Heiko Lassek und Björn Blumenthal Juni 2010, Potsdam
Heiko Lassek, September 2010, Opatija
Nächster offener Seminartermin:
Workshop: 19. und 20. Februar 2011
in Zürich
Thema:
Theoretisches Verständnis und praktische Erfahrung der
Lebensenergie des menschlichen Körpers
Inhalt des Workshops: Im Workshop werden fundierte Kenntnisse über das Verständnis
des Chi in taoistischen und buddhistischen Schule vermittelt. DenSchwerpunkt
bildet die Erfahrung dieser Energie in den sogenannten „Spontanen Bewegungen des
Taoismus“, welche die einzige und tiefste Meditationsform des Tai Ji Men
bilden. In einem vom Vortragenden hergestellten speziellen
Chi – Feld können die Teilnehmer in tiefe selbstregulatorische
Effekte dieser kosmischen Energie in ihrem eigenen Körper eintauchen.
Bei vorliegendem Interesse der Teilnehmer wird ausserdem die
Orgontherapie Reichs demonstriert und Übungen zur Hebung des menschlichen
Energieniveaus vermittelt.
Bei vorhandenen psychischen Erkrankungen sowie Herz-/
Kreislauferkrankungen ist eine
telefonische Kontaktaufnahme mit dem Leiter vor der
Anmeldung zum Workshop erforderlich.
Programm:
Samstag und Sonntag 19./20. Februar 2011 Beginn jeweils 10:30 Uhr
Ende jeweils 18:30 Uhr
Heiko Lassek geht im Workshop gerne auf die
Wünsche der Teilnehmenden ein.
Gemeinsames Mittagessen (nicht in den Kosten
enthaltend) mit freiem Tafelgespräch.
Organisation: Organisator des Workshop ist Heiko Lassek.
Für Administration und Anmeldung ist Alex
Brunner vor Ort zuständig.
Weiterer Workshop:
Ein weiterer Workshop zum gleichen Thema ist
zirka im Mai 2011 vorgesehen.
Besondere Bedingungen
und Hinweise: Zu beachten ist, dass die Garderoben und der
Übungsraum nur barfuss, mit Socken, sauberen
Hausschuhen oder Haussocken betreten
werden dürfen. In allen Räumen darf nicht geraucht
werden.
Kursort Bäckerstrasse 40, Zürich
Ausbildungshinweise /
Literatur:
Zu Wilhelm Reich:
-Film: Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?
-http://www.wilhelm-reich-gesellschaft.de
-http://www.heiko-lassek.de
Kosten des Workshop: Die Kosten belaufen sich für Samstag und Sonntag auf Fr. 420.00.
Anmeldung:
Die Teilnehmerzahl ist auf 16 Personen begrenzt.
Die Anmeldebestätigung erfolgt in der Reihenfolge des Zahlungseingänges. Eine Teilnahme
ohne Vorausanmeldung ist nicht möglich.
Die Anmeldung erfolgt ausschliesslich über Alex
Brunner, info@brunner-architekt.ch
Bankverbindung zur Überweisung der Kosten des Workshops:
Clientis Bezirkssparkasse Uster
PC-Konto 30-38102-7
IBAN: CH24 0688 8016 2004 7640 9
Anmeldebedingungen: Stornierungen bis 3 Tage vor dem Workshop:
Es werden 50 Prozent des bezahlten Preises zurück bezahlt. Spätere Abmeldungen
werden nicht vergütet.
Ein Ersatz durch eine andere Person ist zu jeder Zeit kostenfrei möglich.
Eva
Meiner Lehrerin, Vertrauten und Freundin anlässlich des Verlassens ihrer irdischen Hülle.
Ich bin der Auffassung, dass eine wirkliche Würdigung eines so großartigen Wesens nur durch die Schilderung vieler Aspekte einer schillernden Persona möglich ist...
Meine Erinnerungen, in Verbundenheit und Dankbarkeit, Heiko.
1981
Ich hatte von Eva Reich von verschiedenen Zeitzeugen nur Negatives gehört; dies schien sich zu bestätigen, als ich 1981 aus N.Y.C. zum ersten Mal mit ihr telefonierte. Sie wirkte – und war- arrogant und teilte mir mit, das niemand außer ihr die mikrobiologischen Experimente ihres Vaters unserer Berliner Arbeitsgruppe aus Medizinstudenten erläutern konnte. Einen Tag davor war ich bei Dr. Chester M. Raphael, der hinter Allem, und im Hintergrund, von Forest Hills, dem Wohnort Wilhelm Reichs in N.Y.C. die gesamte Arbeit des Wilhelm Reich Infant Trusts leitete, mit Mary Boyd Higgins als seine vertraute Schülerin bis zu seinem Tod. Da ich auf amerikanisch abspielbare Videodokumentationen unserer Blutdiagnostik und Bionforschung bei ihm abspielen konnte, konnte er wahrnehmen, welche Arbeit wir geleistet hatten und erstütze uns bei allen Laborversuchen und erkrankten Menschen. Er hatte eine eigene Meinung über Eva Reich. Ich fand sie einfach arrogant während unserem Telefongespräch.
1983
Eva – ich nenne sie im Folgenden so – kommt auf Einladung von Hebammen und Körperpsychotherapeutinnen nach Westberlin, ich begegne ihr zum ersten Mal persönlich und ich nehme war, das sie mit weiblichen Wesen besser umgehen kann als mit deren Gegenteil. Eva sitzt mit mir in der Liegnitzer Strasse in West Berlin und schaut stundenlang U- Matic- Videos über bionösen Zerfall und Blutdiagnostik und beginnt zu weinen immerfort. Sie sagt, dass sie dies seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts nie wieder gesehen hat; eine tiefe Freundschaft und Lehrerin/ Schüler Beziehung beginnt.
Spaziergänge
In Schöneberg im Volkspark und in Kreuzberg am Landwerkanal beginnen tiefe Begegnungen; ich erfahre viel über ihre Mutter – Annie Pink - , ihre Schwester Lore und ihre Zusammenarbeit mit ihrem Vater in den 50er Jahren.
Eva arbeitet mit vielen Freunden und Kollegen mit sanfter Geburt und Widererlebens des Geburtstraumas, manchen von ihnen muss ich tagelang ein Essen vor die Tür stellen, weil sie sich aus der Wohnungstür nicht mehr heraustrauen – so tief war die Arbeit – in der Klinik waren sie krankgeschrieben. Was macht Sie? Sie arbeitet mit meinen an Krebs erkrankten Menschen; die überwiegende Anzahl ist begeistert, manche sind wütend auf mich, das ich eine Arbeit mit D. Eva Reich empfohlen habe.
1986 und die folgenden Jahre
Eva ist inzwischen Ehrenpräsidentin der auf ihre Anregung gegründeten „Wilhelm Reich Gesellschaft zur Erforschung lebensenergetischer Prozesse e.V.“ – wir versuchen unsere Jahrestagungen mit ihren Aufenthalten zu koordinieren. An zahlreichen Terminen in den folgenden Jahren gelingt dies und Eva leitet engagiert unsere Tagungen. Im gleichem Jahr erteilt sie mir die notarielle Bevollmächtigung zur Gründung eines Wilhelm Reich Institutes und der Weiterentwicklung der Vegeto-/ Orgontherapie.
Abende
Wir sprechen über gemeinsame Patienten. Im Restaurant „Morgenrot am Südstern in Berlin – Kreuzberg geht sie auf die Damentoilette – ich sitze mit dem Rücken zu ihr, sie war davor auf einer Bank gegenüber – plötzlich spüre ich eine sanfte Berührung an meinem Schädel und ein leichtes Zurückführen meines Kopfes durch ihre zweite Hand an meinem Kehlkopfes. Mein gesamter Körper beginnt zu pulsieren und der Tisch fällt mit allen Tellern und Gläsern zu Boden zu fallen. Fast alle Gäste im Restaurant schauen uns an. Was macht sie? Sie setzt sich auf die Bank gegenüber und strahlt mit funkelnden Augen und sagt „ Du pulsierst“. Und dann: „Ich möchte Viel an ich weiter geben“. Überwältigung?
Und so geschah es dann auch: während ihrer zahllosen Aufenthalte in Berlin holte ich Eva vom Flugplatz ab und – ich glaube jedes Mal sagte sie schon während der Fahrt zu meiner Wohnung, das sie etwas neues gelernt habe, was ich unbedingt kennen lernen sollte. Es ging so schnell, sie war so neugierig und wissbegierig das in gleicher Weise wie sie ihr Wissen an vielen Orten auf der Welt weitergab, sie offen und bereit war, von Anderen zu lernen. Ich war oftmals so überschwemmt, das ich zu sagen begann: „Eva, wenn du in einem Jahr davon genauso begeistert bist wie heute, dann bin ich bereit, diese Methode von dir zu erlernen.“ Es ging um Methoden wie Polarity, Metamorphische Methode, Osteopathie, Osteocraniosakrale Therapie bis hin zu Bach Blüten Essenzen, um nur einige zu nennen. Ihr Weg war gekennzeichnet von dem Erlernen dessen, was sie „Sanfte Bioenergetik“ nannte – in einem gewissen Gegensatz zur eingreifenden Orgontherapie ihres Vaters oder der „harten“ Bioenergetik Alexander Lowens. Manchmal drängte sie mich geradezu, ihre Lehrer einzuladen und mich um die Verbreitung der von ihr favorisierten Methoden in Berlin zu sorgen. Ein wundervolles Beispiel war für die osteocraniale Technik Dr. Martin Allen, ein amerikanischer Zahnarzt und Kiefergelenksspezialist, der mir Trance induzierenden Zonen im tiefen Halsbereich beibrachte und unvergessliche Workshops im Rahmen meiner Ausbildungsgruppen durchführte. Andere Techniken, wie z.B. die Arbeit mit den Bach Blüten Essenzen sind mir zur ihrer Enttäuschung immer wesensfremd geblieben.
Nach einigen Tagen Aufenthalts im damaligen Reich – Institut entwickelte sich bei Eva immer ein leichtes Asthma auf Grund ihrer Katzenallergie (meine Lebensgefährtin Claudia und ich hatten zwei Katzen) und sie begann dann für längere Zeit bei ihren Freundinnen Helgard Passow und Paula Knapp-Diedrichs zu wohnen. Obligatorisch waren längere Aufenthalte in der damaligen DDR, besonders in Halle, wo sie bei dem Psychiater Hans Joachim Maaz unterrichtete. Ein typisches Ritual war in jenen Jahren, das ich sie bei ihren Freundinnen mit dem Wagen abholte und zum zentralen Busbahnhof in West – Berlin brachte. Wir mussten aufgrund unserer verschiedenen Reisepässe (Eva benutzte ihren amerikanischen Pass, mit dem sie unter dem alliierten Status problemlos nach Ost – Berlin einreisen konnte) zwei weit auseinander liegende Grenzübergänge nehmen, um uns dann wieder in Ost – Berlin zu treffen. Eva hatte jedes Mal mindestens vier (!) volle große Plastiktüten mit biologischen Lebensmitteln und Obst dabei, manchmal auch hunderte von Fahrradventilen und anderen Sachen, die es in der DDR kaum gab. Sie sprach oft über die mangelnde gesunde Ernährung, die chronische Kontraktion der Menschen im anderem Teil Deutschlands und das es Generationen dauern würde, bis sich das bioenergetische System beider Staaten angleichen könnte.
Eva Reich gab ihr Wissen in 31 Ländern weiter, zumeist unendgeldlich oder sie spendete fast alle ihre Einnahmen für lokale Projekte...
1999
Travemünde
Eva kam gerade vom Transatlantikflug aus Hamburg als sie mich im weißen Hotelbademantel mit den Worten empfing „Heiko, glaubst du ich bin ein schlechter Mensch?“ Sie erzählte, dass sie seit langer Zeit immer wieder Schuldgefühle gegenüber ihrer Schwester Lore empfand - sie hatte ihr in der Kindheit immer Angst mit Gruselgeschichten eingeprägt und sich über Lores Verunsicherung amüsiert. Diese und andere Geschichten beschäftigten sie nun Tag für Tag. Im folgenden Konferenzgeschehen war sie ganz die alte Eva. Privat und ohne Bezahlung arbeitete sie in ihrem großen alten Zimmer des Kurhotels mit lateinamerikanischen Teilnehmerrinnen, viele Menschen wollten sie sehen, kennen lernen - sie aber therapierte den ganzen Tag um ihr Wissen und ihre Techniken weiter zu geben. Ein unvergessliches Bild: Abends, sie wollte im feinem Hotelbademantel zum Dinner gehen, schlief sie vor dem Fahrstuhl in einem großen Ledersessel der Hotellobby ein. Niemand wagte sie zu wecken. Und so gingen unzählige Konferenzteilnehmer lächelnd, vor Hochachtung aber schweigend an ihr vorbei zum Fahrstuhl. Am nächsten Tag wurde sie auf dem Podium gefragt aus welchem Grunde sie mir damals eine so einmalige und umfassende notarielle Bevollmächtigung auf die Gründung eines Wilhelm-Reich-Institutes gegeben hatte. Und warum gerade Heiko Lassek? Die Frage war kritisch gemeint. In ihrer fast unübertrefflichen, ironischen Art antwortete sie: „er liebt schöne Frauen, er liebt schöne Autos, er arbeitet mit Krebspatienten, er hat die Blutdiagnostik und Bionforschung meines Vaters wiederholt, ich kenne vieler seiner Krebs erkrankten Patienten, er ist Arzt hält Vorträge und bildet Menschen mit Orgontherapie aus, er raucht viel, trinkt viel, er ist in allen guten und schlechten Seiten wie mein Vater. Wem sonst?“ Es gab keine weiteren Nachfragen’ in ihrer brillanten Antwort hatte sie genau die Intention des Fragestellers ad absurdum geführt. Am dritten Tag unternahmen ihre schon erwähnte Berliner Freundin Helgaard Passow Eva’s wunderbare lebendige Tochter Renata und ich einen Ausflug zur Steilküste der Lübecker Bucht. Ich wollte ihr ein altes, einsam gelegenes Restaurant über dem Steilufer zeigen, die so genannte „Hermannshöhe“ spielte in meiner Kindheit und Jugend eine bedeutende Rolle, da meine Eltern mit mir in den Sommerferien jedes Jahr nach Travemünde fuhren (es war dank der damaligen Vorsitzenden der EABP, der von mir sehr geschätzten Ilse Schmidt-Zimmermann, nicht ganz ein Zufall, dass diese Konferenz dort stattfand). Nach dem Essen wollte ich Eva noch einen Teil meiner geliebten Wege an dieser Steilküste zeigen. Nach wenigen Minuten Spaziergang in Richtung Norden/ Niendorf begann Eva ganz aufgeregt zu sagen: „das hier kenne ich, ich war schon einmal hier, gleich nach der Biegung kommen ganz kleine einsam gelegene Häuser.“ Sie lief fast voraus, wartete auf mich und ging mit mir in einen kleinen Wald. Renata und Helgaard folgten. Ich stand plötzlich mit ihr vor dem letzten wegen dem jahrzehntelangen Abbruch der Steilküste letzten unbewohnten Haus, es war das letzte Teil eines Sommerlagers in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wo sie von ihren Eltern mit einer sozialistischen Jugendbewegung in den Sommerurlaub geschickt worden war. Renata machte Fotos. Eva erinnerte auf einmal völlig fasziniert’ die gesamte Steilküste bis zum nächsten Dorf. Wir hatten über viele Jahre zahlreiche solcher seltsamen Erlebnisse, auch in Bezug auf entlegene Orte, Eva meinte öfters, wir hätten eine vielleicht reincarnative Beziehung – sie nannte mich dann immer „meinen Junker“, was ich in seiner gesamten Bedeutung nie ganz in der Tiefe verstanden habe. Den letzten Tag der Konferenz führte sie intensive Gespräche mit vielen Teilnehmern auf der Terrasse des Kurhotels; abends ging ihr Flug von Hamburg nach Boston zurück.
Dezember 1999 - der erste Schlaganfall
Er kam aus dem Nichts – doch nicht wirklich. Eva litt seit fast zwei Jahrzehnten an einer atypischen Leukämie mit sehr hohen Leukozyten und Thrombozyten (Blutplättchen). Die – vereinfacht gesagt- herabgesetzte Fließgeschwindigkeit und „Verdickung“ des Blutes führt zu Neigung von Thrombosen und damit Schlaganfall, auch Bill Moise war daran gestorben. Eva führte dies auf ihrer beider Anwesenheit währen des Oranurexperiments zurück (zu Erinnerung: fast alle Labormäuse auf Orgonon erkrankten nach den Versuch an Leukämie, Reich bezeichnete dies als Überstrahlungsphänomen). Eva behandelte ihre Erkrankung ausschließlich biologisch. Eva war nun im Krankenhaus im Rollstuhl, erholte sich schnell von der vorübergehenden Lähmung. Renata erzählte mir erlöst und lachend folgende Geschichte: wegen einer Überbelegung des Krankenhauses zur Zeit ihres Aufenthalts wurde Eva ungewöhnlicher Weise für ein paar Tage in ein Zweibettzimmer gelegt in dem der andere Patient (ein Mann) ein Manager mit mittelschweren Brandverletzungen war, Eva war schon wieder höchst lebendig, saß in einem alten Rollstuhl, trug schwarze Lederhandschuhe um sich an den Gummirädern nicht die Hände aufzureiben. Nach drei Tagen begann sie schon zu dozieren und die Abteilung der Inneren Medizin über biologische Ernährung und Orgontherapie aufzuklären. Sie war bis auf die leichte Lähmung voll präsent, sogar etwas euphorisch, ihr Wissen im Heimatkrankenhaus weitergeben zu können. Am vierten Tag sagte der Mitpatient zur Renata: „Ich hätte nie gedacht, einmal mit Jack Nicholson in einem Krankenzimmer sein zu dürfen.“
Eva hat sich dann ganz schnell erholt und schon ab Mitte Januar telefonierten wir fast jeden zweiten Tag über ihre Teilnahme einer zentralen Podiumsdiskussion der seit 8 Jahren größte Konferenz Deutschlands „Visionen menschlicher Zukunft“ im Kongresszentrum Bremen. In Absprache mit dem Kongressleiter Frank Siepmann sollte ich meine beiden Lehrer Doktor Eva Reich und Professor Lu Jinchuan moderieren, beide freuten sich sehr auf diese Begenung. Lu Jinchuan schätzte Wilhelm Reich als den bedeutendsten Wissenschaftler des Westens und Eva unterstützte mich kontinuierlich seit Jahren bezüglich meiner Beschäftigung und Ausbildung in Chi-Medizin und Taoismus. Sie sagte damals zu mir „Heiko mein Vater hatte 60 Jahre, die Funktion der Lebensenergie zu erforschen, der Taoismus hatte 6000 Jahre.“ Ein zweiter kleiner Schlaganfall verhinderte dies, Eva war nicht mehr reisefähig.
