektromagnetischer Basis, sondern über das an die Wirkungssubstanz gebundene, modulierte (qualitativ gefärbte) Orgonfeld. Der Begriff transmaterialer Katalysator erschließt sich aus dieser phänomenologischen Wirkungsbeschreibung. Ein transmaterialer Katalysator wirkt insoweit wie er wirkt weder chemisch-stofflich noch physikalisch energetisch, sondern "lebensenergetisch". Da "Lebensenergie" für die herrschende Naturwissenschaft nicht existiert, ruft ein transmaterialer Katalysator eine Wirkung hervor, die im herrschenden naturwissenschaftlichen Weltbild nicht erfaßt werden kann und die von der Trägersubstanz allein, nicht erwartet werden kann. Es ist deshalb plausibel, daß herrschende Naturwissenschaft kein Interesse an der Erforschung transmaterialer Katalysatoren zeigt.
 
3.3. Ein einfaches Deutungsmodell

Im vorangehenden Abschnitt wurde der Begriff des transmaterialen Katalysators bereits mit Hilfe eines einfachen Feld-Modelles eingeführt. Im folgenden soll dieses Modell unter Verwendung von Sheldrake's Theorie der morphischen Felder und im Rückgriff auf Reichs Orgonomie erweitert werden. Man geht dabei von der Reichianischen Vorstellung aus, daß Orgonenergie vor aller Materie existiert und im ganzen Universum anzutreffen ist. die Erde eine konzentrierte Orgonhülle besitzt. Fügt man diesen  empirisch gestützten Annahmen die von Sheldrake geäußerte Vermutung hinzu, daß alle materiellen Systeme von einem organisierenden Feld jeweils spezifischer Qualität umgeben sind, so ergibt sich ein Modell, in dem die Wirkungsweise eines transmaterialen Katalysators darstellbar wird. Führt man die Vermutungen Sheldrake's und Reichs zusammen, so kann man unterstellen, daß alle Objekte von einem für sie spezifischen formstiftenden, organisierenden und Lebensprozesse regulierenden Orgonfeld umgeben sind. Sheldrake nennt diese Felder "morphisch". Mit Hilfe des morphischen Feldes werden materielle Systeme als zweidimensional gedeutet. (Vgl. Abb. 6) Sie besitzen einerseits die, auch einer gängigen naturwissenschaftlichen Beschreibung zugrunde gelegte, materielle Struktur andererseits verfügen sie über ein, an diese materielle Substanz gekoppeltes, morphisches Feld.
Das morphische Feld besitzt eine gewisse Eigenständigkeit und ist damit in der Lage strukturierend, organisierend und Lebensprozesse regulierend auf materiale Systeme einzuwirken. Da nach Sheldrake morphische Felder untereinander interagieren und da morphische Felder auf materielle Systeme strukturierend einwirken können, gelingt es Sheldrake biologische Prozesse primär aus den Eigenschaften morphischer Felder zu erklären. Man könnte aus seiner Sicht sagen, daß morphische Felder Programme in sich tragen, mit deren Hilfe materielle Strukturen in ihrer Formgestaltung, in ihrer Organisation und in ihrer Steuerung/Selbstregulation beeinflußt werden können. Morphische Felder enthalten also Programme mit deren Hilfe materielle Abläufe beeinflußt, gesteuert oder reguliert werden können.
Folgt man der Annahme, daß transmateriale Katalysatoren Trägersubstanzen mit speziell aufbereiteten morphischen Feldern sind, so läßt sich ihre Wirkungsweise im Sheldrake'schen Modell ansatzweise deuten, sofern dieses um zwei ergänzende, auf Reich zurückführbare, Annahmen erweitert wird. Diese Annahmen lauten:
Es gibt bestimmte Substanzen, an die sich künstlich morphische Felder binden lassen Es gibt Verfahren und Techniken morphische Felder einer bestimmten Stärke und einer bestimmten Qualität künstlich herzustellen. Treffen diese beiden Annahmen zu, so lassen sich an ausgewählte Trägersubstanzen morphische Felder mit einer künstlich beeinflußten Intensität und Qualität ankoppeln. Transportiert man diese Trägersubstanzen mit einem gekoppelten morphischen Feld in ein biologisches System, so kann sich das morphische Feld der Trägersubstanz, mit dem des biologischen Systems nach dem Prinzip der morphischen Resonanz überlagern. Morphische Resonanz tritt dann auf, wenn Trägersubstanz und biologisches System in ihren morphischen Feldern ähnliche oder gleiche Qualitäten aufweisen. Bei der Erstellung eines künstlichen morphischen Feldes muß lediglich darauf geachtet werden, daß das künstliche Feld auch Qualitäten enthält, die diese morphische Resonanz oder allgemeiner ausgedrückt, die Koppelung zwischen dem Feld der Trägersubstanz und dem Feld des beeinflußten Systems ermöglichen.
(Vgl. Abb. 7)


Abb.6 Grundmodell eines morphischen Feldes nach Rupert Sheldrake


Durch die Überlagerung wird das Feld des beeinflußten Systems verändert und wirkt so verändert organisierend auf das betroffene System. Es unterstützt in ihm biologische Prozesse, die vielleicht im unbeeinflußten Zustand erschwert oder blockiert waren. Diese Beeinflussung kann sowohl durch die Intensität (Stärke, Konzentration des Orgonfeldes) als auch durch die Qualität (qualitative Färbung, enthaltenes Programm) des morphischen Feldes ausgelöst werden. Durch morphische Koppelung oder morphische Resonanz wird somit das Programm des Feldes der Trägersubstanz in das Feld des beeinflußten Systems übergeben.
Ebenso kann das Feld des beeinflußten Systems durch das Feld der Trägersubstanz hinsichtlich seiner Intensität verstärkt werden. Findet tatsächlich eine solche Koppelung morphischer Felder statt, so stellt sich die Frage, ob diese Koppelung nur mit dem unmittelbar materiellen beeinflußten System stattfindet, oder ob sie auch mit entfernteren Systemen, in die die Trägersubstanz nicht materiell eingebracht wird auftreten kann. Das Prinzip der morphischen Resonanz oder allgemeiner, der morphischen Koppelung läßt solch eine "Fernwirkung" durchaus vorstellbar erscheinen. In der Praxis unserer Experimente mit transmaterialer Katalysatoren zeigte es sich, daß solche Fernwirkungen tatsächlich auch auftreten.
So läßt sich z. B. das Umfeld eines transmaterialen Katalysators nur schwer gegen dessen Wirkung ganz oder teilweise abschirmen.

4. Zur Wirkungsweise transmaterialer Katalysatoren

4.1. Zur Berbreitung transmaterialer Katalysatoren im Alltag

In Deutschland werden heute unterschiedliche transmateriale Katalysatoren im Bereich der Humanmedizin, des Gartenbaus, der Forstwirtschaft, der Landwirtschaft sowie zur Gewässerreinigung, zur Wasserenergetisierung oder zur Nahrungsmittelverbesserung bereits käuflich angeboten. Von ihnen werden sehr weitreichende und sehr erstaunliche Wirkungen behauptet (Vgl. Tab. 2)..
Da diese Produkte inzwischen einen breiten, ideologisch sehr uneinheitlichen Käuferkreis aufweisen, ist zu vermuten, daß die behaupteten Wirkungen im Regelfall tatsächlich mehr oder minder deutlich eintreten. Transmaterialen Katalysatoren werden von einigen der Hersteller solcher Produkte auch als Bio-Katalysatoren bezeichnen Ihnen werden gewisse Eigenschaften zugesprochen, wie z. B.: sie wirken in kleinen Mengen, sie verbinden sich nicht mit dem beeinflußten System, sie wirken sehr spezifisch.

Beispiele für transmateriale Katalysatoren

Nr      Mittel        Art des Katalysators                  Anwendungsbereich
                        aus der Sicht seiner Hersteller

1       Biplantol     homöopathisches Mittel              Stärkung der Selbstreinigungs-      
                                                                      kräfte von Oberflächengewässern,
                                                                      Aktivierung des Bodenlebens,
                                                                      Stärkung von Pflanzenvitalität und
                                                                      und Pflanzenwachstum,          
                                                                      Homogenisierung und Verrottung
                                                                      von Gülle.

2      Bio-Aktiv    "informatives" Kreidepulver            Stärkung von Pflanzenvitalität
                                                                      und -wachstum,           
                                                                      Homogenisierung und
                                                                      Verrotung von Gülle.

3     Bion           Impulsgeber für die Aktivierung      Stärkung der Resistenz von
                       der "systemisch aktivierten           Pflanzen
                       Resistenz" (SAR) einer Pflanze

                                                                     

4     PENAC        " informatives" Quarzmehl             Stärkung der Selbstreinigungs-
                                                                      kräfte von Oberflächengewässern,
                                                                      Aktivierung des Bodenlebens,
                                                                      Stärkung von Pflanzenvitalität
                                                                      und -wachstum, Homogenisierung
                                                                      und Verrottung von Gülle.

5    SILPAN       homöopathisches Mittel                 Aktivierung des Bodenlebens,
                                                                      Stärkung von Pflanzenvitalität
                                                                      und- wachstum

6    SYMBO       "informierte" Hartferritfasern           Aktivierung des Bodenlebens,
                                                                      Stärkung von Pflanzenvitalität
                                                                      und- wachstum

7    program-    kontinuirlich verstärktes Orgon-       Aktivierung des Bodenlebens,
      mierter      feld mit biologischem Programm        Stärkung von Pflanzenvitalität
      ORGON-                                                      und- wachstum
      Booster                                              
     
   
    

                                                              

Viele transmateriale Katalysatoren sind in der Praxis sehr einfach zu handhaben. Sie werden dem jeweiligen System in einer geringen Menge in Wasser gelöst, als Gesteinsmehl oder durch Einfügen eines festen Gegenstandes beigegeben. Dabei wird vermutet, daß die eingebrachten Flüssigkeiten, das Gesteinsmehl oder auch der feste Körper stofflich keine relevante Wirkung auf das behandelnde System haben. Die Hersteller dieser Produkte vermelden vielmehr, daß ihre Produkte eine "Information" mit sich transportieren, auf die das behandelte System energetisch reagiert.
Offen bleibt, wie das System diese "Information" erkennt, wie es auswertet und welche Dimension die Reaktionsenergie hat. Jeder der Hersteller solcher transmaterialer Katalysatoren gibt einen etwas anderen Erklärungskommentar für sein Mittel. Gemeinsam ist ihnen allen die nachprüfbare Behauptung, daß die Trägerstoffe, durch die die sogenannte biologische Informationen transportiert wird, die beobachteten Reaktionen des beeinflußten Systems im Normalfall (das heißt "uninformiert" oder im Urzustand) nicht auslösen.

4.2. Empirische Pre-Tests zur Wirkung von transmaterialen Katalysatoren

Am Institut für ökologische Zukunftsperspektiven wurden im vergangenen Jahr unterschiedliche Versuche mit einigen der o. g. transmaterialen Katalysatoren durchgeführt. Ziel dieser Versuche war es: festzustellen, ob und auf welche Art und Weise von solchen Mitteln tatsächlich eine wahrnehmbare Wirkung ausgeht, Erfahrungen über das Wirkungsspektrum solcher Katalysatoren zu gewinnen, Vorarbeiten für die Erstellung einer Testbatterie zu leisten, mit deren Hilfe das Wirkungsspektrum eines zunächst nicht bekannten unkonventionellen transmaterialser Katalysators geortet werden kann.
Für diese Pretests wurden unterschiedliche Versuchsaufbauten gewählt, die jedoch einige Gemeinsamkeiten hatten: Es handelte sich um relativ einfach zu überschauende Systeme, Die meisten dieser Versuchsaufbauten werden auch im Rahmen der herrschenden biologischen Forschung eingesetzt, Die genutzten Versuchsaufbauten sind konventionellen Beobachtungsverfahren zugänglich, Die Versuchsanordnungen sind grundsätzlich leicht reproduzierbar, Die einzelnen Versuchsaufbauten sind Teil einer Testbatterie, die große Bereiche des behaupteten Wirkungsspektrums der unkonventionellen, bioenergetischen Katalysatoren überdeckt.
Darüber hinaus wurden auch Pretests an komplexen Öko-Systemen durchgeführt. Im folgenden Abschnitt wird eine überschlägige Grobauswertung einiger dieser Versuche geschildert. Aus ihr wird deutlich, daß, auch wenn man auf konventionelle Wahrnehmungsparameter zurückgreift, eine Wirkung der untersuchten Mittel begründet vermutet werden kann. Die Versuchsergebnisse werden an anderer Stelle ausführlich veröffentlicht. Auf sie soll deshalb hier nur exemplarisch, nicht aber systematisch oder gar vertiefend eingegangen werden.

4.3. Experimentelle Erfahrungen mit transmaterialen Katalysatoren

4.3.1. Die Versuchsbereiche

Am Zukunfts-Institut wurden wie bereits angesprochen bislang in drei Bereichen Erfahrungen mit transmaterialen Katalysatoren gewonnen und dokumentiert Beim Einsatz in devitalisierten Öko-Systemen Seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre führt das Institut für ökologische Zukunftsperspektiven im Deister bei Hannover Versuche mit unkonventionellen Mitteln zur Revitalisierung von Waldbäumen durch. Unter diesen unkonventionellen Mitteln befanden sich transmaterialen Katalysatoren in Form von homöopathischen Mitteln und Geräte mit denen solche Katalysatoren hergestellt werden können. Mit ihnen wurden in Freilandversuchen Erfahrungen gewonnen. Seit 1996 testet das Zukunfts-Institut transmateriale Katalysatoren zur Revitalisierung von anoxischen oder stark anoxisch gefährdeten Bereichen im Nordseewatt (schwarze Flecken).
In Laborexperimenten wurde der Umgang mit transmaterialen Katalysatoren in gut definierten und kontrollierbaren Versuchssituationen getestet. Dabei wurden unterschiedliche transmateriale Katalysatoren eingesetzt und unterschiedlich strukturierte Versuchsanordnungen verwendet. Die Arbeit mit transmaterialen Katalysatoren und die Nutzung von Geräten mit deren Hilfe sie erzeugt werden können, wurde auch auf Alltagssituationen ausgedehnt. Solche Alltagssituationen sind z. B. die Behandlung von Blumen, Gartenpflanzen und ähnlichem.
Die dabei gewonnen Beobachtungen waren nicht-systematischer Art, wurden aber manchmal durch kleine Protokolle und häufiger durch Fotos dokumentiert. Das insgesamt vorliegende Material ist dennoch aufschlußreich. In den folgenden Abschnitten werden Ergebnisse aus einzelnen dieser Experimente vorgestellt.
Diese Darstellung soll lediglich einen Überblick über die Wirkungsweise transmaterialer Katalysatoren vermitteln. Sie ist skizzenhaft und baut auf ausführlichere an anderer Stelle oder noch nicht veröffentlichten Versuchs- und Ergebnisbeschreibungen auf.
4.3.2. Freilandversuche

4.3.2.1. Revitalisierung von Waldbäumen


Seit 1986 führt das Zukunfts-Institut das Projekt "Test von unkonventionellen Mitteln und Verfahren zur Stärkung der Vitalität von Waldbäumen" im Deister, einem kleinen Mittelgebirge bei Hannover, durch. Dabei werden insgesamt ca. 250 Bäume mit 12 unterschiedlichen Mitteln oder Verfahren behandelt. Unter ihnen befinden sich zwei transmateriale Katalysatoren in Form von homöopathischen Mitteln und ein Gerät mit dessen Hilfe transmateriale Katalysatoren hergestellt werden können. Die Behandlung von geschädigten Waldbäumen wurde 1987 zum ersten Mal durchgeführt und bis 1996 regelmäßig wiederholt.
Die Bäume wurden nach der deutschen Waldschadenskartierung und mit Hilfe ausführlicher Baumprotokolle jährlich hinsichtlich ihres Vitalitätszustandes erfaßt. Die folgenden pauschalierten Auswertungsergebnisse beziehen sich auf die Einstufung nach der Waldschadenskartierung. Für die Untersuchungsjahre 1987 bis 1994 wurde diesbezüglich ein durchschnittlicher Entwicklungstrend für behandelte und für unbehandelte Bäume auf unterschiedlichen Vergleichsflächen geschätzt.
Die Wirkung der eingesetzten transmaterialen Katalysatoren differierte in Abhängigkeit dieses Mittels sowie des Alters und der Art der behandelten Bäume. Insgesamt ergab sich folgendes, in sich nicht ganz klares Bild (Vgl. Abb. 8).
Die bisherige Versuchsauswertung ist allerdings erst überschlägig durchgeführt worden. Wichtige Detailauswertungen stehen noch an.


4.3.2.2. Revitalisierung anoxischer Gefährdungsbereiche im Nordseewatt

Das deutsche Nordseewatt besitzt in vielen Bereichen eine nur dünne belebte sauerstoffhaltige Decke. Unter ihr befinden sich tiefgreifende anoxische Bereiche in denen keine Lebensprozesse möglich sind. In den vergangenen Jahren, insbesondere aber im Jahr 1996, traten solche anoxischen Bereiche auf großen Wattflächen bis an die Oberfläche. Dieser Prozeß wurde in Form von sogenannten schwarzen Flecken auf denen kein Leben möglich ist und von denen ein unangenehmer Geruch ausgeht erlebbar. Auf einer parzellierten Testfläche von ca. 35 Hektar wurden Versuchs- und Vergleichsflächen angelegt.
Auf den Versuchsflächen wurden drei unterschiedliche Typen von transmaterialen Katalysatoren im Herbst 1996 ausgebracht. Dies wurde zum Teil im Jahre 1997 einmal wiederholt. Zwischen Herbst 1996 und Herbst 1997 wurden diese Flächen monatlich im Hinblick auf die dort anzutreffende Makrofauna mit Hilfe von Stichproben erfaßt. Obwohl dieses Verfahren einige Unsicherheiten in sich birgt, kann es doch als Pre-Test für den Einsatz transmaterialer Katalysatoren im Watt gewertet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind erst ansatzweise ausgewertet. Insgesamt deutet sich an, daß auf Flächen, die mit transmaterialen Katalysatoren vorbehandelt sind, die Makrofauna als Spitze der Lebenspyramide im Watt intensiver ausgeprägt ist.
Auch die diesem Experiment vorgeschalteten Vorversuche deuten daraufhin, daß Wattboden im Bereich "schwarzer Flecken" durch transmateriale Katalysatoren beeinflußt werden kann (Vgl. Tab. 4).
 
4.3.3. Laborexperimente

4.3.3.1. Grünalgen

In den Jahren 1995 und 1996 wurden am Zukunfts-Institut Versuche mit Grünalgen unter Streß durchgeführt. Dabei wurden Grünalgen in Aquarien in Dunkelheit gestellt und nur "kurzzeitig" beleuchtet. Die Zeitspanne in der sie Licht erhielten, um so eine Photosynthese durchführen zu können, wurde schrittweise immer weiter heruntergesetzt. Zunächst waren es acht Stunden am Tag, später vier und schließlich standen die Grundlagen für einen Zeitraum von fünf Monaten ganz im Dunkeln. Nach Einregulierung der Versuchsbedingungen wurde einem der drei Apuarien ein transmaterialer Katalysator beigefügt. Er zeigte unmittelbar, d. h. innerhalb eines Tages Wirkungen.
Der Sauerstoffgehalt im behandelten Becken stieg signifikant. Allerdings übertrug sich diese Wirkung mit einem time-lag auch auf die beiden unbehandelten Vergleichsbecken. Die Übertragung fand innerhalb von zwei Tagen statt. Dies Phänomen zeigte sich auch bei einer zweiten Behandlung. Daraufhin mußte von der Annahme ausgegangen werden, daß es mit der gewählten Versuchsanordnung nicht möglich sein würde ein echtes Null-Becken zum Vergleich zu erzeugen. Aus diesem Grund wurden die Versuche zwar weitergeführt, es herrschte aber Unsicherheit, welche Bedeutung sie unter diesen Bedingungen haben könnten.
Verwunderlich war, daß obwohl die Belichtungszeiten immer weiter reduziert wurden, der Lebensprozeß in keinem der Becken zum Erliegen kam. Auch als die Belichtung eingestellt wurde und auch die Versorgung der Algen mit Nährstoffen eingestellt wurde kamen die Lebensprozesse nicht zum Stillstand.
Nach ca. fünf Monaten wurde der Versuch abgebrochen. Anschließend wurde er einem zweiten Ansatz unter Dunkelheit wiederholt. Dieser Versuchslauf währte sieben Monate. Mit nahezu dem gleichen Ergebnis. In beiden Fällen führte die Zugabe eines bestimmten transmaterialen Katalysators zur Steigerung der Sauerstoffwerte in den behandelten und später auch in den unbehandelten Becken. Die Algenkulturen überlebten monatelang ohne Licht und ohne Zuführung von Nährstoffen in reinem Leitungswasser.

4.3.3.2. Gülle

In mehreren im Erdreich versenkten Fässern wurde die Zersetzung von Gülle verfolgt (Vgl. Tab. 3). Auch hier gab es ein Faß, welches mit einem transmaterialen Katalysator behandelt wurde und ein Vergleichsfaß. Ähnlich wie im Algenversuch scheint es zu einem Wirkungsüberschlag gekommen zu sein. Trotzdem sind leichte Unterschiede zwischen den untersuchten Fässern zu erkennen. Die "behandelte" Gülle hatte einen höheren PH-Wert als die Unbehandelte. In Bezug auf Homogenität, Geruch und visuellen Gesamteindruck ähnelten sich behandelte und unbehandelte Gülle, wirkten aber insgesamt homogener und weniger unangenehm riechend als dies zu erwarten gewesen wäre.



4.3.3.3. KeimlingeAm Institut für ökologische Zukunftsperspektiven wurden in den vergangenen Jahren Keimlingsversuche mit Hilfe unterschiedlichen transmaterialer Katalysatoren in größerem Umfang durchgeführt. In diesen Keimlingsversuchen wurde das Wachstum von Weizen- oder Bohnenkeimlingen unter Streßbedingungen mit und ohne transmateriale Katalysatoren verglichen. Die Ergebnisse zeigen, daß unterschiedliche transmateriale Katalysatoren, die angeblich das Gleiche bewirken sollen, im Einzelnen in ihren Wirkungen differieren. Dies wurde insbesondere an den Indikatoren Trieblänge und Wurzellänge gut sichtbar.
Im Hinblick auf den Gesamteindruck den die behandelten und die unbehandelten Pflanzen vermitteln, schnitten die Behandelten besser ab und zwar unabhängig davon, welche der getesteten Katalysatoren im Einzelfall verwendet worden war (Vgl. Tab. 5).

Aus diesen Keimlingsversuchen geht hervor, daß das Pflanzenwachstum vermutlich mit Hilfe transmaterialer Katalysatoren beeinflußt werden kann. Das gleiche gilt für den allgemeinen Vitalzustand der behandelten Pflanzen.
 
4.3.3.4. Spontangärung

Am Beispiel von Äpfeln und Karotten wurden Prozesse der Spontangärung in Gang gesetzt. Das gärende Material wurde mit einem transmaterialen Katalysator behandelt. Die Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Gärungsprozessen waren recht deutlich. Sie zeigten sich vor allem im äußeren Erscheinungsbild, im Ausmaß der Verpilzung der gärenden Substanzen und in unterschiedlichen Nährwerten. Auch hier wirkten die behandelten Proben vitaler als die unbehandelten.

4.3.4. Beobachtungen unter Alltagsbedingungen
Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren unter Alltagsbedingungen d. h. bei Zimmer- und Gartenpflanzen sind relativ vielfältig aber sehr unsystematisch vorgenommen worden. Ich möchte deshalb hier lediglich für einen bestimmten transmaterialen Katalysator, für den solche Beobachtungen im Rahmen eines Projektes zusammengestellt wurden, zeigen, daß man auch auf diesem Wege Hinweise für die Wirksamkeit dieser Mittel erhält.
Die Art und Weise wie konkrete Pflanzen auf einen transmaterialen Katalysator reagierten dürfte allerdings aus vielerlei Gründen sehr spezifisch sein. Die berichteten Beobachtungen wurden nicht systematisch, sondern punktuell durchgeführt und soweit möglich per Foto dokumentiert. Als Vergleichssituationen wurde die Erfahrung der Experimentatoren mit Pflanzen ohne Behandlung gewählt und es wurden, da wo möglich, Vergleichssituationen gesucht.
Darüber hinaus wurde versucht abzuschätzen, was für eine bestimmte Pflanze an dem jeweiligen Standort typisch ist, erwartet werden darf oder für möglich angesehen wird. Die gewonnenen Eindrücke waren bei den in den folgenden Beispielen geschilderten Pflanzen eindeutig, so daß sie in Bezug auf die jeweiligen Vergleichssituation oder die gängigerweise berechtigten Erwartungen als markant einzuschätzen ist. Als wichtigster Effekt zeigte sich, daß der getestete transmateriale Katalysator vor allem das vegetative Wachstum (Längenwachstum und Blattbildung) anregte und daß mit behandelten Pflanzen eine gewisse Tendenz zur Buschigkeit aufwiesen.
Diese Behauptungen werden durch die folgenden Beispiele gestützt: ein schmalblättriges Weidenröschen, daß mit Biplantol behandelt wurde, zeigte ein Längenwachstum von ca. 3,30 m, was außerhalb aller Erwartungen für diese Planze liegt, Weihnachtssterne, die ungefähr ein ¾ Jahr im gleichen Topf, ohne Düngung und unter schwierigen Bedingungen gehalten wurden, zeigten eine unverhältnismäßig gute Blattentwicklung, einschließlich einer klaren Tendenz zur Buschigkeit, ein behandelter Lorbeerbusch in einem Mehrfamilienhaus zeigte im Verhältnis zu einer nahezu identischen Vergleichssituation ein üppiges vegetatives Wachstum und auch hier Tendenzen zu einer wesentlich größeren Buschigkeit, zwei Apfelbäume aus ein und der selben Baumschule am gleichen Standort und zur gleichen Zeit gepflanzt zeigen nach zwei Jahren hinsichtlich ihrer Triebentwicklung und Blattfülle deutliche Unterschiede (Vgl. Abb. 9 und Abb. 10  ).

Das vermutlich stärkere vegetative Wachstum der behandelten Pflanzen birgt jedoch auch mögliche Probleme. So reagierte z.B. der geschilderte Apfelbaum auf eine längere Hitzeperiode indem er deutliche Verwelkungserscheinungen zeigte. Ein mit dem transmaterialen Katalysator behandelter Holunder begann zu schießen und ging in ein für einen Holunder unübliches gestrecktes Längenwachstum über.

Abb. 9   Unbehandelter Apfelbaum                         

Abb. 10  Behandelter Apfelbaum  

Alle diese Beobachtungen waren mehr oder weniger zufällig und sind im wissenschaftlichen Sinne als nicht gesichert anzusehen. Dennoch geben sie Hinweise darauf, was in Zukunft systematisch zu untersuchen sein könnte.
Sie stabilisieren darüber hinaus die Vermutung, daß transmateriale Katalysatoren grundsätzlich erkennbare Wirkungen an behandelten Pflanzen hervorrufen.

5. Nutzen und Risiken transmaterialer Katalysatoren

Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren kann in vieler Hinsicht von Nutzen sein. Durch transmaterialer Katalysatoren lassen sich z. B. Wachstumsprozesse in Pflanzen unterstützen und optimieren, Die Selbstregulationsfähigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen erweitern und so deren Lebensfunktionen einschließlich der Immunabwehr stärken, Energetisch gestörte kranke Organismen therapieren und revitalisieren, Lebensenergetische Qualität und Haltbarkeit von Pflanzen oder tierischen Produkten verbessern, Gewässer reinigen und lebendig erhalten.
Kurzum, durch die Verwendung von transmaterialen Katalysatoren können sehr verschiedene Lebensprozesse aktiv und naturgemäß gestützt oder gestaltet werden. Vielerorts, wo heute stofflich eingegriffen wird, so z. B. durch chemische Substanzen oder elektromagnetische Felder können in Zukunft transmateriale Katalysatoren an die Stelle von Chemikalien und elektromagnetischen Beeinflussungen treten. Ihr Wirken ist besser abstimmbar auf den Bedarf von lebenden Systemen und sie können häufig auch da heilend oder revitalisierend wirken, wo heute nur geringe oder gar keine therapeutischen Möglichkeiten bestehen.
(Chronische Krankheiten, Allergien und ähnliches) Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren zeigt somit wünschenswerte Perspektiven für eine naturgemäßen Gestaltung und Unterstützung von Lebensprozessen auf. Allerdings, auch die Nutzung von transmaterialen Katalysatoren kann Probleme aufwerfen. Überall da, wo es durch technische Instrumente oder Verhaltensstrategien möglich ist Effekte und Wirkungen hervorzurufen, kann sowohl Nutzen, als auch Schaden gestiftet werden. Dies gilt auch für transmateriale Katalysatoren. Ihr Gefahrenpotential ist erheblich.

So können transmateriale Katalysatoren nicht nur auf lebensunterstützende, sondern auch auf lebenseinschränkende oder zerstörende Prozesse hin entwickelt werden, Auch in dem Fall wo keine böswillige Absicht vorliegt, kann es dennoch zu lebensbeeinträchtigenden Wirkungen kommen. Werden z. B. transmateriale Katalysatoren mit Orgonenergie sehr hoch aufgeladen, so kann es geschehen, daß die Systeme in die sie eingeschleust werden, die Intensität der eingeschleusten Orgonenergie nicht verarbeiten können. Es kann dann zu energetischen Blockaden oder zu chronischen Überladungen bzw. Übererregungen kommen.
Die Balance zwischen Aufladung und Entladung wird gestört und Biopathien treten auf. Transmateriale Katalysatoren, die ein erhöhtes Niveau orgonomischer Ladung aufweisen interagieren mit Radioaktivität, Röntgenstrahlen oder elektromagnetischen Feldern. Es treten ORANUR- und DOR-Effekte auf, die auf lebende Systeme destruktiv wirken. Transmateriale Katalysatoren, die nicht sachgemäß auf das System in das sie eingeschleust werden abgestimmt sind, können in diesem Lebensfunktionen verzerren oder verschieben.
D. h., sie entwickeln sich zur permanenten Störquelle. Dies alles ist nicht neu, aber es ist an der Zeit es wissenschaftlich systematisch wahrzunehmen und zu diskutieren. Geschieht dies nicht, so besteht die Gefahr, daß die Nutzung von transmaterialen Katalysatoren eine Form von biologisch-technischem Fortschritt auslöst, der genauso blind in
seine Folgeprobleme hineinstolpert wie dies der materialistisch-technische Fortschritt des 19ten Jahrhunderts getan hat. Soll dies vermieden werden, erscheint es mir notwendig, daß die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten nach denen transmateriale Katalysatoren funktionieren vorangetrieben und von Anfang an mit der Erforschung der Folgen- und Nebenwirkungen transmaterialer Katalysatoren verknüpft wird. Menschen bewußt darauf vorbereitet werden, mit transmaterialen Katalysatoren umzugehen. Diese Vorbereitung muß sich sowohl auf den technischen Umgang beziehen als auch eine seelisch-moralische Vorbereitung sein.
Die Verantwortung, die derjenige der mit transmaterialen Katalysatoren arbeitet für Lebensprozesse auf sich nimmt ist groß. Um ihr gerecht werden zu können, bedarf es viel Liebe und Demut gegenüber den Lebensprozessen in der uns umgebenden Natur.
 
6. Ausblick - Nachmaterialistische Naturwissenschaft als Grundlage naturgemäßen Handelns

In den nächsten Jahrzehnten wird sich das naturwissenschaftliche Weltbild vermutlich grundlegend verändern. Im Bereich der Biologie und der Medizin werden immer mehr Phänomene sichtbar, die sich konventionell naturwissenschaftlich nur schwer oder gar nicht erklären lassen. Greift man hingegen auf Theorien zurück, die wie die Reich'sche Orgontheorie Vorstellungen von Lebensenergien und lebensorganisierenden Kräften beinhalten, so wird es möglich diese Phänomene auch theoretisch zu erklären. Transmateriale Katalysatoren und die von ihnen ausgehenden Wirkungen sind ein gutes Beispiel dafür. Diese neue Art, die Welt naturwissenschaftlich zu begreifen versuche ich mit dem Arbeitsbegriff der "Nachmaterialistischen Naturwissenschaft" zu erfassen. Nachmaterialistische Naturwissenschaft geht von folgenden Annahmen aus:

Vor- und hinter Materie gibt es organisierende Kräfte ohne deren Wirken Leben nicht vorstellbar ist, Diese organisierenden Kräfte sind die Voraussetzung für die Bildung von Materie und für ihre Höherentwicklung. Reich nennt diese organisierenden Kräfte Orgonenergie. Sheldrake erfaßt sie aus einer anderen Perspektive, mit dem Begriff des morphischen Feldes. Rudolf Steiner geht noch weiter, indem er behauptet, daß es nicht nur transmateriale organisierende Kräfte, sondern daß auch organisierende Wesenheiten existieren, die mit Subjekthaftigkeit und Willen ausgestaltet sind.
Im Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft wird Welt somit in zwei Dimensionen beschrieben. Der uns bekannten materialen Dimension Einer transmaterialen und lebenorganisierenden Dimension. Diese Beschreibung kann mit Hilfe der Sprache der Systemtheorie weiter ausdifferenziert werden. Sie bietet einen Rahmen in dem unterschiedliche ,Lebenskräfte postulierende, Beschreibungen von Natur und Welt miteinander in Verbindung gebracht und kommuniziert werden können.
Ich kann und will an dieser Stelle nicht auf das Konzept, die Grundlagen und die mögliche Entwicklung einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft eingehen, sondern ich möchte lediglich den Blick darauf lenken, wohin sich Naturwissenschaft in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird: auf ein neues Verständnis von Leben.