Im Juli 2006 sah ich Eva das letzte Mal; ich war mit meinem Freund, dem Wiener Regisseur und Produzenten Antonin Svoboda wegen einer Recherche für einen Spielfilm über Wilhelm Reich längere Zeit in den USA und wir konnten Peter Reich, Ilse Ollendorff, Dr. Richard Blasband, Orgonon und vieles mehr besuchen und auch Medien – und Zitatrechte klären. Ich rief dann spontan Evas Tochter Renate an und fragte sie, ob sie sich über unser beider Besuch freuen würde – sie sagte sofort zu. Wir beide kamen abends in Evas Wohnort Hancock im nördlichen US – Bundesstaat Maine an, die kleine Stadt ist etwa vier Stunden Autofahrt von Orgonon entfernt. Renata und ihr Mann Antonio leben von Eva nur durch eine kleine Landstraße getrennt; Renata arbeitet seit Jahrzehnten als Hebamme und malt wunderschöne Ölbilder in der Tradition ihres Vaters. Bill Moise, dessen früheres kleines Atelier immer noch an Eva’s kleine Farm angrenzt, Antonio organisiert Kanufahrten und Erlebnistouren für Touristen in der Umgebung der Kleinstadt. Wir vier gingen zum Dinner, Renata sagte, das ich nicht erschrocken sein sollte, wenn Eva mich am nächsten morgen nicht erkennen würde, sie sei manchmal etwas verwirrt und hätte auch zunächst ihre lebenslange Freundin Sophie Freud ein Tag vor uns zu Besuch war nicht erkannt. Seit einigen Monaten lebte Renatas Sohn Christopher mit seinem großen Schäferhund nach einer langjährigen Beziehungstrennung mit Eva auf der kleinen Farm.
Letzte Begegnung
Gegen 10.00 Uhr morgens gingen Antonin und ich mit Renata zu Evas Haus. Eva saß mit einem großen Sonnenhut im Garten und schien etwas amüsiert und ein wenig verwirrt über unseren Besuch zu sein. Christoph erschien in der Farmtür und Eva fragte uns was denn dieser fremde Mensch - ihr Schwiegersohn, der bereits zwei Monate mit ihr zusammen lebte – in ihrer Haustür machen würde. Danach stellte sie mir ihren (wie sie meinte) neuen Hund vor und Renata begann mir zu erklären, dass es manchmal auch sehr lustig mit ihr ist. Z.B. hatte sie ein paar Tage zuvor den von ihr erkannten Christopher gesagt, er sollte nicht weiter traurig über seine von ihm getrennte Freundin sein, sie würde ihm eine neue kaufen – worauf Christopher zu Eva sagte, sie würde sich nicht in Thailand befinden. Nach einiger Zeit gingen wir in die kleine Küche wo Renata uns viele Fotos und Unterlagen für unser Filmprojekt zur Dokumentationszwecken zeigte. Innerhalb weniger Minuten kehrte nach zahlreichen Bildern aus Berlin Evas gesamtes Gedächtnis wieder zurück, selbst an den Namen meiner Katze erinnerte sie sich. Wir waren danach 7 oder 8 Stunden zusammen und sprachen über gemeinsame Freunde, Aufenthalte, Patienten, über die Aktivitäten in Berlin, Wien und Helsinki - Eva war völlig präsent und stellte immer wieder ganz spezifische Fragen, hellwach und in meiner Wahrnehmung über ihre Kräfte gehend. Zum Glück konnte von all dem Gesagten Antonin vieles mit einer Profikamera aufzeichnen, darunter viele Dokumente und Protokolle von Reichs späten Wetterbeeinflussungsexperimenten und den Wüstenexpeditionen. Am frühen Abend brachte Renata dann Eva ins Schafzimmer und zeigte uns dann noch die Ölgemälde ihres Vaters im Atelier. Das unvergessliche Gefühl beim Halten von Evas Hand wird mir immer ihre leuchtenden Augen bleiben, es war unser Abschied.
Dein „Junker“
Heiko Lassek, Peter Reich, Dr. Richard Blasband, Dr. Myron Sharaf und Gisele Sharaf, Antonin Svoboda
Artikel aus "Lebensenergieforschung" (Hrsg. Heiko Lassek), "Wissenschaft vom Lebendigen", "Emotion - Beiträge zum Werk Wilhelm Reichs" (Mitherausgeber 1979 - 2006: Heiko Lassek), "Bukumatula" - Periodikum des Wilhelm Reich Instituts Wien, und hier erstmals veröffentlichte Beiträge (nicht redigiert).
Die Artikel sind fortlaufend aneinandergereiht.
Unter anderem:
Günther Hebenstreidt, Doppelblindstudie über den Orgonakkumulator (Universität Wien),
Prof. Dr. Arnim Bechmann über ein Konzept einer auf Wilhelm Reichs Forschungen aufbauenden "Nachmaterialistischen Naturwissenschaft",
Wolfgang Runge, Diplomarbeit über Orgontherapie (Fachbereich Psychologie TU Berlin)
und andere Beiträge und persönliche Fotographien
Günther Hebenstreidt, Mitglied der Wilhelm-Reich-Gesellschaft, ehemaliger Obmann des WRI Wien, Diplomarbeit im Fachbereich Psychologie der Universität Wien
Die psychophysiologischen Effekte des Orgonakkumulators. -
Eine experimentelle Untersuchung mit sexualökonomischer Interpretation.
Der vorliegende Beitrag stellt einen Auszug
bzw. eine Zusammenfassung der Abschlußarbeit für das Studienfach Psychologie an
der Wiener Universität dar, die 1995 approbiert wurde.
1. Grundlagen
Zwei Dinge sind in Wilhelm Reichs Werk
außergewöhnlich: Erstens einmal seine wirklich interdisziplinäre Aufarbeitung
der ihm zur Verfügung stehenden Literdaten zum Thema biologische Erregbarkeit
von lebendem Gewebe (Raknes 1970). So stand in der psychoanalytischen Phase
Reichs das Problem der Sexualerregung und der (vegetativen) sexuellen und
emotionalen Stauung bei Neurotikern im Mittelpunkt. Später dehnte sich sein
Bemühen auf körperliche Erregungsprozesse bzw. Regulations- und
Abwehrmechanismen aus.
Zweitens ist sein erkenntnistheoretisches
Konzept des energetischen Funktionalismus sehr originell. Durch die Betonung
des - wie Freud sagte "libidoökonomischen Faktors" bzw. des bioenergetischen
Zustands des untersuchten Objekts gelangt Reich zu einer dialektischen
Erkenntnisauffassung, die versucht, eine vorgefundene antithetische
Paarbeziehung (z.B. Sexualität vs. Angst) in ihrer Gegensätzlichkeit dadurch zu
überwinden, indem sie die gemeinsame bioenergetische Verwurzelung hervorkehrt.
Beispiele wären hier die funktionelle Gegensätzlichkeit der Aktualneurose ohne
offensichtliche psychischen Inhalte und der Psychoneurose, die sehr wohl
psychische, analysierbare Inhalte in sich birgt: Von der Betrachtung her
gegensätzlich in bezug auf die (nicht) nachweisbaren psychischen - sexuellen
Inhalte, funktionell ident in bezug auf den Umstand, daß bei beiden Arten
neurotischer Erkrankung ein Übermaß an (libidinöser) Erregung die Psyche zu
überfluten droht. Ein anderes Beispiel ist das libidoökonomische,
wechselseitige Zusammenspiel der Abwehrmechanismen zu Charakterstrukturen auf
der einen, körperlicher Ausdruckshaltung, Muskeldystonus und psychosomatischer
Symptome auf der anderen Seite. Sie alle stellen körperliche oder psychische
Symptome dar, und sie sind von der Erscheinung her gegensätzlich. Betrachtet
man sie vom (libido-) ökonomischen Standpunkt bzw. vom Standpunkt der
Erregungverarbeitung, dann legen die beiden antithetischen Pole in ihrer Gemeinsamkeit
offen: Es ist die Gemeinsamkeit der neurotischen bzw. pathologischen
Erregungsregulation und -kanalisierung, der mißlungene Versuch, gestaute, d.h.
nicht umgesetzte, nicht ausgedrückte Gefühle, Emotionen, körperlich vegetative
Erregung auszuregulieren.
A. Grundsätzliches vorweg
Inhaltlich gesehen lassen sich in Reichs Werk zwischen 1919
und 1952 in etwa drei, (teilweise ineinander übergehende) Zeitabschnitte
abgrenzen:
Psychoanalyse und Entwicklung der Orgasmustheorie: 1919 -
1927
Sexualökonomie als eigenständige Wissenschaft zwischen 1927
und 1938
Orgontheorie ab 1939.
Eine völlige Abgrenzung dieser Abschnitte ist aber nicht
möglich. Ein verbindendes Element zeigt sich in Form der praktischen Anwendung
der dialektisch-materialistischen Erkenntnismethode, der zur energetisch
funktionellen Erkenntnismethode weiterentwickelt wurde. Inhaltlich stand die
Orgasmustheorie im Zentrum der Überlegungen Reichs, auf der das
interdisziplinäre Gebäude der Sexualökonomie aufbaut.
Die von Reich begründete Orgasmustheorie stellt den Kern der
Sexualökonomie (Der Wissenschaft von der Art der Haushaltung libidinöser bzw.
vegetativer Erregung) dar und ist in ihrer allgemeinen Grundlage der meisten
Konzepte von Reich (Charakterbildung und seine ökonomische Funktion, Panzerung,
Neurosenprophylaxe, Spannungs-Ladungs-Formel, Pulsation, biophysische Erregung,
etc.).
Zuvor sollen aber noch kurz einige Gesichtspunkte der
Reichschen Forschungsmethodik (die aus der Methode des dialektischen
Materialismus heraus entwickelt wurde) diskutiert werden. Leider fehlt bis
heute eine umfassende systematische Darstellung des energetischen
Funktionalismus.
Als Wissenschaftler versuchte Reich die Grenzen
einzelwissenschaftlicher Disziplinen und ihrer speziellen Methoden zu überwinden,
indem er die Erkenntnis- und Forschungsmethode des dialektischen Materialismus
(später zum energetischen Funktionalismus entwickelt) anwendete und die
Forschungsergebnisse anderer Teildisziplinen auf sein aktuelles
Forschungsgebiet mit einbezog. Reich gelangte eben durch die Anwendung des
dialektischen Materialismus zur Formulierung eines Grundgesetzes der
Sexualität. Diese Vorgehensweise stellt die Besonderheit an Reichs Versuch dar,
eine einheitliche Lehre von der Sexualität im weiten Sinn zu entwickeln, was
ihm andererseits nicht nur von psychoanalytischer Seite Kritik einbrachte, wie
z.B. jene von Strotzka (1984, S. 109), der Reich vorwirft, den Orgasmus enorm
zu überschätzen. Allerdings soll noch weiter unten auf die Unterschiede in der
Orgasmusdefinition, wie sie üblicherweise in der wissenschaftlichen Literatur
im Vergleich zu Reichs Definitionen verwendet wird, eingegangen werden.
Reich legte größten Wert auf die Unterscheidung zwischen der
Anwendung von Forschungsmethoden des einen Spezialfachs auf andere
Spezialdisziplinen und der Anwendung von Forschungsergebnissen auf andere
Spezialdisziplinen. Ersteres unterließ er peinlichst, letzteres pflegte er mit
großem Einsatz. Gerade diese Unterscheidung führte Reich in Widerspruch zu den
Freudomarxisten bzw. zu mechanistischen und vitalistischen Denkmodellen der
Biologie.
"Nach wie vor vermeide ich die Anwendung der
psychoanalytischen Methode auf gesellschaftliche Tatbestände, und zwar aus
folgendem Grunde, den ich hier zum ersten Mal zu formulieren vermag. Es ist
richtig: Mit der Methode des dialektischen Materialismus untersuchen wir
gesellschaftliche Phänomene; es ist richtig: die Psychoanalyse ist eine
dialektisch-materialistische Methode der Untersuchung ...". (Reich 1934c,
S. 55)
Der logische Schluß daraus könnte etwa lauten, daß durch
diese Qualifikation der psychoanalytischen Methodik auch soziologische bzw.
massenpsychologische Phänomene mit ihrer Hilfe untersucht werden könnten (Reich
1934c).
Nach abstrakt-logischer Überlegung und idealistischer
Denkensart wäre dies zulässig, nach den Gesetzen der Dialektik wäre dies ein
Trugschluß. Der Grund dafür ist nach Reich ein "höchst einfacher
Tatbestand":
"Die Methode des dialektischen Materialismus ist zwar
eine einheitliche Methode, wo immer wir sie anwenden. Überall gilt der Satz der
Einheit der Gegensätze, des Umschlagens der Quantität in die Qualität etc. Und
doch ist die materialistische Dialektik eine andere in der Chemie, eine andere
in der Soziologie und wieder eine andere in der Psychologie. Denn die Methode
der Untersuchung hängt nicht in der Luft, sondern ist mit ihrem besonderen
Wesen von demjenigen Gegenstand bestimmt, auf den sie angewendet wird. Gerade
hier enthüllt sich die Richtigkeit des Satzes von der Einheit von Denken und Sein.
Man kann daher den Sonderfall der materialistischen Dialektik der
soziologischen Methode nicht austauschen gegen den anderen Sonderfall der
Dialektik der psychologischen Methode." (Reich 1934c, S. 55)
Die Relevanz für die Berücksichtigung der Anwendbarkeit von
Spezialmethoden der einen Einzelwissenschaft auf andere Spezialdisziplinen
liegt in dem Umstand, daß sich leicht Trugschlüsse aus den daraus erhaltenen
Forschungsergebnissen ergeben würden (Reich 1934c). Reich führt dazu ein
Beispiel an:
"Wer den Standpunkt vertritt, man könne soziologische
Fragen mit der psychoanalytischen Methode richtig lösen, bezieht gleichzeitig,
ob er will oder nicht, auch den anderen Standpunkt, daß man etwa den
Kapitalismus mittels der Methoden der chemischen Analyse erklären könne ...
denn der gesellschaftliche Prozeß hat zweifellos ebenso mit Materie wie mit
Menschen zu tun. Wenn man also psychologisch untersuchen kann, warum denn nicht
auch chemisch?" (Reich 1934c, S. 55)
Durch eine derartige Umgrenzung und Darstellung seines
Forschungs- und Denkschemas war es Reich möglich, die Ergebnisse seiner
Forschungen auf andere Einzeldisziplinen anzuwenden. Inwieweit ein anderes
Vorgehen nicht ebenso nutzbringend ist, kann hier nicht weiter untersucht
werden. So trägt Reich z.B. psychoanalytisches Gedankengut in die Soziologie
und Massenpsychologie (z.B. Reich 1945, 1946 und 1951f), aber nicht die
psychoanalytische Methodik, wie etwas das Strukturmodell oder die Methode der
psychoanalytischen Deutung somatischer Funktionen (mittels der Theorie des
Unbewußten; diese psychologisierte Vorgehensweisen kritisierte Reich sehr
stark; vgl. Reich 1942, S. 56).
B. Reichs Orgasmustheorie -
Die Spannungs-Ladungs-Formel
Als Psychoanalytiker beobachtete Reich bei seinen Patienten
häufig den Zusammenhang zwischen dem Grad der aktuellen libidinösen Stauung
bzw. Unbefriedigtheit und der Stärke der neurotischen Symptome. Gelang es den
Patienten, zu einer sexuellen Befriedigung zu kommen, wirkte sich das
unmittelbar lindernd auf die Stärke der neurotischen Symptomatik aus. Im Laufe
der folgenden Tage und Wochen begann abermals die alte Symptomstärke
zurückzukehren. So konnte dieser Zusammenhang wiederholt beobachtet werden.
Besonders bei Menschen mit einer schwachen Ich-Struktur, bei denen Affekte
geneigt sind, hervorzubersten, und bei Menschen mit einer deutlichen aktuellen
psychischen und vegetativen Stauungssymptomatik. Der Zusammenhang zog Reichs
Neugierde so sehr an sich, daß er der theoretischen Aufarbeitung und der
praktischen Nutzbarmachung sein ganzes Leben widmete. Reich formulierte seine
libidoökonomischen Thesen erstmals 1924, in denen er den oben zitierten
Zusammenhang festhielt. Im Nachhinein läßt sich sagen, daß das die Spitze des
Eisbergs war, der damals erschlossen wurde, zumal sich in der weiteren Folge
herausstellte, daß bei Neurotikern zumeist der gesamte Lebensbereich, nicht nur
der der Sexualität, beeinträchtigt war. Später stellte sich heraus, daß auch
der Arbeits-, Beziehungs-, Sozialbereich etc. betroffen sind. Mehrere Jahre an
klinischen Beobachtungen und der Analyse experimenteller Ergebnisse zur
vegetativen Physiologie waren nötig, um die sogenannte
"Orgasmustheorie" von der psychologischen auch auf
psychophysiologische Ebene in eine allgemeinere Form zu bringen. Im Zentrum der
Orgasmustheorie steht die ökonomische Funktion des Orgasmus als vegetativer und
unwillkürlicher Erregungsablauf, der den gesamten Sexualakt umfaßt, nicht nur
die Phase vor, während und unmittelbar nach dem Höhepunkt. Bei neurotischen
Menschen ist dieser Erregungsablauf auf vielfältigste Arten beeinträchtigt.
Die ökonomische Funktion des unwillkürlichen vegetativen
Erregungsablaufs war auch der inhaltliche Grund, warum Reich sich der
Physiologie und Biologie und noch später auch der Physik zuwandte (der
erkenntnistheorietische Grund ist durch den dialektischen Materialismus
gegeben). So begann Reich bei der psychoanalytischen Betrachtung des Orgasmus
und seiner Störungen und später gelangte zur Formulierung eines allgemein
gefaßten Grundgesetzes der Sexualität, welches er als
"Orgasmusformel" bzw. "Lebensformel" beschreibt, da es
schon bei primären Lebensprozessen wie der Zellteilung etc. wirksam ist.
Reich (1927 und allgemeiner 1942) definierte die
Orgasmusformel in ihrer ersten, speziellen Fassung so: Nach Berichten vieler
hunderter Patienten gelangte er zum Schluß, daß keine neurotische Erkrankung
ohne einer Störung der Genitalfunktion sein könne bzw. die Genitalstörung das
Hauptsymptom der Neurose sei. Eine gesunde Genitalfunktion umschrieb er mit dem
Begriff der "orgastischen Potenz". Sie bedeutet die Fähigkeit des
Menschen, sich der unwillkürlichen psycho-physischen Erregung während des
Orgasmus bzw. während des genitalen Akts voll hinzugeben. In dieser Fähigkeit
sieht Reich eine Art Regulationsfaktor der sexuellen (bzw. der libidinösen oder
der vegetativen) Erregung, die das Individuum danach trachten läßt, sich nach
entsprechender Anstauung periodisch lustvoll zu entladen (Reich 1942, S. 69f.).
Ist diese Fähigkeit nicht oder nur unzureichend vorhanden (= orgastische
Impotenz), so gerät der Erregungshaushalt aus dem Gleichgewicht. Dies hat zur
Folge, daß eine Libidostauung entsteht, die, wenn sie chronisch wird, zum Motor
neurotischer Symptome bzw. neurotischer Charakterzüge wird. In der Herstellung
der ungestörten Genitalität mittels analytischer Arbeit an den Symptomen bzw.
neurotischen Charakterzügen durch den Energieentzug der ihnen zugrunde
liegenden Libidostauung sah Reich die wirkungsvollste Möglichkeit, die
neurotische Erkrankung zu beseitigen. Durch dieses Handlungskonzept schien
erstmals der quantitative, "ökonomische" Faktor faßbar, um den sich
schon Freud (1905, in Freud 1972) bemühte, ihn aber nicht fassen konnte. Die
Frage nach der effektiven Berücksichtigung des ökonomischen Faktors, das ist
die Frage nach der Auflösung der die neurotische Erkrankung begründende Stauung
libidinöser bzw. vegetativer Erregung, stand bei der Entwicklung der Theorie,
wie auch der Methodik der Charakteranalyse im Zentrum der Überlegung.
"Infolge der Unkenntnis der orgastischen Funktion mußte
der Psychoanalyse die Bestimmung des "quantitativen Faktors der
Neurose", der energetischen Quelle der neurotischen Symptome und
Charakterzüge verschlossen bleiben ... Die Sexualökonomie sieht die Quelle der Energie
neurotischer Leistungen in der Diskrepanz zwischen vegetativer
Energieproduktion und Energieabfuhr, die durch die orgastische Störung
hergestellt wird. Sie erkennt den ökonomischen Unterschied zwischen einer
Energieabfuhr in einem Symptom und der Energieabfuhr in der effektiven
orgastischen Befriedigung, faßt also den Begriff der sexuellen Stauung
konkret." (Reich 1935, S. 7)
Es war für Reich offensichtlich, daß die genitale Sexualität
bzw. der Orgasmus als psycho-physischer Erregungsablauf mit den Funktionen der
(libidinösen wie auch vegetativen) Spannung bzw. Entspannung ident ist, ebenso
wie Störungen derselben mit einer Störung des sexuellen Spannungs- und
Entspannungsablaufs ident sind. Durch die adäquate orgastische Umsetzung der
angestauten sexuellen Erregung (Spannung) bleibt der Organismus im
libidoökonomischen Gleichgewicht. Bei nicht-orgastischer Lösung der Erregung
persistiert die aufgebaute, aber nicht abgeführter Energie im Organismus, was
beim Gesunden an und für sich kein Problem ist, da er nicht gestaut ist. Beim
Neurotiker hingegen besteht durch die sexuelle, vegetative und emotionale
Stauung sowieso schon ein "zuviel" an Erregung. So erfordert die
zusätzlich aufgebaute und nicht-orgastisch abgeführte Erregung ein Mehr an
Abwehrmechanismen, so daß durch die aktuelle Stauung zeitlich aktuelle
Konflikte leicht in neurotische ausufern können. Den individuell
unterschiedlichen Erregungskurven ist allen gleich, daß ein Restbetrag nicht
orgastisch umgesetzter Erregung im Organismus verbleibt (vgl. auch Hebenstreit
1996a). Dies trifft auf alle Neurotiker zu, da sie nicht in der Lage sind, zu
einer adäquaten Entladung, zu einem adäquaten Ausdruck sexueller, vegetativer
und emotionaler Erregung zu gelangen. Reich (1927) nahm an, daß solch ein
chronisch persistierender Restbetrag den prägenitalen Triebapparat überflutet
und in der Folge frühkindliche Konflikte aus aktuellen Schwierigkeiten heraus
reaktiviert. Deshalb begann Reich (1942) zunächst auf psychologischer Ebene,
später auch auf der somatischen Ebene (Reich 1949d und 1949f) die Quellen der
mangelnden Fähigkeit, libidinöse Erregung adäquat abzubauen, ausfindig zu
machen. Seine Absicht war es, geeignete Behandlungsmethoden und Techniken zu
entwickeln, die diese Beeinträchtigung aufheben würde.
Die Begriffe Spannung bzw. Entspannung entstammen dem
Begriffsfeld der Psychoanalyse. Da jene eine psychologische Lehre ist, ist
deren Sichtweise auf das Psychologische eingeschränkt. Funktionen wie Spannung,
Entspannung, der Aufbau und die Abfuhr bzw. Entladung libidinöser, vegetativer
und emotionaler Erregung sind sehr eng an das Triebgeschehen gekoppelt, wobei
nach Freud (1905) die Triebdynamik aus dem Grenzbereich zwischen Organischem
und Psychischem entspringt (Mehr über das Wesen der Libido in Hebenstreit 1995b).
Diese Einschränkungen ermutigten Reich (siehe Reich 1951e) schon zu seinen
Studienzeiten zum Studium der Sexualphysiologie und -biologie, der Physiologie
der vegetativen Funktionen und der vegetativen Physiologie des Orgasmus.
I. Die Abteilung der Orgasmusformel
Reich ging bei seinen Überlegungen von der
dialektisch-materialistischen Betrachtung der Orgasmusfunktion und deren
Störungen aus. Anhand der folgenden Zitate soll begreifbar gemacht werden, was
Reich unter der Orgasmusfunktion verstand. Deren zentrale Stellung in der
Reichschen Theorie macht eine weitere Auseinandersetzung notwendig. Die
Kenntnis dessen, was Reich unter der Orgasmusfunktion versteht, stellt eine
Voraussetzung dar, Reichs Theorie und seine Entwicklungsschritte nachvollziehen
zu können.
"Die erste Voraussetzung der orgastischen Funktion ist
die vegetative Erregung. Das Wesen der Erektion [und Lubrikation; Anm. GH]
besteht in einer starken Füllung der genitalen Blutgefäße, zunächst der
genitalen Arterien (Vaguswirkung). Auch die genitale Muskulatur wird vagisch
erregt, das heißt, sie gerät in höheren Tonus ... " (Reich 1934d, S. 35)
Reich versucht anhand einer Verlaufsbeschreibung eines
typischen Ablaufs des Geschlechtsakts zweier im sexualökonomischen Sinne
gesunder Menschen eine physiologische Definition des Orgasmus zu finden (Reich,
1927). Reich weist auf die Nützlichkeit eines solchen Schritts hin:
"Die folgende Beschreibung des befriedigenden
Geschlechtsverkehrs betrifft nur den Ablauf einiger typischer, naturgesetzlich
bestimmter Phasen und Verhaltensweisen. Ich berücksichtige die Vorlustakte
nicht, die von den verschiedenen individuellen Bedürfnissen bestimmt werden und
keine allgemeine Gesetzmäßigkeit aufweisen." (Reich, 1927, S. 27)
In der Folge soll der sexuelle Erregungsablauf im weiter
fortgeschrittenen Stadium, wie ihn Reich aus einer größeren Anzahl von
Beschreibungen zusammenfaßt, wiedergegeben werden.
"... Die orgastische Erregung
teilt sich dem ganzen Körper mit und bedingt lebhafte Motorik der gesamten
Körpermuskulatur. Selbstbeobachtungen von gesunden Patienten beiderlei
Geschlechts wie auch die Analyse gewisser Störungen des Orgasmus zeigen, daß
das, was wir die Lösung der Spannung nennen und als motorische Entladung
empfinden (absteigender Schenkel des Orgasmus), vorwiegend ein Erfolg des
Rückströmens der Erregung auf den Körper ist. Dieses Rückströmen wird überdies
als plötzliches Sinken der Spannung empfunden.
Die Akme stellt somit den Wendepunkt vom genitalwärts
gerichteten zum entgegengesetzten Ablauf der Erregung dar. Nur der komplette
Rücklauf der Erregung macht die Befriedigung aus, die zweierlei bedeutet:
Umsetzung der Erregung und Entlastung des Genitales.
... Ehe der Nullpunkt erreicht
ist, klingt die Erregung in sanfter Kurve aus und wird unmittelbar von wohliger
körperlicher und seelischer Schlaffheit abgelöst; zumeist stellt sich ein
starkes Schlafbedürfnis ein. Die sinnlichen Beziehungen sind erloschen, doch
besteht eine "gesättigte" zärtliche Beziehung zum Partner fort, der
sich das Gefühl der Dankbarkeit zugesellt." (Reich 1927, S. 31)
In
folgendem Diagramm soll die Erregungskurve stilistisch wiedergegeben werden:
Zum Zeitpunkt der Ausweitung der Sexualökonomie auf
physiologische Gebiete (Ende der zwanziger bis Anfang der Dreißiger Jahre)
bemühte sich Reich, die im Rahmen der Psychoanalyse formulierte Orgasmustheorie
in eine engere Beziehung zu somatischen Vorgängen zu bringen. Durch das Studium
der vegetativen Physiologie und besonders der Sexualphysiologie versuchte Reich
(vgl. Reich 1942) den Begriffen Spannung, Entspannung, Erregung etc. eine
vermehrt physiologische Bedeutung zu geben. Dadurch sollte die Libidotheorie
besser an ihren somatischen Wurzeln (be-) greifbar werden.
Reich (1934d, S. 36f.) nimmt an, daß sich im Organismus bei
der sexuellen Friktion zunächst Energie (Erregung) aufbaut. Sie wird
idealerweise am Höhepunkt der Erregung entladen. Bei der sexuellen Erregung
handelt es sich um "bioelektrische" (elektrochemische) Potentiale,
die an Zell- und Organmembranen aufgebaut wird, und an andere Organe und
Organsysteme (z.B. Blut- Kreislaufsystem, Muskelsystem, vegetatives und
Zentrales Nervensystem etc.) weitergeleitet werden. Daß es sich um solche
elektrochemischen Potentiale hierbei handeln müsse, schloß Reich aus mehreren
Gründen. Unter anderem korrelieren somatische Veränderungen (unwillkürliche
Bewegungen und Muskelkontraktionen, körperliche Empfindungen, ...) mit dem wahrgenommenen
Ausmaß der sexuellen Erregung während des Akts (aus Erlebnisberichten gesunder
Menschen bzw. geheilter Patienten). Sehr wichtig für die Entwicklung dieser
Anschauung waren die Arbeiten von Friedrich Kraus (z.B. Kraus 1926), der alle
Lebenserscheinungen gänzlich oder zumindest teilweise zurückführt auf den
unausgesetzten Auf- und Abbau elektrochemischer Potentiale an den Membranen des
Körpers (Reich, 1934b). Reich sah vor der Formulierung der Orgontheorie (vor
1940) die Funktion der Ladung bzw. Entladung beim Erregungsablauf des Orgasmus
in der Bioelektrizität der Elektrolyte des Cytoplasmas an den Membranen der
Zellen des Organismus begründet (vgl. Kraus in seiner "Nässetheorie des
Lebens", 1926).
Den "bioelektrischen" Ladungs- und
Entladungserscheinungen zugrunde liegen sollen der Orgontheorie zufolge die
bereits noch basaler, auf einfachstem biologischem Niveau wirkenden Funktionen
der Orgonenergie, wie die der Kontraktion und Expansion, der Kontaktbildung,
der bioenergetischen Erstrahlung etc. Daß deshalb das elektrochemische Konzept
nun weniger richtig wäre ist ein Trugschluß. Vielmehr ist bei jedem Konzept
seine Spezifität und sein Erklärungsbereich zu berücksichtigen, der hier das
elektrochemische Modell als das speziellere und mit wissenschaftlichen Methoden
leichter untersuchbare Modell ist, während das Orgonkonzept allgemeiner ist und
seine wissenschaftliche Erforschung in einem weiter gefaßten Bereich vor sich
gehen muß.
Den Orgasmus bzw. die Funktion des Erregungsauf- und -abbaus
definiert Reich selbst folgendermaßen:
"Der Orgasmus erweist sich ferner in der
psychoanalytischen Klinik der Neurosen und Sexualstörungen als ein
Erregungsablauf, der sich durch komplette Reduktion aller psychischen Tätigkeit
auf ihren Kern, vegetative Spannung und Entspannung, kennzeichnet." (Reich
1934d, S. 31)
Die somatischen Funktionen, wie z.B. die Vasodilatation der
genitalen Blutgefäße bilden eine Grundvoraussetzung für den Aufbau der
sexuellen Erregung. Daß zur Erklärung der Entstehung sexueller Erregung die
Schwellung der weiten genitalen Gefäßräume nicht vollständig ausreicht, zeigt
das Beispiel der sogenannten "kalten" Erektion und das Schwanken der
Erregung trotz gefüllter genialer Bluträume. Reich (1942) vermutete, daß zur
Blutfüllung der Schwellkörper noch ein zweites Moment hinzukommen muß. Dieses
Moment ist die (bio-) elektrische Funktion, die sich aus den Teilfunktionen der
elektrischen Ladung und der elektrischen Entladung zusammensetzt. Erstere wird
subjektiv als Erregungsaufbau erlebt, letztere als die Lösung der aufgebauten
Spannung.
Reich berief sich dabei auf Ansichten, die Forscher aus ganz
unabhängigen Gebieten äußerten: Unter anderem waren dies Friedrich Kraus und
sein Mitarbeiter S.G. Zondek, die Biologen Max Hartmann und Paul Kammerer (vgl.
auch Reich 1934b). Reich abstrahiert aus seinen Beobachtungen des Sexualakts
den "Viertakt" des Erregungsablaufs und damit die allgemeine
Beschreibung der Orgasmusfunktion:
"Die Organe füllen sich zuerst mit Flüssigkeit:
Erektion mit mechanischer Spannung. Dies führt eine starke Erregung mit sich,
wie ich annahm, elektrischer Natur: Elektrische Ladung. Im Orgasmus baut die
Muskelzuckung die elektrische Ladung beziehungsweise sexuelle Erregung ab:
Elektrische Entladung. Diese geht über in eine Entspannung der Genitalien durch
Abfluß der Körperflüssigkeit: Mechanische Entspannung.
Den Viertakt: Mechanische Spannung - Elektrische Ladung -
Elektrische Entladung - Mechanische Entspannung nannte ich
Orgasmusformel." (Reich 1942, S. 206)
Die einzelnen Funktionen können nach Reich aber nicht
sinnvoll in verschiedensten Variationen aneinandergereiht werden, wie etwa als
"Ladungs - Entladungs - Spannungs - Entspannungs-" Formel oder
ähnliche Anordnungen. Sie sind in ganz bestimmter (dialektischer) Weise zusammengefügt
und bauen gesetzmäßig aufeinander auf (vgl. auch Reich 1950c, S. 99f.).
"So wie vorher die mechanische Spannung die
Vorbedingung der elektrischen Ladung der Genitalorgane war, so wird jetzt die
elektrische Entladung die Bedingung für die mechanische Entspannung. Da diese
doppelte wechselseitige Beziehung zwischen mechanischem und elektrischem
Vorgang den eigentlichen orgastischen Prozeß darstellt, wollen wir ihn
"Spannungs - Ladungs - Vorgang" bzw. "Entladungs - Entspannungs
- Vorgang" nennen. Beide zusammen bilden den Orgasmus." (Reich 1934d,
S. 37, fett hervorgehoben vom Autor)
In folgendem Diagramm sollen die Erregungskurven entsprechen
der Spannungs- Ladungs- Formel stilistisch wiedergegeben werden. Hier gibt es
sowohl für die Funktion der Hydratation - Dehydratation, wie auch für die
elektrochemische (bioelektrische) Funktion einen eigenen Graphen:
Abbildung 2: Die Erregungskurven der
elektrischen und der "mechanischen" Funktion entsprechen der
dialektischen Anordnung der Spannungs- Ladungs- Formel.
Reich versteht unter dem "Erregungsablauf des
Orgasmus" (=Orgasmusfunktion) einen Vorgang, der durch die
Körperphysiologie vermittelt wird. Die "psychischen" Wahrnehmungen
beruhen dabei auf den unmittelbar erlebten Organempfindungen (Selbstempfindung)
und sind funktionell ident mit den Prozessen der Körperphysiologie. Sie sind
einander gleichzeitig engegengesetzt wie Körper und Soma, andererseits bestimmt
vom bioenergetischen Phänomen der Überlagerung.
II. Die Problematik der Orgasmusdefinition
Reichs Definition der genitalen Orgasmusfunktion beschreibt
einen Erregungsablauf, der den gesamten Geschlechtsakt und das erotische
Vorspiel umfaßt (vgl. Reich 1927). Gleichwohl ist die Bedeutung von Orgasmus
und Geschlechtsakt in Reichs Theorie nicht dieselbe. Reich abstrahiert aus
einem befriedigenden und ungestörten Akt den Erregungsablauf des
"Orgasmus". Wichtig scheint, daß im Idealfall dem Erregungsaufbau ein
entsprechender Erregungsabbau folgt. Bei orgastisch potenten Menschen stellt
sich in einem ungestörten Akt solch ein Auf- und Abbau der Erregung ein. Für
Reich steht nicht der Akt an und für sich im Vordergrund, sondern dessen
libidoökonomische Funktion (vgl. auch Hebenstreit 1996b).