Literatur

Müschenich, St.         
Der Gesundheitsbegriff im Werk des Arztes Wilhelm Reich (1897-1957)             Verlag Görich und Weiershäuser, Marburg 1995
Bechmann, A.
Über Wilhelm Reichs OROP-Wüste, Verlag 2001, Frankfurt 1995,
(Hier finden sich die Literaturhinweise für die Zusammenfassung der Reich’schen Orgonomie
Bechmann, A             
(Hier finden sich die Belege für die Sheldrake-Darstellung)

Wolfgang Runge, Diplomarbeit im Fachbereich Psychoogie der TU Berlin

Auswirkungen einer körperzentrierten Interventionstechnik - Am Beispiel der Pulsationsarbeit nach Reich und Lassek -    

1. Einleitung  

Die Pulsationsarbeit ist eine therapeutische Behandlungsmethode, durch die grundlegende selbstregulierende Prozesse im menschlichen Organismus beeinflußt werden sollen, wie beispielsweise die Funktion des vegetativen Nervensystems oder die Herz- und Atemtätigkeit. Diese regulierenden biologischen Prozesse können als Pulsationsprozesse beschrieben werden. Nach REICH stellt die biologische Pulsation die Grundfunktion aller Lebensprozesse dar. Somit bedeutet Pulsationsarbeit Arbeit an der Grundfunktion des Lebens, an der Pulsationsfähigkeit des gesamten Organismus. Seit 1995 verfolgen zunehmend mehr Therapeuten dieses Ziel.
Sie wenden die Pulsationsarbeit  in der Behandlung verschiedener Erkrankungen, aber auch präventiv zur Steigerung der Vitalität sowie des psychischen und körperlichen Wohlbefindens an.  

Die mit der Pulsationsarbeit verbundenen Erklärungsmodelle sowie das zugrundeliegende Gesundheitsverständnis basieren auf den Erkenntnissen REICHs, speziell auf denen aus der Vegeto-/ Orgontherapie. Pulsationsarbeit setzt dort an, wo sich nach REICH die gemeinsame Wurzel von Psyche und Körper befindet, am Fluß der Lebensenergie. REICH nennt diese Lebensenergie Orgon. Deren ungehindertes Strömen und Fließen im gesamten Organismus stellt dabei ein wichtiges Kriterium für Gesundheit dar. Genau an diesem Punkt kommt es zur deutlichsten Annäherung an das Gesundheitsverständnis der traditionellen chinesischen Medizin mit seinem seit Jahrhunderten überlieferten Wissen vom Wundernetz der Meridiane.  

Das Konzept der Pulsationsarbeit wagt eine Integration dieser beiden Gesundheitsmodelle. Die traditionellen Behandlungstechniken der Vegeto-/Orgontherapie und einige der Kenntnisse aus der chinesischen Medizin werden modifiziert und zu einem neuen Behandlungskonzept verschmolzen.
Der Kerngedanke dieses Konzeptes beinhaltet die Anregung des Organismus, genauer gesagt die Aktivierung selbstregulativer pulsatorischer Prozesse. Diese systematische Aktivierung selbstregulativer Prozesse erfolgt durch die Behandlung von außen. Sie scheint für den meist auf mehreren Ebenen blockierten Organismus notwendig, bis zu einem gewissen Grad aber auch ausreichend zu sein, um die Gesundung aus sich selbst, aus dem eigenen System heraus anzuregen. Dieses Potential des Organismus, täglich neu die biologischen Grundlagen für die Gesundheit bereitzustellen, ist - ähnlich wie die Pulsation - eine Grundfunktion des Lebens und damit prinzipiell jedem Organismus eigen.  

Welche Auswirkungen hat nun die Pulsationsarbeit auf die Behandelten? Was geschieht, wenn selbstregulative Prozesse ihre Wirkung entfalten? Dieser Beitrag versucht die möglichen Vorgänge aus sehr unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Er enthält einen Teil der Ergebnisse meiner Diplomarbeit. Dabei handelt es sich um die Erfahrungen von sechs Klienten, die bis zu zwanzig Stunden lang mit dieser Methode der Pulsationsarbeit behandelt worden sind. Ihre Aussagen gaben Anlaß zu weiteren theoretischen Überlegungen und zum Formulieren einiger Hypothesen hinsichtlich möglicher Wirkmechanismen.  

Zur Einstimmung in dieses Thema möchte ich zunächst mit einigen theoretischen Vorüberlegungen zur “Leib-Seele-Problematik” im Rahmen der Psychosomatikdiskussion beginnen. Daran anschließend stelle ich kurz die wichtigsten Schritte dar, die REICH in der Entwicklung der Vegeto-/Orgontherapie gegangen ist. Danach folgen einige Überlegungen zum Begriff der Lebensenergie. Für die nähere Darstellung der Pulsationsarbeit selbst möchte ich auf den Beitrag von Heiko LASSEK in diesem Buch verweisen.      

2. Psychosomatikdiskussion: Vom Problem mit Leib und Seele  

Die Menschen der westlichen Welt tun sich schwer mit dem Verständnis von Leib und Seele. Kurz gesagt, sie haben ein “Leib-Seele-Problem”. Dieses Problem taucht jedoch nicht erst in der aktuellen Psychosomatikdiskussion auf, sondern hat eine ehrwürdige Tradition, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.    

3. Der Leib-Seele-Dualismus in der Philosophie- und Kirchengeschichte (bis Augustinus)  

Aus der Philosophiegeschichte ist die Trennung von Leib und Seele - und als Folge dessen die Leibfeindlichkeit - gut bekannt. Im 6. Jahrhundert v.Chr. kommt von den Bergen Thrakiens eine neue Mythologie nach Griechenland, in deren Mittelpunkt der Gott Dionysos steht und deren Priester der thrakische Sänger und Wundermann Orpheus ist. Obwohl Dionysos als Symbol der Lebensbejahung gilt, ist die Dogmatik der Orphiker eine Mischung aus Askese und Mystik. Die Seele (= Geist) stammt aus einer anderen Welt und ist zur Strafe für eine alte Schuld auf die Erde verbannt; sie ist an den Leib gefesselt und muß mit ihm eine weite Wanderung durchmachen, bis sie von der Sinnlichkeit erlöst wird (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 15).  

Die Pythagoreer übernehmen diese Sicht  und sagen, daß der Leib das Gefängnis der Seele sei (sma - sma) (HIRSCHBERGER 1984, 24). Auch für Platon ist der Mensch nur eine ganz lockere Verbindung aus Körper und Seele. Die Seele ist der eigentliche Mensch, der Leib bloß der Schatten. Den Pythagoreern fügt er noch die Forderung hinzu, mit dem Körper nur so weit in Verbindung zu treten, als es unbedingt notwendig ist, sich von ihm und seiner Natur nicht durchdringen zu lassen, sondern sich davon rein zu halten (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 116f).  

ARISTOTELES vertritt zunächst den platonischen Dualismus: Leib und Seele verhalten sich wie zwei feindliche Substanzen, die nur äußerlich verbunden sind. Erst sehr spät verschwindet die Zweiheit, Leib und Seele verschmelzen zu einer unio substantialis. Die Seele ist als Ganzes im ganzen Körper, und der Mensch ist eine aus Leib und Seele zusammengesetzte einheitliche Substanz. Die Seele ist die Form des Leibes (Hylemorphismus). Seele in diesem Sinne meint die Idee und das Ganze, die Sinnhaftigkeit und den Zweckzusammenhang eines lebendigen Körpers
(vgl. HIRSCHBERGER 1984, 209f).  

In der christlichen Patristik gehen die Überlegungen, angetrieben von der Frage, was denn Seele sei, weiter. TERTULLIAN denkt sich die Seele als Körper, nur mit feinerer Qualität. Für ORIGINES ist die Seele zur Strafe für den Sündenfall im Leib, aber sie ist schon Geist und damit gottverwandt. Für GREGOR VON NYSSA ist sie immateriell, für NEMESIUS dagegen substantiell, d.h. sie ist nicht nur eine Qualität oder Form am Körper, sondern etwas selbständig für sich Bestehendes. Damit gerät jedoch das Verhältnis Seele - Leib wieder ins Ungleichgewicht, der Leib wird abgewertet. Der platonische Dualismus klingt mit der Eigenständigkeit der Seele immer wieder an (HIRSCHBERGER 1984, 341f).  

AUGUSTINUS betont die Einheit, die darin besteht, daß die Seele den Körper besitzt, gebraucht und regiert. Der Mensch ist somit eine vernünftige Seele, die einen sterblichen und einen irdischen Leib in Gebrauch hat. Die Seele ist nicht nur in einem Teil sondern im ganzen Körper wie eine “lebendige Spannung” (intensio vitalis - tonos) (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 363f).  

Dieses Bild von der Seele als einer “lebendigen Spannung” im ganzen Körper legt einen Vergleich mit der “Lebensenergie” nahe, auch wenn ich die Seele nicht mit der Lebensenergie identifizieren möchte. Bedenkt man, daß der Begriff “Energie” (energeia) bei ARISTOTELES durchaus auch einen finalen Aspekt beinhaltet (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 200), so beinhaltet die “Spannung” als “intensio” ebenfalls einen finalen Aspekt. Seele und Energie könnten als etwas im Körper gesehen werden, das eine zielgerichtete Entwicklung des ganzen Menschen beinhaltet.

4. Der Leib-Seele-Dualismus in der Medizin  

“In vivo” sind Leib und Seele nicht voneinander zu trennen. Selbst DESCARTES, der meist fälschlicherweise als Urheber auch des medizinischen Dualismus gesehen wird (res extensa und res cogitans), scheint von der Einheit des “Ichs” und des Körpers überzeugt gewesen zu sein (vgl. UEXKÜLL 1986, 3).  

WEINER vertritt nach UEXKÜLL die These, daß der Dualismus von Ärzten selbst verschuldet sei, angefangen von Hippokrates über Galen und Virchow, die bis heute “die Erklärung für Krankheitssymptome in anatomischen Strukturen von Leichen suchten, nicht aber in veränderten Lebensfunktionen. ... Die eigentliche Kluft liege daher gar nicht zwischen Körper und Seele, sondern zwischen Ärzten, die kranke Menschen und deren Lebensfunktionen untersuchen und behandeln würden auf der einen Seite, und Medizinern auf der anderen, welche Leichen auf den Tischen der Pathologen sezieren und die dort erhobenen Befunde auf Lebende übertragen (Hervorhebung durch den Verf.). Pathologen, sagt er, könnten Strukturveränderungen an toten Organen, Geweben und Zellen, aber nicht deren Funktionen im Leben beschreiben” (UEXKÜLL 1986, 3). ­­­­ Diese Polarisierung setzt sich in der von den jeweiligen Strömungen verwendeten “Technik” fort. Strukturen toter Materie lassen sich beispielsweise seit 1937 mittels Elektronenmikroskop fast bis in den atomaren Bereich hinein beobachten. Lebendige Prozesse können nur anhand von Lebendpräparaten mittels Lichtmikroskop beobachtet werden (z.B. die Veränderung und der Zerfall von Blutzellen oder die Veränderung von Krankheitserregern in Abhängigkeit vom Milieu).  

Die Anhänger der Strukturlehre konnten ihre Position erst im 19. Jahrhundert ausbauen, wobei die Physik mit ihrer in sich geschlossenen Lehre der mechanischen Kräfte den notwendigen Hintergrund bildete.  

“Mit der Etablierung der naturwissenschaftlich orientierten Medizin wurde die ... traditionelle, aus der Antike stammende psychosomatische Sichtweise aus der medizinischen Lehrmeinung verbannt. Von nun an kamen definitionsgemäß nur körperliche Faktoren in Frage, zumal seelische Prozesse mittels naturwissenschaftlicher Verfahren schwer erfaßbar sind” (KLOTTER 1994, 119).   Infolgedessen entstand das Paradigma der Maschine als Erklärungsmodell für die Lebensvorgänge. Dieses Modell versagte jedoch an zwei entscheidenden Punkten:      
Körpervorgänge können damit nicht als spezifische Lebensphänomene beschrieben werden, da Begriffe, wie Selbstreduplikation und Autonomie in der Terminologie der Physik und Chemie nicht vorkommen.    

Psychische und soziale Faktoren können nicht mit körperlichen Vorgängen in Verbindung gebracht werden (vgl. UEXKÜLL 1986, 3f).    

5. Vitalismus als Antwort auf den Mechanismus  

Eine der Gegenbewegungen zur mechanistischen Sicht der Lebensvorgänge (Mechanismus) findet sich in der Bewegung des “Vitalismus”, die besagt, “daß sich die Lebenserscheinungen nicht allein aus physikalisch-chemischen Prozessen erklären lassen, sondern für sie ein eigenes immaterielles Prinzip angenommen werden muß. In der Philosophie und Biologie bezeichnet Vitalismus die Auffassung, die im Unterschied zum Mechanismus ... die innere Gesetzlichkeit der Organismen auf eine >Lebenskraft<. (vis vitalis) oder (als Psycho-Vitalismus) auf ein seelenähnliches Organisationsprinzip (Entelechie) zurückzuführen sucht” (BROCKHAUS 1994, Bd. 23, 384).  

Nach DRIESCH, einem typischen Vertreter dieser Bewegung, schließt die Autonomie der Lebensvorgänge die Möglichkeit des Maschinellen und damit der rein materialistischen Erklärung der Lebensvorgänge aus:  

“keine noch so komplicirt gedachte, mit noch so viel inneren Harmonien ausgestattete Maschineneinrichtung (reicht) zum Verständnis der Sachlage aus...” (DRIESCH 1901, 192).  

Ebenso wie Maschinen in ihren Funktionen reguliert werden können, gibt es die Regulation auch für die autonomen Lebensvorgänge:  

“Regulation ist ein am lebenden Organismus geschehender Vorgang oder die Änderung eines solchen Vorgangs, durch welchen oder durch welche eine irgendwie gesetzte Störung seines vorher bestandenen “normalen” Zustandes ganz oder theilweise, direkt oder indirekt, kompensirt und so der “normale” Zustand oder wenigstens eine Annäherung an ihn wieder herbeigeführt wird” (DRIESCH 1901, 92).  
Und dabei gilt:  

“Alle Fälle organismischen Regulationsgeschehens zerfallen in zwei große Gruppen, durch welche der Regulationsbegriff überhaupt erschöpft wird: in Organisations- und Adaptationsregulationen” (DRIESCH 1901, 95).    

6. Der Begriff des Autonomen

DRIESCH empfiehlt am Ende seines Buches den Ausdruck: “Autonomie der Lebensvorgänge”, an Stelle jenes schulenmäßig klingenden, vieldeutig gebrauchten Wortes “Vitalismus” zu gebrauchen (DRIESCH 1901, 220).  

Hier finden wir hinsichtlich lebendiger Vorgänge die Betonung des “Autonomen”. Dieses Autonome kann zwar beobachtet, in der letzten Verursachung jedoch nicht mehr beschrieben werden.  

“... wir müssen offen bekennen, dass wir von sehr vielen Regulationen der Organismen nicht mehr als eben ihre Zweckmäßigkeit in allgemeiner Hinsicht kennen” (DRIESCH 1901, 169).  

UEXKÜLL schreibt zu diesem Thema:  

“Autonomie oder Selbstreduplikation enthalten den Begriff “Selbst”, der für eine adäquate Beschreibung lebender Systeme von zentraler Bedeutung ist. Die Begriffe müssen geklärt werden, wenn man die Phänomene verstehen will, die wir mit ihnen bezeichnen” (UEXKÜLL 1989, 4).  

Gerade auch im Hinblick auf die Phänomene, die bei der Pulsationsarbeit auftreten, werden wir uns um eine möglichst adäquate Beschreibung bemühen müssen. Als Beispiel sei das Phänomen der autonomen Bewegungen genannt. Eine möglichst klare Beschreibung dieser autonomen Bewegungen könnte dazu beitragen, sich dem tieferen Verständnis dieses Phänomens anzunähern. Die vom Vitalismus betonte “Autonomie der Lebensvorgänge” wird uns an späterer Stelle wieder begegnen.    

7. Zur historischen Entwicklung der Psychosomatik  

Der Paradigmenwechsel in der Medizin wurde nicht von der Seite des Vitalismus bewirkt, sondern eher von der Seite der Psychoanalyse eingeleitet. Mit dem Freudschen Paradigma des “psychischen Apparats” hat die Medizin eine neue Dimension gewonnen, die es der Seele erlaubt, nicht mehr nur als Gespenst in der Maschine Körper zu existieren.  

“In einer Maschine gibt es nirgendwo Angriffspunkte für Gedanken, Gefühle oder Triebe. Wenn die Maschinendefinition für den Körper zutrifft, kann es so etwas wie eine Seele nur als ‘Gespenst in einer Maschine’ geben” (UEXKÜLL 1996, 7).   Die Gründerväter der Psychosomatik wollten die Medizin noch durch die Psychoanalyse ersetzen (Pan-Psychologismus). Georg GRODDECK (1866-1934), der “Vater der Psychosomatik” stellte “den Körper unter das alleinige Diktat der allmächtigen Seele” (KLOTTER 1994, 120), obwohl FREUD davor gewarnt hat, körperliche Störungen einfach wegzupsychologisieren.  

Differenziertere psychosomatische Betrachtungsweisen bildeten sich jedoch bereits in der nächsten Generation mit Franz ALEXANDER (1951) und Viktor von WEIZSÄCKER (1949) heraus. ALEXANDER kritisierte den Monismus GRODDECKs, verfiel selber jedoch in den psycho-physiologischen Parallelismus:  

“Als Ursache der psychosomatischen Erkrankungen im Rahmen des vegetativen Nervensystems ... nannte er einen unbewußten Abhängigkeitskonflikt des Kindes mit der Mutter in der präverbalen Phase” (KLOTTER 1994, 120).  

Trotz der Betonung der Eigengesetzlichkeit körperlicher Prozesse, beispielsweise durch Alexander MITSCHERLICH, hält sich “die populäre Strömung trivialisierender Psychosomatik ... : Alles sei psychisch bestimmt” (KLOTTER 1994, 120).  

In der psychosomatischen Medizin war man nun bemüht, den Leib-Seele-Dualismus durch entsprechende Konzepte zu überwinden. In der gesundheitspolitischen Wirklichkeit dagegen wurde das Gewicht auf die somatische Medizin gelegt, in der es zu rasch fortschreitenden Spezialisierungen kam. Diese Entwicklung führte nach UEXKÜLL dazu, daß sich in der Psychosomatischen Medizin zwei Tendenzen zeigten:  
“Die Spezialisten sehen das Ziel in einer elitären Weiterentwicklung psychotherapeutischer Methoden zur Behandlung neurotischer Menschen. Die Bezeichnung “psychosomatisch” wird von ihnen nur aus taktischen Gründen beibehalten ... Bei den Generalisten führte die Trennung von den somatischen Kliniken und ihren Problemen zu einer Tendenz, Modelle von hoher Subtilität für den psychischen Bereich, aber relativ primitive, oft naive Vorstellungen für das Körpergeschehen zu entwickeln” (UEXKÜLL 1986, 1280).  

Die Wirklichkeit der Heilkunde fordert jedoch eine andere Herangehensweise:  

“Die Aufgabe, die sich einer dritten Generation von Psychosomatikern stellt, lautet nicht mehr Einführung der psychosomatischen Betrachtungsweise in eine mechanistische Medizin, sondern die Entwicklung der Theorie und Praxis für eine Heilkunde, die psychische und somatische Abläufe als interdependente und interaktive Funktionen eines einheitlichen Systems begreifen kann” (UEXKÜLL 1986, 1280).  

Hierbei kann beispielsweise die Erfahrungs- bzw. Naturheilkunde eine Bereicherung der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie darstellen, besonders unter dem Aspekt, daß der Mensch auch unter ganzheitsbiologischen Aspekten gesehen wird (vgl. das System der Grundregulationen nach PISCHINGER (1989) und HEINE (1991) bzw. Ausführungen zum Kybernetischen Modell nach DAS (1990)).    

8. Der Sprung vom Psychischen ins Physische  

In der Psychosomatischen Medizin geht es auf dem Hintergrund des Leib-Seele-Problems “um die Frage, wie sich seelische und körperliche Vorgänge gegenseitig beeinflussen und verändern können. Es geht um den ‘rätselhaften Sprung’ (FREUD) vom Psychischen ins Körperliche und umgekehrt. Für diese Frage gibt es bis heute keine befriedigende Antwort. Die verschiedenen theoretischen Konzepte und therapeutischen Ansätze sind als Versuche aufzufassen, der Lösung dieses Problems näher zu kommen.” (HOFFMANN 1992, 151). Angesichts der unterschiedlichsten Erklärungsmodelle ist es “ehrlicher, zugleich aber auch fruchtbarer, einzugestehen, daß die psychosomatische Erkrankung meist rätselhaft bleibt, und daß die Berechtigung einer solchen Beziehung erst noch bewiesen werden muß. Fruchtbarer deshalb, weil die Forschung dadurch nicht in Hypothesen und Halbwahrheiten stecken bleibt” (ISRAEL 1987, 49, zit. nach KLOTTER 1994, 120).  

Würde man sich mit der Durchsicht der psychosomatischen Fachliteratur der vergangenen Jahre zufriedengeben, dann müßte man dem obigen Zitat zustimmen. Es wird analysiert und gefolgert, daß sich psychosomatische Forschung in zunehmendem Maße nicht mehr mit globalen Theorien, sondern mit heuristischen Modellen von begrenzter Reichweite beschäftigen muß, die spezifisch für das jeweilige Krankheitsgeschehen sind (vgl. HÄFNER 1994). Diese “Spezifizierung” innerhalb der Psychosomatik findet sich auch in einer der neuesten Bestandsaufnahmen gegenwärtiger psychosomatischer Forschungs- und Arbeitsansätze wieder (HAHN 1994).  

HOFFMANN gibt zu bedenken, daß die Trennung von Leib und Seele eine abendländische Eigenheit mit langer Tradition sei, deren Notwendigkeit jedoch immer wieder hinterfragt werden sollte. Dies klingt z.B. bei MITSCHERLICH an, für den die Gleichzeitigkeit leiblicher und seelischer Prozesse die Grundvoraussetzung menschlichen Lebens und auch menschlicher Krankheit ist (vgl. HOFFMANN 1992, 156).  

Diese Gleichzeitigkeit kommt in der funktionellen Identität psychischer und somatischer Prozesse nach REICH in besonderer Weise zum Tragen. Hier liegt meiner Meinung nach einer der wenigen “Belege” für den “Sprung vom Psychischen ins Physische”. Beeinflußt von den dynamisch-vitalistischen Ansätzen seiner Zeit, den Konzepten der “Selbstorganisation” bzw. der “Entelechie” (DRIESCH) oder dem “elan-vital” (BERGSON) wird REICHs Interesse für die Prozesse des Lebendigen geweckt.  

“Die Frage, ‘Was ist Leben?’ stand hinter jedem neuen Wissenserwerb ... . Das Prinzip einer schöpferischen Kraft, die das Leben regiert, war nicht zu leugnen, doch es befriedigte nicht, solange es nicht zu fassen, zu beschreiben und zu lenken war ... . Die Vitalisten schienen mir immer dem Verständnis des Lebensprinzips näher zu sein als die Mechanisten” (REICH 1987, 28).  

Doch immer wieder war REICH “auch fasziniert vom Konkreten, etwa in der Neurologie von der komplexen Struktur der Nervenbahnen und der genialen Einrichtung der Ganglien.” (SHARAF 1994, 76). So verwundert es nicht, daß er sich - ausgehend von der Psychoanalyse und deren Konzept der Libidotheorie - der Erforschung des biologischen Fundaments von Lust und Angst widmete. Am Ende seiner Forschungen hat REICH eine Menge von Belegen zusammengetragen, die den “Sprung vom Psychischen ins Physische” begreiflich werden lassen und im Folgenden noch deutlicher dargestellt werden sollen.      

9. Die Verwurzelung der Pulsationsarbeit im theoretischen und therapeutisch-praktischen Ansatz Wilhelm REICHs 10. REICHs Weg zur Vegeto-/Orgontherapie  

“In unserer Arbeit sind die Theorie und die Praxis untrennbar ineinander verflochten. Eine falsche theoretische Grundeinstellung muß eine falsche Technik bedingen, und eine falsche Technik muß falsche theoretische Anschauungen hervorbringen” (REICH 1989, 394).  

REICHs theoretische Grundeinstellung, seine Suche nach den energetischen Prozessen, die Leben ermöglichen oder behindern, ist in der Tat untrennbar mit seiner Praxis verbunden, die ihn von der Psychoanalyse über die Biologie hin zu physikalischen und kosmischen Prozessen führte. Wie ein rotes Band zieht sich seit Ende der 30er Jahre der Begriff “Orgon” durch die Forschungen REICHs. An diesem Begriff und mehr noch an den damit verbundenen Erkenntnissen und Forschungsmethoden scheiden sich bis heute die Geister. Schließlich schwamm REICH gegen den Strom, um zu den Quellen des Lebens zu gelangen. “Alles Natürliche und Große ist einfach” (REICH 1987, 69). Aber gerade dieses Einfache stößt immer wieder auf Widerstand. REICH galt zwar als einer der progressivsten Vertreter der Psychoanalyse und als Günstling FREUDs. Doch trotz seiner wichtigen Beiträge zur Psychonanalyse (REICH 1989), wird er heute kaum noch mit der Psychoanalyse in Verbindung gebracht. Ein Grund dafür war u.a. seine sexualökonomische Radikalität, die letztlich zum Bruch mit der Psychoanalytischen Vereinigung führte.

REICH nutzte seine hervorragende Beobachtungsgabe innerhalb des therapeutischen Settings und löste sich vom psychotherapeutisch gebotenen Abstinenzgebot. Er achtete auf Mimik und Gestik, berührte seine Klienten und gelangte so zu erstaunlichen Fortschritten innerhalb der Therapie. Er sammelte dadurch genau die Erkenntnisse, die zur Entwicklung der Vegeto-/Orgontherapie führten. Die weitere Verfeinerung dieser Technik begleitete ihn sein ganzes Leben lang. Später schrieb REICH:  

“Die Sprache der Motorik, die Organsprache und die emotionelle Ausdruckssprache, deren sich die Orgontherapie bedient, ist phylogenetisch und ontogenetisch älter als die Sprache des Wortes und der Vorstellungen, die das Instrument der Tiefenpsychologie bildet. ... Das Lebendige wird auf diese Weise der Orgonbiophysik vor dem ersten Lebensjahr beim Menschen und beim Tier ganz allgemein zugänglich, denn Emotion und Bewegungsausdruck sind an die Plasmapulsation gebunden.” (REICH 1994, 383).    

11. REICHs physiologische Forschungen  

“Ich habe in Wirklichkeit nur eine Entdeckung gemacht: Die Funktion der orgastischen Plasmazuckung.”  (REICH 1987, 11)  

Seit 1934 traten die physiologischen Aspekte in REICHs Forschungsarbeit immer stärker in den Vordergrund: speziell die Erforschung der Energieströme (Libido) bei Lust und die umgekehrte Energiebewegung bei Angst. Früher wollte er das Gebäude der Psychoanalyse stützen, indem er die (Libido-) Energie als biophysikalisch beobachtbare Größe zu beschreiben versuchte. Dies war zunächst ganz im Sinne FREUDs, der selbst auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte:  

“Die Terminologie der Psychoanalyse ist vorläufig und nur solange gültig, bis sie von der Physiologie ersetzt wird.” (FREUD 1954, zit. nach LASSEK 1994) oder:   “Das Gebäude der psychoanalytischen Lehre, das wir aufgebaut haben, ist in Wirklichkeit nur ein Überbau, der irgendwann auf seine organischen Grundlagen zu setzen sein wird; aber diese Grundlage ist uns bisher noch unbekannt.” (FREUD 1969, ?*)   Obwohl FREUD 1926 bekundete, daß er an dem physiologischen “Zeug”, aus dem die Angst bestehe, kein Interesse mehr habe, beschäftigte sich REICH weiter mit der von FREUD fallengelassene Frage nach der Natur von Lust und Angst. Diese Beschäftigung führte ihn zum Studium der Sexualökonomie und weiter zur Entwicklung seiner Orgasmustheorie. Zur Ausgabe des Buches “Funktion des Orgasmus” zitiert REICH einen Brief FREUDs an ihn:  

“Lieber Herr Doktor! ... Sie wissen, ich stehe ihrem Lösungsversuch, der die Neurasthenie auf ein Unterbleiben des Genitalprimats zurückführt, keineswegs ablehnend gegenüber” (REICH 1987, 127) und:  

“Ich weiß seit langem, daß meine Aufstellung und Auffassung der Aktualneurosen eine oberflächliche war und eingehender Korrekturen bedarf. ... Von ihren Bemühungen habe ich den Eindruck, daß sie einen neuen und hoffnungsvollen Weg einschlägt ... Ob Ihre Annahme wirklich das Rätsel löst, weiß ich nicht. Es bleiben mir Zweifel ...” (REICH 1987,  128).  

Und die Zweifel blieben. In dem Kapitel “Der Einbruch ins biologische Fundament” (REICH 1987) zeichnet REICH die Entwicklung der Orgasmusformel nach. Die Neurose ist für REICH nichts anderes als die Summe aller chronisch automatisierten Bremsungen der natürlichen Sexualerregung, wobei der seelische Widerspruch von Sexualität und Moral in der biologischen Tiefe des Organismus als Widerspruch zwischen Lusterregung und muskulärem Krampf wirkt (REICH 1987, 194). Der primäre Impuls, der vom Zentrum (= biologischer Kern = zentrales vegetatives Nervengeflecht = Ganglion) ausgeht, wird am muskulären Panzer behindert, wodurch ein sekundärer Impuls und Angst erzeugt werden. Sexuelle Lebensenergie kann also durch dauernde muskuläre Spannungen gebunden werden, Wut und Angst werden dadurch gebremst (vgl. REICH 1987,  203). Der biologischen Funktionsrichtung “Zur Welt”, “Aus sich heraus” wirkt die andere Richtung “Weg von der Welt”, “In sich zurück” (Angst) entgegen.

Sponn REICH noch in seiner Phantasie und meinte, man müsse das Bild FREUDs von der “Libidoaus-sendung” wörtlich ernst nehmen, welches das Ausschicken und Einziehen der seelischen Interessen mit dem Ausschicken und Einziehen der Pseudopodien der Amöbe vergleicht. Analog dazu wird die Vorstreckung der sexuellen Energie sichtbar in der Erektion des männlichen Gliedes, während die Impotenz infolge Angst das Glied einschrumpfen ließe (REICH 1987, 197). Dreizehn Jahre später kam REICH wieder auf die Amöben zurück.  

HARTMANN und RHUMBLER beschäftigten sich mit den inneren Flüssigkeitsbewegungen in den Amöben. Sie führten Bewegungserscheinungen von Einzellern auf Veränderungen im Cytoplasma zurück (Hydratation und Dehydratation; Wasseranreicherung und Wasseraustreibung), die mit Veränderungen auch in der Oberflächenmembran bzw. -spannung einhergehen (vgl. HEBENSTREIT 1995, 60).   REICH bezog nun die beiden biologischen Funktionsrichtungen “Zur Welt” und “Weg von der Welt” auf die Plasmaströmungen innerhalb der Amöben. Die aktive Annäherung an ein Objekt (positive Stimulierung) wurde begleitet von Plasmaströmungen in Richtung Zelloberfläche, umgekehrt (bei negativer Stimulierung) strömte das Plasma sichbar zurück zum Zentrum. Im Ruhezustand stellten die Forscher auch pulsierende Bewegungen in Form eines rhythmischen Wechsels zwischen Expansion und Kontraktion mit den entsprechenden Plasmaströmungen fest (vgl. SHARAF 1994, 248f).  

Weiterhin übertrug REICH die Grundbewegung der plasmatischen Strömungen auf die funktionelle Gegensätzlichkeit von Sexualität und Angst.  

“ ‘Sexualität’ konnte nichts anderes sein als die lebendige Funktion der Streckung ‘aus sich heraus’ vom Zentrum zur Peripherie. Die Angst wiederum konnte nichts anderes sein als die umgekehrte Richtung von der Peripherie her zum Zentrum ‘in sich zurück’. Sie sind entgegengesetzte Richtungen an ein und demselben Erregungsvorgang” (REICH 1987, 200).  

Weitergedacht heißt dies:  

“Im Vielzeller lebt die kontraktile und expansible Amöbe in Form des kontraktilen und expansiblen autonomen Nervensystems fort. Dieses autonome Lebensnervensystem ist nichts anderes als organisiertes kontraktiles Plasma. Die emotionelle, vegetative, autonome Bewegung ist daher unmittelbarer Ausdruck des Plasmaströmung” (REICH 1994, 183).

Die während der Vegetotherapie beobachteten körperlichen Erscheinungen wie Zucken der Muskulatur, Zittern, Prickeln u.a. faßte REICH als “vegetative Strömungen” zusammen. Auf die Frage, ob diese Strömungen nur Flüssigkeitsbewegungen sind oder ob da noch etwas hinzukommt, das je nach seiner biologischen Funktion Angst, Wut oder Lust macht, fand sich die Bioelektrizität als Antwort (REICH 1994, 204). Entscheidend dafür war die Beschäftigung mit dem Berliner Internisten KRAUS (z.B. KRAUS 1926), “der alle Lebenserscheinungen gänzlich oder zumindest teilweise zurückführt auf den unausgesetzten Auf- und Abbau elektrochemischer Potentiale an den Membranen des Körpers.” (HEBENSTREIT 1995, 54). Unter dem Begriff “Membran” fallen in diesem Zusammenhang sowohl Einheitsmembransysteme der Zelle (Zell- und Kernmembran, Membranen des endoplasmatischen Retikulums und der verschiedenen Zellorganellen), organumhüllende Bindegewebsmembranen (Muskelfaszien, Bindegewebssepten und -kapseln der Organe) bzw. ähnliche grenzbildende anatomische bzw. histologische Strukturen (vgl. HEBENSTREIT 1994, 60).  

In Verbindung mit seinen eigenen sexualökonomischen Studien über die Funktion des Orgasmus entwickelte REICH seine Hypothese, daß bioelektrische Prozesse beim Strömen sexueller Lust beteiligt sein müßten.  

“Die Organe füllen sich erst mit Flüssigkeit: Erektion mit Mechanischer Spannung. Dies führt eine starke Erregung mit sich, wie ich annahm, elektrischer Natur: Elektrische Ladung. Im Organismus baut die Muskelzuckung die elektrische Ladung beziehungsweise sexuelle Erregung ab: Elektrische Entladung. Diese geht über in eine Entspannung der Genitalien durch Abfluß der Körperflüssigkeit: Mechanische Entspannung. Den Viertakt: Mechanischer Spannung - Elektrische Ladung - Elektrische Entladung - Mechanische Entspannung nannte ich Orgasmusformel” (REICH 1987, 206).  

Über die Beschäftigung mit den experimentellen Arbeiten von HARTMANN (spezielle Sexualitätsversuche mit Gameten) kam REICH zu der Schlußfolgerung, daß auch die Fortpflanzung und die Zellteilung von bioelektrischen Kräften beeinflußt wird. So erweiterte REICH die Orgasmusformel zur Lebensformel, da dieser Viertakt von Mechanischer Spannung (mechanische Oberflächenspannung von Gefäßwänden) - Elektrische (elektrochemische) Ladung - Elektrische Entladung - Mechanische Entspannung für alle Vorgänge des Lebendigen zuzutreffen schien (vgl. REICH 1987, 214).  

HEBENSTREIT (1995, 61-65) führt verschiedene Beispiele an, die das Zutreffen der S-L-Formel (Spannungs-Ladungs-Formel) für autonome Körperfunktionen unterstreichen. Neben der von REICH genannten Sexualfunktion, der Herzfunktion und der Zellteilungsprozesse sind dies z.B. auch die Funktionen der Darmmuskulatur, der Darmzottenpumpe, der Harnblase und der Überleitung des Aktionspotentials von einer Nervenzelle auf eine andere bzw. im Bereich der neuromuskulären Endplatte.   “Inwieweit die von REICH beschriebene Anordnung der Funktionen der Spannung und der Ladung auch im Erregungsablauf des Muskelsystems anzutreffen sind, wurde bisher auch noch nicht untersucht. Die Sichtweise dieser Vorgänge vom Verständnis der Orgasmusfunktion her wäre aber von großer klinischer Wichtigkeit. Es sei hier nur hingewiesen auf die Möglichkeit einer fundierten theoretischen Grundlage der Körperpsychotherapieformen. Ein sehr zentraler Begriff ist dort die Problematik der Muskelverspannungen bzw. des Muskeldystonus.” (HEBENSTREIT 1995, 64).  

REICH schloß aus der wiederholten Beobachtbarkeit der S-L-Formel in den Funktionen des autonomen Nervensystems, daß die Nerven des vegetativen Nervensystems die Anordnung der Funktionen der Mechanik (mechanische Spannung und Entspannung) und der Elektrik (elektrische Ladung bzw. Entladung) innervieren und daß auf dieser Grundlage der gesamte Organismus funktioniert. Die sympathische Reaktion des vegetativen Nervensystems setzte REICH mit der Bewegung des Menschen “Weg von der Welt” gleich, die Bewegung des Menschen “Zur Welt hin” mit der parasympathischen Reaktion. Gesundheit  besteht demnach in der Fähigkeit eines Lebewesens, in rhythmischer Oszillation zwischen sympathischen und parasympathischen Reaktionen hin- und herzuschwingen zu können. Gesunden heißt, die natürlichen Funktionen zuzulassen, sich ihnen hinzugeben, ohne sie steuern zu wollen. Gesundheit ist kein Ideal, das man durch irgendwelche Aktivitäten machen kann. Sie ist im Kern immer da und muß nicht eingeführt werden.  


Diese Überlegungen reichen zurück auf Anregungen, die REICH im Jahre 1931 durch MÜLLER erhielt, der ein Buch über die Funktionen des autonomen Nervensystems veröffentlichte. Stark beeindruckt von den autonomen Nervenreaktionen, d.h. von den Reaktionen des Sympathikus, der z.B. auf gefährliche und erschreckende Situationen reagiert, und des Parasympathikus, der die lebenserhaltenden Organe unter angstfreien, entspannten Bedingungen kontrolliert, definierte REICH auch die Aufgabe der Therapie neu. Sie sollte nun die “allgemeine sympathicotone Kontraktion des Organismus” umkehren (SHARAF 1994, 248).    

12. Funktionelle Identität somatischer und psychischer Prozesse   REICH betonte die funktionelle Identität somatischer und psychischer Prozesse, wie sie sich beispielsweise in der Übereinstimmung der Hautpotentialmessungen mit den subjektiv wahrgenommenen Empfindungen und Emotionen ausgedrückt hatten (vgl. REICH 1984). Damit setzte er sich unter anderem vom psychophysischen Parallelismus ab, für den seelische und körperliche Erscheinungen zwei unabhängige, miteinander in Wechselbeziehung stehende Kausalreihen bilden und er setzte sich auch von der “monistischen” Ansicht ab, wonach Psyche und Soma lediglich verschiedene Aspekte einer Sache sind (vgl. REICH 1934).  

Nach REICHs Ansicht liegt allen lebendigen Zusammenhängen eine Lebensenergie zugrunde. In Bezug auf diese Funktion sind Soma und Psyche identisch. Auf den verschiedenen Ebenen formt sich diese gemeinsame Funktion allerdings jeweils spezifisch aus. Auf der organischen Seite formt sich die grundlegende Expansions-Kontraktionsfunktion im Sinne des Vagus<->Sympathicus Gegensatzes aus und auf der anderen Seite strukturiert sich die Psyche auf der Basis derselben Funktion nach dem Lust<.->Angst Gegensatz (vgl. REICH1942).

“Indem der Monismus die Verschiedenheit von Psyche und Soma nicht erkennt, kann er die gegenseitige Beeinflussung nicht verstehen. Weit häufiger wird aber die Identität nicht erkannt und so können diese Ansichten allenfalls die Wechselwirkungen beschreiben. Nur wenn man die Unterschiedlichkeit und die Identität als eine Einheit betrachtet, kann es zu einem tatsächlichen Verständnis dieses Gegensatzpaares kommen. Das Besondere an REICHs Betrachtung liegt also darin, daß er einerseits Unterschiede und Gegensätze von Psyche und Soma anerkennt, darüberhinaus aber eine Gemeinsamkeit in der ihnen zugrundeliegenden Funktion entdeckte. So gestand er zu, daß es durchaus bekannt sei, daß sich alle Empfindungen auf die Grundemotion Lust<->Angst, und alle Bewegungen des Plasmas auf Vagus und Sympathicus reduzieren lassen. Neu dagegen sei, daß er auf der Basis der Lebensfunktion so unterschiedliche Funktionen wie die Lust und die Vagusfunktion in Bezug auf die Funktion der biologischen Expansion, und die Angst und die sympathische Funktion in Bezug auf die Kontraktion als identisch ansehen konnte.” (DIEDRICH 1993, 42).

Der Menschen wird als eine Einheit gesehen. Er reagiert auf einen äußeren Reiz mit einer gesamtbiologi-schen Erregung der Lebensfunktion, deren Reaktion ihren Ausdruck in den verschiedenen Ausformungen von Psyche und Soma findet. Somit arbeitete REICH mit seiner Therapieform “am seelischen und körperlichen Apparat” gleichzeitig, da eine Funktionsstörung im psychischen Bereich, z.B. eine Neurose, immer ein Äquivalent im somatischen Bereich hat. Die biologische Funktionsstörung manifestiert sich auf der psychischen Ebene als Charakterstruktur und entsprechend auch als Körperstruktur.  

“Ein Magengeschwür ist demnach nicht die somatische Folge einer psychischen Funktionsstörung (im gebräuchlichen Sinne einer psychosomatischen Erkrankung), sondern wie diese Ausdruck einer gesamtbiologischen Funktionsstörung. Es ist daher nicht sinnvoll, z.B. über die Psyche das Magengeschwür heilen zu wollen. Nur wenn die Therapie über die Psyche oder die Soma die biologische Funktion wieder zum Fließen bringen kann, ist tatsächlich eine Heilung der Soma und Psyche möglich. Das ungehinderte Funktionieren auf der biologischen Ebene kommt im vollständigen Erleben des Orgasmus zum Ausdruck.” (DIEDRICH 1993, 43).  

Mit anderen Worten:  

“Jede dauernde Energiestauung im biologischen Plasmasystem (Lebensnervenapparat) muß sich im psychischen ebenso wie im körperlichen Symptom äußern. Die Psychotherapie setzt an den psychischen, die chemisch-physikalische Therapie setzt an den somatischen Symptomen an. Die Orgontherapie geht von den Tatsachen aus, daß Soma und Psyche im pulsierenden Plasmasystem (Blut- und Lebensnervensystem) einheitlich bioenergetisch verwurzelt sind. Sie beeinflußt also die gemeinsame Wurzel der psycho-physischen Funktion, nicht diese selbst, indem sie die Atemsperre, die Sperre des Orgasmusreflex und anderer biologischer Funktionshemmungen zu lösen versucht. Die Orgontherapie ist demzufolge weder psychische noch physiologisch-chemische, sondern biologische Therapie an Störungen der Pulsation des Lebensapparates. Da diese Störungen sich in jeder oberflächlichen Schicht des psychosomatischen Apparates auswirken, z.B. als hoher Blutdruck und Herzneurose im Körperlichen, als Phobie im psychischen Bereich, muß die Orgontherapie die Symptome aus der höheren biologischen Schicht ebenfalls treffen. (...) Sie bleibt zunächst auf die Biopathie beschränkt” (REICH 1994, 208).  

Zum tieferen Verständnis des Modells der Biopathien möchte ich wieder verweisen auf BUHL (1994), LASSEK (1994), MÜSCHENICH (1995), REICH (1994).    

13. Die Ausdruckssprache des Lebendigen  

Mit der Entdeckung des Orgasmusreflexes (1935) verschob sich bei  REICH der Akzent der Charakteranalyse in den körperlichen und damit in den physiologischen Bereich, weshalb er diese Art der Arbeit Vegetotherapie nannte. Um die Arbeit am seelischen und körperlichen Apparat in eines zu fassen, sprach REICH auch von “charakteranalytischer Vegetotherapie” (REICH 1989, 470f) und später von Orgontherapie. Für REICH bedeutet das Wort “Emotion” mehr als wir darunter im normalen Sprachgebrauch verstehen. Er übersetzt das Wort “Emotion” als “Herausbewegen” oder “Vorquellen” und bezieht es auf Empfindungen und auf die Bewegungen des Plasmas. “Die Emotion ist im Grunde ihres Wesens nichts anderes als eine Plasmabewegung” (REICH 1989, 472), wobei lustvolle Reize eine Emotion des Protoplasmas vom Zentrum zur Peripherie auslösen und unlustvolle Reize eine “Remotion” von der Peripherie weg zum Zentrum des Organismus.  

“Das Lebendige drückt sich in Bewegungen aus, und wir sprechen daher von “Ausdrucksbewegung” (REICH 1989, 474). Diese Ausdrucksbewegung ist eine Eigenschaft des Protoplasmas (Kontraktion und Expansion) und sie unterscheidet das Lebendige von den nichtlebenden Systemen. Der “physikalische Vorgang der plasmatischen Emotion oder Ausdrucksbewegung ist untrennbar verknüpft mit einer unmittelbar verständlichen Bedeutung, die wir den “Bewegungsausdruck” zu nennen pflegen. Die Bewegung des Protoplasmas hat also einen Ausdruck im Sinne einer Emotion, und jede Emotion oder der Ausdruck eines Organismus ist an Bewegung geknüpft” (REICH 1989, 474).  

“Die menschliche Biopathie ist nichts anderes als die Summe aller Verzerrungen der natürlichen Ausdrucksformen des Lebendigen. Durch die Enthüllung der krankhaften Ausdrucksformen lernen wir die menschliche Biopathie in einer Tiefe kennen, die den mit der Wortsprache arbeitenden Heilmethoden unzugänglich ist. (...) Leider liegt die Biopathie mit ihrem verzerrten Lebensausdruck außerhalb des Bereichs der Sprache und der Vorstellungen” (REICH 1989, 477).  

Aus diesem Grunde hält die Orgontherapie einen Kranken unter weitgehender Ausschaltung der Wortsprache dazu an, sich biologisch auszudrücken, um ihn in eine Tiefe zu führen, die er stets flieht, zu echtem biologischen Bewegungsausdruck, zu eigenen Ausdrucksformen der Bewegung, die mit Worten überhaupt nicht zu fassen sind (vgl. REICH 1989, 477). Deshalb arbeitete REICH mittels Gebärdensprache. Um einen Kranken zu “begreifen”, muß man seinen “Bewegungsausdruck” “empfinden”. Ihn “begreifen” bedeutet, zu wissen, welche Emotion sich in ihm “ausdrückt”.  

“Der Bewegungsausdruck des Kranken führt in unserem Organismus unwillkürlich eine Imitation herbei. Indem wir imitieren, empfinden und verstehen wir den Ausdruck in uns selbst und derart auch im Kranken. Da jede Bewegung einen Ausdruck hat und derart einen Emotionszustand des Protoplasmas verrät, wird uns die Gebärden- und Ausdruckssprache zum wesentlichen Verständigungsmittel im Kontakt mit den Emotionen des Kranken.” (REICH 1989, 478f).  

Diese Bewegungen entstehen bei der Auflösung der Panzerung, bei der Herstellung der Beweglichkeit des Körperplasmas. REICH erwähnt, daß dabei ein körperlicher Gesamtausdruck entstehen kann, Bewegungsmuster, die sich früher oder später im Verlauf der Behandlungen wie von selbst ergeben und die gewöhnlich in eine Formel zu fassen sind. Es sind merkwürdigerweise meist Formeln und Bezeichnungen aus dem Tierreich wie “Fuchs”, “Schwein”, “Schlange”, “Wurm” u.ä. (REICH 1987, 228).   Als Resultat der ideal durchgeführten Orgontherapie wird das Auftreten des Orgasmusreflexes gesehen, der unweigerlich mit dem Ausdruck der “Hingabe” verknüpft ist. Diese Hingabe läßt sich technisch nicht üben, sondern geschieht unwillkürlich. “Das Lebendige funktioniert autonom, jenseits des Bereiches von Sprache, Intellekt und Willkür” (REICH 1989, 482). REICH sieht die Ausdrucksbewegungen im Orgasmusreflex als funktionell identisch mit denen einer lebenden und schwimmenden Qualle. Die Körperenden bewegen sich rhythmisch aufeinander zu (Kontraktion) und wieder voneinander fort (Expansion) und haben so die primitive Form der biologischen Pulsation (vgl. REICH 1989, 517f).

Die primitivsten und die höchstentwickelten plasmatischen Funktionen bestehen nebeneinander und funktionieren wie ineinandergeschachtelt. Die Bewegungen der Amöbe, die an einen Wurm erinnernden segmentären Anordnungen der Panzerringe und das Pulsieren der Qualle liegen in der “Natur des Menschen” und sind bioenergetisch höchst bedeutsame Funktionen im hochentwickelten Organismus (vgl. REICH 1989, 519).  

Orgontherapie konzentriert ihre Arbeit an der biologischen Tiefe, am Plasmasystem bzw. am biologischen Kern des Organismus. Ob nun Emotionen aus der charakterlichen Panzerung mittels “Charakteranalyse” oder aus der muskulären Panzerung mittels “Vegetotherapie” mobil gemacht werden, es werden in jedem Fall plasmatische Erregungen und Bewegungen veranlaßt.  

“Was sich dabei bewegt, ist nichts anderes als Orgonenergie, die an die Körperflüssigkeit gebunden ist. Die Mobilisierung der plasmatischen Strömungen und Emotionen ist demnach identisch mit der Mobilisierung von Orgonenergie im Organismus. Ihre Anzeichen sind klinisch eindeutig an den Veränderungen der vasomotorischen Funktionen zu erkennen.” (REICH 1989, 472).    

14. Ausführungen zum Begriff der Energie 15. Der naturwissenschaftliche Energiebegriff und der Begriff der Lebensenergie   Aus den Naturwissenschaften kennen wir verschiedene Energiearten, die untereinander in exakt definierten Relationen und Wechselwirkungen stehen. Die Umwandlung der einen Energieart in eine andere gehört zum Lebensalltag. Dabei spielt der Satz von der Erhaltung der Energie eine bedeutende Rolle. Diese Energieumwandlungsprozesse und darüber hinaus auch die wechselseitige Beeinflussung von elektromagnetischen Feldern vollziehen sich in der technischen wie in der lebendigen Welt.  

Mit der Entdeckung der künstlichen Elektrizität im 17. Jahrhundert begann eine interessante Entwicklung in der Erforschung der elektrischen Energien. Diese elektrische Energie spielte sowohl im lebenden Organismus als auch schon bald in der Technik eine besondere Rolle. Sie löste als geheimnisvolle “elektrische Kraft” viel Enthusiasmus aus und wurde mit der lang gesuchten Lebenskraft identifiziert, ja sogar mit der Aura des Menschen in Verbindung gebracht. Mit GALVANI (1737-1798) begann der Streit um die biologische Elektrizität (“tierische Elektrizität”, “Bioenergie”) und damit die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die “Lebenskraft”, die im Vitalismus ihren Höhepunkt erreichte. Mit der Entwicklung der Elektrophysiologie im 19. Jahrhundert (von MÜLLER, DU BOIS-REYMOND, von HELMHOLTZ) verfügte dann jedoch die wissenschaftliche Medizin über neue methodische Mittel, um die Geheimnisse des Lebens zu lüften. Der Begriff “Energie” wurde zunehmend physikalisch besetzt, auch wenn der Vitalismus zu keiner Zeit wirklich mundtot gemacht werden konnte (MESMER, REICHENBACH, REICH) (vgl. BISCHOF 1995, 54-66).  

“Um dem physikalisch besetzten Begriff der Energie ein nichtphysikalisches Pendant zu geben, prägte OSWALD bereits Ende des 19. Jahrhunderts den Ausdruck Energetik (syn. Energetismus) ... Er versuchte den Gegensatz Geist - Körper (Bewußtsein - Materie) dadurch aufzuheben, indem er beides als Spielarten einer übergeordneten Energie begriff. Dies wurde von FREUD und JUNG aufgegriffen und für die Psychologie als psychische Energie bzw. Libido definiert” (VOGL 1990, 55).   REICH beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit es möglich sein könnte, den FREUDschen Begriff “psychische Energie” konkreter zu fassen oder gar dem allgemeinen Energiebegriff einzuordnen. Damit versuchte er einen Brückenschlag zwischen quantifizierbaren Energien (Bereich der exakten Naturwissenschaft) und den seelischen Qualitäten (Bereich der Geisteswissenschaft) (vgl. REICH 1987, 74). Für REICH bestand die Lösung in der Annahme einer übergeordneten Energie, die er Orgon nannte. Die von ihm durchgeführten Experimente zum physikalischen Nachweis des Orgons konnten jedoch bis heute nicht zufriedenstellend verifiziert werden. Der Versuch, “Orgonenergie” physikalisch zu messen, bezieht sich nur auf den mechanistischen Aspekt des Begriffs Energie. Entgegen den Bemühungen OSWALDs, der mit dem Begriff “Energetik” ein nichtphysikalisches Pedant setzen wollte, versucht REICH physikalische und nichtphysikalische Energie unter einem Begriff zu vereinen. Damit wird jedoch der Begriff “Orgonenergie” keinesfalls deutlicher. Doch unabhängig von Meß- und Definierbarkeit lassen sich die Erscheinungsformen des Orgons subjektiv beobachten und genau dies ist es, was REICH nicht im Sinne einer Definition sondern als Phänomen folgendermaßen beschreibt:  

“What is orgone? What do we mean when use the word orgone? Orgone is an abstraction of mind. What we see are its manifestations. You must never confuse the word for what we see. (...) The discovery consists in the interlacing of the phenomena.” (REICH 1950, zit. nach LASSEK 1994, 77).  

Das, was REICH Orgon nennt, ist zunächst nur eine Abstraktion von verschiedenen Phänomenen (blaues Leuchten, positive Auswirkung auf Heilungsprozesse, vegetative Strömungsempfindungen usw.). Diese Phänomene stehen in Verbindung mit den Prozessen im lebendigen Organismus. Ähnliches scheint auch für die Begriffe “Lebensenergie”, “elan vital”, “Chi”, “Prana” zu gelten. Sie lassen sich ebensowenig exakt definieren. Was wir beobachten können, sind immer nur bestimmte Manifestationen dieser besonderen “Energien”, beispielsweise die Wirkungen, die von der Stimulierung der Akupunkturpunkte ausgehen. Ein Beispiel für einen besonders hohen Abstraktionsgrad des Begriffes “Lebensenergie” zeigt sich in einem Modell zur Einordnung von verschiedenen Psychotherapieformen von FITTKAU (1982), in dem “Lebensenergie” als Oberbegriff verschiedener nichtphysikalischer Energiearten (kreative Energie, vegetative Energie u.a.m.) verwendet wird. Der Begriff “Lebensenergie” umschließt hier psychische wie körperliche Prozesse und steht somit für eine alles (an-) treibende Kraft, die sich in allen Bereichen des Lebendigen auswirkt.   In der Psychologie ist  “psychische Energie” bis heute ein ungenau definierter Begriff geblieben und gilt eher als Metapher für den dynamischen Aspekt des Verhaltens. Die Tatsache, daß bestimmte physikalische Elemente wie der Satz von der Erhaltung und Umwandlung der Energie oder der Entropiesatz als begriffliche Parallelisierungen in die Psychologie übernommen wurden (vgl. JUNG 1948, zit. nach VOGL 1990, 55), verleitet dazu, auch psychische Prozesse meßbar machen zu wollen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, den Begriff der Energie, der auch qualitative und finale Aspekte beinhaltet, auf den mechanistischen Anteil zu reduzieren. Nach BOSS kann eine Medizin oder Psychologie, die streng nach diesen naturwissenschaftlichen Kriterien vorgeht, von ihrem Selbstverständnis her niemals Phänomene wie Leben, Gesundheit und Krankheit suffizient erklären (vgl. BOSS 1971, nach VOGL 1990, 55).  

Auf erkenntnistheoretischer Ebene begegnen wir dem Begriff der Energie im Streit zwischen dialektischem Materialismus und subjektivem Idealismus wieder. Dem Primat der Materie steht das Primat des Bewußtseins gegenüber. Der Energetismus OSWALDs, vom dialektischen Materialismus als Spielart des subjektiven Idealismus angesehn, wird kritisiert, weil Energie nur eine der drei Hauptaspekte der Materie darstellt (neben dem stofflichen und dem informationellen Aspekt) und demnach ohne Materie nicht denkbar ist. Für die Energetik jedoch gelten geistige und materielle Prozesse als Transformation von Energie, eine Auffassung, die dem funktionalistischen Denken REICHs nahekommt.  

Trotz der Nähe zum Vitalismus bleibt REICH im Prinzip dem weltanschaulichen Rahmen des dialektischen Materialismus treu. Er ersetzt allerdings den Primat der Materie durch den Primat des Orgons und ordnet dieser primären Energieform die Hauptaspekte zu, die im dialektischen Materialismus der Materie zugeordnet wurden, d.h. aus Orgon, der sogenannten Primärenergie, entwickeln sich andere Energien, Materie, Leben und Bewußtsein durch Überlagerung und Verwirbelung (vgl. REICH 1951). Es bleibt jedoch ungeklärt, wie das geschieht. Ähnlich wie im Materialismus, der den informationellen Aspekt als materieimmanent betrachtet, ist dieser informationelle Aspekt bei REICH als orgonimmanent zu betrachten. Inwieweit es jedoch berechtigt ist oder nicht, die Aspekte von Information bzw. Organisation tatsächlich als materie- oder orgonimmanent zu betrachten, soll nicht zum Thema dieser Arbeit gemacht werden. Eine differenziertere Sicht bietet beispielsweise HEIM (1990) mit seinem Modell einer einheitlichen Beschreibung der materiellen Welt.   Wenden wir uns noch einmal der ursprüngliche Bedeutung des Wortes “Energie” (energeia) im griechischen Sprachgebrauch zu, so finden wir darin den oben bereits erwähnten finalen Aspekt. Im Zusammenhang mit seinen Reflexionen über die Arten des Werdens und über die Arten des Bewegens verwendet ARISTOTELES pararell den nicht immer deutlich unterschiedenen Begriff “Entelecheia”:  

“Alles Werden strebt ja, insofern es der Form entgegeneilt, nach einem Ziel. Dieses Ziel ist nichts anderes als Wirken, weshalb denn auch die wirkende Wirklichkeit (Energeia) ‘Entelecheia’ heißt, d.h. ‘das, was das Ziel erreicht hat’.” (HIRSCHBERGER 1984, 200).  

Eben dieses Verständnis von einer wirkenden, zielgerichteten Kraft wird im Vitalismus wieder aufgenommen, im Verweis auf Organisations- und Regulationsmechanismen, die an lebenden Organismen beobachtbar, wenn auch nicht erklärbar sind. Ich werde in dieser Arbeit die Begriffe “Orgon” und “Lebensenergie” synonym im Sinne einer “wirkenden Wirklichkeit”, einer zielgerichteten Kraft im menschlichen Organismus verwenden. Das, was unter “psychischen Energien” verstanden, bisher jedoch nicht eindeutig definiert wurde, soll mit unter den Begriff der “Lebensenergie” subsummiert werden. Diese Reduktion dient der Vereinfachung und quasi dem Brückenschlag zu (lebens-) energetischen Konzepten anderer Kulturen, wie z.B. “Prana” im Hindi oder “Chi” im Chinesischen bzw. im Taoismus. Allerdings sehe ich auch deutlich, daß der Begriff “Orgon” von REICH noch umfassender als “Lebensenergie” im oben genannten Sinne gebraucht wird. Orgon bleibt bei REICH stets mit dem Bemühen verbunden, nicht nur die Phänomene zu beobachten, sondern diese Phänomene zu erklären und ihnen über objektivierbare Meßmethoden einen Platz in der exakten Wissenschaft einzuräumen.  

In seinem Spätwerk “Cosmic Superimposition” entwickelt REICH mehr und mehr ein Verständnis von lebensenergetischen Vorgängen, die den Vorstellungen des Tao Yoga (s.u.) entsprechen. Bereits vom Moment der Zeugung an beginnt Lebensenergie zu zirkulieren, und mit dem Kreisen dieser Lebensenergie beginnt sich der neue Organismus nach und nach auszudifferenzieren und zu wachsen. REICH spricht vom “closed orgonome”.

Der Energiefluß kann nach dem Modell des Tao Yoga angeregt werden durch die Stimulation bestimmter Energiezentren. Diese Stimulation kann beispielsweise durch Meditation erfolgen, also durch bewußte Konzentration auf diese Zentren. Eine andere Stimulation dieser Punkte ist auch durch die in der Pulsationsarbeit praktizierte Technik der (zum Teil auch rhythmischen) Pressur möglich.  

17. Die Theorie von den “Feldern des Lebens”  

Bioelektrische Vorgänge im lebenden Organismus können relativ exakt gemessen werden. Das Messen von bioelektrischen Feldern ist dagegen weniger gebräuchlich. Da jedoch in der Pulsationsarbeit auch von einer Arbeit an “intentionalen Feldern” gesprochen wird (eine genaue Definition konnte ich nicht finden), möchte ich im Zusammenhang mit der Diskussion um den Energiebegriff auf Untersuchungen verweisen, die von BURR etwa um die gleiche Zeit durchgeführt wurden, in der auch REICH seine Forschungen vorantrieb. Auf BURR geht die Feldtheorie in der Biologie zurück und die elektrodynamische Theorie des Lebens (BURR 1935, 1947).
Im Zusammenhang mit der elektrischen Natur des Gehirns entdeckte BURR neben den elektrischen Strömen auch bioelektrische Felder, die den ganzen Körper umgeben und die er später L-Felder oder “Felder des Lebens” nannte. Bestimmte Phänomene sprachen einfach für deren Existenz. Seine Theorie lautet: 

 “Die Organisation eines Lebewesens, also sein Funktionsmuster, wird durch ein elektrodynamisches Feld geschaffen, das einerseits die Anordnung der einzelnen Komponenten des Organismus bestimmt und andererseits durch diese bestimmt wird. BURR stellte fest, daß dieses elektrische Feld für jedes Lebewesen typisch ist; es bestimmt sein Wachstum und seine Struktur und erhält diese Struktur, solange das Lebewesen lebt. Das elektrodynamische Feld muß der Mechanismus sein, durch den die Ganzheit, die Organisation und die Kontinuität des Lebens erhalten werden. In der Tat ein “Feld des Lebens”!” (SHALLIS 1992, 136).  

Auch wenn viele der Erkenntnisse BURRs bis heute noch nicht rezipiert worden sind, sollten sie als Hintergrund gerade für die Pulsationsarbeit zur Kenntnis genommen werden. Arbeit an “intentionalen Feldern” kann bedeuten, diese von BURR entdeckten Felder und die Wechselwirkungen zwischen ihnen als Wirklichkeit zu akzeptieren.  

Damit sind wir an der Stelle angelangt, von der aus wir von den theoretischen Wirklichkeiten zu den erfahrenen Wirklichkeiten der mit der Pulsationsarbeit Behandelten überleiten können.    

18. Die Erfahrungen der Behandelten und die Diskussion der Ergebnisse  

Insgesamt wurden für die Diplomarbeit acht Personen befragt. Drei von ihnen konnten sowohl nach fünf als auch nach zwanzig Behandlungsstunden interviewt werden (Daniel, Monika, Tobias), drei weitere infolge von Therapieabbruch oder -verzögerung nur einmal nach jeweils fünf Behandlungsstunden (Anton, Judith, Ursus) und zwei Personen stellten eine Kontrollgruppe dar, die nur zwei Probestunden mit zeitlich längerem Abstand erhielten (Horst, Kay). Im Folgenden werde ich oft nur die Anfangsbuchstaben dieser ohnehin bereits verschlüsselten Namen verwenden. Die Zahlen 1 oder 2 nach dem jeweiligen Kürzel zeigen an, ob es sich bei dieser Aussage um eine Erfahrung aus dem ersten oder zweiten Interview handelt.  

Das Material, das ich aus den Erfahrungen der Behandelten zusammentragen konnte, werde ich im Folgenden in neun Kategorien darstellen und diskutieren. Soweit es das Material erlaubt, möchte ich an den entsprechenden Stellen auch Hypothesen formulieren. Die Diskussion dieser Hypothesen könnte helfen, das Verständnis der durch die Pulsationsarbeit angeregten Prozesse und Wirkmechanismen zu korrigieren und zu vertiefen.    

19. Beschwerden und Erwartungen der Behandelten
20. Therapierelevante Beschwerden  

Aus den in den Interviews genannten Beschwerden und Problemen, die ausdrücklich im Hinblick auf die Behandlung mit der Pulsationsarbeit genannt wurden, habe ich folgende Beschwerdegruppen zusammengestellt:  

- Psychosomatische Symtomatik: Neurodermitis (J1, K1, T1), allergisches Asthma (T1)
- Schmerzsymptomatik: Probleme mit Lymphknoten (D1), Schmerz in Gelenken, Schultern und Knie (J1), Rückenschmerz, Menstruationsschmerz (M1), Kopfschmerz  (U1)
- Psychische Symptomatik: Müdigkeit (A1), Streß (K1), Probleme im Umgang mit anderen Menschen (J1), Partnerkonflikte (K1), Trennungsproblematik  (K2, M1) - - - - Sonstiges: Sehbeschwerden (D1), allgemeine Steifheit (D1)
- Symptomfreiheit, aber dennoch Annahme von körperlichen Blockierungen (H1)  

Diese Einteilung richtet sich in etwa nach der üblichen Aufteilung in körperliche und/oder psychische Beschwerden bzw. Krankheiten. Die Annahme körperlicher Blockierungen verweist allerdings auf die alle Beschwerden umfassende Beschwerdegruppe der Biopathien. Damit taucht eine der voraussehbaren Schwierigkeiten dieser Untersuchung auf. Das Konzept der Biopathien umfaßt sehr viele der schulmedizinisch klassifizierbaren Beschwerdebilder und darüber hinaus auch solche, die mit dem für die Vegeto-/ Orgontherapie REICHs typischen Vokabular beschrieben werden. Dies spiegelt sich hier wieder. Ich räume ein, daß homogenere Gruppen für weitere Untersuchungen unabdingbare Voraussetzung sein sollten. Selbst im Fall einer sehr homogenen Gruppe würden sich vermutlich noch genügend Interpretationsprobleme ergeben.      

21. Erwartungen  

Die Erwartungen sind aufgrund der Beschwerden ebenfalls sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie reichen von der Erwartungslosigkeit (M1) über Neugier (A1, H1, H2) bis hin zur privaten Überprüfung der Theorie REICHs (D1) und der Heilung von schulmedizinisch als unheilbar angesehenen Erkrankungen (D1). Konkrete, vorwiegend somatisch orientierte Erwartungen zielen vorwiegend auf Symptomverbesserungen:  

- Beschwerde- und Symptomfreiheit nach ½ Jahr Behandlung (T1) bzw. erst nach längerer Therapiedauer (T2)
- positive Auswirkung auf die Haut (K2)
- Schmerzreduktion: Menstruationsschmerz (M1), Kopfschmerz (U1)
- Überwinden der Müdigkeit (A1)  

Vorwiegend psychisch ausgerichtete Erwartungen beziehen sich auf eine veränderte Selbstwahrnehmung bzw. auf eine Begleitung oder Neuorientierung im Leben:  

- Veränderung des Selbstempfindens und des Umgangs mit sich selbst (K2), 
sich selbst und den eigenen Körper ernster nehmen (M1)
- Unterstützung des eigenen Prozesses (K1), Sammlung und Neuordnung (K2) - Verantwortung für sich übernehmen, den eigenen Weg finden (M1)
- Steigerung des Selbstbewußtseins (U1)   Erwartungen, die geprägt sind von reichianischer Terminologie, die also sowohl die psychische als auch die somatische und damit eine energetische Ebene meinen können, sind folgende:

- größere Lebendigkeit statt Steifheit (D1)
- Loswerden der Blockaden (J1)
- Veränderung der sexuellen Erlebnisfähigkeit (D1/2)
- Halten von Energie über längere Zeit hinweg (A1)
- Einsetzen der Energien zum Selbstschutz (H2)
- Umgang mit Energien lernen zur Verhinderung von Krankheiten (H1)
- Erreichen einer größeren Tiefe (T2)
- eine andere Art der ganzheitlichen Erfahrung (K1)  

Die meisten Erwartungen beziehen sich konkret auf die genannten Beschwerden und Probleme, mit denen die Behandelten ursprünglich zur Therapie gekommen sind. Diese Erwartungen verändern sich z.T. im Verlauf  der Therapie (z.B. zeitliche Einschätzung der voraussichtlichen Heilungsdauer bei T1/2) oder sie entstehen neu (z.B. der Wunsch nach größerer Tiefe bei T2).  