Die organischen Vorgänge der Blutfüllung und der
Blutentleerung, sowie die Friktionen bilden in diesem Sinne die physiologischen
Voraussetzungen für die Orgasmusfunktion. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die
Begriffe Orgasmus bzw. Orgasmusfunktion in diesem Sinne verwendet werden. Neben
dem genital-sexuellen Orgasmus sind auch andere Verläufe der genitalen Erregung
möglich, wie sie Reich (1927, S. 41f.) darstellt. All diesen Verläufen der
Erregungskurven ist gemeinsam, daß entweder der Erregungsauf- oder -abbau
gestört ist. In beiden Fällen bleibt die orgastische Befriedigung aus und die
aufgestaute Erregung wurde nicht abgeführt. Der Organismus kann zum Beispiel
die unter idealen Bedingungen mögliche sexuelle Erregung bei einer frühzeitigen
Ejakulation nicht vollständig aufbauen. Die Erregung bleibt geringer und auch
lokal begrenzt. Lowen (1980) bezeichnet diese Art sexueller Höhepunkte als
"Akme" oder "Klimax". Er unterscheidet diese von einem den
gesamten Organismus mit einbeziehenden "Orgasmus". Das unterschiedliche
Ausmaß der Fähigkeit, die aufgebaute vegetative Spannung adäquat abzubauen,
drückt sich auch in unterschiedlichen subjektiven Empfindungen aus
(Befriedigung oder Unruhe, Niedergeschlagenheit etc.).
Reich sieht den Erregungsablauf, wie er sich beim sexuellen
Orgasmus einstellt, als den potenzierten Fall dessen an, was sich auch in
Emotionen ausdrückt bzw. was sich auch an vegetativen Funktionen beobachten
läßt (vgl. das Kapitel über die Spannungs- Ladungs- Formel bzw. Reich 1942, S.
204f.).
Immer tritt dabei das Konzept eines Erregungsaufbaus mit einem
anschließenden adäquaten Erregungsabbau in den Vordergrund. So führt bei
Neurotikern die chronische Hemmung eines emotionalen Ausdrucks wie auch die
Unterdrückung sexueller Erregung zu einem Erregungsstau und dieser unter
bestimmten Bedingungen weiter zur Verdrängung emotionaler wie auch sexueller
Erregung (vgl. Reich 1949d, S. 359f.), bei Gesunden nicht unbedingt. Die
Gemeinsamkeit von sexueller und emotionaler Erregung in bezug zur Orgasmusfunktion
liegt im Umstand, daß beide Arten von Erregungen vom sexualökonomisch gesunden
Individuum auf- und adäquat abgebaut werden können. Liegen Blockaden vor, dann
entstehen neurotische Symptome oder ebensolche Charakterzüge (vgl. Reich 1927,
S. 61f.).
In Reichs Werk tritt Verwirrung bezüglich der
Orgasmusdefinition auf, da er mit demselben Terminus mindestens zwei
verschiedene Sachverhalte beschreibt: Einmal im Sinne der hier vorgestellten
Sichtweise eines Erregungsablaufs beim genitalen Akt, in emotionalen,
biologischen und vegetativen Funktionen. Andererseits benützt Reich aber den
Terminus für den Höhepunkt (Akme, Klimax) speziell beim sexuellen Akt.
Beispielsweise in folgender Textstelle: Die "Verspätung des Orgasmus bei
der Frau" 1927, S.32. Auch das oben angeführte Zitat von Reich "Der
Orgasmus kann nichts anderes als eine elektrische Entladung sein..."
deutet in diese Richtung. Auch Lowen (1980, z.B. S. 247f.), Baker & Nelson
(1987, S. 846) und Rosenberg (1979) bezeichnen mit dem Begriff Orgasmus den sexuell-genitalen
Höhepunkt, obwohl z.B. Baker 1967 wiederum den Begriff Orgasmus in einem
umfassenden Sinne (als Erregungsablauf) beschreibt.
Reich wies wiederholt darauf hin, daß der Orgasmus eine
elektrophysiologische Entladung sei (Reich 1934d, 1942). Diese Form der
Beschreibung ist in bezug auf die Definition des Orgasmus als einen
Erregungsablauf zwar unvollständig, doch läßt sich das Fehlende unter
Zuhilfenahme anderer Arbeiten Reichs ergänzen. Es stellt sich die Frage, warum
der Orgasmus im hier verwendeten Sinne nicht genauso gut eine Aufladung mit
bioelektrischer Energie bzw. Erregung sein könnte? Eine Lösung bietet sich an,
wenn man zu Reichs Zitat ergänzt, daß im Orgasmus eine adäquate
elektrophysiologische Entladung vorher aufgebauter Erregung stattfindet, so,
wie er in anderen Zusammenhängen ausführt.
Mehr Klarheit in diese Verworrenheit bringt Baker (1967) in
seinen Beschreibungen von Genitalität und Orgasmus. Er beschreibt diese
Begriffe ausgehend von einem biophysikalischen Verständnis. Dabei unterscheidet
er die Funktion der bioenergetischen Überlagerung von der Funktion der
orgastischen Konvulsion. Der Ausdruck Überlagerung meint den sexuellen Kontakt
an sich. Die orgastische Konvulsion bezeichnet die Phase der unwillkürlichen
Hingabe an die körperliche Erregung in der Orgasmusphase (- im Sinne vom
Konzept von Masters & Johnson, 1966).
"Die genitale Vereinigung erfüllt zwei Grundfunktionen
in der ganzen Natur. Die eine ist universell, sowohl in der unbelebten als auch
belebten Natur. Die andere ist bei lebenden Wesen unerläßlich für ihr
Funktionieren. Diese beiden Funktionen sind: Überlagerung (Superimposition);
hier erregen sich zwei Energiesysteme gegenseitig, ziehen einander an und
verschmelzen zu einem Energiesystem - beim lebenden Organismus belebt dies den
Lebensfunken neu und löst ihn aus - und die orgastische Konvulsion, mit deren
Hilfe überschüssige Energie abgeführt wird, damit ein normales Energieniveau
erhalten bleibt." (Baker 1967, S. 139)
Spezifisch für den sexuellen Orgasmus sind rhythmische
Konvulsionen, durch die aufgestaute Erregung abgebaut werden soll (vgl. auch
Baker 1967, S. 138). Wenn Reich von der "Verspätung des Orgasmus bei der
Frau" berichtet oder vom Orgasmus als eine elektrische bzw.
elektrophysiologische Entladung, dann scheint er hier offenkundig die
orgastischen Konvulsionen im Geschlechtsakt gemeint zu haben. Reich hielt die
beiden Funktionen der Überlagerung und der Konvulsion nicht konsequent
auseinander. Es wird nochmals auf die weiter oben vereinbarte, Definition der
Orgasmusfunktion als vegetativer bzw. biologischer Erregungsablauf hingewiesen,
womit die Brücke geschlagen werden kann von der Psychologie zur Biologie und
Physiologie.
III. Die Orgasmusformel und physiologische Funktionen
Reich abstrahiert aus den physiologischen Abläufen während
des Geschlechtsakts (und aus dem mit ihnen verbundenen subjektivem sexuellem
bzw. orgastischem Erleben) die formelhafte Anordnung zweier in der Biologie
vorkommenden Funktionen: mechanische Oberflächenspannung von Gefäßwänden und
elektrische (elektrochemische) Ladung bzw. Entladung. Reich verwendet auch
synonym für Oberflächenspannung Begriffe wie "mechanische Spannung",
"Mechanik", sowie für die Bioelektrizität des Körpers einfach
"Spannung" (z.B. in der Bezeichnung: Spannungs-Ladungs-Formel),
"Elektrik" oder "elektrische Funktion mit den Teilfunktionen der
elektrischen Ladung und Entladung". Reich betrachtet die Orgasmusfunktion
im engen Zusammenhang mit dem Organsystem Blut und dem Herz-Kreislaufsystem.
Auf einer vegetativen Ebene vermittelt der Parasympathicus im Genitalbereich eine Vasodilatation durch
die Öffnung arterieller Sphincteren. Dadurch kommt es zur Blutfüllung der
Gefäßräume der Schwellkörper. Das bedeutet für die begrenzenden Gefäßwände die
Steigerung des Binnendrucks (Blutdrucks). Durch die Blutfüllung entsteht also
ein gesteigerter mechanischer Druck auf die begrenzenden Membranen. Die
Gefäßwände geraten dadurch in einen Zustand größerer Spannung. Allgemein soll
der Begriff "Oberflächenspannung" meinen, daß verschiedenartig
gestaltete Membranen verschiedenartige Gefäß- oder Flüssigkeitsräume
umschließen. Gegenüber den umgebenden Geweben und Organen besitzen die
Gefäßwände eine Begrenzungs- und Isolationsfunktion. Beispielsweise ist die
Blutflüssigkeit durch die dicken Arterien- und Venenwände vom restlichen Körper
getrennt. Nur in den Kapillaren sind die Gefäßwände so dünn bzw. so
strukturiert, daß ein funktioneller Austausch von Nahrungsstoffen, Sauerstoff,
Stoffwechselprodukten etc. stattfinden kann. Weiters kann in den Kapillarräumen
auch ein Austausch bzw. Ausgleich von unterschiedlichen elektrochemischen
Potentialen stattfinden, die sich an verschiedenen Stellen des Körpers
aufgebaut haben und durch die Blutflüssigkeit "kurzgeschlossen"
werden (vgl. Kraus 1926 und Reich 1942).
Der vierstufige Ablauf der Orgasmusformel bzw. der
Spannungs-Ladungs-Formel wird von Reich synonym auch als
"Lebensformel" bezeichnet. Er fand an vielen physiologischen und
biologischen Funktionen den 4-Takt von Mechanik (Spannung und Entspannung der
Gefäßräume) und Bioelektrik (Ladung und Entladung vegetativer Erregung)
dialektisch gekoppelt (siehe nächstes Kapitel: "Die Orgasmusformel als
Lebensformel"). Reich beschreibt deshalb diese Formel als eine "Grunderscheinung
des Lebens". Die Beschreibung der Orgasmus-Funktion bzw. ihres
spezifischen Erregungsverlaufs (entsprechend der S-L-Formel) gelang erstmals
von der Seite der Psychologie und Psychotherapie der Neurosen her. Sie war begründet durch Reichs Tätigkeit als
Psychoanalytiker.
Forscher wie Friedrich Kraus, S.G. Zondek und Max Hartmann
wurden von Reich immer wieder zitiert. Sie entwickelten auf den Gebieten der
Physiologie bzw. Biologie Anschauungen, die sich bezüglich der Funktionen der
mechanischen Spannung und elektrischen Ladung gut in die sexualökonomische
Theorie einfügen lassen (Reich 1934b, S.
212). Deswegen meint Reich in diesem Zusammenhang, daß der Erregungsablauf der
Spannungs-Ladungs-Formel ebenso von der dialektisch-materialistischen
Betrachtung des vegetativen Nervensystems oder von der physiologischen oder
biologischen Seite her entdeckt werden hätte können. Eine umfangreiche
Auflistung der wissenschaftlichen Beiträge von Kraus und Zondek zu diesem Thema findet sich in Kraus (1926, S. 85f.).
Unter den Begriff "Membran" fallen in diesem Zusammenhang sowohl
Einheitsmembransysteme der Zelle (Zell- und Kernmembran, Membranen des
endoplasmatischen Retikulums und der verschiedenen Zellorganellen).
Organumhüllende Bindegewebsmembranen (Muskelfaszien, Bindegewebssepten und
-kapseln der Organe) bzw. ähnliche grenzbildende anatomische bzw. histologische
Strukturen. Hartmann (z.B. 1953) und andere Biologen führten
Bewegungserscheinungen von Einzellern bei in vivo- und in vitro- Versuchen
ebenfalls auf Veränderungen im Cytoplasma (Hydratation und Dehydratation;
Wasseranreicherung und Wasseraustreibung), die mit Veränderungen auch in der
Oberflächenmembran (bzw. der Oberflächenspannung) einhergehen, zurück (Reich
1934a und 1934b).
IV. Die Orgasmusformel als Lebensformel
Reich (1942, S. 204f.) unternahm den Versuch, autonome
Körperfunktionen auf ein Zutreffen der S-L-Formel (Spannungs-Ladungs-Formel)
hin zu untersuchen. Er zielte darauf ab, die dialektische Anordnung von
mechanischer Spannung und elektrischer Ladung neben der genitalen Sexualität
auch in anderen vegetativen und biologischen Funktionen ermitteln zu können.
Trotz der Variation in der Erscheinung konnte die Grundformel in ihrer
markanten Anordnung in einer Reihe vegetativer und biologischer Funktionen
gefunden werden. Reich zählt einige seiner Beobachtungen auf:
"Genauere Betrachtung der Herzaktionskurve bestätigte
meine Annahme, daß der Spannungs-Ladungs-Vorgang auch die Herzfunktion
dirigiert. Er läuft als elektrische Welle vom Vorhof mittels des Herzleitungssystems
bis zur Herzspitze ab. Voraussetzung des Beginns der Zuckung ist die Füllung
des Vorhofs mit Blut." (Reich, 1942, S. 212)
Durch die Füllung der Hohlräume der Vorhöfe und Ventrikel
entsteht im Inneren ein Druck auf den begrenzenden Muskelmantel und setzt ihn
unter Spannung. Der Blutfüllung des linken wie auch des rechten Vorhofes folgt
vom Sinusknoten aus der Aufbau und die Überleitung der elektrischen Erregung
auf das gesamte Reizleitungssystem des Herzens (Waldeyer 1986 Bd. 1, S. 590f.).
Die erste Auswirkung der elektrischen Erregung ist die Kontraktion der
Vorhofmuskulatur, welche einer Entladung entspricht. Die elektrische Entladung
führt zur Kontraktion der Vorhofmuskulatur und zur Auspressung des Bluts in die
Hauptkammern. Diese Aktion kommt einer mechanischen Entspannung der
begrenzenden Wände der Vorhöfe gleich. Gleichzeitig mit der Kontraktion der
Vorhöfe erfolgt eine Füllung der Ventrikel mit Blutflüssigkeit. Diese setzt die
den Ventrikel begrenzenden Muskelzüge und Membranen in den mechanischen
Spannungszustand. Dabei wiederholt sich im Ventrikel der Vorgang der
Überleitung und der Ausbreitung der elektrischen Erregung auf die gesamte
Ventrikelmuskulatur wie bei der Vorhofaktion. Anschließend an die Kontraktion
der Muskulatur (= wieder eine Entladung) folgt die mechanische Entspannung der
angrenzenden Kammerwände.
Weiters wirken quellende Heilmittel auf den Darm abführend,
wobei die mechanische Spannung durch die Quellung dieser Mittel verursacht
wird. Aus der Physiologie ist bekannt, daß ein Dehnungsreiz der Darmmuskulatur
beantwortet wird mit einer Kontraktion der Längsmuskulatur des Darmkanals (vgl.
auch Bösel 1987, S. 133). Nach Reich (1942, S. 212) ist hier die Erregung der
Muskulatur in direktem Zusammenhang mit dem Dehnungsreiz zu sehen. Die Dehnung
verursacht eine elektrische Ladung des Gewebes. Diese führt dann zur
Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand. Die Kontraktion entspricht
wieder der Entladung. Der hier beschriebene Vorgang hat die Weiterbeförderung
des Speisebreis vom Magen bis in den Dickdarm zur Folge und bewirkt darüber
hinaus auch die Austreibung der Fäzes. Die Flüssigkeitszufuhr durch die
zahllosen Drüsen des Verdauungstrakts bringt einen bestimmten Grad der Füllung,
der Dehnung und der Oberflächenspannung innerhalb des Darmrohres mit sich. An
bestimmten Stellen der Muskulatur des Darmkanals entsteht eine
Kontraktionswelle, die sich meist peripherwärts weiterbewegt, wobei von der
Reichschen Sichtweise sich die lokalen Muskelbezirke deshalb kontrahieren, weil
die Nachbarbezirke der Muskulatur sich knapp zuvor kontrahiert haben und somit
die lokale Oberflächenspannung innerhalb des Darmrohres erhöht ist. Daran
schließt mehr oder weniger zeitversetzt ein Erregungsprozeß an, der hier durch
die Nervenerregung vermittelt und an der darauffolgenden Muskelzuckung sichtbar
wird. Die Entladung äußert sich dabei in Form einer Bewegung (Zuckung) der
Muskulatur.
In der sogenannten Darmzottenpumpe scheint ebenfalls der
Mechanismus der Quellung und Entquellung bzw. der Ladung und Entladung
abzulaufen. Die Darmzotte besteht aus einer dem Lumen zugewendeten Schichten
von Epithelzellen, die auf einer Faltung der Darmschleimhaut aufsitzt. In der
Bindegewebsfalte finden sich noch Blutgefäße, Bündel glatter Muskulatur, autonome
Nervenfasern und ein dichtes Kapillargefäßnetz. Durch die Epithelzellschicht
hindurch gelangen die Nahrungsstoffe mittels aktiver Transportmechanismen in
das Kapillarnetz (Schwarzacher & Schnedl 1988). Anschließend werden die
resorbierten Stoffe in das dichte Kapillarnetz, welches unmittelbar an die
Basalmembran (das ist die Membran, der die Epithelzellen aufsitzen) der
Darmzotte anschließt, eingespeist. Ein Muskelfaserbündel, welches von einer
tiefer liegenden Muskelschichte des Darmrohres bis in die Spitze der Darmzotte
hineinreicht, kontrahiert sich nach ausreichender mechanischer
Flüssigkeitsfüllung. Sobald die Blutgefäße der Darmzotte prall angefüllt sind,
preßt das Muskelfaserbündel die Zotte zusammen und hilft so bei der Entleerung
der prall gefüllten Kapillaren (mechanische Gefäßentspannung). Es soll
angemerkt werden, daß täglich im Rahmen der Verdauung durchschnittlich etwa 6
Liter Wasser in Form von Sekreten im Magen-Darm-Kanal ab- und von
Kapillargeflechten aus dem gefüllten Darmrohr wieder rückresorbiert werden. Es
fällt auf, daß immer eine große Menge Flüssigkeit (Blut, Harn, Sekrete etc.)
ein alternierendes Pendeln zwischen der Oberflächenspannung, die die
elektrische Funktion vorbereitet, ermöglicht.
Schon Kraus (1927) diskutierte die Wirkung von Ionen,
Hormonen, Giften und der Nervenwirkung auf den Wasserhaushalt der Gewebe,
Organe und des Organismus. Kraus geht bei seiner Argumentation von einer Reihe
von Stoffwechsel- und anderen Erkrankungen aus. Er versucht die Bedeutung von
Ionen- und Hormonkonzentrationen, Giftwirkungen und Nervenwirkungen für den
Zustand der Wasseranreicherung und des Wasserentzugs hervorzuheben. Alle
erwähnten Stoffarten können dabei die Wirkungen der vegetativen Innervationen
in bezug auf Wasserhaushaltsveränderungen aufheben, verstärken oder ersetzen.