Die Erwartungen hinsichtlich der Vorbeugung (Prävention) von Krankheiten (H1) möchte ich hier besonders hervorheben (siehe auch REICHs Betonung der Neurosenprophylaxe (1987, 1989)). Diese Erwartungen werden allein von Horst geäußert, der z.Z. keine aktuellen Probleme oder Beschwerden angeben kann, sich aber seiner eigenen Blockaden durchaus bewußt ist (H2). Hier wird der Blick über die reine Symptombekämpfung hinaus möglich, auch wenn konkretere Therapieerfahrungen von Horst bisher noch nicht gesammelt werden konnten. Gleichzeitig zeigt sich hieran auch die Problematik der Motivation für präventive Maßnahmen: der (augenblicklich) fehlende Leidensdruck müßte in diesem Falle beispielsweise durch ausreichende Einsicht in die Notwendigkeit oder Interesse ersetzt werden. Das Interesse selbst kann von Anfang an sehr hoch sein (D1) oder erst im Verlauf der Therapie zum persönlichen Bedürfnis heranwachsen (M2), wobei der Motivationsprozeß durch die jeweiligen Therapieerfahrungen und (Neben-) Wirkungen der Therapie wesentlich beeinflußt scheint.  

Zusammenfassung   Beschwerden und Erwartungen beziehen sich größtenteils aufeinander. Dabei gibt es Beschwerden sowohl im psychischen, im somatischen als auch im psychosomatischen Bereich, wobei sich nicht alle Beschwerden als Biopathien im Sinne REICHs einstufen lassen. Ein großer Teil der Erwartungen liegt jenseits der psycho-/ somatischen Ebene und richtet sich auf energetische Prozesse, die z.T. der Theorie und dem Konzept der Pulsationsarbeit entsprechen.    
22. Interventionsmaßnahmen  

Unter Interventionsmaßnahmen verstehe ich alle Handlungen, die während der Behandlung vom Therapeuten ausgehen. Besonders das zeitliche Verhältnis von Körperarbeit und Gespräch zeigt deutliche Unterschiede zwischen D, M T, A und J, U, H, K auf. Während für die ersten vier Behandelten das Gespräch etwa die Hälfte der Therapiestunde einnimmt, überwiegt bei den anderen eindeutig die energetische Körperarbeit (die  “?” stehen für fehlende Angaben aus den Interviews, wobei sich jedoch meist rückschließen läßt, daß der zeitliche Anteil für energetische Körperarbeit ###½ ist).

Interventionen   D1   D2   M1    M2    T1    T2    A1    J1   U1   H1   H2   K1  K2

Zeit für ener-    ?    1/2   1/4   =1/2  1/2    =1/2 1/2   ?   3/4  =1   =1    ?   3/4   
energ. Körper-                3/4                                        4/5                    -1
arbeit

Zeit zum          ?      1/2  1/4   ###   1/2    ###  1/2    ? 1/4 we- we-   ? =1/4 
Sprechen                       3/4   1/2             1/2              1/5  nig  nig

Andere Interventionsmaßnahmen, die z.T. im Fachjargon genannt wurden, sind folgende:  
- Vertiefung der Atmung
- Kontrolle der Spannung in Armen und Beinen und Kontrolle der jeweiligen Positionen - Drücken von Punkten (z.B. an den Knien) oder Pusten auf Punkte
- Massage (z.B. Nacken-, Brust-, Kopfmuskulatur)
- sanfte Berührungen (z.B. kleine Fußzehen, Schulter, Kopf, Gesicht, Ohren) - - - -   - Herstellen des Augenkontakts
- in ein Tuch beißen lassen
- Verstärkung der “Energiemobilisation” (Verstärken der Muskelanspannung und der vertieften Atmung beispielsweis durch die “Flieger”-Position)
- “Einfaltungsarbeit” (die Energie wird von der Körperoberfläche auf tiefer liegende Energiekanäle gelenkt)
 - “Energieausgleich” (Herstellen eines ausgeglichenen Energieniveaus im gesamten Organismus)
- verbale Kommunikation (z.B. Nachfragen, Anweisungen, Aufforderungen zum Späße machen)  

Zusammenfassung  

Die oben ohne weitere Definition genannten Interventionsmaßnahmen spiegeln einen Teil der Vorgänge während der Therapiestunden wieder. Dabei gehören die vertiefte Atmung, das Spannung-Halten in der jeweiligen Position und das “Punktedrücken” zu den obligatorischen Interventionen zwecks “Mobilisierung der Energie”, während der “Energieausgleich” und die “Einfaltungsarbeit” sicherlich erst in einem späteren Stadium der Arbeit zur Anwendung kommen. Je nach Behandlungsdauer unterscheiden sich somit auch die Erfahrungen der einzelnen  Behandelten hinsichtlich der Interventionen voneinander.    

23. Positionen während der Behandlung  

Aus den Interviews lassen sich in unterschiedlicher Genauigkeit Angaben über bestimmte Behandlungspositionen herauslesen (Beschreibung der einzelnen Grundpositionen siehe wieder bei LASSEK). Es ist jedoch nicht möglich, genauere Angaben über die Häufigkeit der Behandlungen in bestimmten Positionen und über einen exakten Behandlungsverlauf zu machen.  

Positionen   D1  D2  M1  M2  T1  T2  A1  J1  U1  H1  H2  K1  K2  ###
Stehend     x     x    x    x     x    x    x    x   x    x    x    x    x    13
Stehend     x                            x                                         2
ohne
Entspan-
nung 
Rücken-     x     x    x    x      x    x   x   x    x                     x    10
lage
Bauch-                               x    x                                         2
lage
Entspan-          x    x                     x   x    x    x           x          7
nugsposi-
tion

Alle Behandelten haben die Position im Stehen angegeben, in der sie sowohl innerhalb der ersten fünf Behandlungsstunden als auch danach wenigstens einmal behandelt worden sind. Die Position in der Rückenlage wird in verschiedenen möglichen Variationen genannt: Arme um den Baum, Beine aufgestellt, Becken angehoben/ Arme bewegen/ Arme und Beine senkrecht in die Luft strecken/ Flieger (der Therapeut belastet die nach oben gehaltenen Beine des Behandelten mit seinem Körpergewicht). Diese Position wird von allen Behandelten angegeben und einmal auch aus der Kontrollgruppe (K2). Von der Position in der Bauchlage spricht nur Tobias; Anton erwähnt die “Bauchlage” als Entspannungsposition, die jedoch nicht mit der Arbeitsposition identisch ist. Die Entspannungspositionen bzw. -phasen (entspannte Rückenlage, Bauchlage oder Embryostellung) werden mit Ausnahme von Tobias von allen Behandelten wenigstens in einem der Interviews genannt. Behandlungen, die ganz bewußt auf eine anschließende Entspannungsphase verzichten, werden ausdrücklich von Daniel und Tobias genannt. Dies unterscheidet beispielsweise Daniel und Tobias von Anton, Judith und Ursus; letztere scheinen eher großen Wert auf die Entspannungsphasen gelegt zu haben.  

Zusammenfassung  

Die stehende Position und die Position in der Rückenlage mit ihren verschiedenen Variationen scheinen die Positionen der Wahl zu sein. Die Entspannungsphasen am Ende der Behandlung sind nicht obligatorisch, sondern können sogar ganz entschieden ausgelassen werden. Die Begründung für die Wahl einer bestimmten Position geht aus den Interviews nicht direkt hervor.    

24. Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem muskulären System
25. Anstrengung und Schmerz  

Da die muskuläre Anspannung  ein notwendiges Element der Pulsationsarbeit darstellt, auf das am Anfang nicht verzichtet werden darf, überrascht es nicht, daß körperliche Anstrengung und Schmerzen von allen Behandelten registriert worden sind. Von einigen kann beispielsweise die stehende Position am Anfang nur zehn bis fünfzehn Minuten ausgehalten werden (A1), (U1), (H1), wonach sie bereits an ihre körperlichen Grenzen geraten. Mit der Anstrengung beim Anspannen der Muskulatur können Schmerzen in den Armen, Schultern oder im Rücken auftreten (J1), besonders aber in den Beinen (H2) bis hin zu Krämpfen  (J1), (D2). Die Anstrengung selbst wird von einigen nicht negativ bewertet (K1), (T2), bzw. unterm Strich durchaus positiv (J1) oder als eine andere Qualität, z.B. als “warmer Schmerz” gesehen (M1). Mit der Zeit werden Anstrengungen und Schmerzen spürbar geringer (D1), (D2). Diese Entwicklung scheint im Zusammenhang mit der Entwicklung der Bewegungen zu stehen. Treten Bewegungen auf, dann erfolgt auch eine Verminderung der Anstrengung und des Schmerzes (K1).  

Kritisch kann an dieser Stelle gefragt werden, inwieweit die Behandelten die als Ausgleichbewegungen des Körpers verstehbaren Bewegungen selber herbeiführen, um sich Erleichterung zu verschaffen oder inwieweit sich diese Bewegungen tatsächlich autonom, d.h. von selbst entwickeln können. Daniel betont extra, daß er selbst nichts steuert, sondern bewußt abwartet und sich zurückhält (D2). Auch Tobias gesteht, daß er keinen Einfluß mehr auf die Reaktionen hatte (T1). Die Aussage Monikas, daß sie Lust hat, sich bei der Behandlung quälen zu lassen (M2), spricht dafür, daß zu einem gewissen Maß mit der Motivation der Behandelten gerechnet werden kann, durch die Anstrengung hindurchzugehen und die Anspannung auszuhalten (T2), (J1) bis hin zu dem Experimentieren mit einer mentalen, bewußt herbeigeführten Schmerzausschaltung (H2).  

Zusammenfassung  

Nach einem meist sehr beschwerlichen Anfangsprozeß, an dem die Behandelten bis an ihre körperlichen Grenzen geführt werden, lassen Anstrengung und Schmerz nach (D1/2, T1/2). Dies geschieht meist in dem Moment, wo stärkere Bewegungen möglich werden, beispielsweise das Zittern der Knie oder der Beine (K1). Je ruhiger, weicher und größer die Bewegungen werden, um so weniger scheint dies mit Anstrengung verbunden zu sein. Dies schließt nicht aus, daß bei bestimmten Positionen auch nach einem fortgeschrittenem Therapieprozeß wieder heftigere Anstrengungen und Schmerzen beispielsweise in einer neuen Position auftreten können (D2).    

26. Diskussion um Muskelspannung und Körperwahrnehmung  

BISCHOFF (1989) verweist in seinen Untersuchungen zu Personen mit Muskelkontraktionskopfschmerz (MKKS) darauf, daß er als Hauptfunktion der Muskulatur die Realisierung von motorischen Akten sieht, sprich Haltung und Bewegung. 

Diese Motorischen Akte können durch Lernprozesse überformt werden - Reflexe insbesondere durch klassisches Konditionieren, motorische Willkürakte vor allem durch operante Konditionierung. Lernprozesse können somit auch zur Entstehung von Bewegungen und Haltungen führen, die mit Muskelmehrarbeit einhergehen (z.B. beim MKKS). Bei Muskelmehrarbeit liegt eine ständig erhöhte Muskelspannung (motorische Dysfunktion) vor, ein Mehr an Muskelarbeit/Zeiteinheit, die durch den Muskelstoffwechsel nicht kompensiert werden kann. Die Ursachen für diese Muskelmehrarbeit können sehr unterschiedlich sein und jeweils die Schmerzentstehung begünstigen (vgl. BISCHOFF 1989, 9).  

Zwei Studien illustrieren die Folgen der Muskelmehrarbeit bei Personen mit MKKS:   BISCHOFF & SAUERMANN (1985) berichten über eine Untersuchung von Spontanbewegungen in und nach einem Konzentrationstest, wobei es “insbesondere in der Leistungssituation zu Bewegungen als Ausdruck von Aktivierung und insbesondere nach “getaner Arbeit” zu Bewegungen, die wahrscheinlich als Regulative des Muskeltonus und der Blutversorgung der Muskeln dienen, wie etwa Räkel- und Streckbewegungen (Hervorhebung durch den Verf.) kommt. Personen mit Muskelkontraktionskopfschmerz zeigten ... bedeutsam weniger Bewegungen ...” (BISCHOFF 1989, 16).  

In einer anderen Untersuchung (TRAUE et al. 1985, zit. nach BISCHOFF 1989) zeigten Versuchspersonen mit MKKS im Vergleich zu schmerzfreien Kontrollpersonen ein reduziertes Ausdrucksverhalten (Anzahl der Bewegungen und motorische Expressivität). Die Unterdrückung emotionalen Ausdrucks im Gesicht führt zu erhöhter Muskelaktivität im Gesicht und vermutlich zu einer Abschwächung des emotionalen Erlebens (Hervorhebung durch den Verf.). 

 “Beide Studien basieren auf der Überlegung, daß Muskelmehrarbeit dann entsteht, wenn motorische Handlungsimpulse unterdrückt werden: In diesem Fall bleibt der Handlungsimpuls in Form einer Aktivierung spezifischer Muskeln fortbestehen, und es kostet Kraft antagonistischer Muskeln, diese Handlungsbereitschaft so unter Kontrolle zu haben, daß aus ihr keine wirklichen Handlungen werden.” (BISCHOFF 1989, 16).  

Die Sensibilität der Personen mit MKKS ist in der Untersuchung BISCHOFFs signifikant geringer als die der Versuchspersonen der Kontrollgruppen. Sie geben aber bedeutsam mehr wahrgenommene Körperprozesse und insgesamt mehr Körperbeschwerden an als die schmerzfreien Versuchspersonen, was sich als Folgeerscheinung der jeweiligen psychophysiologischen Dysfunktion deuten läßt (BISCHOFF 1989, 168f). Die Nichtwahrnehmung beispielsweise von Muskelspannungen wird bei Personen mit MKKS als Konsequenz von Löschungsvorgängen betrachtet und als Wahrnehmungsdefizit-Hypothese formuliert (BISCHOFF 1989, 82).  

Diese Beobachtungen kommen den Überlegungen REICHs hinsichtlich der Entstehung der muskulären Panzerung sehr nahe: 
 
“Schon in sehr frühem Alter tritt bei Kindern die Angst vor den Grimassen auf, die sie vorher gern schnitten. Eine Bremsung der entsprechenden Impulse hat zur Folge, daß sie ihr Gesicht steif “in Ordnung” halten.” (REICH 1987, 231).  

“Unsere Patienten berichten ausnahmslos, daß sie Perioden in ihrer Kindheit durchmachten, in denen sie es durch bestimmte Übungen im vegetativen Verhalten (Atem, Bauchpressen etc.) lernten, ihre Haß-, Angst- und Liebesregungen zu unterdrücken.” (REICH 1987, 226).  

REICH faßt diese Beobachtungen zusammen:  

“Die charakterliche Panzerung kostet Energie, denn sie erhält sich durch ständigen Verbrauch an libidinöser Energie bzw. vegetativen Kräften, die sonst (unter der Bedingung der motorischen Hemmung) Angst erzeugen würden. Derart erfüllt die charakterliche Panzerung ihre Funktion, die vegetative Energie zu verarbeiten und aufzuzehren. ... Jede Erhöhung des Muskeltonus in der Richtung zur Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde.” (REICH 1989, 451f).  

Diese Parallele zwischen REICHschen Vorstellungen und der Lerntheorie findet sich auch von UEXKÜLL beschrieben:  

“Bestimmte frühkindliche Lernbedingungen - so REICH - begünstigen die Entwicklung von Muskelpanzerungen, daß heißt von chronischen Muskelverspannungen, die im Extremfall und - in bestimmten Körperregionen bevorzugt - Schmerzen zur Folge haben. REICHs Beispiele und Überlegungen können in Begriffen der klassischen und operanten Konditionierung dargestellt werden.” (UEXKÜLL 1986, 574).  

Nehmen wir umgekehrt die Erkenntnisse der Lerntheorie und die hier zitierten Untersuchungsergebnisse zur Kenntnis und gestatten wir uns eine Verallgemeinerung, dann würde dies für alle Personen mit der Symptomatik “Muskelmehrarbeit” (sprich chronisch überhöhte Muskelanspannung bzw. muskuläre Panzerung) folgendes bedeuten:

- vermutlich Abschwächung des emotionalen Erlebens
- reduzierte Schmerzwahrnehmung
- reduziertes Ausdrucksverhalten
- bedeutsam weniger autonome Bewegungen  

Umgekehrt würde die Zunahme von Bewegung und Ausdrucksverhalten sowie die Zunahme des Erlebens von Muskelschmerz und des emotionalen Erlebens als Abnahme der Muskelmehrarbeit interpretiert werden können und damit als Prozeß der Auflösung muskulärer Erstarrung.  

These 1: Das Nachlassen von Schmerz und Anstrengung ist kein Gewöhnungsprozeß, sondern Folge der Auflösung muskulärer Erstarrungen.  

These 2: Der Prozeß der Auflösung muskulärer Erstarrung kann im Verlauf der Pulsationsarbeit begleitet sein von der Zunahme der körperlichen Ausdrucksbewegungen und des emotionalen Erlebens.  

Für die Pulsationsarbeit gelten allerdings andere “Versuchsbedingungen”. Während BISCHOFF & SAUERMANN (1985) ihre Beobachtungen an Versuchspersonen während eines Konzentrationstests gemacht haben, stehen die “Versuchspersonen” bei der Pulsationsarbeit nicht unter geistiger sondern unter extrem körperlicher Anspannung.      
27. Körperliche Ausdrucksformen  

In den Interviews werden verschiedene Bewegungsformen genannt, die während der Behandlung auftreten können. Die individuellen Bezeichnungen für die subjektiv wahrgenommenen Bewegungsformen unterscheiden sich, woraus zu schließen ist, daß sich auch die Bewegungen voneinander unterscheiden.

Unterschiedliche Bezeichnungen können durchaus gleiche Vorgänge bezeichnen (möglicherweise sind “Zappeln” und “Flattern” Synonyme), während die gleiche Bezeichnung (z.B. “Zittern”) für sehr wohl voneinander unterscheidbare Vorgänge stehen kann (Zittern der Arme oder Zittern der Beine). Ohne parallel durchgeführte Videoaufnahmen lassen sich die qualitativen Aussagen nicht auf ihre genauen quantitativen Inhalte (Frequenz, Amplitude, Intensität, Richtung oder Form der Bewegungen) überprüfen. Dennoch bin ich der Meinung, daß die hier genannten Ausdrücke durchaus auch quantifizierbare Inhalte implizieren. Versucht man auf diesem Hintergrund und teilweise auch auf näheren Erläuterungen der Behandelten eine Ordnung der Begriffe (und damit der Bewegungen), dann ergibt sich ein Bewegungsspektrum, das ich aus meiner Sicht wie folgt kommentieren und interpretieren möchte:  

- “Bewegungen”    relativ undifferenziert
- “Vibrieren”         feine und hochfrequente Bewegungen, mehr spürbar als sichtbar
- “Zittern”            feine, aber stärkere und weniger hochfrequente Bewegungen,         
                          spürbar und gut sichtbar
- “Wackeln /         stärkere, (un-) regelmäßige Bewegungen
  Zappeln”
- “Flattern”           stärkere, (un-) regelmäßige Bewegungen
- “Schlagen”         heftige (un-) regelmäßige Bewegungen
- “Schlängeln”       Bewegungsimpulse, die schlängelnd oder auch ruckartig                             durch den (ganzen) Körper gehen
- “Schwingen”       ruhige rhythmische Bewegungen, die sich auf den
                          ganzen Körper ausweiten könen
- “Pulsieren”          Empfinden einer inneren, ruhigen (und rhythmischen) Bewegung

Diese Bewegungsformen wiederum sind gekoppelt an das Stütz- und Bewegungssystem des Körpers. Es werden unterschiedliche Körperbereiche in die verschiedenen Formen der Bewegung mit einbezogen.

Die Bewegungen der Beine (Füße, Knie, Oberschenkel) sind in jedem der Interviews genannt worden, z.B. das Zittern in den Beinen. Alle anderen Körperbereiche sind weniger häufig genannt, was die Vermutung nahe legt, daß sich die Bewegungen in den Armen, im Becken, im Gesicht oder über den ganzen Körper nicht bei allen Behandelten oder erst über einen längeren Behandlungszeitraum hinweg entwickeln. So berichtet beispielsweise Anton von Armbewegungen nach der 2. Stunde, bei Daniel tritt ein erstmaliges Zittern der Arme nach der 5. Therapiestunde auf und Monika berichtet erst im Abschlußinterview von seltenem und nur leichtem Vibrieren der Arme.  
Von sehr starken Schwingbewegungen über den ganzen Körper bis hin zum Kopf berichtet Daniel (D2), während Tobias im Abschlußinterview von ruckartigen Schlängelbewegungen im Becken spricht (T2). Der von Anton verwendete Begriff “Impuls” (A1) meint hier noch nicht das Pulsieren im oben genannten Sinne - obwohl ich es als Pulsieren kodiert habe - sondern bezeichnet die Wahrnehmung eines einmaligen inneren Impulses durch den Körper.  

Heftige Bewegungen und Verspannungen um Mund und Lippen werden von  Tobias (T1) und Ursus (U1) genannt. Hier liegt die Vermutung nahe, daß die Verspannungen im Mundbereich Hyperventilationsphänomene sein könnten. Dies zeigt sich besonders bei Ursus im Zusammenhang mit dem Krampfgefühl und der Pfötchenstellung beider Hände (U1). Gegen reine Hyperventilationsphänomene spricht, daß im Mundbereich Verspannungen und Bewegungen auftreten, verbunden mit dem “Gefühl der Unkontrolliertheit” (T1). Daß gerade auch im Gesicht muskuläre und unkontrollierte Bewegungen ohne Hyperventilation auftreten können, ist eine Erfahrung, die von anderen Behandelten, in dieser Untersuchung jedoch nicht befragten Personen berichtet wird.  

Von Verlauf und Entwicklung der Bewegungen kann folgendes gesagt werden:
-nach zunehmender Heftigkeit am Anfang der Behandlung werden die Bewegungen von der Tendenz her ruhiger (T2)
- mit dem Zulassen von Gefühlen können die Bewegungen auch stärker und weicher werden (M2)
- die Bewegungen können nach oben gelenkt werden, d.h. Armbewegungen nehmen zu, während der Rest des Körpers relativ ruhig bleiben kann (D2) 
- es können durchaus verblüffende Bewegungsmuster entstehen wie etwa die komplizierten, unregelmäßigen aber koordinierten Armbewegungen, die Daniel als Ausdrucksbewegung bzw. als Verzweiflungsgeste empfunden hat (D2)
- die Bewegungen sind unkontrollierbar (T1), d.h. sie treten unwillkürlich (T2), (U1) oder automatisch auf (U1)
- die Bewegungen lassen sich zwar abbremsen aber nicht unterdrücken (K2)
- es besteht die Möglichkeit zu beobachten, wie sich die Bewegungen entwickeln, ohne sie steuernd zu beeinflussen (D2).  

Zusammenfassung  

Die Bewegungen scheinen sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit über ein anfänglich kaum spürbares Vibrieren der Muskulatur zu einem auch sichtbaren Zittern hin zu entwickeln, das dann übergehen kann in stärkere Bewegungen wie Flattern, Zappeln oder Schlagen. Darüber hinaus kommt es zu Bewegungen, die sich über den ganzen Körper hinweg als Schlängeln oder als Schwingungen ausbreiten können, bis hin zum Erleben des Pulsierens im Inneren des Körpers.  

Die Intensität scheint in diesem Prozeß zunächst zuzunehmen; aus der anfänglichen Unbewegtheit entwickelt sich eine feine hochfrequente Bewegung in den Beinen, die dann größer und heftiger werdend immer weitere Körperbereiche einzubeziehen vermag. Danach verändern sich die Bewegungen; sie werden ruhiger, weicher, schwingend.  

Die Zusammenfassung sollte nicht den Eindruck vermitteln, daß die Entwicklung von Bewegungsprozessen immer so glatt und geordnet abläuft. In jeder Behandlungsstunde können die unterschiedlichsten Bewegungsformen entstehen. Diese in ihrer Vollständigkeit zu beobachten, zu erinnern und für ein Interview in Sprache umzusetzen, scheint jedoch für jemanden, der behandelt wird, nicht möglich zu sein. Trotz der Möglichkeit, aus den Angaben bestimmte Tendenzen herauslesen zu können, sollten wir uns gerade hier bewußt sein, daß wir nur auf einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zurückgreifen.    

28. Gruppierung im Hinblick auf die autonomen Körperreaktionen   Die von LASSEK beschriebenen Reaktionsweisen der drei energetischen Grundtypen sind typische Reaktionsweisen, die besonders deutlich auftreten, wenn der oder die zu Behandelnde bereits relativ weit auf seiner jeweiligen Entwicklungslinie vorangeschritten ist und bereits die typischen und schweren Erkrankungen hat. Die Reaktionen “Normalgesunder” unterscheiden sich demzufolge nicht so deutlich voneinander. Eine Einordnung der in dieser Untersuchung vorgestellten Behandelten erweist sich jedoch als problematisch. Die Angaben zu den Reaktionsweisen sind oftmals nicht ausreichend genug, um tatsächlich eine exakte und lebendige Vorstellung von diesen Prozessen zu erhalten. Aus diesem Grunde verzichte ich an dieser Stelle auch auf eine genauere Darstellung der wenigen dafür relevanten Aussagen.

29. Diskussion der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten  

Die körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten zeigen sich in den Formen und in der Entwicklung der autonomen Bewegungen, wie oben dargestellt. Es zeigt sich einerseits, daß es oft erhebliche Veränderungen in den intraindividuellen Reaktionsformen zwischen t1 und t2 gibt und daß es andererseits zu einem vergleichbaren Behandlungszeitpunkt durchaus interindividuelle Unterschiede in den Reaktionen der einzelnen Behandelten gibt. Die Spannweite der hier geschilderten Erfahrungen reicht vom anfänglich schmerzenden Vibrieren und Zittern der Beine bis hin zum Schwingen des gesamten Körpers nach einer längeren Behandlungszeit. Pulsationen im Sinne der Wahrnehmung tiefer innerer Bewegungen sind meines Erachtens nach nicht gemacht worden, auch wenn Pulsation als eine Bewegungsform in der Ergebnisdarstellung mit aufgenommen wurde.  

Das einmalige Entstehen von Ausdrucksbewegungen der Arme mit dem Empfinden dieser Bewegungen als “Verzweiflungsgeste” stellt sicherlich eine Erfahrung eigener Art dar. Sie könnte ein Beispiel dafür sein, daß Gefühl und Ausdrucksbewegung nur zwei unterschiedliche Ausdrucksebenen einer tieferen “Emotion”, der gemeinsamen zugrundeliegenden plasmatischen Strömung darstellen. In diesem Falle könnten beide Ausdrucksebenen als einander zugehörig empfunden worden sein.  

Die in den Interviews beschriebenen Bewegungen bestätigen die von REICH bereits in der klassischen Vegetotherapie gemachten Beobachtungen, daß am Anfang der Therapie nach dem Lösen von Körperorgon zunächst klonisches Zittern auftritt. REICH schreibt, daß “sichtbar wellenartige Zuckungen in dem freigelegten Körperbereich” erst dann auftreten, wenn eine ganze Reihe von Panzersegmenten gelöst worden sind. Diese Wellen bewegen sich “nach oben zum Kopf und nach unten zum Genital” (REICH 1989, 490f).  

These 3: Die Tatsache, daß  in der Pulsationsarbeit sowohl Zittern als auch wellenartige Zuckungen (Schlängeln, Schwingen) ohne vorhergehende systematische Auflösung der einzelnen Panzersegmente auftreten, spricht dafür, daß die Pulsationsarbeit einerseits auf dem Fundament der Vegetotherapie steht, daß aber andererseits die von REICH beschriebenen Prozesse auch mit der modifizierten Methode der Pulsationsarbeit angeregt werden können.      

30. Nebenwirkungen
31. Somatische Nebenwirkungen  

Schmerzen, Krämpfe (D2, J1) und Hyperventilationsphänomene (U1) werden als Nebenwirkungen genannt, die direkt bei der Behandlung aufgetreten sind. Nebenwirkungen, die sich erst nach der Behandlung einstellen und die von mehreren der Behandelten direkt damit in Verbindung gebracht werden, sind auf somatischer Ebene vor allem Durchfälle in unterschiedlicher Intensität (ohne genauere Angaben (T2), ein paarmal (U1), drei Tage lang (M2), über zwei Wochen hinweg (D1) und monatelang anhaltend (D2)). Hinzu kommen noch weitere einzelne Reaktionen:

- Hautreaktionen: fast täglich aufkommender Juckreiz an den Knien und  Oberschenkeln  (D2) oder Hautausschläge direkt nach der Stunde (J1)
- Fieberschübe über eine Woche hinweg mit gleichzeitiger Verbesserung und nachfolgender Verschlechterung des Lymphödems am Fuß (D2)
- Asthmaanfälle, die am Ende der Behandlung auftreten, aber von Stunde zu Stunde schwächer werden und auch ganz ausbleiben können (T1); bei schwülem Wetter tritt Asthma außerhalb der Therapie allerdings noch auf (T2)
- Verringerung der Nacken- und Kreuzschmerzen (T1)
- wärmere Hände (T2)
- geradere Körperhaltung (T2)
- Taubheitsgefühl im Mund (eine Woche lang) (U1)
- Verschlechterung der Sehstärke (D2)
- Schmerzen in den Lymphknoten (D1)  

Es werden auch Symptome genannt, die von den Behandelten nicht eindeutig mit der Behandlung in Zusammenhang gesehen werden, wie heftige Magenprobleme nach der Behandlung (J1), Erkältungen (T2), (J1) oder positive Hautveränderung (T2). Für ein sich veränderndes Körperbewußtsein sprechen beispielsweise das Wahrnehmen einer unangenehm harten Kugel im Bauchraum (M1) bzw. das Wahrnehmen von sich bessernden Bauchschmerzen (M2) - Problembereiche, die vor der Therapie nicht wahrgenommen wurden.  

Bis auf die Durchfälle erscheinen die hier genannten Reaktionen auf den ersten Blick als sehr inhomogen. Individuell stehen sie jedoch meist in Beziehung zu den ursprünglichen Beschwerden. Es scheint etwas in Bewegung zu kommen (z.B. Fieber und Fußentzündung - D2) und es scheinen positive (Verringerung der Asthmaanfälle - T1) wie negative Symptomveränderungen möglich (Sehschärfeverschlechterung - D2).  

Von den beiden Behandelten der Kontrollgruppe werden keine somatischen Reaktionen berichtet, von den Behandelten mit 20 Stunden dagegen deutlich mehr als von den Behandelten mit 5 Stunden.   Zusammenfassung   Abgesehen von der Entwicklung bestimmter Bewegungsmuster treten vorwiegend somatische Nebenwirkungen auf, die einerseits als Entladungsreaktionen des Organismus gesehen werden können (Durchfall), als Aktivierung des Immunsystems (Fieber), als Beeinflussung des Vegetativums (wärmere Hände) oder als Veränderungen an der jeweiligen Symptomatik (Asthma, Neurodermitis, Schmerzen).    

32. Kribbelphänomene und andere Empfindungen  

Bei fast allen Behandelten (bis auf Judith, Horst und Kay) werden in den Erstinterviews Kribbelphänomene genannt, die während der Pulsationsarbeit aufgetreten sind. In den späteren Interviews werden diese Phänomene nicht mehr erwähnt (z.B. M2, T2), dafür aber Phänomene beschrieben, die in unterschiedlichen Variationen als (elektrische) Impulse oder Ströme wahrgenommen wurden, die von bestimmten Punkten aus durch den ganzen Körper gehen. Tobias berichtet von einem Wärmestrom, einer Welle, die plötzlich von den Füßen zu den Armen hindurchgeht, worauf die kalten Arme plötzlich warm werden (T2). Daniel erlebt, wie nach Berühren des Ellenbogens durch den Therapeuten zweimal nacheinander eine Welle vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen und wieder zurück geht, wonach die Arme anfangen zu schlagen (D2). Bei Anton geht nach Berühren des Fußpunktes ein starker Impuls von diesem Punkt aus durch den ganzen Körper (A1) und beim Berühren der Ohren geht ein Impuls vom Kopf zu den Füßen (A1). Judith hat das Gefühl, einen Energieschub von den Fingern ihres Therapeuten zu erhalten (J1) und bei Kay ergießt sich nach Berühren der Ohren ein warmes helles Gefühl wie die Sonne von oben nach unten durch den Körper (K1).     

Weiterhin berichtet Daniel von Kribbelphänomenen, die eine für ihn ungewöhnliche Stärke hatten, wo das Kribbeln einschoß (D2) oder wo gleichzeitig die Arme rot und heiß wurden (D2). Diese Phänomene traten einmal auf nach einer sehr starken Mobilisierungen der Energie (Fliegerposition und anschließend eine leichte Streckspannung gegen den Widerstand des Therapeuten - D2), und ein anderes mal in der stehenden Position, in der  sich zunächst fast gar keine Bewegung entwickelte, dafür aber eine hohe “Ladungsdichte” entstand, d.h. die Arme wurden rot und heiß und kribbelten, worauf kurzzeitig sehr starke Bewegungen einsetzten, “so stark, daß der ganze oberkörper mitschwang”. Darauf folgte wieder Ruhe und das Gefühl einer “ganz großen dichte in den armen”, worauf er die Hände vor dem Körper aufeinander zu bewegt hatte und bei vierzig Zentimetern ein deutlicher Widerstand zu spüren war (D2). Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet Monika , bei der sich in der stehenden Position ein dichtes Energiefeld zwischen den Händen gebildet habe, wo das Gefühl zwischen den ganz dicht aneinander gehaltenen Händen “wie so’n berühren” war (M2). Vor dem Wahrnehmen dieses Feldes habe sie das Gefühl von Energieströmen zwischen ihren Fingern gehabt, die sich wie “fäden gesponnen haben”, “das war’n seile” zum “durchschneiden” und vom Gefühl her wie ein glitzerndes rot-grün-gelb-durchsichtig blitzendes Seil, was sich ständig bewegt (M2).  
Schenkt man diesen Beschreibungen Glauben, so dokumentieren sie die Möglichkeit, (bio-elektrische) Felder mit den Händen wahrzunehmen. Die Behandelten waren dazu in der Lage, nachdem sie vorher intensiv Energie mobilisiert hatten und nachdem diese Energie auf irgendeinem Weg in die Arme gelangt ist. Diese Erfahrungen sind anhand unseres Materials erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Arbeit möglich gewesen.  

Während Monika eine bildliche Wahrnehmuung der Energieströmen zwischen den Fingern berichtet, hat Daniel nach einer Behandlung, bei der nach seinen Angaben Energie in seine Augen gelangt sei, einmal völlig andere Lichtphänomene wahrgenommen als gewohnt (D2). Eine genauere Beschreibung oder Erklärung dieser Phänomene fehlt jedoch. Mit diesem Erlebnis scheint allerdings gekoppelt zu sein, daß sich Daniels Sehschärfe danach etwas verschlechtert hat (s.o.).  

Zusammenfassung  

Während der Pulsationsarbeit werden Phänomene wie Kribbeln, Wellen, (elektrische) Impulse von Erregung sowie bio-elektrische Felder in Verbindung mit farblichen Wahrnehmungen und Vorstellungen beschrieben. Die Erfahrungen des Kribbelns und der Erregungswellen passen zu dem, was auch REICH (1989) beobachtet und mit dem Freisetzen von Orgon im Körper erklärt hat. Das Wahrnehmen von starken bioelektrischen Feldern und teilweise auch von ungewöhnlichen farblichen Vorstellungen durch die Behandelten scheint mit dem Freisetzen und Bewegen von bio-elektrischer Energie im Zusammenhang zu stehen. Es sind Phänomene eigener Art, die als Indiz für energetische Prozesse gesehen werden können.    

33. Diskussion um Parästhesien und andere Wahrnehmungen  

Das Lexikon für Medizin (1995) erklärt das “Kribbeln”, “Pelzigsein” oder “Ameisenlaufen” unter dem Fachausdruck Parästhesien als Fehlempfindungen des Hautsinns. Nach BAKER (1980) sind Parästhesien verzerrte Empfindungen, die durch Blockierung des Energieflusses im Körper erzeugt werden. REICH führt dazu aus, daß das Körperorgon nach Auflockerung eines Panzerringes nicht sofort frei zu strömen beginnt.  

“Zunächst tritt klonisches Zittern, einhergehend mit dem Empfinden des Prickelns und “Ameisenlaufens” auf. Daran erkennen wir klinisch, daß die Panzerung nachgibt und Körperorgon frei wird” (REICH 1989, 490).  

Treten also Parästhesien am Anfang der Pulsationsarbeit auf, so ist dies ein Zeichen dafür, daß “Körperorgon” frei geworden ist, aber noch nicht frei strömen kann. Bei ausreichender Beseitigung der Blockaden werden dann nicht mehr diese Parästhesien empfunden, sondern Erregungswellen.  

“Echte Empfindungen plasmatischer Erregungswellen treten erst dann auf, wenn eine ganze Reihe von Panzersegmenten, etwa die Augen-, Mund-, Hals-, Brust- und Zwerchfellblocks, gelöst sind” (REICH 1989, 490).  

BAKER (1980) bezeichnet die Wahrnehmungen von angenehmen, wellenförmigen Energie-Bewegungen im Körper als Lustströme, gleichsam als ob der Körper von einer sanften Brise durchzogen werde. Auch wenn keiner der Behandelten ausdrücklich von Lustempfindungen im Zusammenhang mit diesen Wahrnehmungen spricht, ist aus den Interviews zumindest herauszulesen, daß diese Wahrnehmungen meist von angenehmer oder überraschender Natur gewesen sind. Das Neue an diesen Wahrnehmungen im Vergleich zu REICH ist die Tatsache, daß die Energie-Bewegungen oft im Zusammenhang mit den Stimulationen bestimmter Punkte gemacht wurden, und zwar nachdem der organismische Gesamtzustand auf einen erhöhten Aktivierungsgrad angehoben wurde.  

These 4: Die Tatsache, daß das Empfinden von Energie-Bewegungen meist nach dem Berühren bestimmter Punkte (z.B. an den Fußpunkten oder am Ohr) erfolgte, spricht für die Existenz der Punkte und Energiebahnen und somit auch für deren therapeutische Nutzung.  

These 5: Die Herstellung eines besonders angeregten energetischen Zustandes im Gesamtsystem des Organismus durch vertiefte Atmung und durch muskuläre Anspannung erhöht die Wirksamkeit beim Stimulieren der Punkte und Energiebahnen.

34. Psychische und emotionale Nebenwirkungen  

Auf der emotionalen bzw. psychischen Ebene werden ebenfalls Auffälligkeiten oder Veränderungen benannt, die mit der Pulsationsarbeit in Zusammenhang stehen könnten. Da jedoch während der Behandlungsstunden mitunter bis zur Hälfte der Zeit gesprochen wurde, das Verhältnis zum Therapeuten eine wichtige Rolle spielt und vor allem die äußeren Lebensverhältnisse der Behandelten z.T. ganz gravierende Veränderungen erfahren haben, halte ich eine eindeutige Zuordnung der im Folgenden angeführten psychisch-emotionalen “Nebenwirkungen” als alleinige Folgen der Pulsationsarbeit nicht für möglich.
Trotzdem seien sie hier genannt:  

1.            Entspannung (Erleichterung, Beruhigung, Stärkung, Zentrierung) (M1/2) 2.            größere Gelassenheit (D2)
3.            gutes Gefühl nach der Behandlung (K1/2)
4.            Erkennen von Verhaltensmustern (T1)
5.            größere Ehrlichkeit sich selbst gegenüber (M2)
6.            Erkennen, was ich will (T1)
7.            höheres Durchsetzungsvermögen (U1)
8.            bessere Abgrenzung gegenüber PartnerIn oder Kollegen (A1, J1, U1) 9.            mitteilsamer in Gesprächen (A1)
10.          Neigung zum Weinen (T2)
11.          Lachanfälle beim Sex (D1)
12.          verändertes (tieferes) sexuelles Empfinden (M2, T1)
13.          Ermöglichen des Einlassens auf einen Partner (D2, M2, T2)  

Trotz der breiten Streuung der psychisch-emotionalen Nebenwirkungen lassen sich einige aufgrund ihrer Ähnlichkeit zusammenfassen. 1. - 3. sprechen für Auswirkungen, die mit der organismischen Umschaltung zu tun haben können, 4. - 6. hat etwas mit Klärungsprozessen zu tun, 7. - 9. mit der sozialen Interaktion, während 11. - 13. noch spezieller die partnerschaftliche bzw. sexuelle Ebene betrifft. 10. zeigt eine Veränderung in der Möglichkeit des Ausdrucks von Gefühlen an.  

Als Randbemerkung möchte ich auf die Veränderung des Konsumverhaltens hinweisen, das während der Behandlungszeit bei Anton aufgetreten ist: Anton beginnt Kaffee und Rotwein zu trinken, was er zuvor strikt vermieden hat (A1).  

Zusammenfassung

Auch wenn die auf psychisch-emotionaler Ebene genannten Veränderungen mit exteren Faktoren in Verbindung stehen können, so sollte die Möglichkeit nicht unbeachtet bleiben, daß zumindest auch die Möglichkeit besteht, sie tatsächlich auch als Indizien für die Wirksamkeit der Pulsationsarbeit auf der psychisch-emotionalen Ebene anzusehen.    

35. Empfindungen, Gefühle und Emotionen  

Die drei in der Überschrift genannten Begriffe möchte ich wie folgt grob unterscheiden: Empfindungen sind Wahrnehmungen, die noch nicht gefühlsmäßig bewertet werden. Mit der Bewertung werden die Empfindungen zu Gefühlen und mit dem Ausdruck zu Emotionen. Gefühle können zurückgehalten werden und erhalten so keinen Zugang zum Ausdruck. Ebensogut können Emotionen gezeigt werden, ohne daß ein Zugang zu den Gefühlen da ist. Alle drei Ebenen sind auch vom Interviewmaterial her belegbar. Ich werde jedoch nicht jedesmal explizit auf diese Unterscheidungsmöglichkeit verweisen.  

Das Auftreten von Empfindungen, Gefühlen und Emotionen ist in der Pulsationsarbeit selten, jedoch nicht ausgeschlossen, wie sich auch in den Interviews zeigt, wo von Trauer, Wut, Angst und Selbstliebe die Rede ist. Weinen ohne ersichtlichen Grund verstehe ich nach obiger Unterscheidung als Emotion.  

Gerade bei Monika scheint es wichtig gewesen zu sein, in ihrer Krisensituation (Trennung) sowohl Kummer, Trauer und Tränen (M1) als später auch die ICH-bezogenen Gefühle, sprich Selbstliebe (M2) zulassen zu können. Judith dagegen ist einfach fasziniert von der Tatsache, daß sie in fast jeder Stunde weint, ohne an etwas bestimmtes denken zu müssen (J1). Auch bei Tobias sind Tränen und Trauer während der Pulsationsarbeit gekommen (T2) und einmal ein kurzer Moment der Angst (T1). So beginnt Tobias beispielsweise nach einem bestimmten Satz des Therapeuten, der eine bestimmte Situation genau auf den Punkt gebracht hat, zu “heulen” (T2) oder Tobias fängt in einer bestimmten Position bei der “Einfaltungsarbeit” an zu “heulen” ohne einen näheren Grund dafür zu kennen (T2). Auch der Grund für die kurz aufkommende Angst in der stehenden Position ist ihm nicht bekannt (T1). Die Traurigkeit kommt in einer Situation, in der er sich geborgen fühlt und eigentlich darüber traurig ist, daß er sich früher nicht so angenommen gefühlt habe (T2). Hier gibt es die einzige ausdrückliche Verbindung eines Gefühls mit einer konkreten biographischen Erinnerung!  

Hinsichtlich der körperlichen Nähe zwischen Behandelten und Therapeuten werden auch gefühlsgeladene Situationen geschildert. Kay berichtet davon, daß es angenehm war, die Wärme des ihr sympathischen Therapeuten zu spüren, und daß dies in Richtung einer sexuell angenehmen Empfindung ging (K1), weshalb sie sich anschließend auch noch viele Gedanken gemacht habe (K1). Nach einem Gespräch darüber hat sich das jedoch alles erledigt und es sei beim nächsten mal ganz normal gewesen (K2). Auch Anton berichtet von einer kurzzeitigen sexuellen Attraktion während eines direkten Augenkontaktes mit der Therapeutin (A1). Monika berichtet von ihren Schwierigkeiten beim direkten Augenkontakt mit dem Therapeuten während der Behandlung, den sie nicht erwidern kann und abblockt, vermutlich aus Angst vor zu großer Nähe oder vor zunehmender Intensität (M1). Auch nach zwanzig Behandlungsstunden bestehen noch immer Probleme, den Therapeuten an sich herankommen zu lassen (M2).  

Empfindungen bzw. Gefühle wie Aufregung (D1), Geborgenheit (M1), Zufriedenheit (U1), Sicherheit (K2), Euphorie (T1), “sich gut fühlen” (J1), körperliches Wohl- oder Mißempfinden (U1), Hilflosigkeit (T1), Unkontrolliertheit (T1) oder Schutzlosigkeit (K2) werden ebenfalls berichtet. Dabei haben die negativen Empfindungen eher mit der Ungewißheit vor dem Neuen, den ungewohnten Positionen oder der Unkontrollierbarkeit der körperlichen Reaktionen zu tun, während sich die positiven Empfindungen meist in der Entspannungsphase oder im Anschluß an die Behandlung einstellen.  

Zusammenfassung Empfindungen, Gefühle und Emotionen treten gelegentlich während der Pulsationsarbeit auf, wobei vor allem von scheinbar grundlosem Weinen (J1) und von teilweise begründeter Traurigkeit (M1, T2) die Rede ist. Wut wird nur gegenüber dem Therapeuten empfunden, weil er die Behandelten in eine meist sehr anstrengende Position bringt (D2, T1). Auch wenn Gefühle relativ selten während der Behandlung auftreten, können sie auf der Basis der therapeutischen Beziehung zunehmend offener gezeigt werden (z.B. M1/2).  

Exemplarisch möchte ich hier auf zwei Gefühle eingehen, die leicht übersehen werden könnten: auf das Gefühl der Angst, die beispielsweise von Tobias berichtet wurde, und auf das Gefühl der Lust, das von Kay besonders thematisiert wurde.

36. Angst   Nach REICH steht Angst oft im Zusammenhang mit der Behandlung und könnte eventuell mit dem Lösen bestimmter Blockaden und dem anschließenden Blockieren benachbarter Segmente zusammenhängen:  

“Sehr oft reagiert der Organismus auf diese ersten Strömungen und Zuckungen mit neuerlicher Abpanzerung. 

(...) Da mehr Orgonenergie frei wurde, als der Kranke zu entladen fähig ist, da ferner noch an zahlreichen Stellen Spasmen sich der plasmatischen Strömung widersetzen, kommt es zu akuter Angstentwicklung” (vgl. REICH 1989, 491).  

Inwieweit die von Tobias berichtete, scheinbar grundlos aufgetauchte Angst auf diese von REICH beobachteten Zusammenhänge rückführbar ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Sie kam während der Behandlung im Stehen kurzzeitig auf und verschwand so schnell wie sie gekommen war.  

These 6: Während der Behandlung mit der Pulsationsarbeit kann es ähnlich wie in der Vegetotherapie zum Empfinden von Angst kommen.    

37. Lustempfindungen   Die Empfindungen von Lust bzw. von Strömungen, Wellen und dergleichen mehr können von den Behandelten als sexuelle Empfindungen wahrgenommen und bewertet werden. Diese Bewertung scheint jedoch damit zusammenzuhängen, daß solche Empfindungen bisher - wenn überhaupt - tatsächlich nur im Zusammenhang mit der eigenen Sexualität erlebt wurden. Neu wird für die meisten der Behandelten sein, daß es sich hierbei um tiefer liegende Prozesse handelt, um plasmatische Strömungen und vegetative Empfindungen, die im Laufe der Behandlung ermöglicht werden, die jedoch nicht primär auf Sexualität abzielen. Diese lustvollen Strömungen und die damit zusammenhängenden wellenartigen Bewegungen, die meist erst in einem späteren Stadium der Arbeit auftreten, sind als Ausdruckssprache des Lebendigen zu verstehen und sollten entkoppelt werden können von der reinen Sexualisierung dieser Vorgänge. Dazu bedarf es jedoch des Gesprächs zwischen Behandelten und Therapeuten, um eine entsprechende Einordnung zu ermöglichen und um gleichzeitig auch an der therapeutischen Beziehung zu arbeiten. In dem Maße, wie es den Behandelten möglich wird, diese Prozesse als körpereigene Prozesse anzunehmen und nicht als Übertragungsphänomene innerhalb der therapeutischen Beziehung, wird sich auch die Beziehungsebene zwischen Behandelten und Therapeuten ändern.  

These 7: Das Wahrnehmen von Lustempfindungen während der Behandlung beruht auf dem Wahrnehmen tieferer Vorgänge, die sich unter anderem auch in der Sexualität äußern können. Eine Entkopplung dieser tiefen Empfindungen von sexuellen Fantasien sollte im Sinne einer guten Beziehungsgestaltung durch entsprechende Gespräche zwischen Behandelten und Therapeuten möglich sein.     38. Gedanken   Gedanken, die genannt wurden, sprechen einerseits für den Versuch, die Behandlung so weit wie möglich zu kontrollieren, sich irgendwie unliebsamen Begleiterscheinungen zu entziehen oder in die Ferne zu schweifen:  
- Kontrolle: Gedanken, die sich der Behandelte als Beobachter des Geschehens macht (D1), (D2), Gedanken als Versuch, die Vorgänge während der Behandlung zu verstehen (U1).
- Ablenkung: banale Gedanken zur Ablenkung während der Behandlung (M1), Gedanken, die der Schmerzreduktion gelten (M2), (H2). 
- Gedanken, die über das Therapiegeschehen hinausgehen: Gedanken über die Bedeutung sexueller Empfindungen für die Therapie (K1), Gedanken über Beziehungen (M1) und Gedanken über den Einfluß der Therapie auf das Leben (M1).  
In diesem Zusammenhang möchte ich die “Experimente” mit der bewußten Schmerzreduktion (H2) nennen, in denen der aktuelle Schmerz aufgrund der muskulären Anstrengung durch positiv gefärbte Erinnerungen einfach ausgeschaltet werden konnte. Es läßt sich jedoch nicht beantworten, welche Auswirkungen diese positiv gefärbten Erinnerungen auf die Zustände der Plasmaerregung selbst bzw. auf die damit gekoppelten Ausdrucksbewegungen hatten.  

Meiner Meinung nach zeigen sich hier zwei Pole der Präsenz während der Behandlung: das bewußte Wahrnehmen der Situation und das bewußte Ablenken von möglichen, teilweise sogar schmerzhaften Wahrnehmungen. Jede/r Behandelte kann in jeder Stunde je nach Aufmerksamkeit unterschiedlich präsent sein.  

Es läßt sich aus dem vorliegenden Material vermuten, daß das therapeutische Geschehen durchaus vom Grad der Aufmerksamkeit seitens der Behandelten abhängen kann. Während Monika weniger Schmerzen spürt, wenn sie mit ihren Gedanken bei sich bleibt (M2), spürt Horst weniger Schmerz, wenn er bei seinen positiven Erinnerungen bleibt (H2). Es scheint keine feste Regel zu geben.   Zusammenfassung   Das Gedankenmaterial zeigt keinen direkten Zusammenhang zu biographischem Material, das während der Behandlung aktuell aufgestiegen wäre. Die berichteten gedanklichen Inhalte zeigen einen starken Bezug zur aktuellen Aufmerksamkeit während der Behandlung in der Polarisierung “bewußtes Beobachten” und “bewußte Ablenkung”.    

39. Veränderungen in der Symptomatik   Hinsichtlich der Ausgangssymptomatik läßt sich folgendes feststellen:  

Unverändert blieben die starken Menstruationsschmerzen bei Monika, die Schmerzsymptomatik bei Judith, sowie die Neurodermitis bei Kay. Bei Judith stellten sich vermutlich aufgrund ihrer Neurodermitis Juckreize nach den Behandlungen ein. Daniels Sehschärfe verschlechterte sich etwas nach einer der Behandlungen. Direkte positive Veränderungen der angegebenen Ausgangssymptomatik sind nur ansatzweise und z.T. auch mit einem gewissen Zweifel (?) angegeben worden:

- Reduktion des Kopfschmerzes (Ursus) (?)
- Verbesserung der Haut (Tobias) (?)
- Verringerung der Asthmaanfälle (Tobias)
- Verringerung der Nacken- und Kreuzschmerzen (Tobias)
- Veränderungen am entzündeten Fuß (Daniel)  

These 8: Die Pulsationsarbeit wirkt sich meist erst über längere Zeit auch auf die von den Behandelten angegebene Symptomatik aus. Dabei ist die Veränderung der Symptomatik als Folge der Beeinflussung des gesamten Organismus zu verstehen. Eine direkte, nur auf die Symptomatik abzielende Behandlung ist nicht möglich.          
40. Mögliche Wirkmechanismen der Pulsationsarbeit  
Die Ergebnisdarstellung hat gezeigt, daß die einzelnen Personen, die mit der Pulsationsarbeit behandelt worden sind, sowohl unterschiedliche als auch vergleichbare Reaktionen hinsichtlich ihrer körperlichen und emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten als auch hinsichtlich ihrer subjektiven Befindlichkeit gezeigt haben.  Eine eindeutige Einordnung der Behandelten in die drei von LASSEK beschriebenen Reaktionstypen ist nicht eindeutig möglich gewesen. Bei der folgenden Diskussion möchte ich mich auf vier Schwerpunkte beziehen: 

- das Modell der therapeutischen Tiefung            
- die Vorgänge auf der neuro-muskulären Ebene
- die Vorgänge auf der Ebene des Meridiansystems
- die Vorgänge im Zusammenhang mit der organismischen Umschaltung.    

41. Therapeutische Tiefungsebenen  

PETZOLD (1993) entwickelte ein Modell der therapeutischen Tiefung, das für alle erlebniszentrierten und integrativen Verfahren verwendet werden kann. Intensive und umfassende therapeutische Prozesse beeinflussen verschiedene Dimensionen des Menschen: seine Körperlichkeit, seine Emotionalität, seine geistigen Strebungen, seine Sozialität und seinen Lebensraum. Um an frühe Schädigungen (Defizite, Störungen, Konflikte) heranzukommen, ist eine therapeutisch induzierte Regression angestrebt. Dadurch wird ein sogenanntes Nachsozialisieren auf emotionaler und somatomotorischer Ebene möglich, verbunden mit einer nachfolgenden Aufarbeitung zwecks kognitiver und emotionaler Integration.  

Während der Regression verringert sich die kognitive Kontrolle zugunsten autonomer Reaktionen des Organismus. Die Ebene der autonomen Körperreaktionen ist für PETZOLD die tiefste Ebene, auf der traumatische Ereignisse oder Störungen durchgearbeitet werden können. Dabei kann es sowohl zu Gefühls- und Verspannungsentladungen kommen als auch zu den weniger spektakulären Alternativerfahrungen von Lust, satter Zufriedenheit oder Glück. Da PETZOLD Regression als "therapeutisch induzierte Krise" versteht, ist die "Rückführung" als Progression durch die darüber liegenden Ebenen im Sinne einer Krisenbewältigung im Rahmen einer integrativen Therapie unbedingt notwendig.

Pulsationsarbeit dagegen zielt zwar ab auf eine Ebene der autonomen Körperreaktionen und möglicherweise können die autonomen Bewegungen als Verspannungsentladungen im Sinne PETZOLDs verstanden werden. Dennoch wird hier nicht an den “primären Schmerz-Pools”, d.h. an der Aufarbeitung von Traumata u.ä. gearbeitet. Die sogenannten Alternativerfahrungen ("sich wohl fühlen" usw.) können während der Behandlung durchaus erlebt werden. Aber - und dies sei mit aller Deutlichkeit gesagt: die Pulsationsarbeit arbeitet mit der Regression nicht als therapeutisch induzierter Krise. Regression auf die Ebene der autonomen Reaktionen bzw. Körperbewegungen ist zwar beabsichtigt, aber sie erfolgt unter Umgehung der anderen Ebenen der therapeutischen Tiefung. Genau genommen zielt die Pulsationsarbeit mit dem Umgehen emotionaler Entladungen auf die Ebene, die sogar noch unter der Ebene der autonomen Körperreaktionen liegt, auf die organismische Ebene der plasmatischen Reaktionen.  

Die Ebene der Gefühle scheint vermutlich nicht in jedem Fall umgehbar. PETZOLD gibt sicher mit Recht zu bedenken, daß bestimmte Berührungen an bestimmten Körperstellen gerade erst Gefühle und damit verbundene Erinnerungen auslösen können, die dann in der Therapie weiter bearbeitet werden sollten. Diese Bedenken konnten anhand der ausgewerteten Interviews für die Behandlungsmethode der Pulsationsarbeit nicht bestätigt werden. Die gezielten, bestimmte Punkte stimulierenden Berührungen wurden vorwiegend als gefühlsneutrale Reize (Druck) wahrgenommen. Dennoch halte ich es für möglich, daß auch Gefühle ausgelöst werden können, wenn bestimmte Körperbereiche entsprechend sensibel dafür sind. In diesem Fall wäre ein entsprechendes therapeutisches Reagieren angezeigt.   PETZOLD wirft den Arbeiten des mittleren und späten REICHS und seinen Schülern recht pauschal und undifferenziert vor, daß sie ihre Hoffnung auf ein plötzlich auftretendes “großes Durchbruchserlebnis” setzen würden  (vgl. PETZOLD 1993, 45ff). Dies kann ich so nicht für die durch die Pulsationsarbeit ausgelösten Prozesse sehen. Auch auf der organismischen Ebene besteht die Arbeit aus vielen kleinen Schritten. Was auf der organismischen Ebene allerdings nicht möglich ist, ist die “sorgfältige Bearbeitung von Übertragungen”. Inwieweit diese Bearbeitung von Übertragungen nicht nur nicht möglich, sondern auch nicht nötig ist, kann mit dem vorliegenden Material nicht befriedigend beantwortet werden.  

These 9: Die Pulsationsarbeit zielt nach dem Modell der “therapeutischen Tiefung” bis auf die tiefste, die organismische Ebene ab. Auf dieser Ebene werden plasmatische Reaktionen ausgelöst. Dabei wird Regression weder als "therapeutisch induzierte Krise" betrachtet, noch wird eine anschließende Progression durch alle Ebenen als entsprechende Konfliktlösung mit schrittweiser Integration des Erlebten für notwendig erachtet.    

42. Zusammenhänge zwischen muskulärem System und Gesamtorganismus  

Es bestehen interindividuelle Unterschiede in den körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die vor allem auf muskulärer Ebene betrachtet werden können. Ein Modell, das die unterschiedliche Sensibilität für die Wahrnehmung körperinterner Reize als auch Unterschiede im emotionalen Erleben und im körperlichen Ausdrucksverhalten im Zusammenhang mit der Muskelmehrarbeit sieht, wurde bereits unter 5.4.2 diskutiert. Dies legt die Vermutung nahe, daß sich ein unterschiedlicher Grad an chronischer muskulärer Anspannung auch in den Reaktionen bei der Pulsationsarbeit zeigen würde. Eine Zunahme der Bewegungen und damit der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten entspräche dann der Auflösung muskulärer Erstarrung. Um diese Annahme etwas zu untermauern, möchte ich weiter ins Detail gehen.    

43. Physiologische Vorgänge infolge muskulärer Anstrengung  

Wenn Anstrengung und Schmerz während der Behandlungen beim Auftreten von Bewegungen geringer werden, dann könnte dies physiologisch mit dem Übergang von einer statischen muskulären Haltearbeit zu einer dynamischen muskulären Arbeit zusammenhängen. Letztere wird als weniger anstrengend empfunden, weil dem Körper wieder  Ausgleichsbewegungen möglich werden. Die Umschaltung von der statischen zur dynamischen Muskelarbeit ist kein vom Bewußtsein gesteuerter Vorgang. Trotz bewußter Aufrechterhaltung der Anspannung entwickeln sich autonome Körperbewegungen. Für eine Rückführung dieser autonomen Bewegungen auf die ständig vorhandenen Bewegungen des Organismus, sozusagen als eine Verstärkung von Mikrotremor und Mikrovibration, sprechen folgende Angaben:   “Nach H. ROHRACHER (1962) vollzieht der Organismus von Warmblütlern ständig Schwingungen im Bereich von 7-18 Hz mit einer Amplitude von 1-5 Mikron. Die Schwingungen werden als Mikrotremor oder Mikrovibration (MV) bezeichnet. ... Die Amplitude der MV erhöht sich bei allen Arten psychischer Anspannung mit steigender Intensität. ... Nach HUBER (1965) ist die Frequenz bei emotional Labilen höher als bei stabilen Pbn. (...) Sämtlichen Willkürbewegungen überlagert sind mehr oder weniger regelmäßige Schwingungen aller Extremitäten. Besonders deutlich sind sie bei Messungen an Finger und Hand. Der Fingertremor hat eine Frequenz von 5-15 Hz (X~10) und eine Amplitude von 0,05-3mm. In pathologischen Fällen kann die Amplitude viel größer sein (bis zu einigen Zentimetern bei der Parkinson'schen Krankheit). Die Ursachen des physiologischen Tremors bei Normalpersonen sind ungeklärt. Wahrscheinlich handelt es sich um den Ausdruck oscillatorischer Korrekturbewegungen des Streckreflexsystems ... Frequenz und Amplitude zeigen signifikante, aber relativ niedrige Korrelationen mit der subjektiven “inneren” Spannung” (JANKE 1976, 16).

Auch wenn von HUBER nicht definiert wurde, was “emotional labil” genau bedeutet, scheint der beobachtete Unterschied zu “stabilen Probanden” wie auch der Verweis auf die Zusammenhänge zwischen Amplitude des Tremors mit psychischen Anspannungen darauf hinzuweisen, daß es bereits auf der Ebene der Mikrovibrationen meßbare Unterschiede hinsichtlich körperlicher Bewegungen gibt. Es läßt sich daraus noch nicht ableiten, ob sich diese Unterschiede auch bei deren Verstärkung durch die Behandlung im sichtbaren Bereich auswirken bzw. inwieweit auf dieser Ebene bereits verschiedene Reaktionstypen klassifiziert werden könnten. 

These 10: Während die Willkürbewegungen bewußt unterdrückt werden, scheint es so zu sein, daß die ständig vorhandenen und die Willkürbewegungen überlagernden “Korrekturbewegungen” aufgrund der extremen muskulären Anspannung in ihrer Amplitude soweit verstärkt werden, daß sie sogar spür- und sichtbar werden. Aus den Überlagerungen formen sich autonome Bewegungen.    

44. Muskuläre Anstrengung, Wahrnehmung von Anstrengung und selbstregulative Körperprozesse  

Über die Wege, wie Wahrnehmung von Anstrengung erfolgt, läßt sich nach BISCHOFF (1989, 75f) folgendes zusammenfassen:  

- Bei geringen und mittleren Belastungsintensitäten - unabhängig von Art und Dauer - liefern die lokalen Faktoren (Spannungsempfindungen in den arbeitenden Muskeln) die afferente Information für die wahrgenommene Anstrengung, bei stärkeren Belastungen dagegen die zentralen Faktoren (Empfindungen von Herz-Kreislaufparametern) und bei Maximalbelastung lokale und zentrale Faktoren gleichermaßen.
- “Die Wahrnehmung der Muskelaktivität geht sowohl bei dynamischer als auch bei statischer Muskelarbeit in das Anstrengungsurteil ein.”
- Nach MIHEVIC (1981) bestimmen “bei kürzeren Belastungen ... überwiegend die neurogen vermittelten Wahrnehmungen das Anstrengungsurteil. Bei längeren Belastungen gewinnen biochemisch vermittelte Stimuli ... zunehmend Einfluß auf das Urteil ...” (BISCHOFF 1989, 76).  

“Die Wahrnehmung dieser interozeptiven Reize hat zweifelsohne adaptive Funktion. Allgemein steigert sie, insofern sie selbstregulatives Verhalten (Handlungsregulationen) einleitet, das körperliche Wohlergehen. Das selbstregulative System der Wahrnehmung von Körperprozessen ist jedoch fehleranfällig” (BISCHOFF 1989, 79).  

“Mit PENNEBAKER (1982) ist anzunehmen, daß Fehlregulationen der Interozeption hauptsächlich die Folge von Lernprozessen sind, d.h. durch positive oder negative Verstärkung und Bestrafung erworben und aufrechterhalten werden ... Die Nichtwahrnehmung von interozeptiven Signalen bei emotionalen Reaktionen kann gelernt werden, wenn die von den aufgerufenen Emotionen geleiteten Handlungen auf aversive Konsequenzen stoßen” (zitiert nach BISCHOFF 1989, 80f).  

Wie schon ausgeführt finden sich diese Lernprozesse auf muskulärer Ebene manifestiert wieder. Nach BISCHOFF hängt “insbesondere bei statischer Arbeit ... die Dauer der Belastung und die wahrgenommene Anstrengung mit der Zahl der efferenten Impulse (der Begleitentladungen) zusammen.” (BISCHOFF 1989, 80).  

“Bei der konstanten Realisierung einer definierten Kraft wächst die wahrgenommene Anstrengung, da zur Herstellung dieser Kraft immer mehr motorische Befehle zentral generiert werden müssen” (KILBOM et al. 1983; McCLOSKEY et al. 1983, zit. nach BISCHOFF 1989,  80f).  

Insofern ist es nicht verwunderlich, daß Klienten infolge der Maximalbelastung in der Pulsationsarbeit durch langandauernde statische (und später auch dynamisch werdende) Muskelarbeit anfangs schon relativ schnell eine extreme Anstrengung wahrnehmen, die nach subjektiv variablen Zeiten zu starken Schmerzgefühlen und zum Beenden der Übung führen kann.  

These 11: Die zunehmende Zahl der Begleitentladungen bei der Aufrechterhaltung einer konstanten Kraft bei statischer muskulärer Arbeit könnte beim Überschreiten einer bestimmten Toleranzgrenze mit dazu führen, daß sich sichtbare Handlungsregulationen in autonomen Bewegungen äußern.   Wenn die Wahrnehmung von interozeptiven Reizen eine adaptive Funktion hat und durch das Einleiten von selbstregulativem Verhalten das körperliche Wohlergehen steigert, so könnte dies bedeuten, daß die bewußte Nichtwahrnehmung dieser Signale (z.B. Schmerzausschaltung bei H2) selbstregulatives Verhalten verzögert. Inwieweit das Nichtwahrnehmen-Wollen oder -Können interozeptiver Reize jedoch tatsächlich entscheidenden Einfluß auf die selbstregulativen und damit auf die Prozesse der Pulsationsabeit hat, müßte extra untersucht werden.    

45. Aktivation der Formatio Reticularis (FR) und organismische Gesamterregung   Aus psychophysiologischen Untersuchungen ist bekannt, daß ganz spezifische Prozesse (Emotion, Wahrnehmung, Denken) dazu führen, daß der Organismus als ganzer mit einer Veränderung seiner Handlungsbereitschaft antwortet. Diese Handlungsbereitschaft bzw. unspezifische Aktivation läßt sich auf allen organismischen Ebenen beobachten, beispielsweise in der Desynchronisation des EEG im ZNS, in der Erhöhung der Sympathikusaktivität im VNS, in der Erhöhung der Muskelspannung, des Tremors sowie der Mikrovibrationsamplitude und -frequenz im muskulären System, im erhöhten Grundumsatz des Stoffwechsels sowie der erhöhten Ausscheidung von Catecholaminen und Corticoiden im endokrinen System.  

“Der Organismus wird in allen organismischen Teilsystemen offensichtlich im Sinne einer erhöhten Handlungsbereitschaft verändert. DUFFY (1962) spricht deshalb von einer “energy mobilisation”” (JANKE 1974, 26), wobei das reticuläre System (FR) eine Schlüsselrolle in allen Aktivationstheorien spielt. 

 “Nach klassischer Anschauung erhält die FR über Kollaterale Informationen über alle spezifischen Bahnen, sowie über die Aktivität der Muskelspindeln (proprioceptive Information). ... Nach der klassischen Modellvorstellung führen die Erregungen der FR ihrerseits zu einer Erregung des somato-sensorischen Cortex” - Arousalreaktion des Cortex (JANKE 1974, 26f).