"Wie Nerven- und Elektrolytwirkung lassen sich auch
Hormon- und Giftwirkung mit Bezug auf die Membranhydratation gegenseitig
austauschen." (Kraus 1927, S. 11).
Es sei hier noch betont, daß Reich mit seinem Begriff der
"mechanischen Funktion" mehr oder weniger das meint, was Kraus unter
"Membranhydratation" versteht. Daß diese Wasserhaushaltsveränderungen
eng mit dem Blutsystem zusammenhängen, ist evident. Aufgeben muß man aber hier
die Ansicht, daß das Kapillarsystem röhrenartig den Körper durchzieht und daß
dabei bloß Sauerstoff und Nährstoffe mit dem umliegenden Gewebe ausgetauscht
werden. Vielmehr betont Birbaumer (1991), daß pro Minute 70% des
Blutplasmawassers gegen die interstitielle Flüssigkeit ausgetauscht wird. Das
Blutplasma und die interstitielle Flüssigkeit bilden aus dieser Sicht einen
einheitlichen Flüssigkeitsraum, nämlich den Extracellulärraum (Birbaumer,
1991).
Bei der Harnblase kann der S-L-Vorgang ebenfalls beobachtet
werden. Dem gefüllten Zustand der Harnblase folgt bei der Dehnung der
Muskulatur durch die Flüssigkeit (Spannung) eine Erregung (die auch subjektiv
als "Drang" erlebt wird) und eine muskuläre Kontraktion (=
Entladungserscheinung), die einhergeht mit der Entleerung des Blaseninhalts
(Entspannung).
Die Prostata beginnt im Zustand der sexuellen Erregung
Flüssigkeit zu sezernieren. Dadurch baut sie einen Binnendruck in ihrem Inneren
auf, der die Membranen des Drüsengewebes in eine größere Spannung versetzt.
Entsprechende vegetative Nervenimpulse führen dazu, daß sich während der Phase
der Ejakulation die Muskulatur der Prostata mehrmals kontrahiert (Entladung).
Die Entladung geht einher mit dem Ausstoß des Ejakulats. Die Ejakulation
bewirkt eine Verkleinerung der Oberflächenspannung und stellt in diesem Sinne
die mechanische Entspannung in Reichs Formel dar. Ein ähnlicher Rhythmus läuft
in etwa bei den Bläschendrüsen des Mannes ab, der dem jeweiligen Takt der
S-L-Formel der Prostata etwas zeitlich vor (vgl. JÄNIG 1990, S. 371). Weitere
Untersuchungen vegetativer Funktionen müßten noch angestellt werden, um die
postulierte universelle Verbreitung der S-L-Formel zu überprüfen.
Nicht nur im Bereich der vegetativen Funktionen fand Reich
den 4-Takt der Formel. Im Ablauf der mitotischen Zellteilung konnte er
ebenfalls das Schema der S-L-Formel finden. Im Zustand des Wachstums nimmt die
Zelle mehr Nährstoffe und Flüssigkeit in sich auf, als sie an
Stoffwechselprodukten abgibt. Dies hat zur Folge, daß das Zellvolumen zunimmt.
In derselben Zeit ist das Volumen des Zellkerns viel geringeren
Größenschwankungen unterworfen. Die Phase des Wachstums entspricht dem ersten
Takt: Die Oberflächenspannung vergrößert sich. Es verschiebt sich während
dieser Phase das Verhältnis von Zellkern zu Zellplasma weit in die Richtung des
Zellplasmas. An einem bestimmten Punkt dieses Verhältnisses verändern sich die
inneren Umstände entscheidend. Im Zustand des größten Volumens der Zelle,
welcher nach Reich der äußersten mechanischen Spannung der Zellmembran
entspricht, beginnt die Zellteilung. Es erscheint im Zellkern während der
Teilung die "mitogenetische Zellstrahlung", die Gurwitzsch im Jahre
1925 als erster beschrieb (Reich 1942, S. 213). Die Zellstrahlung sieht Reich
als das unmittelbare Zeichen einer Entladung der aufgebauten elektrochemischen
Erregung.
"Die Spindelbildung wird von vielen Biologen als
elektrisch begründete Spaltung oder Gegenüberstellung angesehen." (Reich
1942, S. 214)
Anschließend an die Kernteilung ereignet sich die Teilung
des Zellkörpers. Dabei wird das Volumen der Mutterzelle auf eine im Verhältnis
zur Mutterzelle weit größere Membranoberfläche der Tochterzellen aufgeteilt,
d.h. es herrscht in der Summe eine geringere mechanische Spannung als vor der
Teilung. Reich sieht aufgrund der enormen Reichweite und Wichtigkeit der
Zellteilung die S-L-Formel als den "bedeutendsten Vorgang im
Lebendigen" an (Reich 1942, S. 214) und bezeichnet sie deshalb auch als
"Lebensformel".
Inwieweit die in der Physiologie bekannten
Transportmechanismen (z.B. die "Na-K-Pumpe" - Natrium-Kalium-Pumpe -
und Transportproteine etc.) in Zusammenhang mit dem Funktionsablauf der
Spannungs-Ladungs-Formel stehen, sollte noch eingehender untersucht werden. Da
es kaum eine physiologische Lebensfunktion gibt, an denen die Kationen Na+, K+
und Ca+ (Calzium) bzw. die Anionen Cl-, P-, SO3- (Chlor, Phosphor,
Schwefeloxid) etc. nicht beteiligt sind, ergibt sich ein Schritt zur
Überprüfung der Auffindbarkeit der S-L-Formel. Ob die Reichsche Anschauung auch
auf die Abläufe rund um die Bildung des Ruhe- und Aktionspotentials in der
Nervenzelle und im neuromuskulären System zutrifft, ist bisher noch nicht
weiter erforscht worden. Es weist jedoch einiges auf gewisse Parallelitäten
hin: Die GIBBS-DONNAN-Verteilung (nach ihren Urhebern benannt) versucht
gemeinsam mit der Theorie der Na-K-Pumpe und die Entstehung des Ruhe- und
Aktionspotentials zu erklären. Der treibende Faktor beim Aufbau eines
Ruhepotentials soll auf dem gegensätzlichen Verhalten von einem elektrischen
und einem Konzentrationsgradienten beruhen. Allgemein bewirken solche
Ionenpumpen vor allem an den Membranen von Nervenzellen, aber auch an solchen
von anderen Zellen, folgendes:
"Es ist also ein ganz allgemeines Prinzip im
Organismus, durch aktive Ionen-"Pumpen" relativ langsam (z.B.
Na+-K+-ATPase; ca. 1µmol.m-2.s-1) elektrochemische Gradienten aufzubauen
(Zell-inneres Na+-arm) und dann den erreichten elektrochemischen Gradienten
durch Regelung der passiven Membrandurchlässigkeit (Poren) für schnelle
Ionenflüsse auszunützen (z.B. Na+-Einstrom beim Aktionspotential: ca. 1000
µmol.m-2.s-1)." (Silbernagel & Despopoulos 1979, S. 15; Anmerkung vom
Autor: ATPase = Enzym zur Spaltung von ATP - Adenosintriphosphat; µmol.m-2.s-1
ist die Maßeinheit für die Pumpleistung der Ionenpumpen)
Das Verhältnis der Geschwindigkeit zwischen Aus- und
Einstrom der Na+- Ionen beim Aktionspotential ist in diesem Falle 1:1000. Der
Auf- und Abbau von elektrischen Gradienten („Gefälle“) an dem Zellmembranen
paßt sich gut zu den beiden Teilen der Ladung und Entladung des
4-Takt-Prozesses der S-L-Formel ein. Ob die Veränderungen des
Flüssigkeitshaushalts (Oberflächen- bzw. mechanische Spannung) der
polarisierten Nerven- und anderen Körperzellen auch der S-L-Formel folgen,
bedarf noch weiterer Nachforschung. Es erscheint naheliegend, daß durch den
aktiven Transport verschiedener Anionen bzw. Kationen durch die Zellmembran in
das Zellinnere hinein und aus dem Inneren heraus auch Cytoplasma entsprechend
der Spannungs- Ladungs- Formel mitströmt.
Auch beim Vorgang der Überleitung des Aktionspotentials von
einer Nervenzelle auf eine andere bzw. im Bereich der neuromuskulären Endplatte
findet sich der Viertakt der S-L-Formel: Das in die Synapse eintreffende
Aktionspotential entspricht der Entladung. An der Synapse führt die Entladung
zum Ausstoß der in den Vesikeln („Speichersäcke“) der Synapse gespeicherten
Transmittersubstanz. Die bereits in den Vesikeln gespeicherte
Überträgersubstanz entspricht dem mechanisch gespannten Zustand in Reichs
4-Takt, der Ausstoß der Transmittersubstanz dem der mechanischen Entspannung,
die verbunden ist mit dem elektrischen Impuls der Nervenzelle. Der Binnendruck
in der Synapse ist geringer geworden. Die Transmittersubstanz gelangt von der
Synapse in den synaptischen Spalt und führt zur Erregung der postsynaptischen
Membran der angelagerten Nerven- oder Muskelzelle. Die aus dem Vesikel
ausgetretene Transmittersubstanz wird zumeist enzymatisch rasch inaktiviert und
rückresorbiert. Teilweise werden die resorbierten Substanzen wieder zum Aufbau
aktiver Transmittersubstanz verwendet (vgl. Dudel 1990, S. 51).
Inwieweit die von Reich beschriebene Anordnung der
Funktionen der Spannung und der Ladung auch im Erregungsablauf des
Muskelsystems anzutreffen sind, wurde bisher auch noch nicht untersucht. Die
Sichtweise dieser Vorgänge vom Verständnis der Orgasmusfunktion her wäre aber
von großer klinischer Wichtigkeit. Es sei hier nur hingewiesen auf die
Möglichkeit einer fundierteren theoretischen Grundlage der
Körperpsychotherapieformen. Ein sehr zentraler Begriff ist dort die Problematik
der Muskelverspannungen bzw. des Muskeldystonus. Nach der Beschreibung von
Rüegg (1990) läßt sich hier eine gewisse Parallelität zu Reichs S-L-Formel
herstellen. Schon Reich (1934b) betrachtete das Muskelsystem und die das
Muskelsystem steuernden Teile des Zentralnervensystems (ZNS) bzw. des
peripheren Nervensystems (pNS) als eine funktionelle Einheit (= neuromuskuläres
System). Das Muskelsystem beinhaltet unter anderem zwei Röhrensysteme, die
grundsätzlich voneinander unabhängig sind und nur an bestimmten Stellen
einander sehr nahe kommen. Das eine Röhrensystem ist das sogenannte
transversale System (T-System), das andere das longitudinale System (L-System).
Das T-System ist im Grunde nichts anderes als eine Einstülpung der Zellmembran
der Muskelzelle. Derart kommt die Muskelzelle in engen und großflächigen
Kontakt mit dem Extrazellularraum. Das L-System ist das eigentliche Röhren- und
Zisternensystem des endoplasmatischen Retikulums (= das Gang- und
Transportsystem in der Zelle, das aus „Röhren“ besteht und netzartig (Þ
reticulum) aussieht), das hier sarkoplasmatisches Retikulum heißt (Schwarzacher
& Schnedl 1988). Eine Calziumpumpe hält im Ruhezustand des Muskels die
Speicherung des Calziums in der Zelle durch seine Speicherung im
sarkoplasmatischen Retikulum niedrig. Bei der Aktionspotentialübertragung auf
den Muskel (=elektromechanische Kopplung) läuft das Aktionspotential über die
Nervenzelle zu den Synapsen der motorischen Endplatte. Das Potential
depolarisiert (erregt) daran anschließend wellenartig die Membranen des
T-Systems. So dringt die Erregung schnell in die Tiefe der Zelle. An den
Kontaktflächen zum L-System springt die elektrische Erregung vom T-System auf
das L-System über und gelangt somit ins Innere der Zelle. Das elektrische
Signal bedingt eine kurzfristige Ausschüttung der im sarkoplasmatischen
Retikulum gespeicherten Ca++-Ionen. Die Anwesenheit der Calzium-Ionen im
Zellinneren wiederum führt unter Energieverbrauch zur Kontraktion der
Muskelfaser. Der Phase der mechanischen Spannung entspricht der Ruhezustand der
Muskelzelle. Hier liegt das Calzium im sarkoplasmatischen Retikulum gespeichert
vor, die Membranen des Sarkoplasmas sind gespannt. Die aktive Ionenpumpe
erzeugt eine elektrische Potentialdifferenz und der elektrische Reiz führt die
Entladung herbei.
In der Entladung ändert sich die Membrandurchlässigkeit
bezüglich der Ionen (analog der Nervenzelle) und Calzium-Ionen strömen (im
Protoplasma gelöst) in die Zelle aus. Der Ausfluß der Ionen führt zu einer
Entspannung des sarkoplasmatischen Retikulums (vgl. auch Silbernagel &
Despopoulos 1979, S. 38).
Reichs Schluß aus der wiederholten Beobachtbarkeit der
S-L-Formel in den Funktionen des autonomen Nervensystems und in weiteren
vegetativen Funktionen ist, daß die Nerven des vegetativen Nervensystems die
dialektische Anordnung der Funktionen der Mechanik (mechanischen Spannung und
Entspannung) und der Elektrik (elektrischen Ladung bzw. Entladung) innervieren.
Des weiteren folgen basale biologische Funktionen des Cytoplasmas der
Spannungs-Ladungs-Formel. Auf Basis der Schwingung der Potentialhöhe und der
Plasmadichte (Pulsation) entlang der S-L-Formel soll der gesamte Organismus,
als auch Organe, Gewebe und biochemische Funktionen funktionieren, auch wenn sie
großen Variationen in der Erscheinungsform unterworfen sind (Reich 1934a, 1934b
und 1942).
Für eine bessere Beurteilung dieser These wären aber noch
weitere Forschungen nötig. Trifft Reichs Annahme wirklich zu, dann wäre ein
gemeinsames Funktionsprinzip der vegetativen und autonomen Funktionen gefunden.
Es könnte die S-L-Formel und Reichs Verständnis von vegetativen Funktionen
einen weiteren Fortschritt in der Erforschung von vegetativen
Funktionsstörungen (psychosomatische Erkrankungen) bringen.
V. Die experimentelle Überprüfung der Spannungs- Ladungs- Formel und die Überleitung zum Orgonakkumulator
In der Zeit seines skandinavischen Exils plante Reich die
experimentelle Überprüfung des Spannungs-Ladungs-Vorganges am Menschen. Er
erhielt eine Einladung des Direktors des Psychologischen Universitätsinstituts
in Oslo, Dr. H. Schjelderup. Reich konnte die Räumlichkeiten des Instituts
mitbenutzen. Er hatte die Gelegenheit, mit Spezialisten zusammen zu arbeiten
(Boadella 1980). Die grundsätzliche Fragestellung skizziert Reich so:
"Ferner ergab sich aufgrund der vegetativen
Erregungsvorgänge bei der Behandlung seelisch Kranker eine Anschauung, wonach
Sexualität und Angst als zwei zwar der gleichen Quelle entstammende, jedoch in
entgegengesetzter Richtung ziehende Erregungen oder "Strömungen" des
biologischen Organismus anzusehen wären. Sexualität wäre der Inbegriff all
dessen, was mit peripher gerichteter Erregung, Strömung, Oberflächenspannung
und Weitung verbunden ist. Ihr wesentliches innerpsychisches Merkmal ist das
Lustempfinden. Im Gegensatz dazu wäre unter Angst alles zu begreifen, was mit
zentralwärts gerichteter, von der Welt weggewandter Strömung und Erregung
zusammenhängt; ihr Kennzeichen alles Empfinden, das sich mit den Worten Enge,
Beklemmung, Angst, innerer Druck etc. beschreiben läßt." (Reich 1937, S.
5)
Eine besondere Rolle bei den körperlichen
Erregungsempfindungen spielen die erogenen Zonen:
"Es gibt bestimmte Stellen der Oberfläche, die sich in
ihrem Verhalten grundsätzlich von der übrigen Hautoberfläche unterscheiden. Das
sind die sexuell erogenen Zonen: Lippen, Afterschleimhaut, Brustwarzen,
Penisoberfläche, Schleimhaut der Scheide, Zunge, Handflächen und
merkwürdigerweise - auch die Stirn. Ihre Ladung kann im Bereiche des Potentials
der übrigen Haut liegen, sie können aber auch ein weit höheres oder ein weit
niedrigeres Ruhepotential aufweisen als die gewöhnliche Haut. Die Potentiale
ein und derselben sexuellen Zone sind bei vegetativ freien Menschen selten
konstant." (Reich 1942, S. 279/80)
Im Experiment sollte sich die „Aufladung der Haut" in
Form einer Positivierung des Potentials zeigen bzw. in einer quantitativen
Zunahme eines Potentials mit positiven Vozeichen. Die Angsterregung sollte eine
Negativierung, eine Wanderung des Hautpotentials in die entgegengesetzte
Richtung zur Folge haben. Im letzeren Falle kommt es - psychologisch gedeutet -
zur Flucht der libidinösen Besetzungen ins Innere.
Es soll umrissen werden, welche Veränderungen sich bei der
experimentellen Überprüfung der Spannungs-Ladungs-Formel ergeben müßten, wenn
das postulierte dialektische Zusammenwirken von Spannung und Ladung (bzw.
Entladung und Entspannung) tatsächlich experimentell beobachtbar wäre.
Wissenschaftliche Berichte zur Gefäßmotorik und der elektrophysiologischen
Erregung sind bereits ausführlich in der Literatur beschrieben worden (vgl.
SCHMIDT & THEWS 1991; BOUCSEIN 1988, Schandry 1989; EDELBERG 1972). In der
Spannungs-Ladungs-Formel sind die Funktionen der Oberflächenspannung
("Mechanik") und der (Bio)-Elektrik dialektisch angeordnet. Soll der
S-L-Vorgang eine Grunderscheinung des Lebendigen sein, so müßte sich in
Verbindung mit dem Vorgang der Blutfüllung der Gefäßräume erogener Zonen unter
geeigneten Umständen eine bioelektrische Aufladung des betreffenden Organs bzw.
der Haut ergeben, die meßbar gemacht werden müßte.