Ergänzend dazu hat die FR aber auch hemmende Einflüsse auf den Cortex. Sie ist nicht unabhängig von anderen Systemen, sondern steht in enger Beziehung zum Thalamus, zum Cortex, sowie zum Hypothalamus und zum limbischen System. Da es sich bei den beiden letztgenannten Systemen offensichtlich auch um spezifische emotional-motivationale “Zentren” handelt, erscheint es heute immer sicherer, daß die FR zwar überwiegend allgemein aktivierende Funktionen hat, jedoch auch an der Spezifizierung von psychophysiologischen Prozessen beteiligt ist.  

Nach BIRBAUMER sind die vielfältigen Aufgaben der FR bisher nur unvollkommen erkundet. Zusammenfassend wird der FR an folgenden Funktionen Mitwirkung zugesprochen: 

- Steuerung der Bewußtseinslage durch Beeinflussung der Erregbarkeit cortikaler Neurone und damit Teilnahme am Schlaf-Wach-Rhythmus
- Vermittlung der affektiv-emotionalen Wirkungen sensorischer Reize durch Weiterleitung afferenter Informationen zum limbischen System
- Vegetativ-motorische Regulationsaufgaben, besonders bei lebenswichtigen Reflexen (z.B. bei Kreislauf-, Atem-, Schluck-, Husten-, Nießreflexen), bei denen viele afferente und efferente Systeme miteinander koordiniert werden müssen - - - - - Mitwirkung an der Stütz- und Zielmotorik über die motorischen Zentren des Hirnstammes (BIRBAUMER 1990, 318).  

Die Mehrzahl der Psychologen nimmt heute den Standpunkt ein, daß Aktivation eine organismische Gesamterregung sei, die sich in den Effektoren des VNS und des endokrinen Systems ebenfalls ausdrücke, wobei die FR und der Cortex als eine Art Steuerzentrum angesehen werden (vgl. JANKE 1974, 28).  

These 12: Durch die Pulsationsarbeit erfolgt eine Aktivation der FR (Formatio Reticularis), wodurch gleichzeitig Einfluß auf die anderen Systeme des Organismus genommen werden kann.    

46. Umweltveränderungen und Aktivation  

Äußere Reize ziehen eine Veränderung der Aktiviertheit nach sich. In der Aktivierungsforschung sind bestimmte Stimuli nach der Art, dem Ausmaß und der Dauer der Reiz- bzw. Umweltvariation klassifiziert worden. In Abhängigkeit davon werden wiederum bestimmte Aktiviertheitsvariationen bedingt. Überträgt man diese Klassifizierung der Reizvariationen auf den Bereich körpertherapeutischen Handelns bzw. speziell auf die Pulsationsarbeit, in welcher ja zu Beginn eine Aktivierung und eine organismische Gesamterregung (“energy mobilisation”) angestrebt wird und verschiedene Interventionen eingesetzt werden, so ließe sich die Tabelle (nach JANKE 1974, 30) wie folgt modifizieren:

Stimulusmerkmale    Stimulusklassen         Beispiele aus verschiedenen
                                                         Stimulusklassen

Psychische             Sensorische Stimuli    Töne singen, Atemgeräusche
Funktionen             (Wahrnehmung)      
                            Kognitive Stimuli        Ausführen von Bewegungsmustern
                            Emotionale Stimuli      Witze erzählen
                            Motivationale            Aufmunterung
                            Stimuli
Intesität der           Unterschwellige          Pusten auf Akupunktur, Arbeit ohne
Stimuli                   Reize                        Berührung (Arbeit ym biologischen
                                                          Feld)
                            Überschwellige           muskuläre Anspannung
                            Reize
Dimensionalität        Eindmensionale           Ton beim Ausatmen
der Stimuli              Reize
                            Oligodimensionale        verschiedene Töne, Geräusche
                            Reize
                            Multidimensionale        rückwärts Zählen in Intervallen
                            Reize
Dauer der Stimuli      Kurzdauernde            feine Streichbewegungen im Gesicht
                            Reize                                                                                                         Langdauernde            Drücken der Apupunkturpunkte
                            Reize
Regelmäßigkeit der   Kontinuirliche              gleichmäßige Muskelanspannung
Stimuli                   Reize
                           Regelmäßig kon-           koordinierte willkürl. Bewegungen
                           tinuierliche Reize          der Arme
                           Unregelmäßige dis-       Augen folgen dem Finger des
                           kontinuirl. Reize           Therapeuten
Wirkungsrichtung    Aktivierende Reize         Spannung halten
der Stimuli             Desaktivierende Reize    Entspannungsphasen
Informations-         Infoarme Reize             Lichtstrahl zur Augenmobilisierung
gehalt der Stimuli    Inforeiche Reize           Reize, die ohne Berührung gesetzt
                                                           werden    

Abb. 9: Diese Tabelle stellt einen Ausschnitt aus den Möglichkeiten der Reizvariationen (Interventionen) dar.  

These 13: In Anlehnung an die Aktivationsforschung geht der Ablauf der ersten Phase der Pulsationsarbeit (Energie-Mobilisierung) infolge multipler Stimulierung mit einer organismischen Gesamtaktivation einher.  

Zusammenfassung  

Das muskuläre System eines Organismus befindet sich in ständiger, mehr oder weniger regelmäßiger Schwingung (Mikrovibrationen, -tremor), wobei willkürliche Bewegungen von den unwillkürlichen Schwingungen überlagert sind, die im Falle der Pulsationsarbeit bis in den sichtbaren Bereich hinein verstärkt werden können. Das selbstregulative System löst aufgrund der Wahrnehmung von Körperprozessen (interozeptive Reize) und aufgrund der damit zusammenhängenden unspezifischen organismischen Aktivation Handlungs- und andere Regulationsprozesse auf den verschiedensten Ebenen des Organismus aus, die durch Setzen äußerer Stimuli weiter verstärkt werden können.  

Aufgrund verschiedener individueller Entwicklungen (Lernerfahrungen, Unterdrücken emotionalen Ausdrucks, ständig erhöhte Muskelspannung, reduziertes Ausdrucksverhalten, geringere Wahrnehmungssensibilität für interozeptive Reize) ist das selbstregulative System und die darauf beruhenden Regulationsprozesse fehleranfällig. Unterschiedliche Reaktionen im Ausdrucksverhalten könnten auf diese Fehleranfälligkeit zurückgeführt werden. Auch die bereits auf der Ebene der Mikrovibrationen festgestellten Unterschiede könnten unterschiedliches Ausdrucksverhalten mitbestimmen oder selbst bereits Folge eines tieferliegenden (emotionalen oder plasmatischen) Ausdrucksverhaltens sein.    

47. Meridiane und Punkte - das Modell der Akupunktur  

Zur neuro-muskulären Ebene kommt die Ebene der Meridiane und der dazugehörigen Punkte hinzu, die in der Pulsationsarbeit durch Fingerdruck (ähnlich wie in der Akupressur) beeinflußt werden. Die berichteten  Phänomene, die nach Berühren bestimmter Punkte wahrgenommen wurden, legen es zumindest nahe, diese energetische Ebene mit zu betrachten. Die Untersuchungen, die ich im Folgenden anführen werde, sollen ein Einordnen der berichteten Phänomene erleichtern.    

48. Akupunktur und physiologische Meßbarkeit  

Etwa seit 1972 erforschen westliche Wissenschaftler die Phänomene der Akupunktur. Sie fanden, daß die Meridiane als elektrophysiologische Erscheinung tatsächlich existieren und daß sich die wissenschaftliche Kartographie der Akupunktur-Meridiane und -Punkte zu 80-90% mit der Akupunktur-Tafel deckt, die in China seit Tausenden von Jahren überliefert wurde. Die Stimulierung entsprechender Akupunktur-Punkte führt zu meßbaren Veränderungen im Darm- und Herzbereich sowie in anderen Organen und zu ebenfalls meßbaren Impulsen, die in der Großhirnrinde empfangen werden. Zusammenhänge zwischen Meridianen und inneren Organen wurden nachgewiesen (vgl. CHIA 1985). Akupunkturpunkte können mechanisch (durch Nadeln in der klassischen Akupunktur, durch Fingerdruck in der Akupressur) stimuliert werden. Danaben wird auch die elektrische Stimulierung praktiziert. Letztere gilt als Methode der Wahl, wenn es um die neurophysiologische Erforschung der Akupunkturpunkte geht (vgl. STUX 1989). Auch mit Schall und Laserlicht ist eine Stimulierung der Akupunkturpunkte möglich, wobei die Laserbehandlung sogar wirksamer zu sein scheint als die klassische Methode der Nadelung bzw. der elektrischen Stimulierung (vgl. BISCHOF 1995, 393f).  

Gegenüber der “normalen” Haut scheinen die Akupunkturpunkte besondere Hautareale mit einer etwa zehnmal höheren Leitfähigkeit zu sein. Entsprechend lassen sich an Akupunktur-Punkten niedrigere Hautwiderstände messen als auf der umgebenden Haut (50.000 Ohm im Gegensatz zu 200.000 bis 2 Mio. Ohm). Akupunktur-Punkte besitzen ein elektrisches Potential gegenüber der umgebenden Haut und stellen damit sozusagen eine Stromquelle dar, wobei die Punkte um 5 mV positiver sind als die Umgebung. Somit liegt die Idee nahe, gerade an diesen Punkten Messungen durchzuführen. Hinsichtlich der verwendeten Meßmethoden, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, werden zum Teil starke Bedenken geäußert (vgl. STUX 1989, 28).    

49. Akupunktur und Analgesieforschung  

In den letzten Jahren schränkten sich die meisten der neurophysiologisch orientierten Forscher auf zwei Fragen ein:

- Wirkt die Akupunkturanalgesie tatsächlich - also über einen physiologischen und nicht nur Placebo-/psychologischen Effekt?
- Wenn sie wirkt, dann auf welchen physiologischen Wegen? (Vgl. STUX 1989).   Aufgrund dieser Einschränkung konnten experimentell Hinweise zusammengetragen werden, die Aufschluß über die neuronalen Mechanismen der Schmerzübertragung bzw. Hemmung dieser Schmerzübertragung durch Akupunktur (Analgesie) geben und die einen tatsächlichen physiologischen Effekt bestätigen. Speziell durch die Beschäftigung mit der Elektroakupunktur konnte gezeigt werden, daß die Art der Analgesierung von der Frequenz und der Intensität der Stimulierung abhängt. Langsame Stimulierung des Akupunktur-Punktes (2-4 Hz) bei hoher Intensität führt zu einer langsam einsetzenden, sich kumulierenden und langanhaltenden Analgesie, die hochfrequente Stimulierung (50-200 Hz) bei geringer Intensität führt zu einer schnell einsetzenden aber nur kurzzeitig wirksamen Analgesie ohne Kumulation (vgl. STUX 1989, 10).  

Hinsichtlich des physiologischen Weges konnten verschiedene anatomische Strukturen beschrieben werden, die sich in der Nähe der Akupunktur-Punkte befinden. Ca. 71% der Akupunktur-Punkte fallen mit Triggerpunkten (schmerzhafte sensorische Reizpunkte) zusammen, so daß sich vermuten läßt, daß die Nadeln sensorische Nerven, die von Muskeln ausgehen, aktivieren.  

These 14: Die in der Pulsationsarbeit verwendeten Punkte sind Akupunktur-Punkte. Unterschiedliche Frequenzen in der Stimulation dieser Punkte durch Pressur (Pulsation) könnten sich in Analogie zur Analgesiebehandlung unterschiedlich auswirken. Da für die Pressur nur die langsame Stimulierung des Akupunktur-Punktes (max. 4 Hz) bei unterschiedlich hoher Intensität in Frage kommt, könnte dies zu einer langsam einsetzenden, sich kumulierenden und langanhaltenden Wirkung der Behandlung beitragen.

50. Morphologische Grundlagen der Akupunktur  

Ein weitergehender Impuls zur Erforschung der Akupunkturpunkte kommt von der Seite der ganzheitsbiologischen Medizin.  

“Über 80% der klassischen Akupunkturpunkte stellen Perforationen der oberflächlichen Körperfaszie (Fcs) zwischen Subkutis und Muskulatur dar. ... Durch die bis zu 7 mm im Durchmesser großen, scharf konturierten runden schlitzförmigen Perforationen zieht ein in Mesenchym gehülltes Nerven-Gefäßbündel aus der Haut in die Tiefe ... Während die Fcs als kollagene Platte hohen elektrischen Widerstand bietet, bricht dieser im Perforationsbereich vor allem wegen der wasserreichen Mesenchymscheide des Nerven-Gefäßbündels schlagartig zusammen. ... In der klassischen chinesischen Medizin werden aus historischen Gründen lediglich 361 Punkte therapeutisch genutzt. Tatsächlich gibt es jedoch mehrere Tausend derartiger Faszienperforationen mit jeweils einem durchtretenden Nerven-Gefäßbündel ... Auch dort, wo keine Fcs entwickelt ist (Gesicht, Kopfschwarte, Akren) bzw. spezielle Verhältnisse vorliegen wie in der vorderen und hinteren Mittellinie des Körpers, gilt das Prinzip des mesenchymumhüllten Nerven-Gefäßbündels im Punktbereich. ... Eine besondere Situation liegt in den Akupunkturpunkten entlang der vorderen und hinteren Mittellinien des Körpers (Du Mai- und Ren Mai-Meridian) vor. Nur in diesen Bereichen wird das Nerven-Gefäßbündel der Punkte von beiden Körperseiten her aufgebaut. (...) Alle in der EAP (Elektroakupunktur nach Voll - Anm. d. Verf.) genutzten Akupunkturpunkte lassen sich somit auch morphologisch genau reproduzierbar charakterisieren.” (HEINE 1994, 4-6).  

Als eine spezielle Grundlage der Ohrakupunktur gilt die Vorstellung, daß sich der ganze Körper somatotopisch in der Haut der Ohrmuschel repräsentiert findet.  

“Das Ohr ist der Ort, an dem alle Meridiane sich treffen” (VEITH 1972, zit. nach HEINE 1993, 99).  

Nach HEINE (1993) liegt der Ohrakupunktur ein eigenes morphologisches Substrat zugrunde. So lassen sich in der Ohrhaut eiförmige, geflochtene Kollagenkörper (ein Strukturglykoprotein der Grundsubstanz im Bindegewebe, größter Durchmesser ca. 0,1 mm) beobachten, die von terminalen somato-sensiblen sympathischen und parasympathischen Axonen (Hervorhebung durch den Verf.) umsponnen (“innerviert”) werden. 
 
“Im Areal eines Ohrakupunkturpunktes lassen sich mehrere derartige Körperchen nachweisen. Aufgrund der Innervation des Ohres über Äste aller Kiemenbogennerven sowie Spinalnerven des sensiblen Halsplexus sind die Körperchen an alle Kerngebiete des Gehirnstammes angeschlossen” (HEINE 1993, 99).  

“Bei allen Veränderungen mechanischer, thermischer, biochemischer und elektrischer Art reagiert Kollagen mit veränderter Piezoelektrizität und Ladungsänderung seiner negativ geladenen Hülle (Henlesche Scheide) aus PG/GAGs (Proteoglykane/ Glykosaminoglykane - Anm. d. Verf., vgl. PISCHINGER 1989). Letztere sind zur Wasserbindung und zum Ionenaustausch befähigt, wodurch sie ein allen Situationen angepaßtes “Strömungspotential” entfalten. Aufgrund ihrer visko-elastischen Fähigkeiten sind sie gleichzeitig zu mechanisch-elektrischer Energietransformation befähigt” (HEINE 1993, 101f). Diese Tatsachen lassen “die Kollagenkörperchen der Ohrakupunkturpunkte funktionell als besondere Biosensoren erscheinen.” (HEINE 1993, 99).  

Darüber hinaus gilt, “daß funktionell bedeutsame Grundsubstanzkomponenten wie Kollagen und PG/GAGs aufgrund ihrer Struktur und Ladung das Phänomen der “Verschlackung” zeigen, d.h. inadäquate Stoffwechselprodukte (Schwermetallionen, Defektproteine, Antigen-Antikörperkomplexe) binden sowie altersbedingt einer fortschreitenden nichtenzymatischen Glykosilierung unterliegen. ... Mit zunehmendem Alter kann es daher angezeigt sein, Akupunktur mit verschiedenen Ausschwemm- und Umstimmungstherapien zu kombinieren.” (HEINE 1993, 102).   These 15: Wird bei der Pulsationsarbeit am Ohr als dem “Treffpunkt aller Meridiane” gearbeitet, so beeinflußt dies den gesamten Organismus.  

These 16: Die Pulsationsarbeit wirkt der “Verschlackung” des Organismus entgegen.      
51. Akupunkturlinien und deren isotopische Verdeutlichung   DARRAS (1992) berichtet über die Forschungsergebnisse zur Darstellung des Verlaufs der Akupunkturlinien mittels radioaktiver Markierungsmittel. Einige der Ergebnisse, die im Zusammenhang mit dieser Arbeit als bedeutsam betrachtet werden, möchte ich hier kurz auflisten:  

“Wir können mit Sicherheit sagen, daß der Verlagerungsweg nach einer Technetiumspritze in einen Akupunkturpunkt weder venöser, noch lymphatischer, noch wohlgemerkt arterieller Art, sondern seine eigenen spezifischen Eigenschaften hat.” (DARRAS 1992, 4). 
 
Die da wären:
- Die Verlagerung des Isotops geschieht linear und in eine Richtung (erfolgt der Einstich in einem Nicht-Akupunkturpunkt erfolgt die Verteilung pfützenartig in alle Richtungen).
- Die Verlagerungsgeschwindigkeit des injizierten Isotops beträgt etwa 6 cm pro Minute, die Verlagerungsgeschwindigkeit in der Vene dagegen 6 cm pro Sekunde.
- Die Verlagerung nimmt jedesmal denselben Weg, wenn wieder in den entsprechenden Akupunkturpunkt injiziert wird.
- Die Verlagerung vollzieht sich vorzugsweise in zentripedaler Richtung, kann in bestimmten Fällen auch zentrifugal erfolgen.
- Im medianen rückseitigen Meridian DU MAI oder Lenkergefäß folgt die Energie YUAN einer steigenden Richtung der Zirkulation, wohingegen die Energie WEI einer abfallenden Zirkulation folgt.
- Es treten bei den Durchflußkurven periodische Wellen von 90 Sekunden auf, die keinerlei vergleichbare Periodizität mit denen der Atemwege oder des Herzrhythmus haben.
- “Sobald eine Stimulation in einem Punkt stattfindet, in dem eine Injektion erfolgte, überträgt sich die Reaktion auf der Durchflußkurve nicht nur in Form einer zusätzlichen Welle, sondern auch in Form einer Unterbrechung der Grundperiodizität. (Hier haben die neuen Wellen eine 45-Sekunden-Periodizität.)” (DARRAS 1992, 14). - - Es erfolgt eine sofortige Übertragung einer einseitigen Stimulation in einem Akupunkturpunkt auf die Gegenseite selbst bei Blockierung der Blut- und Lymphzirkulation durch Abbinden des Armes. Dies läßt darauf schließen, daß ein Schnellübertragungsmechanismus verwandt wird durch Veränderung der Membranpotentialisierung und durch Einschalten von neurologischen Mittlern, d.h. physiobiochemischen Substanzen (vgl. DARRAS 1992, 15).

Weiterhin scheinen die “Geschwindigkeitsveränderungen der isotopischen Verlagerung ab einem Akupunkturpunkt, in den injiziert wurde, entlang eines spezifischen Verlaufwegs, der der Topographie einer Akupunkturlinie entspricht, ... mit pathologischen Anzeichen in Zusammenhang zu stehen ... (es) scheint, daß:  

- eine bemerkenswerte Beschleunigung der Geschwindigkeit der isotopischen Veränderung darauf zu schließen scheint, daß eine pathologische Art von Entzündung in den Zell- und Organgeweben (Eingeweide) je nach geprüftem Meridian vorliegt.
- eine bemerkenswerte Verlangsamung der Geschwindigkeit der isotopischen Veränderung darauf zu schließen scheint, daß eine pathologische Art der Degeneration der Zell- und Organgewebe (Eingeweide) je nach geprüftem Meridian vorliegt.” (DARRAS 1992, 4)  
These 17: In der Pulsationsarbeit werden Stimulationen unterschiedlicher Intensität an den Akupunktur-Punkten gesetzt, wodurch Einfluß genommen wird auf Energie-Zirkulationen innerhalb der Meridiane.  

Zusammenfassung  

“Abschließend scheint es, daß mit dem genialen Konzept, alle Phänomene in einem Energieplan zusammenzuführen, wie dies die orientalische Tradition getan hat, es möglich machen müßte, in offenkundiger Art und Weise die fundamentale Einheit der unterschiedlichen Mechanismen in einem Spiel zusammenzubringen ...” (DARRAS 1992, 4).  

Die Wirkweise des Akupunktursystems scheint sich nicht auf die neurophysiologische Ebene eingrenzen und schon gar nicht befriedigend erklären zu lassen. Vielmehr bestätigt sich hier die Sicht der Systemtheorie und Kybernetik. Es geht nicht an, Teile aus einer Gesamtheit zu isolieren und gesondert zu betrachten, ohne ihr Zusammenspiel zu berücksichtigen. Dies trifft besonders für den menschlichen Organismus zu, der als ein mehr oder weniger offenes System betrachtet werden muß, das Materie, Energie und Informationen mit seiner Umwelt auszutauschen pflegt (vgl. BISCHOF 1995, 36). So sollten auch die Akupunkturpunkte nicht isoliert betrachtet werden, sondern in ihrer Funktion als Tore zu einem System, das ihnen immateriell zugrunde liegt.    

52. Organismische Umschaltung  

Der tiefere Prozeß, der durch die Pulsationsarbeit angeregt werden soll, besteht beispielsweise in der Beeinflussung des vegetativen und endokrinen Systems (organismischen Umschaltung), wie es bereits im Zusammenhang mit dem muskulären System bei der Erwähnung der Formatio Reticularis und der Zunahme der organismischen Gesamterregung angedeutet wurde. Neben der Anspannung wurde auch die Entspannung als eine Phase der Pulsationsarbeit benannt. Gerade hinsichtlich dieser beiden Phasen möchte ich noch kurz auf zwei thearpeutische Methoden eingehen, die bereits seit Jahren vor allem im Bereich der Psychosomatik angewendet werden: die Progressive Muskelrelaxation (PMR) und das Autogene Training (AT).    

53. Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach JACOBSON   Der Wechsel zwischen muskulärer Anspannung und Entspannung ist von der PMR nach JACOBSON (1938) her bekannt. Einer der Unterschiede besteht jedoch darin, daß in der PMR einzelne Muskeln oder Muskelgruppen mehrmals willkürlich angespannt und wieder losgelassen werden. Zum Zwecke der Wahrnehmung und Sensibilisierung kann das Anspannungsniveau  beispielsweise auch in Intervallen von 0 - 100% variiert werden.  

In der Pulsationsarbeit dagegen wird am Anfang auf eine möglichst maximale Anspannung in den Extremitäten geachtet. Diese Daueranspannung dient einerseits als Schutz vor überschießenden energetischen Impulsen und ermöglicht andererseits das Entstehen von autonomen Körperbewegungen, die in der PMR nicht oder bei kurzzeitiger maximaler Anstregung nur als leichtes Zittern zu beobachten sind.     54. Das Autogene Training (AT) nach SCHULTZ  

Das AT ist eine Methode der konzentrativen Selbstentspannung und zeigt in seiner beabsichtigten Wirkrichtung - der organismischen Umschaltung - einige Parallelen zur Pulsationsarbeit:

- Bewußtseinseinengung auf Körperebene
- vertiefte Atmung
- statische Muskelanspannung und Entspannung
- Unterstützung der parasympathischen Funktion (=Entspannung)
- organismische Umschaltung (Eutonie)
- vegetative Begleiterscheinungen
- Symptomverschiebungen
- Veränderungen auf psychischer Ebene
- Veränderungen auf den Ebenen der Wahrnehmung

Im Gegensatz zum AT sind in der Pulsationsarbeit Vorstellungen von körperlichen Veränderungen, die sich in Wahrnehmung von körperlichen Veränderungen umsetzen, nicht gefordert. Es ist allerdings denkbar, daß die Vorstellung von Körperschwingungen und -pulsationen (ähnlich wie die Vorstellung von Schwere und Wärme) in Analogie zum AT durchaus mit dazu beitragen kann, daß ein solcher Zustand tatsächlich auch erreicht wird. Hier könnte sich die Auswirkung des Bewußtseins des Behandelten auf den durch die Behandlung ausgelösten Prozeß ansatzweise bemerkbar machen.  

Eine weitere Parallele zwischen AT und Pulsationsarbeit besteht darin, daß bei großer Unruhe im AT mehrfache Muskelanspannungen und Seufzeratmung als Konzentrationsübungen möglich sind. Während diese Hilfsmaßnahmen zur Konzentration im AT nur gelegentlich und kurz eingesetzt werden können, gehört kontinuierliche Muskelanspannung und vertiefte Atmung zum obligatorischen Teil der Pulsationsarbeit. Atmung und Muskelanspannung dienen der Energiemobilisierung und sind nicht nur als Konzentrationshilfe gedacht. Man könnte die beiden Methoden als sanft (AT) bzw. mächtig (Pulsationsarbeit) unterscheiden.  

Auch wenn sich die Herangehensweise beider Methoden in ihrer “Stärke” unterscheiden, so ist doch jeweils eine organismische Umschaltung angestrebt. Sie zielt nicht nur auf einen vegetativen Funktionswandel, wie etwa die Umschaltung vom ergotropen Leistungszustand zum tropotropen Erholungszustand. Auf körperlicher Ebene führt der Funktionswandel nicht nur zu einer Veränderung der vegetativen Funktionen zugunsten des Parasympathikus, sondern darüber hinaus zu einem gesamtorganismischen Funktionsausgleich. Aus dem Zustand des vegetativen Ungleichgewichts, der Dystonie, kommt es zur Wiederherstellung des homöostatischen Gleichgewichts, der Eutonie. Das AT fördert “die jedem Organismus innewohnenden Selbstheilungskräfte” (BINDER 1989, 23) und wirkt über die Wiederherstellung des homöostatischen Gleichgewichts auf körperliche und psychische Prozesse (Leib-Seele-Einheit).  

Die Anwendungsmöglichkeiten des AT belaufen sich nach einer Literaturauswertung des Institus für Medizinische Information und Dokumentation (DIMIDI) auf die Bereiche der Gesundheitsvorsorge, der Rehabilitation sowie auf die Bereiche der Therapie somatischer und psychischer Krankheiten (vgl. BINDER 1989, 122, Tabelle 9-1). Da das AT bei verschiedenen Störungen und verschiedenen Schweregraden dieser Störungen sowie bei unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen hinsichtlich Intelligenz, Differenziertheit und kulturellem Hintergrund angewendet werden kann, hält BINDER (1962, nach BINDER 1989, 121) die Bezeichnung des AT als “Basistherapeutikum” für berechtigt. IVERSEN (1984, nach BINDER 1989, 121) weist auf die Bedeutung des Autogenen Trainings als “Basispsychotherapeutikum” im Sinne einer pragmatisch orientierten Methode der Psychotherapie hin. Von BINDER (1989, 129) wird es als Bindeglied zwischen Verhaltenstherapie und Psychoanalyse/Tiefenpsychologie angesehen, das wichtig ist für die ganzheitliche Psychotherapie und die “Körperbeseelung”.  
These 18: Die Pulsationsarbeit kann ihre Anwendung als eine Art “Basistherapeutikum” für ein sehr breites Spektrum biopathischer Erkrankungen zur Förderung der Selbstheilungskräfte und zur Wiederherstellung des vegetativen Gleichgewichts finden.    

55. Zusammenfassung der Diskussion zu den möglichen Wirkmechanismen  

Einige Modelle hinsichtlich möglicher Wirkmechanismen, die bei der Pulsationsarbeit eine Rolle spielen könnten, sind diskutiert worden. Sie haben thesenhaften Charakter und basieren nicht mehr ausschließlich auf den Erfahrungen der Behandelten. Ich möchte die relevanten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen: 
 
Aus den bisherigen Ausführungen zum neuro-muskulären System lassen sich folgende Schritte hinsichtlich der Aktivierungsphase (Streßpositionen) und hinsichtlich der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf der Basis der oben aufgestellten Thesen beschreiben:

Das Einnehmen und kontinuierliche Halten einer Streßposition führt zu einer erhöhten Muskelaktivität.

- Die Muskelaktivität wird als Anstrengung wahrgenommen; afferente Informationen werden dabei an das ZNS geleitet. Um die konstante Spannung aufrechtzuerhalten, müssen zentral zunehmend mehr efferente motorische Befehle generiert werden, womit die wahrgenommene Anstrengung weiter wächst.
- Die FR wird durch alle afferenten Impulse zunehmend aktiviert; diese Aktivierung kann durch verschiedene Interventionen noch weiter erhöht werden. Gleichzeitig steigt die organismische Gesamterregung (energy mobilisation). Damit einher gehen Desynchronisation des EEG im ZNS, Erhöhung der Sympathikusaktivität im VNS, Erhöhung der Muskelspannung, des Tremors sowie der Mikrovibrationsamplitude und -frequenz im muskulären System, erhöhter Grundumsatz des Stoffwechsels sowie erhöhte Ausscheidung von Catecholaminen und Corticoiden im endokrinen System; es kommt beispielsweise zur erhöhten Handlungsbereitschaft für vegetativ-motorische Regulationsaufgaben.
- Mikrovibrationen und Mikrotremor als Korrekturbewegungen des Streckreflexsystems werden unter extremer Muskelanspannung in Frequenz und Amplitude verstärkt; sie werden bei der willkürlichen Verhinderung von Ausgleichsbewegungen zunehmend als Vibrationen spürbar und mit der Zeit auch als Zittern sichtbar.
- Die chronischen Muskelspannungen (synonym: Muskelmehrarbeit, Blockaden, Panzerung) wirken der Ausbreitung von Korrekturbewegungen und damit dem selbstregulativen System entgegen; Anstrengung und Schmerz werden weiter verstärkt.
- Mit dem Auftreten von Zittern und dem Wahrnehmen von Parästhesien beginnen sich die Muskelspannungen zu lösen. Die Bewegungen werden zunehmend stärker. Sie breiten sich von den unteren Extremitäten über den ganzen Körper aus und verändern sich in ihrem Charakter (Amplitude, Frequenz, Intensität) in Richtung von ruhigen Ganzkörperwellen und inneren Pulsierens.  

Eine der möglichen Interventionen, die sich über die FR aktivierend auf die organismische Gesamterregung auszuwirken scheint, besteht in der Stimulation der Punkte des Meridiansystems. Eine Einwirkung auf das Meridiansystem selbst scheint dabei nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich. Dafür sprechen folgende Erkenntnisse:

-Die entsprechenden Punkte und Energiekanäle stehen in Verbindung mit dem vegetativen und zentralen Nervensystem und damit auch mit psychischen und somatischen Vorgängen im Organismus.
-Die (Akupunktur-) Punkte haben besondere elektrophysiologische und morphologische Eigenschaften. Ihre Stimulation hat mitunter sogar meßbare Auswirkungen auf den Organismus.
- Die Weiterleitung der Impulse scheint eigenen Gesetzmäßigkeiten zu folgen, z.T. gebunden an physiologische Strukturen (“Schnellübertragungsmechanismen”), z.T. unabhängig von vorgegebenen physiologischen Strukturen (immateriell).
-Das Ohr scheint als “Treffpunkt aller Meridiane” eine besondere Stellung innerhalb des Meridiansystems einzunehmen. Diese Sonderstellung wird ergänzt durch die besondere Morphologie des Ohres (z.B. sind die in den Ohren befindlichen Kollagenkörperchen besondere Biosensoren, die u.a. über die Eigenschaft zur mechanisch-elektrischen Energietransformation verfügen).
- Durch inadäquate Stoffwechselprodukte und durch Glykosilierung mit zunehmendem Alter besteht die Möglichkeit der “Verschlackung”. Aus diesem Grund kann beispielsweise eine Kombination der Akupunktur mit verschiedenen Ausschwemm- und Umstimmungstherapien nahegelegt werden. Genau aus diesem Grund könnte auch das “Kanäleputzen” bei der Pulsationsarbeit nahegelegt werden. Ob und inwieweit die Pulsationsarbeit tatsächlich dieser “Verschlackung” entgegenzuwirken vermag, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt, wohl aber angenommen werden.

Diese teilweise hypothetische und auf zusammengetragene Untersuchungen begründete Konstruktion soll ein Bild von den möglichen neuro-muskulären Vorgängen während der Aktivierungsphase in der Pulsationsarbeit in Verbindung mit der zusätzlichen Stimulation des Organismus über das Meridiansystem geben. Hinzu kommt die Anreicherung des Organismus mit Energie über die vertiefte Atmung und beispielsweise der unter 5.2. aufgelisteten Interventionsmöglichkeiten.  

Der durch die Interventionen herbeigeführte hochaktivierte Zustand des Organismus scheint für selbstregulatorische Prozesse äußerst sensibel zu sein. Diese Prozesse scheinen unter Beteiligung der FR und allem Anschein nach auch unter dem Einfluß des Meridiansystems in alle Bereiche des Organismus hinein wirksam werden zu können.  

Die Methoden der Progressiven Muskelrelaxation oder des Autogenen Trainings erinnern aufgrund der Mechanismen der abwechselnden muskulären Anspannung und Entspannung und der angestrebten organismischen Umschaltung an die Vorgänge während der Pulsationsarbeit. Im Unterschied zu den beiden angeführten Methoden, die nach einem Einführungskurs selbständig absolviert werden können, bedarf es jedoch bei der Behandlung mit der Pulsationsarbeit der Anwesenheit des Therapeuten. Einerseits sollte er durch seine Interventionen die Sicherheit der Behandelten gewährleisten, zum anderen zu dem beschriebenen hohen Aktivierungsgrad des Gesamtorganismus beitragen, der beispielsweise durch PMR oder AT nicht erreicht werden kann. Analog zum AT könnte die Anwendung der Pulsationsarbeit als ein “Basistherapeutikum” gesehen werden. Die bisher dokumentierten Anwendungen besonders im Bereich schwerer psychosomatischer Erkrankungen bis hin zur Behandlung von Krebs legen diese Analogie nahe (vgl. LASSEK 1994).  