Bei der bioelektrischen Entladung müßte ein Abfall des
bereits aufgebauten Erregungspotentials erfolgen. Die orgastische Konvulsion
würde in diesem Falle als Prototyp bioelektrischer Entladung gelten. Eine
lustvolle, sexuelle Reizung müßte zu einer bioelektrischen Ladung der
Peripherie (Haut bzw. Schleimhaut der erogenen Zonen) führen. Andererseits
müßte bei Angst, unlustvollen Reizen und bei angstvollen inneren Reizen (z.B.
subjektiv gefährliche Gedanken, Angst vor Elektroden und Apparaten etc.) ein
Abfall der Ladung eintreten und das Biopotential entsprechend abfallen. Durch
das Experiment war indirekt auch die Frage nach der funktionellen Identität
objektiv meßbarer körperlicher Erregungszustände und ihres subjektiven Erlebens
gestellt.
"Für die vorliegende Abhandlung ist nur wichtig, daß in
der Literatur über die Beziehungen zwischen Affektivität und vegetativem
Apparat die Anschauung einer funktionellen Identität bei gleichzeitiger
Gegensätzlichkeit fehlt. Entweder wird das physiologische Phänomen als
"Begleiterscheinung" des Affekts aufgefaßt, oder der Affekt gilt als
die "Folge" einer vegetativen Erregung ... Durch die Annahme, daß der
Affekt und die Erregung eine untrennbare und unteilbare Funktionseinheit
darstellen, daß das eine ohne das andere nicht zu denken ist, eröffnen sich für
die Untersuchungen des psycho-physiologischen Grenzgebietes einige wesentliche
Perspektiven." (Reich 1937, S. 8)
Reich (1934c) versucht die absolute Gegensätzlichkeit oder
einseitige Kausalität anderer Modelle des körperlich-seelischen Funktionierens
durch die sexualökonomische Theorie zu überbrücken. Sein funktioneller Ansatz
betont die dialektische Entwicklung des Psychischen aus dem Somatischen heraus
und die sexualökonomische Identität von vegetativer und libidinös-sexueller
Erregung.
Eine Reihe verschiedener experimenteller Versuchsbedingungen
wurde ausgearbeitet. Der Verlauf des Hautpotentials während verschiedener Reiz-
und situativer Gegebenheiten (z.B. Kitzel- und Druckreize unter verschiedenen
Situationen und Ableitungsbedingungen) wurde aufgenommen und auf einem
lichtempfindlichen Photostreifen festgehalten. Die Versuchspersonen wurden
angenehmen bzw. lustvollen Situationen, als auch Schreckreizen (lauter Gong,
Platzen einer Tüte) und Unlustsituationen (saurer Zitronensaft auf Zunge,
emotionaler Unmut) ausgesetzt. Mittels Zucker und Salz wurde die
Zungenoberfläche gereizt und die Veränderungen der Potentialverläufe
aufgezeichnet. Auch die Messung des Hautpotentials der Penisglans während eines
masturbatorischen Aktes konnte von Reich festhalten werden (vgl. Reich 1937,
S.29).
Aus den verschiedenen Versuchsreihen, die zwischen 1935 und
1937 stattfanden, erhielt Reich Ergebnisse, die seiner Meinung nach die
Richtigkeit der Spannungs-Ladungs-Formel bestätigen. Eine ausführlichere
Darstellung der Ergebnisse und einer Reihe von Experimenten im Rahmen der
bioelektrischen Untersuchung von Sexualität und Angst ist in Reich (1937) zu
finden. Das operationalisierte Ziel war es, das Schema der
Spannungs-Ladungs-Formel experimentell zu erforschen und die Bedingungen zu
durchleuchten, die den Sprung von mechanischer Spannung zur elektrischen Ladung
ermöglichen. Zur Beziehung zwischen elektrischer Potentialerhöhung und
Lusterregung stellt Reich fest:
"Das Potential erhöht sich nicht, wenn mit der
Blutfüllung des Organs nicht auch eine erogene, strömende Empfindung verbunden
ist. Das Glied kann also erigiert sein, ohne daß eine Potentialerhöhung
statthat." (Reich, 1937, S. 13)
Die ursprüngliche Annahme, daß die Erektion des Gliedes an
sich mit einer Potentialsteigerung verbunden sei, erwies sich als falsch. Diese
Besonderheit gilt nicht nur für die primären Geschlechtsflächen alleine,
sondern für alle sexuell erregbaren Körperzonen (erogenen Zonen), wie z.B. auch
für die erigierte Brustwarze. Allgemein formuliert heißt dies, daß sich ein
erhöhter Gewebsturgor einstellen kann, ohne daß eine lustvolle Erregung folgt.
Wesentlich ist jedoch der unmittelbare Zusammenhang von Potentialanstieg und
erogener Empfindung.
"Die Erhöhung des Potentials an der sexuellen Zone geht
immer einher mit einer Steigerung des Lustempfindens und umgekehrt die
Erniedrigung des Potentials mit einem Schwund der lustvollen Empfindung."
(Reich 1942, S. 280)
Diese Feststellung ist in der sexualökonomischen Theorie als
sehr wichtig und spricht für die funktionelle Natur der Beobachtungen.
Statistisches Datenmaterial bringt Reich kaum. Ebenso führte Reich bei seinen
Experimenten keine echten statistischen Untersuchungen durch und er bringt
(außer deskriptive Schätzwerte) kein genaues Zahlenmaterial. Es wäre hier von
Interesse, wie dieser Zusammenhang ausgebildet ist (z.B. auch im
korrellationsstatistischen Sinne), welchen inneren und äußeren Faktoren er
unterworfen ist, von welchen äußeren Größen er modifiziert wird, etc. Reich
bringt aber umfangreiches empirisches Material.
Der Personenfaktor im Zusammenhang mit den
Potentialschwankungen dürfte allerdings wichtig sein: Im Gegensatz zu solchen
vegetativ nicht erkalteten Versuchspersonen zeigen affektgesperrte und
vegetativ starre Menschen, wie zum Beispiel Katatoniker, keine bzw. nur sehr
schwache Potentialverschiebungen als Reaktionen auf potentiell lusterzeugende
Reize. Diese Potentialverschiebungen liegen im Bereich des Wertes nichterogener
Hautflächen, also etwa bei +10mV. Die Aufzeichnung der elektrischen Ladung und
Entladung der Haut erfordert daher auch eine geeignete Auswahl an
Versuchspersonen bzw. sollte bei den Versuchspersonen der Grad ihrer
vegetativen Beweglichkeit berücksichtigt werden. Reich meint, daß der Grad der
Panzerung eine große Rolle beim Verlauf der Potentialkurven spielt. Die
gepanzerte Person verhindere die libidinöse Erregung der erogenen Zonen (=
„vegetative Peripherie“). Unmittelbarer Ausdruck der somatischer Panzerung ist
die mit ihr einhergehende mangelnde periphere somatische bioelektrische
Aufladung.
Da die Sexualökonomie eine Wissenschaft vom "Lebens-
und Sexualprozeß" ist, ist die Meinung weit verbreitet, daß sich eine
solche mit exakter Mathematik (Statistik) nicht vereinbaren läßt. Ein solches
Vorgehen hat der naturwissenschaftlichen Seite Reichs wahrscheinlich sehr
geschadet und Raum gelassen für Mystifizierungen der Thesen der Sexualökonomie
und der Orgonomie. Daß sich funktionelle Betrachtungsweisen und exakte
Mathematik durchaus vereinabaren lassen, beweist das Werk des deutschen
Physikers Burkhard Heim (vgl. Heim 1980, 1982a und 1982b, 1990). In
seiner "einheitlichen Quantenfeldtheorie" lassen sich viele Aspekte
von Reichs Wissenschaftsauffassung wiedererkennen.
Auch der Menstruationszyklus beeinflußt die Höhe der
peripheren Ladung: Es folgen die Aufzeichnungen zweier Ableitungen von der
Analschleimhaut zur Zeit der Menstruation (b) und im Zustand der libidinösen
Erregung (a) zu verschiedenen Zeitpunkten.
Abbildung 3a und b: Potentionalkurven,
abgenommen von der Anusschleimhaut einer Frau: a) in Lust; b) in
prämenstrueller Depression (nach Reich 1937, S. 29).
Reich führt die ungleichen Potentialverläufe auf die
unterschiedlichen emotionalen Zustände der Versuchsperson zu den beiden
Meßzeitpunkten zurück. Über die Gegensätzlichkeit von Lust- und Angsterregung
faßt Reich zusammen:
"Einzig und allein biologische Lust, die mit dem
Empfinden des Strömens und der Wollust einhergeht, ergibt Steigerung der
bioelektrischen Ladung. Alle anderen Erregungen, Schmerz, Schreck, Angst,
Druck, Ärger, Depression, gehen mit Erniedrigung der Oberflächenladung des
Organismus einher." (Reich 1942, S. 284)
Die grundsätzliche Bestätigung der S-L-Formel als eine
allgemeine und spezifisch für das Lebendige gültige Grundformel gab Reich die
Möglichkeit, einen weiteren Schritt bei der theoretischen Lösung des
Widerspruchs zwischen Materialismus und Vitalismus zu setzen:
Die Spannungs-Ladungs-Formel setzt sich aus zwei in der
Natur vorkommenden Funktionen zusammen. Es sind dies die Funktionen der
Oberflächenspannung und der Elektrik, die schon im anorganischen Bereich der
Physik exakt beschrieben wurden. Es lag die Frage auf der Hand, ob die
S-L-Formel deshalb auch auf Prozesse in der nichtlebenden Natur anwendbar ist.
Nach dem Reichschen Modell kommt das, was wir Leben nennen,
durch die spezifische dialektische Anordnung der beiden Funktionspaare
zustande: Aber die Anwesenheit dieser dialektischen Anordnung selbst bedingt
noch kein Leben, erst durch das, was dauraufhin folgt: Das Grundlegende für
den Lebensprozeß ist dabei der dialektische Sprung von der Oberflächenspannung
zur elektrischen Ladung, das Charakteristische dabei ist das Schwingen bzw.
Oszillieren (Pulsieren) dieser beiden Funktionen in Zellen, Organen und
Organismen.
2. Der Orgonakkumulator
A. Das Bauprinzip der Orgonakkumulators
Der Orgonakkumulator (OA, ORAK) ist ein Gehäuse aus
organischem Material (z.B. Holz, Celotex, Kunststoffplatte), dessen Innenwände
mit dünnem Eisenblech ausgekleidet sind (Reich 1949f). Diese einfache Anordnung
genügt, um eine Konzentration der atmosphärischen Orgonenergie herbeizuführen.
Die Theorie gibt folgende Auskunft über die Wirkungsweise des
Orgonakkumulators:
"Der Mechanismus dieser Konzentration beruht auf zwei
Tatsachen.
1. Organische Stoffe jeder Art ziehen Orgon an sich und
halten es fest. Umgekehrt zieht orgonhaltiges Material kleine organische
Partikel an sich und hält sie fest.
2. Metallische Stoffe, im besonderen Eisen, ziehen Orgon an
sich, stoßen es aber rasch wieder ab. Umgekehrt stößt orgongeladenes Metall
metallische Partikel ab." (Reich 1949f, S. 128)
Die Wirkungsweise des Orgonakkumulators besteht im
antithetischen Verhalten von organischen bzw. elektrisch isolierenden
Materialien und metallischen Stoffen. Für weitere Ausführungen soll eine
derartige Kombination von einer Schichte isolatorischem Materials und einer
Schichte metallischem Materials (Eisenblech) "Doppelschicht" genannt
werden. Aufgrund der spezifischen Anordnung der Doppelschicht ergibt sich eine
Akkumulation der Strahlung im Innenraum der Box. Reich unternahm auch Versuche
mit Orgonakkumulatoren, deren Wände aus mehreren Doppelschichten aufgebaut
waren. Die Wirkung des Akkumulators schien bis zu einer gewissen Doppelschichten
- Anzahl verstärkbar zu sein.
"Die organische Hülle nimmt die Energie aus der
Atmosphäre auf und gibt sie nach innen ans Metall weiter. Das Metall strahlt
die Energie nach außen ... [und] ... nach innen in den freien Raum des Akkumulatorinnern
ab. Die Bewegung der Energie ist nach innen frei, nach außen gehindert. Daher
kann sie innen frei oszillieren, außen nicht. Ein Teil der vom Metall nach
außen abgegebenen Energie wird überdies ... aufgesaugt und ans Metall
zurückgegeben. Wie die Energie das Metall durchdringt, wissen wir nicht. Wir
wissen nur, daß sie es tut, denn die subjektiven und die objektiven
Erscheinungen sind innerhalb des Apparats bedeutend intensiver als
außerhalb." (Reich 1949f, S. 134f.); Hervorhebung GH.
Daß es die vielerorts beschriebenen Effekte gibt, daran wird
hier nicht gezweifelt. Solange Reich aber nicht weiß, wie die Energie das
Metall durchdringt, solange muß die von ihm beschriebene Orgontheorie als eine
Hypothese behandelt werden. Wir wissen letztlich immer noch nicht, was im
Orgonakkumulator wirkt, nur daß er wirkt.
Es darf- wenn man der Orgontheorie Glauben schenkt - nicht angenommen werden, daß die Bewegung der
Energie, wie Reich sie vermutet, nur von außen nach innen erfolgt. Reich
mutmaßte, daß der resultierende Vektor der beiden Flußrichtungen außen---innen und innen---außen aufgrund der spezifischen Materialanordnung in Richtung außen---innen zeigt. Der Einstrom der Strahlung in den Kasten überwiegt gegenüber dem
Ausstrom aus dem Kasten heraus.
Abbildung 4: Symbolbild eines
einschichtigen Akkumulators. Dem Modell zufolge soll mehr Strahlung ein- als
ausfließen und im Inneren des Kastens angehäuft werden.
Reich meinte, daß die Orgonenergie alle Materialien durchdringen
könne, nur sei die Durchdringungsgeschwindigkeit je nach Dichte des Materials
sehr unterschiedlich (Reich 1949e und 1976). Am Orgonakkumulator ließ sich auch
ein für physikalische Forschungsbereiche atypisches Gesetz formulieren: Das
"orgonomische Potentialgesetz" besagt, daß eine im Vergleich zur
Umgebung höhere Konzentration von Orgonenergie demnach bestrebt ist, die
Differenz zu vergrößern. Mittels dieses Gesetzes glaubte Reich (1976), auch
meteorologische Prozesse in der Atmosphäre beeinflussen zu können. Weiters
wurde im Zusammenhang mit diesem Gesetz immer wieder die Diskussion
aufgeworfen, ob dadurch die Allgemeingültigkeit des ersten Hauptsatzes der
Wärmelehre in Frage gestellt sei (vgl. Reich 1949f, SEILER 1982). Eine derart
grundsätzliche Frage wird aber erst wohl nach umfangreichen Experimenten
eindeutig beantwortet werden können.
B. Einflüsse auf die Akkumulatorwirkung
Eine Reihe von Faktoren, die auf die quantitative Wirkung
des Orgonakkumulators einen Einfluß haben, sind in der Folge aufgezählt. Sie
wurden meist empirisch beobachtet, ohne daß ihr Einfluß quantitativ unter
experimentellen Bedingungen überprüft wurde. Sie stammen ausschließlich aus dem
Bereich der Empirie und wurden von Reich (1951b) und seinen Mitarbeitern, sowie
von späteren Forschern beschrieben.
Luftfeuchtigkeit: Die relative Luftfeuchtigkeit der
Atmosphäre beeinflußt die Wirkung des Orgonakkumulators merklich. Je höher die
Luftfeuchtigkeit, desto schwächer die Wirkung. Nach Reich sind relative
Luftfeuchtigkeiten zwischen 40 und 50% eine gute Bedingung für die
Konzentration der Orgonenergie (Reich 1949f). Reich beschreibt an mehreren
Stellen seiner orgonphysikalischen Arbeiten die starke wechselseitige Affinität
von Orgon zu Wasser und umgekehrt (Reich 1949e). Als Beispiel dafür läßt sich
anführen, daß geglühte Materie sehr gierig Wasser aufsaugt, was zur Quellung
der Materie führt.
Die Art des verwendeten Materials: Die Fähigkeit elektrisch
isolierender Stoffe zur Orgonspeicherung hängt auch von ihrer Tendenz ab,
Wasser aufzunehmen. So sind zum Beispiel Baumwolle oder Holz zwar prinzipiell
für den Akkumulatorbau geeignet bzw. wurden sie dafür schon verwendet. Durch
ihre Tendenz, aus der Luft die Luftfeuchtigkeit aufzunehmen, ist ihre effektive
Nutzung jedoch nur bei trockener Luft möglich. Es verhält sich dabei so, daß
diese Materialien diese Energie leicht auf-, aber nicht ohne weiteres abgeben.
Es dürfte das Wasser die Fähigkeit besitzen, die biologische Strahlung zu
binden. Ist das organische bzw. isolierende Material des Akkumulators feucht,
dann saugt es selbst diese Energie auf, hält sie fest und es kann entsprechend
weniger frei bewegliche Orgonstrahlung in Richtung Innenraum weitergelangen
(Reich 1949f).
Als wirksame Materialien für Akkumulatoren erwiesen sich
Stoffe mit keiner oder nur minimaler Fähigkeit zur Wasseraufnahme, wie Glas-
und Steinwolle. Aber auch Kunststoffolien stellen geeignete Materialien für den
Aufbau der anorganischen/isolatorischen Schichte eines Orgonakkumulators dar
(vgl. Demeo 1989a und SENF 1981c).
Die Innenseite des Orgonakkumulators begrenzt meist eine
verzinkte Eisenblechplatte. Auch unverzinktes Eisenblech wurde schon verwendet.
Für den Einsatz im Humanbereich empfiehlt Reich dringend den ausschließlichen
Gebrauch von verzinkten oder unverzinkten Eisenblechplatten im
Orgonakkumulator. Versuche mit Aluminium anstelle von Eisenblech ließen den
Verdacht aufkommen, daß Aluminium in dieser Anordnung eine toxische Wirkung auf
den Organismus ausübt (Reich 1951b).
Geographische Breite: Mit Ansteigen der geographischen
Breite soll auch die Wirkung des Orgonakkumulators sinken. Er wirkt am Äquator
am besten. Diese Feststellung dürfte eher eine theoretisch abgeleitete sein,
ebenso wie die Annahme unter Punkt 4.