Als letzter Punkt sei noch einmal das Modell der therapeutischen Tiefung erwähnt. Die Wirkrichtung der Pulsationsarbeit richtet sich im Unterschied zu anderen körperorientierten (Psycho-) Therapien vorwiegend auf die organismische Ebene der plasmatischen Reaktionen, weniger auf mögliche Gefühls- und Entspannungsreaktionen auf der Ebene der autonomen Körperreaktionen.   56. Diskussion der Konsequenzen und Ausblick  

Fragt man nach der Effektivität der Pulsationsarbeit, so zeigt sich, daß sich nach zwanzig Behandlungsstunden unabhängig von der Entwicklung des Ausdrucksverhaltens auch eine Veränderung in den ursprünglichen Beschwerden zeigt. Dabei kommt es nicht nur zur Verbesserung, sondern zeitweise auch zur Verschlechterung bzw. zur Verstärkung vorhandener Symptome. Verschiedene Symptome (Ausscheidungsfunktionen) sind über einen bestimmten Zeitraum neu hinzugetreten.  

Die Erwartungen der Behandelten lassen sich nicht auf die drei, von GRAWE (1994) genannten therapeutisch relevanten Perspektiven (Klärung, Problemlösung, Beziehung) beschränken, sondern richten sich deutlich auch auf körperliche und energetische Prozesse. Damit unterscheidet sich Pulsationsarbeit als Therapieform von anderen Psychotherapieformen. Gängige Bewertungskriterien in der Psychotherapieforschung zur Bewertung der Wirksamkeit der Pulsationsarbeit müßten aus diesem Grunde modifiziert werden.  

In der vorliegenden Arbeit sind vor allem die Anfangsprozesse der Pulsationsarbeit, die “Mobilisierung der Pulsation” und die “Kanalisierung des Energieflusses” dokumentiert und diskutiert worden. Aufgrund der von allen Behandelten beschriebenen muskulären Anstrengung standen in der Diskussion zunächst auch die neuro-muskulären Vorgänge im Vordergrund, die ergänzt wurden durch die Vorgänge am System der Meridiane. Über die aus dem Autogenen Training bekannte organismische Umschaltung konnten Parallelen in der beabsichtigten Tiefenwirkung der Pulsationsarbeit aufgezeigt werden, die sich beispielsweise in der Beeinflussung des Vegetativen Nervensystems zeigen.  

Wir konnten schlußfolgern, daß in der Behandlung selbst durch vertiefte Atmung, angespannte Muskulatur und durch die Arbeit an den Energiebahnen eine hochaktivierte organismische Gesamterregung hergestellt wird. Dieser Zustand vermag sich aller Erkenntnis nach positiv auf die Auslösung selbstregulativer Prozesse in den verschiedenen Subsystemen des Organismus auszuwirken. Im Zusammenhang mit dem System der Energiebahnen und unter Verwendung des REICHschen Paradigmas der Orgonomie sprechen wir auch von der Beeinflussung des in jedem Organismus zirkulierenden Energieflusses. Über die Wiederherstellung der Schwingungsfähigkeit des Organismus (Pulsationsfähigkeit des Vegetativums, bzw. plasmatische Reagibilität) beeinflußt dieser Energiefluß auch die Symptomatik biopathischer Erkrankungen.  

Zum heutigen Zeitpunkt und aus den vorliegenden Ergebnissen läßt sich noch nicht abschätzen, für welche Symptomatik die Pulsationsarbeit besonders geeignet ist und bei welcher Symptomatik eine Kontraindikation bestehen könnte. Sollte sich die Wirksamkeit dieser Behandlungsform, die sich in den Interviews ansatzweise angedeutet hat, in weiteren differenzierten Kontrollstudien bestätigen, dann bestünde durchaus die Möglichkeit, daß die Pulsationsarbeit als hochwirksames “Basistherapeutikum” einen festen Platz auch bei der Behandlung schwer chronisch erkrankter Menschen einzunehmen vermag.

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Heiko Lassek und Antonin Svoboda im Gespräch mit Kevin Hin-chey,  Co-Direktor des Wilhelm Reich-Museums in Orgonon,  am 9. November 2007 im Rahmen einer WRI-Veranstaltung in der „Schule des Theaters“ in Wien.

„30 Jahre brauchen wir...“

Übersetzung aus dem Englischen: Tina Lindemann

Heiko Lassek: Es gibt eine Menge an Gerüchten um Reichs Tod und seinen Nachlass. Kannst Du uns etwas über Reichs Letzten Willen und darüber, was nach seinem Tod passiert ist, erzählen?

Kevin Hinchey: Ich möchte zunächst Regina Hochmair und Heiko Lassek dafür danken, dass sie mich eingeladen haben. Dies ist mein erster Besuch in Wien, und es ist mir ein großes Vergnügen hier zu sein.
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Heiko versucht, Missverständnisse bezüglich Reichs Ideen und Konzepte aufzuklären und die Fakten über das Vermächtnis, das Archiv und den „Wilhelm Reich Infant Trust“ bekannt zu machen. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen schon unsere Webseite besucht haben, aber Reichs Testament kann dort vollinhaltlich nachgelesen werden; ebenso das Inhaltsverzeichnis des Archivs. Und während wir hier sprechen, sieht sich Peter Reich gerade im Archiv die Materialien an. Wir fanden es richtig, dass die Familienmitglieder Reichs als erste Zugang dazu bekommen sollten.
In seinem Letzten Willen ruft Reich auch den „Trust“ ins Leben und nennt ihn den „Wilhelm Reich Infant Trust Fund“, der später in „Wilhelm Reich Infant Trust“ umbenannt wurde. Reich war überzeugt, dass die einzige Möglichkeit zur Prävention von Neurosen die Verhinderung der Panzerung von Kindern wäre. Die Idee der Prävention hat er den ganzen Weg - von seinen Wurzeln in der Psychoanalyse bis zur orgontherapeutischen Behandlung von Patienten - mit sich getragen.
Alles, was das Archiv und das Museum betrifft, geht auf Reichs Testament zurück, das er im März 1957 aufgesetzt hat. Es ist ein langes Dokument, und ich will nur zwei Passagen daraus vorlesen. Ich zitiere:

Im Vollbesitz meiner Urteilsfähigkeit in Bezug auf Menschen und soziale Umstände und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, machte ich meine Überlegungen zur sicheren Weitergabe einer gewaltigen Menge wissenschaftlicher Erkenntnisse an künftige Generationen zum Leitfaden meiner letzten Verfügung. Die größte Herausforderung war für mich, die Wahrheit über mein Leben und meine Arbeit gegen Verzerrungen und Verleumdung nach meinem Tode zu schüt-zen.

Eine Anführung im Testament bezieht sich auf sein Archiv, das zur Zeit der Unterzeichnung an zwei verschiedenen Orten im Observatorium in Orgonon untergebracht war. Reich bewahrte einen Teil davon in der Dunkelkammer im ersten Stock - und einen anderen Teil in einem großen Schrank in seinem Büro, im zweiten Stock, auf. Er weist den Trust wie folgt an:

Um den zukünftigen Studenten der Lebensenergie, des primordialen kosmischen Energie-Ozeans, der von mir entdeckt wurde, zu ermöglichen, sich ein wahres Bild meiner Erkenntnisse, Fehler, falschen Schlüsse, wegbereitenden Grundannahmen, meines Privatlebens, meiner Kindheit etc. zu machen, verfüge ich hiermit, dass unter keinen Umständen und unter keinem Vorwand irgendeines der Dokumente, Manuskripte oder Tagebücher, die in meiner Bibliothek in den Archiven oder irgendwo sonst gefunden werden, auf irgendeine denkbare Weise verändert, gekürzt, zerstört, ergänzt oder sonst wie verfälscht werden dürfen. Die aus Angst geborene Tendenz der Menschen, um jeden Preis mit dem Mitmenschen auszukommen und unangenehme Dinge zu verstecken ist überwältigend stark. Um sich gegen dieses Verhalten zu schützen, das auf historische Wahrheit einen zerstörerischen Einfluss hat, verfüge ich, dass mein Arbeitszimmer, die Bibliothek und die Archive nach meinem Tod sofort durch die zuständigen Behörden verschlossen werden sollen, und niemandem soll erlaubt werden meine Papiere einzusehen, bis der Treuhänder, der weiter unten benannt wird, gebührend berufen und befähigt wurde und die Kontrolle und Verwaltung übernommen hat.
Diese Dokumente sind von entscheidender Wichtigkeit für die Zukunft der folgenden Generationen. Es gibt viele emotional kranke Menschen, die versuchen werden meine Reputation zu beschädigen, ungeachtet dessen was den Nachkommen geschieht, wenn nur ihre eigenen Leben im Dunkel eines verlassenen Zeitalters der Stalins und Hitlers bleiben.
Daher weise ich meinen Treuhänder und seine Nachfolger an, dass nichts an den Dokumenten jemals geändert werden darf, und dass sie für 50 Jahre verschlossen gelagert werden sollen, um sie vor Zerstörung und Verfälschung durch Jedermann der ein Interesse an der Verfälschung der historischen Wahrheit hat, zu bewahren.

Nach Reichs Ableben wurde seine Tochter, Eva Reich, zur Treuhänderin benannt. Wie Sie sich vorstellen können, haben all diese Ereignisse Eva emotional sehr mitgenommen. Sie war ehrlich und selbstbewusst genug, um für sich zu erkennen, dass sie emotional zu belastet war, um Treuhänderin sein zu können.

Heiko: Darf ich eine Zwischenfrage stellen?

Kevin: Sicher.

Heiko: Nachdem Reich ja ins Gefängnis musste und all seine Schriften und Unterlagen zerstört worden sind: Wie hat er es denn geschafft die Archiv-Materialien zu sichern?

Kevin: Die Materialien blieben im Observatorium. Er beschrieb in seinem Letzten Willen diese zwei Stellen und trat dann seine Haft-strafe an. Er wusste nicht, dass er sterben würde, aber er tat es für den Fall, dass ihm etwas geschehen sollte. So blieben die Materialien wo sie waren. Dann starb Reich am 3. November 1957 an Herzversagen. Einige Tage später fand die Beerdigung statt. Und dann, irgendwann im Jahr 1958 geschah Folgendes: Die letzte Frau in Reichs Leben, Aurora Karrer, entfernt die Unterlagen aus dem Observatorium, lädt sie in ein Auto und verbringt sie in das Haus ihrer Mutter, hunderte von Meilen entfernt, außerhalb von Washington. Als nun Eva verbreitet, dass sie einen Treuhänder sucht und keiner der Ärzte und Wissenschaftler, die mit Reich zusammengearbeitet haben, diesen Job übernehmen will, hört Mary Boyd-Higgins, eine Patientin von Dr. Chester Raphael, die damals 33 Jahre alt war und Reich nie persönlich kennengelernt hatte, aber offensichtlich von Reichs Arbeit sehr beeindruckt war, davon. Sie sagt zu Dr. Raphael: „Wenn sie niemanden finden, dann gerät das alles in Vergessenheit. Und was geschieht dann?“ Und so bietet sie sich an, selbst Treuhänderin zu werden und trifft Eva Reich und ihren Ehemann, Bill Moise.

Heiko: Ist es in Ordnung kurz zu unterbrechen?

Kevin: Natürlich.

Heiko: Es gibt nur wenige Menschen - und Du bist einer davon, die etwas über die Geschichte von Aurora Karrer und Wilhelm Reich erzählen können. Sie waren sich sehr nahe und wollten heiraten.- Aurora brachte dann alle Archivunterlagen nach Washington. Geschah dies mit irgendjemandes Zustimmung?

Kevin: Nein, dies erfolgte ohne irgendeine Zustimmung. Was ge-
schah war Folgendes: Nachdem im März 1959 all die Bürokratie erledigt war, um Mary zur Treuhänderin zu machen, trifft sie sich mit Bill und Eva, und sie fahren alle gemeinsam nach Rangeley. Dazu muss man wissen, dass Orgonon zu dieser Zeit seit Jahren verlassen und die Gebäude alle verschlossen waren. Mary und Eva gehen in das verrammelte Observatorium, und Mary stellt als erste fest, dass die zwei Archive verschwunden waren. Mary kann diese Geschichte weit besser erzählen als ich. Jedenfalls fährt Mary kurz danach zu Karrer, die aber bestreitet, überhaupt etwas damit zu tun zu haben, sie bestreitet alles, auch noch 1960 vor Gericht. Nachdem keine Kooperation mit Karrer möglich war, strengte der Trust 1960 ein Verfahren gegen sie an. Im späteren Verlauf der Verhandlungen kommt auf einmal Karrers Anwalt zu Mary und dem Trust-Anwalt und meint, dass er ihnen etwas mitzuteilen habe. Sie begeben sich in einen separaten Raum, und daraufhin kommt Aurora Karrer mit einem Koffer, mit noch einem Koffer, und noch einem, und noch einem...., herein, die all das Material enthielten, das sie sich angeeignet hatte. Also resultierte dieses gerichtliche Verfahren doch noch in der Rückgabe eines Großteils der Archive an den Trust.

Heiko: Ich weiß von Eva Reich, dass sie Aurora Karrer bat, die Archive auf Mikrofilm zu bringen, und soweit ich weiß, verschwand sie mit den Mikrofilmen; kannst Du uns etwas darüber erzählen?

Kevin: Ich weiß nicht so viel über die Mikrofilme. Es gab einen Versuch, etwas auf Mikrofilm zu archivieren, als Eva noch Treuhänderin war, aber ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht vielleicht noch zu Reichs Lebzeiten geschah.

Heiko: Soweit ich weiß, war es nach Reichs Tod.

Kevin: Das weiß ich nicht.

Heiko: Eva hat mir erzählt, dass einige Teile des Archivs trotzdem verschwunden blieben; darunter ein Teil der Tagebücher und ein Teil der Dokumentation über Reichs Pendel-Experimente, die mit Anti-gravitation zu tun haben.

Kevin: Es fehlen in der Tat einige Teile des Archivs. Reichs Tagebücher von 1922 bis 1934, also bis zum Kongress der IPV in Luzern, fehlen. Sie sind auf Deutsch geschrieben; Aurora Karrer war aber der deutschen Sprache nicht mächtig. Wir wissen nicht, was damit passiert ist. Die Gebäude wurden verschlossen, als Reich ins Gefängnis ging, und es gab Vandalismus, bevor das Archiv ausgelagert wurde. Das Gelände ist sehr abgelegen, und es wurde eingebrochen, die Schlösser an allen Türen waren aufgebrochen, aber ob damals schon etwas aus dem Archiv gestohlen wurde, weiß ich nicht. In Reichs Buch „Beyond Psychology“ hat Mary Higgins im Vorwort auf das Fehlen der Tagebuchaufzeichnungen, die 12 Jahre von Reichs psychoanalytischer Tätigkeit dokumentieren, hingewiesen.
Über die Unterlagen zu den Pendel-Experimenten weiß ich nichts. Mary Higgins ist die einzige, die Archivierungsarbeit geleistet hat. Wenn auch die medizinische Bibliothek in Harvard, in der sich das Archiv befindet, eine der besten und größten der Welt ist, ist es nicht so, dass das Personal dort daran interessiert ist, unsere Materialien zu bearbeiten. Für jegliche archivarische Tätigkeit müssen wir bezahlen; für jede Kopie, für das Überspielen von alten Filmen auf Video, etc.- Wir kennen zwar die Namen aller Ordner und die Inhaltsverzeichnis-se, aber den detaillierten Inhalt all dieser Papiere kennen wir nicht.
Die Antwort wird im Laufe der Zeit erfolgen, wenn alle Unterlagen durchgearbeitet sein werden. Es gibt eine Menge Ordner mit orgonomischem Forschungsmaterial, und es wird eine Weile dauern, bis man weiß, welches Material fehlt. Diese Dokumente sind sicherlich außerordentlich interessant.

Heiko: Eine letzte Frage zu Reichs Tagebüchern: Fehlt die letzte Sequenz ebenfalls? Und weshalb wurde „American Odyssee“ nie ins Deutsche übersetzt?

Kevin: Der Grund dafür, dass „American Odyssee“ nicht übersetzt wurde ist der, dass der Buchverkauf nicht gut lief. Und so war es nicht nur die Entscheidung des Trusts, sondern insbesondere auch des Verlags, es nicht übersetzten zu lassen.
Zur anderen Frage: In den letzten Jahren entdeckten wir weiteres Material von Aurora Karrer, und wir hofften, dass es Reichs vollständige Journale und Tagebücher aus den 50er Jahren wären; aber es sind nur Teile davon, andere Teile fehlen.

Heiko: Meinst Du, dass noch weiteres Material zu erwarten ist?

Kevin: Mary und ich haben darüber gesprochen, aber wir sind uns sicher, dass nichts mehr dazukommen wird. Sicherlich nicht von Karrer. Die verschwundenen Teile sind nirgendwo aufgetaucht, auch nicht bei eBay. Sie sind einfach weg. Tagebücher aus 12 Jahren! Ich kann es mir wirklich nicht erklären. Reich war sehr organisiert und hatte sein Archiv sorgfältigst geordnet. Das Archiv ist riesengroß; es umfasst mehr als 2,5 Kubikmeter; allein das Inhaltsverzeichnis ist 141 Seiten lang.

Heiko: Mary hat den Trust übernommen und all diese Arbeit geleistet. Wie finanziert der Trust diesen riesigen Komplex von Häusern und Land und das Archiv? Ich weiß, dass die Finanzierung einmal weggebrochen ist, es gab Probleme mit dem Dach und mit der Heizung. Mary hat es lange Zeit mit Hilfe von Freunden aus New York geschafft, jetzt ist sie 82 Jahre alt, und Du übernimmst diese Aufgabe. Wie willst Du das machen?

Kevin: Die finanzielle Lage ist keine wirklich gute. Besucher des Museums meinen oft, dass Reich eine Menge Geld hinterlassen haben muss, weil das Gelände so weitläufig und schön ist. Die Wirklichkeit sieht so aus: Nach Reichs Tod ging ein wenig Geld an seine Kinder, und für das Museum und den Trust blieben ganze 823 Dollar übrig. Das war 1959. Hochgerechnet wären das heutzutage etwa 5700 Dollar. Aber es gab über die Jahre hinweg Tantiemen aus dem Bücherverkauf, Privatleute und eine Organisation namens „The Friends“, die spendeten, und es gab einige wenige Erbschaften von Freunden Reichs. Aber das Geld reichte nie lange. Ich weiß nicht in allen Einzelheiten wie das war. Es ist mir ein Rätsel, wie Mary das geschafft hat, insbesondere wenn man Bilder sieht, in welchem Zustand Orgonon war, als Mary es übernahm. Ein Wunder eigentlich, nach all dem Vandalismus, die Gebäude komplett zugewuchert und heruntergekommen. Es kommen weiterhin Spenden, wenn auch wenige, und Einnahmen aus dem Bücherverkauf, aber das reicht auf Dauer nicht.
Unser Problem ist, dass Reich eine so schlechte Reputation in Amerika hat. „Scharlatan, Spinner, Orgon existiert nicht“, all das. Es hat keinen Sinn für wissenschaftliche Arbeit um Förderung anzusuchen. Wir haben es wiederholt versucht, aber sobald der Name „Reich“ aufscheint, ist es vorbei. Wir kommen da nicht rein, bekommen oft nicht einmal eine Antwort.
Ich meine, dass das Weiterbestehen Orgonons wirklich gefährdet ist. Wenn wir in unserer Lebensspanne dieses Image nicht ändern kön-nen, wird es diese Einrichtung nicht mehr geben. Als Mary ihre Tä-tigkeit aufnahm, gab es wenigstens noch genug Bekannte und Ärzte, die mit Reich gearbeitet haben und ein persönliches Interesse an seinem Werk hatten und Unterstützung leisteten. Aber wie wird das in 30, 40 Jahren aussehen? Die alte Generation ist heute fast ausge-storben.
In den Medien wird noch immer der gleiche Unsinn über Reich wie zum Zeitpunkt seines Todes verbreitet. Im November gab es über die Nachrichtenagentur „Associated Press“ einen Artikel über Reich, der von vielen Medien übernommen wurde. Wir haben mit dem Journalisten kooperiert und ihn ersucht, uns den Artikel - Fakten betreffend - gegenlesen zu lassen. Er meinte nur: „Ich bin der Journalist, das geht nicht!“ Und dann war in den Zeitungen der großen Städte nach-zulesen: „Der Sammler angeblicher kosmischer Orgasmus-Energie starb im Gefängnis....“ und so weiter.
Wir kämpfen also, kämpfen recht hart. Die Buchverkäufe gehen zurück und die Verlagswelt hat sich verändert. Als Mr. Straus, unser Verleger, starb, ging sein Verlag in einem riesigen Verlagskonzern auf, und wir wissen nicht, wie interessiert dieser daran ist, unsere Bücher weiterhin zu verlegen, denn sie verkaufen sich nicht besonders gut. Finanziell gesehen ist es also eine wirkliche Herausforderung für uns.

Heiko: Aber Du hast einen Traum, wir beide haben einen Traum. Und in gewisser Weise teilen wir diesen Traum, und er könnte einen Lösungsweg eröffnen. Bevor ich also an Antonin Svoboda übergebe, habe ich eine letzte persönliche Frage: Wie bist Du zu diesem Job als Co-Direktor gekommen? Ich weiß, dass Du ein ganz normales Leben führst und hart arbeitest.

Kevin: Orgonon gehört zum Gemeindegebiet der Kleinstadt Range-ley in Maine. Rangeley war das bevorzugte Urlaubsziel meiner Eltern, die mich schon in meinem ersten Lebensjahr dorthin mitnahmen. Als Kind erfuhr ich bereits von dem Museum, aber da will man lieber schwimmen, fischen und campen und all dies. Als Student war ich dann mit meinen Brüdern in Rangeley zum Campen, und damals besuchte ich erstmals das Museum - und hatte keine Ahnung, worum es hier ging. Aber danach fing ich an, Reichs Bücher zu lesen und mich mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Und was ich las, wurde sehr wichtig für mich und hatte großen Einfluss auf mein Leben. Ich hatte im College nie etwas über Reich gehört, und ich bezweifle, dass ich je etwas über Reich erfahren hätte, wenn meine Eltern mit uns nicht immer nach Rangeley auf Urlaub gefahren wären.
Ich liebe Rangeley sehr und habe dort vor vielen Jahren ein Häuschen gekauft. Dass Rangeley meine zweite Heimat ist und ich jetzt Co-Direktor des Museums und des Trusts wurde, ist sehr hilfreich. Es gibt viele Leute dort, die ich als Teenager kennen gelernt habe und die mich schon seit mehr als 30 Jahren kennen; ich habe mich immer als Mitglied der Gemeinde gefühlt. Es ist für unsere Arbeit sehr wichtig, dass wir in unserer Umgebung akzeptiert werden. Aber es war nicht Teil meines Lebensplans, Co-Direktor des Museums zu werden, das hätte ich mir nie im Leben gedacht. Es passierte einfach.

Heiko: Vielen Dank, ich übergebe an Antonin Svoboda.

Antonin Svoboda: Sie sagten, Sie haben da einen Traum, aber da ist auch ein Alptraum: Ich spreche von Reichs Image in den USA. Als wir uns gestern unterhielten, erzählten Sie, dass unter hunderten Ar-tikeln über Reich nicht ein einziger mit einem positiven Zugang dabei war.

Kevin: Ich glaube, dass das wenig mit Reich selbst zu tun hat. Das kommt vor allem von einer Art intellektueller Faulheit. Ich denke, dass sich der Durchschnittsbürger leichter damit tut, Artikel über etwas zu lesen, als die Primärliteratur zu studieren. Insbesondere Journalisten. Wenn also jemand einen Artikel verfassen möchte, recherchiert er einfach, was es alles schon gibt und macht etwas Neues daraus. Artikel nehmen - auch wenn sie schon vor Jahrzehnten erschienen sind, eine Art Eigenleben an. Seit es das Internet gibt, ist das noch extremer geworden.
Es sind zu Reichs Lebzeiten und nach seinem Tod sehr viele Artikel gegen ihn und seine Arbeit erschienen. Und das wird leider wohl auch weiterhin so bleiben, denn beim Recherchieren stoßen die Leute darauf und schreiben einfach davon ab. Man findet auch immer wieder genau dieselben Formulierungen. Jedes Mal, wenn jemand einen verdrehten Artikel über Reich schreibt, bleibt das für immer im Internet stehen. Es ist nicht so wie mit einer Zeitung, die man einfach wegwirft.
Ich glaube, dass es einfach Unehrlichkeit und intellektuelle Faulheit ist, sich nicht mit der Primärliteratur auseinander zu setzen. Es ist in Ordnung im Internet nachzusehen und Sekundärliteratur zu verwenden, aber eben nicht ausschließlich. An einem Buch kann man jahrelang herumfeilen, beim Verfassen eines Artikels aber steht man unter Zeitdruck. Es gibt eine Deadline. Und oft meint man, dass es eine einfache Geschichte werden wird, aber wenn man erst einmal drinnen steckt, beginnt die Sache immer größer zu werden. Wir sagen stets: „Wenn Sie Fragen haben, kontaktieren Sie uns bitte. Wir sind Ihnen bei der Recherche gerne behilflich. Wir wollen auch nicht Ihren Artikel verändern, aber sicherstellen, dass die Fakten stimmen.“ Aber das passiert so gut wie nie.
Es gibt Journalisten, die es ernst meinen und sich Zeit nehmen und zuhören, aber das ist selten. Über Reich zu schreiben ist etwas, was man nicht unter dem Druck einer Deadline tun kann. Dafür ist das Werk zu groß, zu komplex. Alle die hier anwesend sind, haben etwas von Reich gelesen und wissen, wie viel Zeit und innere Auseinandersetzung das in Anspruch nimmt. Das gilt natürlich nicht nur für Reich, und es macht auch keinen Sinn, das persönlich zu nehmen, aber es ist ein großes Problem.

Antonin: Worin liegt die Hoffnung?

Kevin: (lacht) Mein Hintergrund ist die Filmbranche. Ich habe in Hollywood als Drehbuchautor gearbeitet. So wie es neunzig Prozent der Drehbuchautoren dort ergeht, bekam ich einmal einen Job, dann wieder nicht und einmal wird man bezahlt und ein anderes Mal wird der Film nicht gedreht, und es gibt kein Geld. Nach ein paar Jahren hatte ich davon genug. Ich wollte so nicht mehr leben.
Wir haben schon darüber gesprochen, dass es sinnvoll wäre, einen Film, einen guten, ehrlichen Film über Wilhelm Reich zu machen. Eine Dokumentation, die sich nicht nur den Menschen erschließt, die schon viel über Reich wissen, sondern Menschen im Fokus hat, die noch gar nichts über ihn und seine Arbeit wissen. Und außerdem einen Spielfilm, der sich an die Tatsachen hält. Die Geschichte gibt genug her, um einen spannenden Film daraus zu machen. Ich habe wirklich Sorge, dass irgendjemand einen schlechten Film macht und darunter schreibt: „Dieser Film beruht auf einer wahren Begeben-heit“.
Ich bin dabei, ein Drehbuch zu schreiben und ich bin auch daran interessiert, dass unsere kurze Dokumentation „Man´s Right to Know“, ausführlicher gestaltet wird. Auch Antonin und Heiko sind hierorts aktiv, um einen Spielfilm und eine Dokumentation über Reich auf die Beine zu stellen.
Alle reden über das Reich-Archiv und was dort nicht alles über fünf-zig Jahre lang verschlossen lag. Das stimmt schon, aber seit 1960, als das erste Buch „Ausgewählte Schriften“ durch den Trust und den Verlag herausgegeben wurde, hat der Trust mehr als 7000 Seiten von Reichs Schriften in Buchform veröffentlicht. Es gibt also schon eine Menge an zugänglichem Material, aber was hat das bewirkt? Über Reichs Arbeiten wissen vielleicht ein paar tausend Leute auf der ganzen Welt Bescheid, und das wird sich so schnell nicht ändern.
Ich glaube es ist eine Herausforderung im „Geschichtenerzählen“. Reichs Geschichte und die seiner Arbeit ist sehr bewegend, und sie muss auf die richtige Weise erzählt werden, so dass sie für alle Menschen zugänglich wird.
Wenn mich Leute fragen, wie ich zu meiner Aufgabe gekommen bin und was ich mitbringe, dann ist es mein Leben als Geschichtenerzähler: Das Schreiben und das Filme machen. Ich hatte immer das Gefühl, dass Reichs Leben und Werk eine großartige Geschichte ist, die wir uns nicht immer nur gegenseitig erzählen sollten. Wir müssen neue Leute erreichen. Das könnte auch eine Veränderung in der Wahrnehmung von Medizinern, Physikern, Biologen, etc. herbeiführen, die wirklich etwas bewegen können.
Uns kontaktieren ständig Leute, die eine Dokumentation machen wollen. Kürzlich rief mich eine Kunststudentin an, die einen Film über Reich drehen wollte. Als wir dann zusammen saßen, fragte ich sie als erstes, was sie denn von Reich gelesen hätte. Sie antwortete: „Listen Little Man“, und das war alles. Ich sagte: „Sie haben `Listen Little Man´ gelesen und wollen mit Ihrer Kamera nach Orgonon kommen und Interviews machen? `Listen Little Man´ hat 138 Seiten, 34 davon sind Zeichnungen, also haben Sie 94 Seiten von 7000 verfügbaren Seiten von Reichs Schriften gelesen Und Sie wollen einen Dokumentarfilm machen!“ Ich empfand das in meinem Selbstverständnis als Filmemacher beleidigend und beleidigend in der Hinsicht, dass jemand meint, man könne einen Dokumentarfilm drehen, auch wenn man nur einen winzigen Bruchteil des Werkes kennt.

Antonin: Ich habe das Gefühl, dass Reich ein Kosmos für sich ist, und dass man sich, wenn man erst einmal einen Schritt hinein gemacht hat, auf gewisse Weise darin verliert. Denn 7000 Seiten nur von Reich zu lesen schafft man wahrscheinlich nicht in einem Leben, und mit der Öffnung des Archivs wird das Ganze noch größer. Ich frage mich, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, das Werk zur Vermittlung so zu vereinfachen bzw. einzugrenzen, dass es auch für Laien verstehbar wird. Ich bin nicht davon überzeugt, dass sich die Wahrnehmung Reichs in der Welt durch einen einzelnen Film massiv verändern wird. Sie haben von Physikern, Biologen, Medizinern, etc. gesprochen. Ich bezweifle aber, dass diese Leute eifrige Kinogeher sind. In der Zeitung „Der Standard“ erschien kürzlich ein Artikel über Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Karriere zu machen, und dass diese ganz selten ins Kino gehen, weil sie aus Filmen wenig darüber lernen können. Wir können also nicht nur auf Filme setzen.

Kevin: Wir müssen über „Ausbildungsmaterial“ nachdenken. Als ich im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen für Wien noch einmal viele von Reichs wissenschaftlichen Aussagen gelesen habe, kam mir der Gedanke, dass es großartig wäre, eine Serie von Ausbildungsmaterialien herauszugeben, in der die Ideen und Erkenntnisse Reichs in seinen eigenen Worten, aber vereinfacht so dargestellt werden, dass alle Aspekte seines Werkes leicht verstehbar sind. Es geht grundsätzlich darum, eine Brücke zwischen dem Werk und dem Publikum herzustellen. Wir müssen alle Bereiche abdecken. 30 Jahre brauchen wir, denke ich, um all das zu schaffen. Es gibt keine Garantie, aber ich bin voller Hoffnung.

Kontaktadresse:

Kevin Hinchey (Associate Director)
„The Wilhelm Reich Museum“,
Orgonon – Dodge Pond Road, P.O. Box 687,
Rangeley, Maine 04970, USA.
Telefon: ++207-864-3443
E-Mail: wreich@rangeley.org
Homepage: www.wilhelmreichmuseum.org

Zur Erinnerung:

„Reich Andenken“

Die lange Nacht für Wilhelm Reich

am 3. November 2007 im 3raum Anatomietheater in 1030 Wien

Mit Beiträgen von Hubsi Kramar, Ingrid Sturm, Tania Golden, Rena-te Wieser, Peter Bolen, Beatrix Teichmann-Wirth, Regina Hochmair, Christian Bartuska, Elfriede Kastenberger, Wolfram Ratz

Jetzt auf DVD

Zu bestellen unter: WRI@blackbox.net zum Unkostenbeitrag
von 10.- € (+Versand 2.- €)

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Anmerkungen zu Dusan Makavejev´s Film:


„Wilhelm Reich und die Mysterien des
Organismus“
von Lore Reich-Rubin


Vorspann:

In den USA ist Reich hauptsächlich für die „orgone-box“ bekannt. In Europa jedoch gibt es eine größere Wertschätzung für sein gesamtes Werk, insbesondere für sein frühes Engagement in der Politik und für seine Entwicklung der Körpertherapie. Reich stieß 1919 während seines Medizinstudiums auf die Psychoanalyse. Er idealisierte Freud und war besonders von Freuds Theorien über die Libido-Energie, der Entwicklung der menschlichen Sexualität und der Rolle der Sexualität zur Entstehung von Neurosen, fasziniert. Ich glaube, dass er nie aufgehört hat, Freud zu idealisieren, trotz ihrer späteren Dispute.
Sich auf Freud beziehend, entwickelte Reich die Theorie, dass ein psychischer Konflikt rund um das Thema Sexualität zu Abwehrhaltungen führt, die sich in der Charakterstruktur ausdrücken. Dann postulierte er, über Freud hinausgehend, dass die sexuelle Energie, die im Konflikt unterdrückt wurde, in der Muskulatur gebunden sein würde. Er nannte diese gebundene Energie „Körperpanzer“. Des weiteren stellte er die Theorie auf, dass ein gesundes Sexualleben mit einem ganzheitlichen Orgasmus diese Bindung von Energie verhindern würde - und damit auch die Bildung von Neurosen und Persön-lichkeitsstörungen. Obwohl Freud - nachzulesen in einem Brief an Wilhelm Fließ - ähnliche Vorstellungen bezüglich eines gesunden Sexuallebens zur Neurosenverhütung hatte, äußerte er sich um 1920 diesen Ideen gegenüber äußerst ablehnend.


Wenig später ging Reich sogar noch einen Schritt weiter und behauptete, dass man die Panzerung aufheben und die Sexualenergie freiset-zen könne, indem man die Muskulatur dazu bringt, sich zu entspan-nen.
Lange Zeit später erweiterte Reich Freuds energetische Libidotheorie in eine universelle Energie, die er „Orgonenergie“ nannte.
Reich wurde in den späten 1920er Jahren, als Österreich die zivilen Freiheiten aufgab, immer radikaler. Da seine Ideen mit einer sexuel-en Befreiung der Gesellschaft verbunden waren, um neurotisch-faschistische Entwicklungen der Gesellschaft zu verhindern, begann er in Arbeitervierteln mobile Sexualberatungsstellen einzurichten. In der Hauptsache gab es Sexualerziehung, insbesondere zur Verhütung, da dies den Jugendlichen ermögliche, sich sexuell auszudrücken und Neurosen verhindern würde. Zur gleichen Zeit war er ein prominenter Aktivist der Sozialistischen Partei.
All diese Aktivitäten waren für Freud zu radikal; er befürchtete, dass sie die psychoanalytische Bewegung in einen schlechten Ruf bringen würden. Es kam zu einer Abkühlung in der Beziehung dieser beiden Männer, was schließlich dazu führte, dass Reich 1930 Wien verließ und sich in Berlin ansiedelte. Dort begannen die Nazis eine Bedrohung für die Demokratie zu werden. Sobald sich Reich in der neuen Stadt niedergelassen hatte, wurde er - während er sich weiterhin den psychoanalytischen Forschungen widmete - Mitglied der Kommunis-tischen Partei und verschrieb sich dem Kampf gegen die Nazis.
Zu dieser Zeit idealisierte Reich die Russische Revolution, von der er annahm, dass sie aufgrund ihrer radikalen sexuellen Freiheiten zu einer neurosenfreien Gesellschaft führen würde. Aber just in der Zeit, in der er auf Freud stieß und Freud sich gerade von seinem Interesse an Sexualität zurückzog, realisierte er, dass der Kommunismus durch die Stalinisten genauso reaktionär wurde und sich von seinen liberalen Standpunkten der sexuellen Rechte verabschiedete. Wie auch immer: Reich war sich dessen nicht gleich bewusst.
In Berlin dehnte er seine Ideen von Sexualberatungsstellen zu einer riesigen Organisation aus, genannt „Sex-Pol“, die Stasi-Akten zufol-ge zwischen 10.000 bis 40.000 Mitglieder hatte. Damit war er eine stimmgewaltige und prominente Person in Berlin. Sex-Pol war of-fensichtlich eine kommunistische Frontorganisation, und die Kom-munistische Partei versuchte Reich und seine Aktivitäten zu kontrol-lieren. Er war kein guter Parteigänger und weigerte sich, der Parteilinie zu folgen. Er trat für Verhütung und für das Recht auf Abtrei-bung ein - und auf einmal waren sie gegen beides. Sie verlangten die Kotrolle über seinen Verlag, was er aber verweigerte. Seine letztendliche Enttäuschung über die Partei erlebte er bei den Wahlen 1933 wo es hieß: „Die Sozialisten sind unser Hauptfeind“ und „Nach Hitler kommen wir“. Reich begann die Kommunisten als „Rote Faschisten“ zu bezeichnen.
1934 haben sowohl die Kommunistische Partei als auch die Internationale Psychoanalytische Vereinigung Reich die Mitgliedschaft entzogen. Die Psychoanalytiker, die einen Verstoß gegen die Statu-ten anführten, waren besorgt, dass man die Psychoanalyse als eine kommunistische Organisation ansehen könnte; außerdem wollten sie mit einem Kompromiss die Nazi-Regierung in Deutschland be-schwichtigen.
In der Zwischenzeit hatte Reich eine Anzahl von wichtigen Büchern veröffentlicht, und Makavejev hat die daraus resultierenden Ideen in seinen Film eingearbeitet. Diese Bücher sind die Originalausgaben von: „Die Funktion des Orgasmus“, „Die sexuelle Revolution“, „Charakteranalyse“ und „Die Massenpsychologie des Faschismus“.
Vielleicht ist für unsere heutige Gesellschaft das Konzept des Fa-schismus am relevantesten. In diesem Buch geht Reich davon aus, dass alle autoritären Organisationen wie der Staat, die Religion, die Familie, ihre Mitglieder durch Unterdrückung der Sexualität in Abhängigkeit halten. Das erfolgt entweder durch Gesetze oder moralische Normen, oder durch das Schaffen einer Atmosphäre, die Sexualität beschämend oder schlecht macht. Dies schaffe eine neurotische breite Masse, die ihre sexuelle Energie unterdrückend, einen Führer bewundert und sich ihm unterwirft. Diese unterdrückte Sexualität aber sucht sich Umwege und äußert sich in Pornografie und Sadismus. Gleichzeitig nehmen sich die Führer heraus, die Sexualität für sich selbst in Anspruch zu nehmen.

Indes hatte die „Sexuelle Revolution“ das Ziel, Jugendlichen sexuel-le Freiheit zuzugestehen. Wie auch immer: Reichs Konzept einer sexuellen Revolution war harmlos, verglichen mit der tatsächlichen „Revolution der Sitten“, die in den späten 60er und frühen 70er Jah-ren stattgefunden hat. Er wäre entsetzt gewesen, was hier von ihm durchgedrungen ist und hätte vieles als Pornografie abgetan. Er war nie mit den Schwangerschaftsraten von Teenagern, mit der AIDS-Epidemie konfrontiert, und die Schwulenbewegung, das Konzept der Transsexualität oder Operationen zur Geschlechtsumwandlung waren ihm unbekannt. Trotzdem wird Reich in bestimmten Kreisen für diese Ereignisse verantwortlich gemacht, insbesondere, weil ihn die Studentenrevolution in Frankreich 1968 als Held hoch hielt.
1938 entfloh Reich der deutschen Invasion Norwegens und kam mit dem letzten Schiff in die USA. Er war jetzt ein vehementer Anti-Kommunist, und er verabscheute die Psychoanalytiker, die ihn derart zurückgestoßen hatten. Aber hier fand von ihm wieder eine Idealisierung in Form einer Bewunderung der US-Verfassung, der Demokratie und auch für Eisenhower statt. Wie für sein Leben typisch, erreichte seine Bewunderung den Höhepunkt, als gerade die McCarthy Ära mit ihren antidemokratischren Zielen über das Land schwappte. Es besteht der Verdacht, dass es das Stalin-Regime in der Sowjetunion war, das ihre Feinde im Ausland zu eliminieren ver-suchte, was hier durch den Artikel von Mildred Brady in der Zeit-schrift New Republic „The Strange Case of Wilhelm Reich“ eingeleitet wurde und sogleich die Aufmerksamkeit der FDA auf die Ex-perimente Reichs zur Heilung von Krebspatienten mit dem Orgonak-kumulator lenkte.
Der Film dokumentiert die Verfolgung durch die FDA, die Bücherverbrennung, die richterliche Verfügung gegen den Transport von Orgonakkumulatoren über die Landesgrenze hinaus, die Missachtung von Gerichtsladungen, die zu einer unüblich langen Haftstrafe von zwei Jahren führte, und darauffolgend den Tod im Gefängnis.

Der Film:

Um nun zum Film zu kommen: Ich persönlich schätze den Film trotz etlicher gravierender Verdrehungen der Reichschen Ideen. In dieser erfundenen, in Jugoslawien handelnden Geschichte von Vladimir und Milena, verdeutlicht Makavejev sowohl Reichs Konzepte zur Charaktertypologie, als auch seine Vorstellung, dass es in autoritären Staaten durch Unterdrückung der Sexualität zu einer Unterwerfung und Idealisierung des Staates kommt. Vladimir, der große russische Eislaufstar und Sex-Symbol, kann Milenas sexuelle Avancen nur abwehren, indem er leere stalinistische Propaganda verkündet. Obwohl auf dem Eis sehr gelenkig, bewegt er sich im realen Leben mit einer körperlichen Steifheit, die seinen massiven Körperpanzer wi-derspiegelt. Erst nachdem er von Milenas Ex-Freund Radmilovic angegriffen und gedemütigt wurde, zeigt er sich beruhigt und wirk-lich menschlich. Als Milena ihn schließlich unverhohlen zu verführen versucht, überkommt ihn sein sexueller Drang, der sich dann aber in gewalttätige Aggression verkehrt und mit Mord endet. Dies illust-riert Reichs Aussage, dass sich durch Panzerung und Unterdrückung die Sexualität Umwege sucht und sich - hier als Sadismus und Maso-chismus - verzerrt äußert.
Letztlich aber, nach dem Mord, sehen wir den wahren, den bedauernswerten Vladimir, der klagt: „Und was ist mit mir?“. Hier zeigt sich das ursprüngliche Kind, das unterdrückt, zerstört und zu einer Marionette gemacht wurde.
Im Gegensatz dazu repräsentiert Milena den von Reich idealisierten genitalen Charakter: offen und wahrhaftig in Beziehungen zu ande-ren und offen für eine tiefe sexuelle Beziehung.
Es gibt weitere, weniger bedeutende Darsteller in diesem fiktionalen Teil des Films, die andere von Reich beschriebene Charaktere dar-stellen. Jagoda, Milenas Zimmergenossin, ebenso wie ihr Freund, der Soldat Ljuba. Er repräsentiert den krankhaften phallisch-narzißtischen Charaktertyp. Sie haben zwanghaften Sex, jedoch ohne tiefen, befriedigenden Orgasmus. Radmilovic hingegen stellt den impulsiven Charakter dar, der innere Bedürfnisse ausleben muss und sich auf andere nicht wirklich einlassen kann.
Sowohl in den politischen Diskussionen im fiktionalen Teil des Films, als auch in den Szenen, in denen Milena sexuelle Freiheit und ganzheitlichen Orgasmus in dem, von ihren Nachbarn belagerten Hof predigt, kann man sehen, dass Makavejev Reichs sexualpolitische Einstellung idealisierte und daran glaubte, dass ein „guter“ Sozialis-mus möglich sei.

Ein anderer Part des Films, der mich beeindruckte, war die großartige Darstellung der Korrumpierung von Idealen. Vielleicht war das meine eigene zynischer Betrachtung des 20. Jahrhunderts.

1) Die kommunistische Revolution, ursprünglich sicher idealistisch, wird als in den unechten Pomp Stalins, der in einem alten Zarenpa-last unter funkelnden Kristalllustern herumstolziert, entartet dargestellt. Gleichzeitig wird der inhumane Umgang mit Häftlingen der Marter von geisteskranken Patienten gegenübergestellt. Während die gleichfalls idealistische kommunistische Revolution in China als in eine, den Sexualtrieb unterdrückende, antisexuelle Gesellschaft zur Heldenverehrung eines Mannes verkommen, dargestellt wird.
2) Die von Tully Kupferberg durch seinen pseudomilitärischen Marsch dargestellte Friedensbewegung gegen den Vietnam-Krieg mitten durch Manhatten ist von eigener Komik, besonders die einge-übte Ignoranz gegenüber des bizarren Auftretens aller möglichen New Yorker Typen, wie von vornehmen alten Damen, Geschäftsleu-ten und Polizisten. Aber sie veranschaulicht auch mit eigenartiger Belustigung das Verkommen des Friedensideals zu einem revolutio-nären Aufruf nach mehr Kampf, nur revolutionären Kampf.
3) Die Reichsche Therapie - das Lösen des Muskelpanzers mit tiefem Atmen und anderen Übungen - wird in Alexander Lowens Bioener-getik-Therapie in Hyperventilation und Übungen in Stresspositionen umgewandelt, bis Muskelzuckungen und Schüttelkrämpfe erfolgen, was das Ideal, den Panzer zu lösen, anstatt noch mehr Spannung aufzubauen, verfälscht. Während sich die Gruppensitzungen in ein Schreien, Stampfen und in einen aggressiven Tumult kehren, was bestenfalls Sadomasochisten ertragen würden. (Reich hat einmal zu seinem Sohn gemeint, dass er diese Art von Behandlung verabscheue.)

Wenn wir aber auf das Thema Sexualität zu sprechen kommen, erkennen wir, dass Makavejev selbst die Ideale entstellt. In einem In-terview bezeichnete er Reichs sexuelle Revolution als zahm. Er ver-herrlicht die Revolution der 60er und 70er Jahre mit allen ihren Ex-tremen. Ein paar Beispiele:

1) Gleich in der ersten Szene des Films wird der Geschlechtsakt ei-nes Paares gezeigt und ist als Original-Filmmaterial aus der Sex-Pol-Zeit deklariert. Durch die unmittelbare Nähe zu anderen Szenen ist damit der Geschlechtsakt meiner Eltern, Wilhelm und Annie Reich, gemeint. Reich hätte diese Szene aber niemals gefilmt. Er glaubte an die Intimität des sexuellen Aktes. Tatsächlich wurde dieser Filmab-schnitt 1969 beim Hippie-Musikfestival in Woodstock aufgenommen. Wollte sich hier Makavejev über Reich, sein bewundertes Idol, lustig machen?
2) Im fiktionalen Teil des Films verteidigt Milena - meiner Meinung nach Makavejevs Sprachrohr - die zur Schau gestellten und ausgedehnten Sex-Szenen zwischen Jaguda und Ljuba gegenüber einer offensichtlich sexuell frustrierten Nachbarin. Dies steht im Gegensatz zu dem von Reich gemeinten ganzheitlichen Sex mit einem Verschmelzen der Partner und einer vollen orgastischen Erfahrung. Makavejev verteidigt trotzig und herausfordernd die sexuelle Freiheit. Gleichzeitig aber portraitiert er in einer Szene Ljubic in zwanghafter sexueller Kühnheit, als er erstmals Jagoda trifft. Makavejev zeichnet damit den von Reich beschriebenen phallisch-narzißtischen Charak-ter nach.
Ich glaube, dass das ein Beispiel für Makavejevs Ambivalenz gegenüber Reich ist - einerseits erfasst er Reichs Aussagen als Ganzes und gleichzeitig legt er sein eigenes Anliegen darüber.
Makavejev wuchs im kommunistischen Jugoslawien auf und war immer ein antiautoritärer Rebell - vielleicht gleichzeitig die Autorität bewundernd. Seine größte Rebellion galt der Sexualität.
3) Am Balkon ihres Wohnhauses verkündet Milena in einem Rede-schwall die wahre Revolution und Sexualität. Aber diese Prahlerei ist eine Parodie auf die Sex-Pol-Propaganda.
4) Im Dokumentarteil des Films zeigt Makavejev eine Bildhauerin, die einen Gipsabdruck eines errigierten Penis anfertigt. In einer anderen Szene zeichnet eine Malerin hingebungsvoll Bilder von mastur-bierenden Menschen. Nochmals: Ich glaube, dass das Makavejevs Auflehnung gegen Reichs „zahme“ sexuelle Revolution  ist. Reich hätte beide dieser Szenen für pornografisch gehalten, da sie den Wert wahrhafter orgastischer Sexualität herabmindern.

5) Dann gibt es eine Szene, in der Leute halbnackt mit herausfor-derndem Gesichtsausdruck in den Büroräumen der Zeitschrift „Screw“ aufmarschieren. Auch dies hätte Reich missbilligt, da es direkt gegen Reichs Idealvorstellung von der Ernsthaftigkeit der Arbeit geht. Er war von Freuds Diktum überzeugt, dass Liebe und Arbeit die Grundlage für seelische Gesundheit waren. Reich verherrlichte die Arbeit, niemals hätte er die Vermischung von Arbeit und Sexualität gut geheissen.
6) Es ist nicht klar, ob Makavejev vorsätzlich und ambivalent Reichs Konzepte des Energieflusses verdreht, oder ob er seine Konzepte falsch verstanden hat. Es gibt viele Beispiele davon in diesem Film: Der wogende Massenaufmarsch der Roten Garden auf dem Tianan-men Platz, die Muskelzuckungen in Lowens bioenergetischen Behandlungen; die Schüttelkrämpfe während der Gruppensitzungen, die er mit Konvulsionen einer Elektroschockbehandlung nebeneinander stellt. Er hebt diese Beispiele hervor, wohingegen Reich sie als von negativer, destruktiver Bedeutung gehalten hätte.
7) Gegen Ende des Films beginnt Makavejev seinen so bewunderten Reich zu attackieren. Zum Beispiel hat er von einem Schauspieler ein Tonband besprechen lassen und sie als Originalstimme Reichs präsentiert - grammatikalisch schlecht und mit einem sehr starkem Akzent. Aber Reich sprach ein grammatikalisch perfektes Englisch, das er sich in der Schulzeit über Jahre hinweg angeeignet hat, sein Akzent war minimal. An einer anderen Stelle wird er zitiert, dass er die Vermutung habe, von einem anderen Stern zu kommen und seine Nachkommenschaft tatsächlich Außerirdische seien. Diese Aussage ist aus dem Kontext herausgenommen; sie fiel unter der extremen Belastung Reichs, als er vor Gericht stand und von seiner Haftstrafe erfuhr. Ebenso unnötig ist die Anmerkung des ortsansässigen Fri-seurs, dass er sein Haar auf merkwürdige Weise getragen habe, nämlich nach oben gekämmt. Es stimmt, dass er das für sich so wollte - und auch für seine Familie so wollte. Wenn das aber ohne Reichs Ideen dazu so behauptet wird, dann klingt das äußerst merkwürdig. Es war tatsächlich Teil seines Verständnisses, dass die Augen offen und ehrlich erscheinen und nicht von Haaren bedeckt sein sollten.

Aber warum verdreht Makavejev Reichs Ideale? Warum geschieht es so oft, dass wir Ideale entstellen und sie ins Gegenteil kehren? Wir können das persönlich über ihn nicht wissen, abgesehen von den Aussagen, die er im Interview tätigt. Es ist wirklich unmoralisch, ohne irgendeinen Nachweis Vermutungen über das Unbewusste an-derer Menschen anzustellen. Dazu möchte ich aber allgemein etwas anmerken: Ich spreche hier nicht von zynischen Politikern, die den Idealismus der Bürger für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. Denn gerade Politiker können psychologische Bedürftigkeiten haben. Man kann sagen, dass z. B. Stalin, der so viel Macht ausgeübt hat und so viele Menschen ermorden ließ, niemandem mehr trauen konnte. Dies verstärkt sein Bedürfnis nach noch mehr Macht, was sich derart äußert, dass er von den Massen anstelle von einzelnen Menschen geliebt wird. Hier ersetzt der Narzißmus die realen Objekt-Beziehungen.
Aber warum werden Ideale von Einzelnen korrumpiert?
Der Aufbau von Idealen erfordert häufig die Unterdrückung eines Konflikts, der mit Aggression zu tun hat. Ideale sind edel, gut und altruistisch; dagegenstehende, negative Tendenzen müssen in das Unbewusste verdrängt werden. Freud bezeichnete dies als „Reakti-onsbildung“. Übertriebene Güte steht dafür, übermäßige Schlechtheit zu verleugnen. Aber dann kommt es zu einer „Rückkehr des Unterdrückten“. Das Unterdrückte kann das Unbewusste nicht zurückhalten und die Aggression verschafft sich einen Ausweg. So tritt die Aggression jetzt als Sadismus zutage.
Die Idealisierung ist nun von Ambivalenz gegenüber dem idealisier-ten Objekt geprägt. Als Beispiel können wir uns das in den Begriffen des von Freud beschriebenen Ödipuskomplexes vorstellen. Der Sohn liebt den Vater, gleichzeitig ist er aber sein Rivale. Er möchte die Stellung seines Vaters einnehmen. Aber um das tun zu können, muss er zuerst den Vater „töten“, infolgedessen er das Objekt seiner Liebe verliert.
Den Ruhm für sich selbst beanspruchen zu wollen, kann man auch als ein narzißtisches Bemühen sehen, aus Neid auf den berühmten Mann, um besser zu sein als er.

So können wir sagen, dass Makavejev Reich bewundert, sich für seine Vorstellungen und Theorien einsetzt und uns für seine ungerechte Inhaftierung trauern lässt. Gleichzeitig aber fühlt er sich als Rivale und möchte selbst ein berühmter Mann sein. Das gipfelt darin, dass er sich über Reich und seine Theorien lustig zu machen beginnt, obwohl er gerade in seinem Film aufgezeigt hat, wie großartig und einzigartig er die Theorien findet.

Trotzdem: Als Ganzes gesehen ist „Wilhelm Reich und die Mysterien des Organismus“ ein starker und bewegender Film, zeitweise brillant, Einblicke gewährend, manchmal schockierend und manch-mal amüsant. Er ist auch eine wunderbare Erinnerung an das Ethos der 1970er Jahre und eine eindringliche Warnung vor bedrohlichen Zeiten, in denen wir uns gegenwärtig befinden.
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WR - Mysteries of the Organism. Film. Yugoslavia / West Germany. 1971. Director, Producer, Screenwriter: Dusan Makavejev. Stars: Miodrag Andric, Jim Buckley, Jackie Curtis, Betty Dodson, Milena Dravic, Nancy Godfrey, Dragoljub Ivkov, Milan Jelic, Jagoda Kalo-per, Tuli Kupferberg, Zivka Matic, Nikola Milic, Zoran Radmilovic, Wilhelm Reich and Ivica Vidovic.

Weiterführende Literatur:
Durgnat, Raymond: WR - Mysteries of the Organism. Indiana University Press, 1999.


Übersetzung aus dem Englischen: Wolfram Ratz

Anmerkung zur Autorin:
Lore Reich-Rubin promovierte an der NYU/College of Medicine und schloss ihre Fachausbildung als Psychiaterin am Albert Einstein Medical Center Bronx, ab. Sie graduierte am New York Psychoanalytic Institute und ist Mitglied der American Psychoanalytic Association und der Psychoanalytischen Gesellschaft in Pittsburgh und im dortigen Institut Lehrbeauftragte. Vor kurzem hat sie ihre Arbeit als klinische Assistenzprofessorin für Psychiatrie an der Medical School der University of Pittsburgh zurückgelegt.


WILHELM REICH –
the scientist of life energy

DOCUMENTARY BY NICOLAS DABELSTEIN AND ANTONIN SVOBODA

Consultant: Dr. Heiko Lassek, President, Wilhelm Reich Society

COOP 99 © 2008


Sendetermin ist wahrscheinlich
Anfang September 2009
im ORF.
 
Introduction

Central to Reichs work as a scientist is his wholistic concept of one energy flowing in and interlinking body and mind, individual and society, civilisation and nature. This is  knowledge of  ancient cultures like the Chinese and Greeks. To them it was a philosophy, to Reich it was also a scientific reality. He was the first in recent Western culture to prove as fact in experiments what our culture feels is right for thousands of years, but has long since forgotten and denied in the light of modern natural science, which has segmented our knowledge and thereby deprived us of our greatest and most important asset: our sense of wholeness in us and with nature.

Outline and story structure elements: The content of the film

1. Reichs foundation: from Psyche to physical aspects

Reich studied medicine at Vienna and founded the „Sexuologisches Seminar“. The film closely examines Reichs early influences, especially his connections to the teachings of the French philosopher Bergson.
Reich becomes a member of the Psychoanalytic organisation. The film shows how he is influenced by the works of Freud and the psychoanalysis. Reich lives and practices in the Berggasse at first, then he experiences the different treatment of patients in the psychiatric-neurological hospital under Wagner-Jauregg. The film concentrates  on his work at the „Psychoanalytic Ambulatorium for the poor“ and examines what practical proof he finds for Freuds theories and shows the process how his practical work influences his work on the solution of the Neurosis question. Finally he is convinced: no neurosis without  sexual conflict. Reich saw the neurosis as a direct disorder of the genital system and not only as one of sexuality as a whole. He was sure that the problem lay in the ability to sexually „love“ and really conflate with the sexual partner. He called this ability „orgastic potency“ and his therapy was to bring patients to an „erotic sense of reality“, to enable them to arrive at their full orgastic ability. According to Reich a fulfilling love life was the key to the healing of neurotical disorders. This lead to the conflict and eventual break-up with Freud and finally his expulsion from the International Psychoanalytical federation. The latter was also linked to his political activities. The film will lay great emphasis on the development and split of Reich`s relationship with Freud.
His cases at the Ambulatorium showed Reich that social supression and deprivation directly lead to neurotical illness. So he arrived at the conviction that social change by political means was necessary. He became a member of the communist party, also in direct reaction to the scenes of civil war related to the fire at the palace of justice in Vienna in 1927, which he witnessed at first hand. He moved to Berlin, where he was very active in the SEXPOL-movement, the social-political education of the German communist party, which he founded. He wrote about the rising fascism in „Massenpsychologie des Faschismus“. Reich also developed his concept of „characteranalysis“ and found the phenomenon of the „emotional pest“ as an illness evoked by the genital frustration, that manifests itself in the plating in body and character. This plating destroys the ability to live with a balanced emotional and energetic state. Reich sees „emotional pest“ in all organisations and institutions, that force moral and authoritarian behaviour on the people, instead of enabling them to live their lifes in self-regulation. Reich was proven right by the political events in Germany and the rise of Hitler and the Nazis, who burned his books and put Reich on top of their most wanted list.

The film shows the original sites of his work in Vienna and Berlin and presents interviews with experts on this time.

2. Energy in time: the background story 

Note: This is material that will be used throughout the film only in relation to our main story „Reich“ and only as far as it helps to clarify, contrast, stress and underline certain elements of Reich`s work.

Anaximander (610-546 B.C.) called the preexisting and indestructible main substance of life Apeiron, for Thales of Milet it was water,  for Heraklit fire. Parmenides describes the secrets of the principle of „being one“  in a poem about his dreamy descend to the underworld. For Anixamenes the magical source of all cosmic energy was air or breath. He was of the opinion that the whole cosmos and the human soul is made up of this pneuma.

In the school of the stoics pneuma received its full comprehensive meaning: it was the substance of gods, the individual human soul and the universal world soul. Everything was created out of this divine substance, sprung from the creative fire. According to this ancient concept the world as a whole and every human body is held together by pneuma through tonos (tension) and hexis (cohesiveness). All human physical states and characteristics are thought of as a direct effect of pneuma, even human perception, movement, coherence and coordination of the organism were explained on the basis of  psychological pneuma. Pneumatic currents are flowing from a central steering element in the soul to the periphery of the body and vice versa. This current takes care of the cohesion of the organism. The sensory perceptions evolve through differences in tension within the field of pneuma between the perceived object and the perceiving subject. A train of thought similar to Reichs orgon energy.

Since the 6th century B.C. the Greek doctor Hippocrates introduced the term physis to the Greek philosophy of nature and ethics. Physis describes the peculiarity and nature of every object and living being and its process of growth. The prerogative of every being to stay true to its nature and fulfill and preserve its way of life developed in Hippocratism into the concept of self-healing, organisational and preserving powers of the organism. Again something that Reich touches with his concept of self-regulation.  

In the early Renaissance period Paracelsus, the doctor, philosopher of nature and alchemist, saw the whole universe as a living entity. He believed that all things and creatures shared an elementary power called Archäus. Paracelsus describes it as an immaterial principle and a spiritual essence: ethereal in nature, present everywhere, but invisible. Something that creates all forms of matter and regulates them. In an organism Archäus is a field of energy surrounding the body with an aura of a „glowing sphere“. This most noble part of the body regulates growth, development and decay of the physical body, is responsible for health and illness as well as for transformation and assimilation of food. In a state of health Archäus is spread equally throughout the body.

In the late 18th and 19th century energy science would develop further.

Franz Anton Mesmer, who studied  Medicine at Vienna university, was convinced – after studying ancient enthnological and medical writings and observing nature and patients – that an invisible power or what he called a potentia exists in nature. He believed this vis (power, ability) to be the source as well as the well for illnesses. He called this power, which he deemed responsible for Newtons gravity and the inner processes of living organisms, in general gravitas universalis and gravitas animalis within the human body. For Mesmer this power was a medium with which the heavenly bodies, especially moon and sun, are able to influence the ocean, the atmosphere, the solid and liquid components of all living matter. The human organism was influenced through this special fluidum and would be healthy or ill according to the position of the stars. We know now that the above content, which Mesmer layed out in his thesis, was a plagiarism of a book by the English doctor Richard Mead. But nonetheless that was also Mesmer`s theory and he was convinced that steel magnets could restore the balance of these fluids within the body by emulating tidal waves. All illnesses and cures are solely based on the effects of magnetism according to Mesmer. He defined health as a certain relationship between movement and calmness. When this relationship was out of balance and the flood of the animal magnetism in the body was restricted, illness began, because the body was slowly getting rigid and could no longer react to the impulses of the magnetic flood.

Mesmer moved to Paris in 1778, where he practised as a doctor and was very successful with his therapies for which he used magnetic tubs filled with sand, stones, iron dross or glass. Iron bars would stick out of these buckets bent in an right angle. The patients would touch these bars and all patients were connected through a magnetic tightrope. That way Mesmer wanted to build a unified body, in which the magnetic flood could circulate freely. Mesmer`s healing technique was to walk around, approach patients and increase the circulation of their fluidum by moving his hands around the body of the patient without touching and by looking into the patient`s eyes.

Between 1860 and 1880 magnetism and hypnosis had become a popular attraction. All over Europe hypnotists were practising on large stages in front of hundreds of people. But in medical and scientific circles their reputation was so bad that every doctor practising these methods was risking his professional career. This was the case especially in France where Mesmerism had been left to laymen and was never officially accepted by the medical community. But in 1880 a number of doctors and neurologists in Paris began to rethink their attitude towards hypnosis. Among them were Richet, Charcot, Liebault and Bernheim, whose research lead to the foundation of two schools of hypnosis, which had a great deal of influence on further developments. Charcot and his school of the Salpétrière hospital were of the opinion that an illness based on the activity of the imagination was as real as any other illness and could be healed through the imagination by way of suggestion. Bernheim and the school of Nancy believed that the hypnotic condition and all hypnotic and magnetic phenomenona were the product of suggestion. In contrast to Charcot Bernheim thought the hypnotic condition to be completely normal. To him it was just a progression of the human ability to concentrate and not an illness.
In 1885 Sigmund Freud was one of the students of Charcot learning hypnosis from him.  Charcot`s use of hypnosis in order to find an organic basis for hysteria lead to the development of the cathartic method of remembrance and release of suppressed traumatic expierence by Breuer and Freud. Freud thought hypnosis to be an unreliable method and instead invented „free  associativity“.

So there is a direct link between Mesmer and the schools of hypnosis in Paris and Nancy to Freud`s psychoanalysis and ultimately Reich`s orgontherapy.      

3. The biological energy

Reich settled in Kopenhagen and then Oslo in 1934. He started a series of bio-electric experiments in which he wanted to fathom Libido and the functional dichotomy between sexuality and fear. The film will focus on these experiments in this period. Orgasm meant an electrophysiological release of arousal. Reich calls his „4 step formula of orgasm“ separated into tension, charge, discharge and relaxation his formula of life and it is the center of his sexualeconomical theory. Without the feeling of lust  there is no charge and flowing of energy. In order to free this „Bio-electricity“ and work against the disorder of the genital system he developed the Vegetotherapy, later the Orgonenergytherapy. It worked with specific breathing techniques and massages on the whole body to release the stored tension. The climax of the therapy is the „orgasm reflex“, the feeling of „vegetative aliveness“, the orgastic virility In Oslo Reich starts with his scientific experiments in his laboratory: the Bion experiments In his lab he studies the Protoplasma current, the autonomous movement of all living matter. He notices that under strong mikroscops monads shows movements of contraction  and expansion. Reich named these pulsating bubbles „Bions“.they were an intermediate state between non- living and living matter. These bions are charged with what Reich now calls Orgon energy and develop into protozoen and bacteria. Orgon energy is biological energy in the living organism and also cosmic energy.

Excursion: Taoism and Chi

Taoist theology focuses on doctrines of wu wei ("non-action"), spontaneity, humanism, relativism and emptiness. This philosophical aspect of Taoism emphasizes various themes found in the Tao Te Ching such as naturalness, vitality, peace, "non-action" (wu wei), emptiness (refinement), detachment, the strength of softness (or flexibility), and in the Zhuangzi such as receptiveness, spontaneity, the relativism of human ways of life, ways of speaking and guiding behavior. Tao can be roughly stated to be the flow of the universe, or the force behind the natural order. Tao is believed to be the influence that keeps the universe balanced and ordered. Tao is associated with nature, due to a belief that nature demonstrates the Tao. The flow of Chi, as the essential energy of action and existence, is compared to the universal order of Tao. It is often considered to be the source of both existence and non-existence. Chi and its therapeutic methods will also be shown.

The film focuses on a comparison between Taoist philosophy and similarities and differences to Reich theories. Taoist masters explain the concept of Tao and Chi.

4. Orgon energy is cosmic energy

This is the part realised under the expert guidance of Kevin Hinchey!

After having left Norway on the last boat before WWII, Reich settles in Maine. In his last years he  studies orgon energy, which he had discovered through his bion experiments, in the fight against cancer  - Excursion: Orgontherapy today in the fight against cancer today.
Reich discovers negative orgon in radiation and the atmosphere.
His work is under attack: the trial, burning of his books by the FDA and his last period in prison.



5. Reich – an energetic legacy

The film will deal with the following topics:

Reich was rediscovered by the 68movement in the name of free love. Soft birth became an issue. At the end of the 1970s the experimental rediscovery of Reich starts, in Germany through Heiko Lassek and others. Successes in treating cancer patients and the double blind studies on Orac will be in the focus of the film as well as blood diagnostics and  bionexperiments. Further development of the orgontherapy with the support of Reich`s students will be in the focus of the film as well as the transmaterial catalysts that can achieve the worldwide revitalisation of waters. The project will also focus on the education of orgon therapists in Berlin, Hamburg, Vienna and Helsinki. Today Orgon therapy is on the European list of natural healing methods.

The film will also show the foundation of the Wilhelm Reich society with Eva Reich and numerous doctors and professors in 1986, worldwide conferences in the 1980`s and 90`s and focus on the work of the Wilhelm Reich infant trust in Rangeley over the past decades.

To commemorate Reich`s death 50 years ago the film will deal with the past and present in the form of indications for his growing importance and the renaissance of his thinking today in conferences and exhibitions like the one at the Jewish Museum in Vienna at present.

Finally the scientists following in Reich`s footsteps today as Prof. Bechmann, with his concept of post-materialistic natural science, will be portrayed and interviewed in the film.

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