Entfernung von der Meereshöhe: Mit zunehmender Höhenlage
soll der Akkumulator besser funktionieren, da das Orgon durch die dünnere Luft
weniger an die Gaspartikel der Luft gebunden und so besser akkumulierbar sein
soll.
Anzahl der in nächster Nähe befindlichen Akkumulatoren: Je
mehr Akkumulatoren auf kleinem Raum, umso stärker soll ihre Wirkung sein.
Anzahl der Doppelschichten des Akkumulators: Eine einzige
Doppelschicht reicht aus, die konzentrierende Funktion der Gerätes
darzustellen. Mit zunehmender Doppelschichtanzahl wird die Wirkung des
Orgonakkumulators erhöht. Jedoch soll es eine beliebige Vermehrung der
Schichten ab einer bestimmten Grenze keinen Gewinn mehr zeigen. Bei der Messung
der sog. Temperaturdifferenz To-T (Temperatur im Inneren des Akkumulators gegen
die OA-Umgebung) stellten sich bei der Verwendung von Orgonakkumulatoren mit
vielen (24) Schichten Umkehreffekte ein. Für den Durchschnitt empfehlen sich 3
bis 5 Schichten. Im Rahmen seiner Behandlungen von terminalen Krebspatienten
setzte Reich Akkumulatoren bis 24 Schichten ein.
Die Entfernung des Organismus von der Eisenblechplatte im
Inneren des Akkumulators. Liegt der Organismus mehr als 5 bis 10 cm entfernt
von der Eisenblechplatte, so gibt es einen wesentlichen Abfall der Wirkung.
Dies ist vor allem bei eher unterladenen, erschöpften Menschen der Fall. In
diesem Falle bedarf es einer Art Anlaufzeit, bis das körpereigene Orgonfeld,
das über die Grenzen des physischen Körpers hier eben wenig hinausragt, zu
erstrahlen beginnt, d.h. weiter wird. Dies erfolgt bei Menschen, die
orgonotisch stark geladenen sind, viel rascher. Daher wird auch die knappe
Abmessung eines Orgonakkumulators für Ganzkörperbestrahlung verständlicher (ca.
140 X 80 X 70 cm).
Wetterlage und Jahreszeit: Bei "Schönwetter" (das
ist im orgonomischen Sinne klares windiges Wetter mit Sonnenschein mit
mittlerer Luftfeuchtigkeit) gibt es normalerweise stärkere Wirkungen (im Sinne
von meßbaren Effekten, später dazu mehr) als bei "unbewegten" und
"trägen" Bedingungen der Atmosphäre und hoher Luftfeuchtigkeit
(Nebel, Smog). In ausgeprägten Phasen dieser Trägheit und Stille in der
Atmosphäre ist die Wirkung des Orgonakkumulators quantitativ schwächer und sie
soll auch qualitativ weniger hochwertig sein. Die subjektiv wahrnehmbaren
Effekte des Orgonakkumulators bei Schönwetter sind im Vergleich zu trägen
Wetterbedingungen stärker. Trotzdem erzeugt der Orgonakkumulator bei letzterer
Großwetterlage ebenfalls die typischen Empfindungen, wenn auch schwächer (vgl.
auch Demeo 1989a). Im Winter soll es überdies schwächere Effekte geben als im
Sommer.
C. Psychologische und psychophysiologische Effekte des Orgonakkumulators
Auf die physikalischen Effekte des Orgonakkumulators kann
hier nicht näher eingegangen werden. Bisher gab es aber Untersuchungen zur erhöhten
Kasteninnentemperatur im Orgonakkumulator, zum verzögerten elektroskopischen
Entladungsverhalten im Orgonakkumulator, zur verzögerten Wasserverdunstung im
Orgonakkumulator und zu Leuchteffekten in Hochvakuumröhren (vgl. Hebenstreit
1995a).
In der Folge werden experimentelle Studien zum
Orgonakkumulator dargestellt werden, womit klinische Experimente und Berichte,
die von Reich selbst, wie auch von einer Reihe anderer Forscher eingebracht
wurden, weitgehend ausgeschlossen sind. In Gebauer & Müschenich (1987)
findet sich eine gute Zusammenfassung klinischer Arbeiten, die die
Wirkungsweise des Orgonakkumulators im medizinischen Bereich anschaulich
darstellen, sodaß hier ein Verweis auf diese Zusammenstellung genügt.
Wesentlich sind hier nur Arbeiten, die der Konkretisierung der Fragestellung
dienen.
I. Körpertemperaturveränderungen
In der Physiologie liegt die Grenze, ab der von einer
"signifikanten" Änderung der Kerntemperatur gesprochen werden kann,
bei ca. 0,1 bis 0,15 Grad C (vgl. SILBERNAGL & DESPOPOULOS 1988). Die
Körperkerntemperatur ist eine der konstantesten physiologischen Größen
überhaupt (BRÜCK 1990). Ein fein eingestelltes Regulationssystem besorgt diese
Konstanthaltung.
Reich entdeckte 1942 eine Erhöhung der Körperkerntemperatur,
die mehrere Zehntel Grad und mehr betragen konnte, wenn eine Testperson (oder
ein Patient) für etwa 15 bis 40 Minuten einen Orgonakkumulator aufsucht (Reich
1949f, S. 322). Die Erhöhung der Kerntemperatur tritt bei verschiedenen
Versuchspersonen unterschiedlich schnell auf und erreicht unterschiedlich hohe
Werte nach unterschiedlich langen Anstiegszeiten. Liegt die Temperatur des
Körperkernes nahe an der Fiebergrenze (37°), so überschreitet die
Kerntemperatur der betreffenden Person normalerweise diese Grenze nach einiger
Zeit des Aufenthaltes im Orgonakkumulator (Reich 1949f). Genauere Ausführungen
zur Versuchsanordnung macht Reich kaum.
Ritter & Ritter (1953; nach Boadella 1980) untersuchten
in zwei Blind-Versuchen die thermischen Wirkungen des Orgonakkumulators. In
beiden Versuchsreihen waren die Versuchspersonen nicht informiert, die
Versuchsleiter hingegen schon. Die Versuchspersonen absolvierten mehrere
Sitzungen. Die erste Versuchsreihe fand im Winter 1949/50 mit 8
Versuchspersonen statt, die insgesamt 35 Sitzungen absolvierten. In der zweiten
Untersuchung absolvierten 4 naive Versuchspersonen insgesamt zehn Sitzungen.
Das Forscherpaar untersuchte die von Reich beschriebenen Akkumulatoreffekte
mittels eines vierschichtigen Orgonakkumulators und einem Kontrollkasten, der
nur aus Preßspanplatten bestand. Es wurden die Körperkerntemperatur und
subjektive Körperwahrnehmungen bzw. Empfindungen erhoben. Der Versuch fand in
einem ungeheizten Raum statt. Die unbekleideten Versuchspersonen betraten
zuerst den Kontrollkasten, dann den Orgonakkumulator. In der Attrappe waren
keine Erhöhungen der sublingual (am Zungengrund) gemessenen Kerntemperatur zu
verzeichnen. Im Vergleich zum Orgonakkumulator traten bei der ersten
Versuchsreihe Erhöhungen der Kerntemperatur zwischen 0,06 und 0,75°C ein. Die
ermittelten Höchstwerte wurden zwischen 20 und 80 Minuten nach dem Betreten des
Orgonakkumulators erreicht. Bei der zweiten Versuchsreihe lagen die
Kerntemperaturerhöhungen zwischen 0,11 und 0,5°C (vgl. Boadella 1980, S. 168f.).
Da sich die Autoren ausschließlich auf deskriptive Aspekte
der Darstellung der Ergebnisse beschränkten, fehlen statistische
Signifikanztests. Insoferne gelten die Ergebnisse dieser Studie als
Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen.
Gebauer & Müschenich (1987) untersuchten erstmals die
Effekte des Reichschen Orgonakkumulators mittels professioneller
psychophysiologischer Methodik. In einem Doppel-Blind-Versuch gingen sie der
Fragestellung nach, ob sich die psychophysiologischen Meßvariablen wie Kerntemperatur,
Fingertemperatur und Pulsfrequenz während eines 30-minütigen Aufenthaltes im
Orgonakkumulator signifikant verändern. Als Parameter wurden bei den beiden
Temperaturvariablen sowohl der Durchschnittswert der gesamten Sitzung wie auch
der Höchstwert der Sitzung ermittelt. Bezugspunkt für die postulierte
Veränderung war wie bei Ritter & Ritter (1953) auch hier wiederum eine
optisch idente und wärmetechnisch weitgehend angeglichene Akkumulator-Attrappe.
Die Attrappe enthielt in ihnen Wänden nur Holz und Wärmeisolationsmaterial,
während der Akkumulator über 7 Doppelschichten verfügte. Um einen Basiswert für
die Veränderungen während der Orgonakkumulator- bzw. Attrappensitzungen
ermitteln zu können, absolvierten die Versuchspersonen jeweils vor der "Kasten"-Sitzung
eine 15-minütige Entspannungs- bzw. Ruhesituation. Im Hauptversuch kamen 10
Versuchspersonen an 10 Tagen sowohl zu einer Orgonakkumulator- wie auch zu
einer Attrappensitzung.
Die Autoren fanden bei den Parametern
"durchschnittliche Körperkerntemperatur" und "Höchstwert
Körperkerntemperatur" einen hoch signifikanten Einfluß des
Orgonakkumulators im Vergleich zum Attrappenkasten. Während bei der
"durchschnittlichen Kerntemperatur" die durchschnittliche Differenz
zwischen der Attrappensitzung und der vorangestellten Ruhesituation +0,03 Grad
C betrug, stieg die Differenz zwischen Orgonakkumulator und Ruhesitzung auf
+0,20 Grad C an. Während erstere Differenz nicht signifikant blieb, bedeutete
die zweite Differenz der Körperkerntemperatur eine signifikante Erhöhung. Das
Signifikanzniveau lag bei der varianzanalytischen Überprüfung (MANOVA) auf dem
1%-Niveau, was bedeutet, daß dieser Unterschied statistisch sehr bedeutsam ist.
Der durchschnittliche Höchstwert in der
Orgonakkumulatorsitzung des Parameters "Höchstwert Kerntemperatur"
unterschied sich signifikant sowohl von der 15-minütigen Ruhesitzung im
allgemeinen, als auch von dem der Attrappensitzung auf dem 1 %-Niveau.
II. Hauttemperaturveränderungen
Bei den Parametern Durchschnitts- Fingertemperatur und
Höchstwert-Fingertemperatur fanden Gebauer & Müschenich (1987) ebenfalls
einen hochsignifikanten Einfluß des Orgonakkumulators gegenüber dem
Kontrollkasten (KK) auf dem 1%-Niveau. Während die Differenz der
"durchschnittlichen Hauttemperatur" (gemessen am Handrücken der
rechten Hand) zwischen KK und Ruhesituation +0,62 Grad C betrug, brachte jene
zwischen Akkumulator und Ruhesituation eine Erhöhung von +1,48 Grad C. Der
Unterschied zwischen diesen beiden Differenzen untereinander ist auf dem
1%-Niveau signifikant, d.h. OA und KK unterschieden sich bedeutend und
statistisch bedeutend.
Beim Parameter "Höchstwert-Fingertemperatur"
betrug die Differenz Attrappe - Ruhesituation +1,05°C, die Differenz
Orgonakkumulator - Ruhesituation +2,06°C. Unterscheiden sich die Differenzwerte
jeweils von den Temperaturen der vorher stattgefundenen Ruhesituation
signifikant auf dem 1%-Niveau, so gibt es einen signifikanten Unterschied der
Differenzwerte (zw. OA und KK) untereinander auf einem 5%igen Niveau.
Gebauer & Müschenich (1987) interpretieren ihre
Ergebnisse folgendermaßen:
"Wie schon beschrieben, unterscheiden sich
Orgonakkumulator und Kontrollkasten hinsichtlich ihrer Wärmedämmeigenschaften
nur unwesentlich voneinander. Die oben aufgeführten Ergebnisse interpretieren
wir deshalb dahingehend, daß zusätzlich zu den Isolationseinflüssen, die ja in
beiden Kästen vergleichbar sind, im Orgonakkumulator ein weiterer
physikalischer Wirkungsfaktor hinzukommt, der auf das Thermoregulationssystem
der Haut im Sinne einer weiteren Erhöhung einwirkt." (Gebauer &
Müschenich 1987, S. 247f; Hervorhebung vom Autor).
Ob dieser geforderte Faktor die von Reich postulierte
Orgonstrahlung ist, bleibt aber offen. In einer anderen experimentellen Arbeit
zu den psychophysiologischen Effekten des Orgonakkumulators untersuchte Snyder
(1990) die periphere Körpertemperatur, die Hautleitfähigkeit und weiters eine
Reihe subjektiver und meteorologischer Parameter.
Der Orgonakkumulator bestand in dieser Untersuchung aus nur
zwei Doppelschichten. Die Messungen der Temperatur erfolgten mit einem
digitalen Biofeedback-Temperaturmeßgerät mit Meßfühler. 30 Versuchspersonen,
die vom eigentlichen Versuchsziel nichts wußten und eine anders lautende,
nämlich eine Scheininstruktion erhielten, besuchten nach randomisierter
(zufälliger) Vorgabe entweder den Orgonakkumulator oder eine optisch idente
Attrappe. Laut Instruktion hatte die Studie das Ziel
"... die Auswirkungen eines 15-minütigen Aufenthalts in
der Beengtheit einer Isolationszelle auf die autonomen Funktionen der
Hauttemperatur und der EDR (elektrodermale Reaktion) zu studieren. Der
tatsächliche Inhalt des Experiments wurde verschwiegen." (Snyder 1990, S.
11)
Waren bei Gebauer & Müschenich die Versuchspersonen je
10 Mal im Orgonakkumulator und in der Attrappe, so erfolgte im Versuch von
Snyder die Zuordnung der Versuchspersonen nach einem Entweder-Oder-Prinzip.
Beide Kästen befanden sich in verschiedenen Räumen. Vor der Sitzung im
zugeteilten Kasten wurde die Temperatur des Fingers ermittelt. Wenn diese
innerhalb einer Minute um nicht mehr als 0,1°C schwankte, wurde der aktuelle
Wert als Ausgangstemperatur für die Differenzwerte akzeptiert. Es wurden neben
der Fingertemperatur und dem Hautleitfähigkeitsniveau auch die Raumtemperatur,
die Temperatur im Innern der Kästen sowie meteorologische Kennwerte
festgehalten. Bei der Fingertemperatur wurde minütlich die Akkumulator- bzw.
Attrappentemperatur erhoben. Bei der Auswertung wurden minütliche
Durchschnittswerte berechnet und die Differenzwerte zwischen der Attrappe und
dem Akkumulator gebildet. Bezüglich der Fingertemperatur konnte Snyder das
Experiment von Gebauer & Müschenich bestätigen:
"Das Hauptergebnis dieses Experimentes ist eine
nachgewiesene Durchschnittserhöhung von 1,9° C im Akkumulator gegenüber einer
durchschnittlichen Erhöhung von 0,4 °C im Kontrollgehäuse. Mittels einer
Einweg-Varianzanalyse wurde festgestellt, daß sich der Akkumulator von der
Kontrolle beträchtlich unterscheidet (p < .04)." (Snyder 1990, S. 11)
Der Term (p< .04) bedeutet, daß sich ein signifikanter
Unterschied zwischen Akkumulator und Kontrolle feststellen ließ. Von einem
geschlechtsspezifischen Merkmal der Fingertemperatur berichtet Snyder, wobei
die Temperaturwerte der weiblichen Teilnehmer sehr viel mehr variierten, als die
der männlichen Teilnehmer. Neben diesen Gruppenkennwerten der Fingertemperatur
gab es starke interindividuelle Unterschiede. Meist lag der Bereich des
Temperaturanstiegs zwischen 3,9°C und 5,6°C. Andere Kandidaten zeigten in den
Kästen keinerlei Temperaturveränderungen im Vergleich zur Grundtemperatur, bei
einer Versuchsperson (Vp) sank sie sogar um 1,1°C ab. Aufgrund des
experimentellen Aufbaus glaubt Snyder aussagen zu können,
"... daß Fingertemperaturdifferenzen auf den
Versuchsaufbau zurückzuführen waren, nämlich auf den zweischichtigen
Orgonakkumulator." (Snyder 1990, S. 13)
Es stimmen die Ergebnisse von Snyder grundsätzlich mit der
Studie von Gebauer & Müschenich überein, jedoch nimmt Snyder an, daß durch
seine Vorgehensweise der Haupteffekt durch die starke interindividuelle
Streuung der Versuchspersonen undeutlich blieb.
III. Elektrodermale Veränderungen
Ein weiterer Parameter, den Snyder (1990) erhob, war die
"elektrodermale Reaktion" (EDR). Aufgrund der Beschreibungen läßt
sich entnehmen, daß Snyder das SCL (Skin Conductance Level bzw. das
Hautleitfähigkeitsniveau; nach Walschburger 1976 und Boucsein 1988) gemessen
hat. Nähere Einzelheiten über die Art der Aufzeichnung der SCL-Werte gibt
Snyder nicht bekannt, was allerdings wichtig wäre. Denn:
"Die EDR-Daten korrelieren in keiner Weise mit den
Daten der Fingertemperaturen. Die höheren EDR-Werte ergaben sich jeweils am
Beginn und am Ende des Experiments, was größere Angst zu diesen Zeitpunkten
anzeigt, weniger in der Mitte des Experiments." (Snyder 1990, S. 12)
Hat Snyder die SCL-Werte minütlich gemessen, wie er angibt,
so hat er die großen Schwankungen dieser Variable nicht zuverlässig erfaßt, da
sich die Meßwerte der elektrodermalen Reaktion im Vergleich zur
Fingertemperatur um ein Vielfaches schneller verändern. Eine minütliche
Registrierung des SCL ist mangelhaft, da das Meßinterwall zu große
Zwischenräume läßt.
Auch die enge Gleichsetzung von Anstieg der
Hautleitfähigkeit mit Angst ist nach neuen Konzepten der Psychophysiologie
nicht gerechtfertigt, da sich Erhöhungen der Hautleitfähigkeit auf
unterschiedlichste innere und äußere Reize einstellen können. Angst stellt
insoferne nur eine Möglichkeit dar, die zur Erhöhung des SCL führen kann. So
kann die Erhöhung des SCL zu Beginn und am Ende der Sitzung ebenso Ausdruck
einer psychophysischen Aktivierung sein, einer Orientierungsreaktion entstammt,
oder sie kann von schnelleren oder tieferen Atmungzügen stammen etc.
IV. Kardiovaskuläre Veränderungen
Reich (1949f) schreibt neben Änderungen der Kerntemperatur
durch die Orgonakkumulatorsitzung auch über Veränderungen des
Herzkreislaufsystems. Reich berichtet im Zusammenhang mit der Behandlung von
terminalen Krebspatienten, daß die Hautblässe bzw. die aschfahle Haut nach
einigen Wochen einer rosa Färbung Platz machte. Dieser Effekt soll begleitet
sein von einer Veränderung des Zerfallverhaltens der roten Blutkörperchen. Bei
letzteren soll sich die Zerfallsgeschwindigkeit verlangsamen. Weiters soll eine
allfällig vorhandene Anämie durch eine wiederholte Behandlung mit dem OA
wegfallen. Noch weitere Parameter des Blutbildes werden von den
Orgonakkumulatorwirkungen beeinflußt (vgl. Lassek 1981 und Lassek &
Gierlinger 1984 und Lassek 1989).
Bezüglich kardiovaskulärer Parameter stellt
Reich (1949f) fest:
"Eine sehr erfreuliche und zukunftsreiche Wirkung ist
die Herabsetzung des Blutdrucks bei vaskulärer Hypertension." (Reich
1949f, S. 339)
Reich führt diesen Effekt auf die generell vagotone (durch
Aktivierung des Parasympathicus zustande kommende) Wirkung des
Orgonakkumulators zurück. Diese Wirkung wurde im klinischen Bereich entdeckt,
ist aber experimentell im Laborversuch noch nicht untersucht.
Gebauer & Müschenich (1987) untersuchten in ihrer
experimentellen Doppel-Blind-Studie auch den Einfluß des Orgonakkumulators auf
die Pulsfrequenz. Die Pulsfrequenz wird weitgehend über den im Vorhof gelegenen
Sinusknoten des Herzens geregelt. Vom vegetativen Nervensystem kommend greifen
auch parasympathische und sympathische Nervenfasern (Innervationen) in die
Regulation der Herzfrequenz ein. Der Vagus wirkt senkend, der Sympathikus
steigernd auf die Schlagfrequenz des Herzens. Entsprechend der Reichschen
Hypothese, der Orgonakkumulator wirke vagoton, müßte also die Pulsfrequenz
während des Aufenthalts im Orgonakkumulator absinken.
Bei der Untersuchung von Gebauer & Müschenich stellte
sich ein entgegengesetzter Effekt ein. Es wurden wiederum die Differenzwerte
zwischen der Ruhesituation und der darauffolgenden Kastensitzung
(Orgonakkumulator oder Attrappe) berechnet.
"Der nun mögliche Vergleich der Mittelwerte zeigt, daß
die Herzfrequenz zwischen Entspannungssessel und Attrappe um durchschnittlich
0,28 Herzschläge pro Minute sank, während zwischen Sessel und Akkumulator ein
Ansteigen um 3,91 Herzschläge pro Minute vorliegt", was einem hoch
signifikanten Ergebnis entspricht." (Gebauer & Müschenich 1987, S.
242)
Die Erhöhung der Pulsfrequenz stellt sich durch eine
dominante Sympathicusinnervation ein. Diesen Widerspruch vermögen die Autoren
nicht ohne weiteres zu lösen. Sie berufen sich auf eine Annahme von Lassek
(1982), die dahin geht, daß in einer sogenannten "Initialphase"
während der ersten Sitzungen einer Serie von Akkumulatorsitzungen eine
sympathische Anfangsreaktion des vegetativen Nervensystems überwiegt und
anschließend diese von einer Reizung parasympathischer Zentren abgelöst wird,
was die eigentliche Heilwirkung bedingt.
Gebauer & Müschenich warfen die Diskussion um Reichs
Begriff der Vagotonie auf und stellten fest, daß ihr Zusammenhang mit der
spezifisch sexualökonomischen Definition von Vagus und Sympathicus noch
eingehender untersucht werden müßte. Sie fassen nochmal die Hauptaspekte ihrer
Arbeit zusammen:
"Wie schon bekannt, behauptete Reich erstens, daß sich
physiologische Veränderungen während der Akkumulatorsitzungen ergeben,
zweitens, daß sich diese Veränderungen größtenteils als vagotone Reaktionen
verstehen lassen, drittens, daß sich die Körperkerntemperatur erhöht, viertens,
daß hierbei eine Wetterabhängigkeit besteht und fünftens, daß Ausmaß und Art
der Veränderungen von Person zu Person variieren. Unsere Untersuchung wurde in
der Absicht angelegt, eine objektive und empirische Überprüfung dieser Annahmen
durchzuführen. Aus unseren Ergebnissen und statistischen Auswertungen läßt sich
ersehen, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit physiologische
Veränderungen während der Akkumulatorsitzungen eintreten und daß diese
Veränderungen jeweils stärker ausfallen als in einem Kontrollkasten. Am
aussagekräftigsten hinsichtlich der Fragestellung waren die Ergebnisse der
Haut- und Kerntemperatur, während sich die Herzfrequenz entgegen der
angenommenen vagotonen Reaktion erhöhte." (Gebauer & Müschenich 1987,
S. 255)
V. Wärmeempfinfungen und andere subjektive Empfindungen
Schon beim Experimentieren mit mikroskopischen Proben
(SAPA-Bionen), mit denen die Wirkung der Spannungs- Ladungs- Formel im
mikrobiologischen Bereich untersucht wurden, verspürten Reich und auch seine
Mitarbeiter subjektive Empfindungen, die von den SAPA-Bionen selbst und später
auch vom Orgonakkumulator auszugehen schienen. Bei Sitzungen im
Orgonakkumulator konnten diese Empfindungen noch deutlicher verspürt werden.
Besonders deutlich sollen die Empfindungen werden, wenn die sensible
Hautoberfläche ganz nahe an die Metallinnenwand des Orgonakkumulators gehalten
wird, ohne sie zu berühren. Reich zählt häufig beobachtete und berichtete
Veränderungen bzw. Empfindungen auf:
"Subjektive Wärmeempfindungen bis zum Aufwallen von
Hitzeempfindungen, Schweißausbruch, Rötung der Haut oft im Gesicht und Nacken,
aber auch an anderen Körperstellen. Sensationen von Prickeln, Ameisenlaufen
etc. [...] Verschwinden von Spannungen und Schmerzen." (Reich 1949f, S.
338)
Auffallend ist, daß empfindsame Menschen vegetativ schneller
und stärker reagieren als Menschen, die auch sonst über relativ wenig
vegetative Empfindungen berichten. Sowohl Reich (1949f), als auch Ritter &
Ritter (1953) beziehen sich darauf. Andererseits beginnen vegetativ träge
Menschen erst nach mehreren Sitzungen bzw. erst nach einigen Wochen täglicher
Sitzungen im Orgonakkumulator vegetative Empfindungen wahrzunehmen (Reich
1949f). Allgemeinen scheint zu Beginn einer längeren Periode von
Orgonakkumulator-Sitzungen die Wahrnehmung für vegetative Empfindungen mit der
Anzahl der Sitzungen zuzunehmen.
Ritter & Ritter (1953; nach Boadella 1980) beschreiben
einige Wahrnehmungen und vegetative Reaktionen von „naiven“ (d.h. vom
eigentlichen Zweck des Versuchs nicht informierten) Versuchspersonen im
Orgonakkumulator: Ameisenkribbeln, das Gefühl, erkältet zu sein und
Hitzewallungen zu verspüren, Pochen in den Fingern, das Gefühl, wie magnetisch
zu sein, eine Art Anschwellen der Gewebe, Heißer Nacken, Hitze von den Wänden,
Jucken der Kopfhaut, wie nach einem Sprung ins kalte Wasser, Reizung der Augen,
eine Reihe visueller Eindrücke wie Pünktchenmuster, Blitze in Purpur, blau,
grün und rot, eine Art Summen (Vibrieren) im Körper oder an bestimmten
Körperteilen.
"Der Anstieg der Körpertemperatur und die subjektiv
wahrgenommenen und geschilderten Empfindungen sind Äußerungsformen dieser
Erregung. All diese Empfindungen erinnern stark an gewisse körperliche
Wahrnehmungen, die man machen kann, wenn sich der eigene Körper gegen eine
Krankheit wehrt." (Boadella 1980, S. 169)
Zum Wärmegefühl im Orgonakkumulator schreibt Fischer (1982):
"Intensives Hitzegefühl und das Ansteigen der
Körpertemperatur beruhen auf einer recht heftigen orgonotischen Reaktion des
Organismus. Die Reflexion der Körperwärme kommt als zusätzlicher Faktor hinzu,
aber da mir und vielen anderen z.B. im Akkumulator nur selten heiß wird, ist
klar, daß es eine organismische Reaktion sein muß, da sie sonst in jedem Fall
auftreten müßte." (Fischer 1982, S. 53)
Gebauer & Müschenich (1987) legten ihren uneingeweihten
(„naiven“) Versuchspersonen nach jeder Kastensitzung zwei Fragebögen mit je 11
Fragen über subjektive psychische und subjektive körperliche Veränderungen bzw.
Wahrnehmungen und Empfindungen zur Beantwortung vor. Zuerst wurde nach
generellen Veränderungen auf körperlicher und psychischer Ebene gefragt. Wurden
diese Items (Fragen) bejaht, wurden weitere 10 Einzelitems, die häufig
beobachtete Reaktionen abfragen, vorgelegt.
"Unsere Signifikanzberechnungen lassen sich dahingehend
interpretieren, daß sowohl die Beantwortung der Fragen nach grundsätzlichen
körperlichen wie auch nach grundsätzlichen psychischen Veränderungen in der
Grundgesamtheit mit 99%iger Wahrscheinlichkeit abhängig vom Ort sind, an dem
die Sitzungen stattgefunden haben (Orgonakkumulator versus Kontrollkasten)."
(Gebauer & Müschenich 1987, S. 251)
Diese Feststellungen beziehen sich auf die allgemeinen Frage
nach a) körperlichen und b) psychischen Veränderungen. Weiters wurden die
dichotomen (entweder mit Ja oder nein beantwortbaren), positiv beantworteten
Items bei den Akkumulator- und Kontrollkastensitzungen miteinander verglichen.
Die Positiv-Antworten wurden summiert und einem statistischen Test
(Chi-Quadrat-Test) unterzogen. Bei den psychischen Veränderungen, Empfindungen,
Wahrnehmungen ergaben sich in der Fragebogensumme keine signifikanten
Unterschiede, jedoch eine schwache Tendenz (p = 0.058). Jedoch brachten die
Summen der körperlichen Wahrnehmungen während der Kastensitzungen einen
signifikanten Unterschied zwischen Orgonakkumulatorsitzung und Kontrollkastensitzung
auf dem 1%-Niveau.
Bezüglich der subjektiven Befindlichkeit fühlten sich 9 der
10 Versuchspersonen im Orgonakkumulator wohler als in der Attrappe. Nur eine
Versuchsperson gab an, sich im Kontrollkasten wohler zu fühlen.
Snyder (1990) versuchte in der bereits erwähnten
Untersuchung an die Kastensitzungen anschließend ein genaues Bild subjektiver
Reaktionen bzw. Empfindungen während der Kastensitzungen zu erhalten. Er
ermittelte durch genaue Befragungen der Versuchspersonen auch deren subjektive
Empfindungen bzw. Wahrnehmungen während der Orgonakkummulator- bzw.
Kontrollkastensitzung ("Kontrollpersonen"). Den Eigenberichten der
Versuchspersonen zufolge zeigte sich im allgemeinen eine beruhigende,
entspannende Reaktion während der Kontrollkastensitzung.
"Kontrollpersonen gaben an, daß sich bei ihnen nicht
viel ereignete. Sie brachten im Grunde ihre Zeit nur so herum, entspannten sich
in der Isolation." (Snyder 1990, S. 13)
Versuchspersonen (Vpn) im Akkumulator nahmen individuell
sehr unterschiedliche Körperempfindungen wahr: Herzklopfen, Jucken der Nase,
Hitze im Gesicht, juckendes Gefühl im Rücken, an den Schultern und auf dem
Kopf. Weiters berichteten die Vpn nach genauerer Nachfrage über das Empfinden
einer steigenden Körpertemperatur, einer beschleunigten oder tieferen Atmung
wie auch allgemeine Empfindungen des Prickelns und Kribbelns.
Steck (1992) konnte an der Universität Innsbruck ein
Einfach-Blind-Experiment zur subjektiven Wahrnehmung eines Orgonakkumulators
machen, der Stabform besaß. An der Oberseite einer "Black Box"
befanden sich 4 markierte Orte, an denen sich der
"Orgon-Punktstrahler" befand. Die Vpn sollte angeben, welcher der
vier Orte der "richtige" ist, d.h. an welchem Punkt die Vp etwas spürt,
wahrnimmt. Das soll der Hypothese nach der Ort des Punktstrahlers sein.
Verschiedene experimentelle Kontrollen wurden berücksichtigt: Der Karton wurde
nach der Hälfte der Versuche horizontal um 180° gedreht, um Standortartefakte
auszuschalten. Die Hälfte der Vpn wurde unter Doppel-Blind-Verhältnissen
getestet; sie erhielten schriftliche Instruktionen. Es folgt eine ausführliche
Dokumentation der Antworten der Vpn. Steck resümiert, daß "ein vom
ORAC-Rohr ausgehender Einfluß auf die Versuchspersonen angenommen werden"
muß (Steck 1992). Leider legte Steck zu dieser Untersuchung keine statistischen
Daten vor.
VI. Biometeorologische Faktoren
Ganz allgemein konstatiert Reich, daß der Orgonakkumulator
besser wirken würde, wenn Hochdruckwetter bzw. Schönwetter vorliegt. Einen
negativen Zusammenhang zwischen der relativen Luftfeuchtigkeit und dem Ausmaß
der Wirkung des Orgonakkumulators fand Reich (1949f) in der Messung der
physikalischen Größen der Temperaturdifferenz To-T und in der
Entladungsgeschwindigkeit des Elektroskops. Auch im Zusammenhang mit den
biologischen Wirkungen des Orgonakkumulators auf den (menschlichen) Organismus
vermutet Reich diesen Zusammenhang.
Snyder (1990) erfaßte in seiner Studie eine Reihe von
Wetterdaten sowie Luftfeuchtigkeit im Inneren wie auch im Äußeren der
Versuchskästen, Luftdruck, Jahreszeit, Handdominanz u.a. Keine der hier
zitierten und untersuchten Parameter zeigten eine Wechselbeziehung mit der
untersuchten Fingertemperatur. Über signifikante Unterschiede bei den
gemessenen meteorologischer Größen berichtet Snyder nichts.
Im Gegensatz zu Snyder (1990) fanden Gebauer &
Müschenich (1987) bei der Untersuchung der relativen Luftfeuchtigkeit eine hohe
positive Korrelation zwischen Ruhesitzung und Akkumulatorsitzung bei der Höhe
der durchschnittlichen Kerntemperatur-Differenzwerte (r = 0,55), während der
Differenzwert zwischen Ruhesitzung und Attrappe keinen derartigen Zusammenhang
erkennen läßt. Der Buchstabe r bezeichnet hier das Maß des Zusammenhangs zweier
Variablen. Die Werte können sich zwischen 1 und -1 bewegen. 1 heißt maximaler
direkter linearer Zusammenhang (je größer A umso größer ist auch B), 0 bedeutet
keinen linearen Zusammenhang. Ein - (Minus) vor der Zahl bedeutet einen
indirekten Zusammenhang (je kleiner A umso größer B, und umgekehrt).
Ähnliches trifft auch bei der durchschnittlichen
Hauttemperatur zu. Hier liegt der Korrelationskoeffizient bei r = 0,579. Auch
hier findet sich zwischen Ruhesitzung und Attrappe keine nennenswerte
Korrelation. Gebauer & Müschenich (1987) stellten auch einen allgemeinen
negativen Zusammenhang zwischen der Pulsfrequenz und der relativen
Luftfeuchtigkeit über alle Testbedingungen fest. Je trockener die Luft
außerhalb des Versuchsraums war, umso höher lag tendenziell die Pulsfrequenz
(r= -0,69).
VII. Der Faktor des Versuchsleiters
Ein vieldiskutierter Einwand gegen die von Reich postulierte
"Orgonwirkung" des Orgonakkumulators wurde auch von experimentell
bemühten Reichianern wiederholt eingebracht. In der Psychologie ist ein
"Störeffekt" bekannt, der sich auf die Rolle des Versuchsleiters
bezieht. Dieser kann, ausgestattet mit einer Reihe von Absichten,
"unbewußt" die Versuchspersonen beeinflussen, sodaß diese trotz einer
Placebo-Versuchsanordnung einen bestimmten systematischen Effekt zeigen. Gebauer
& Müschenich (1987) bemühten sich in dieser Hinsicht sehr, einen solchen
Einfluß auszuschalten. In ihrem aufwendigen Design waren weder die
Versuchspersonen über den wahren Sinn und Zweck des Experimentes unterrichtet,
noch hatte der jeweilige Versuchsleiter (der von den beiden Autoren verschieden
war) wahre Informationen über das Experiment. Somit unterlag das Wissen des
Versuchsleiters und der Versuchspersonen strengster experimenteller Kontrolle.
In der Studie von Ritter & Ritter (1953) waren die
Versuchspersonen über den wahren Zweck der Studie ebenfalls nicht informiert,
der Versuchsleiter (VL) wußte jedoch vom Versuchsaufbau. Es lag somit eine
Einfach-Blind-Studie vor.
Snyder (1990) beschränkte die Kontrolle des Faktors
"Wissen über den Versuchsaufbau" ebenfalls auf das Nichtwissen der
Versuchspersonen über Sinn und Zweck bzw. dem Aufbau des Experiments. Er selbst
hatte als VL aber sehr wohl Kenntnis über den Versuchsaufbau. WIE KAM ES ZUR
ZUTEILUNG DER VP ZU DEN KÄSTEN?? Tel: FUCKERT!!
Es ist fraglich, ob sich durch ein derart rigides
experimentelles Vorgehen des "Ausschalten von Störeffekten" nicht
andere schwerwiegendere Störeffekte durch die Hintertür wieder in das Design
reinholt, wie z.B. die Unsicherheit bzw. Angst der "naiven", d.h.
uninformierten Versuchsperson im Versuchsablauf?
D. Allgemeine
biologische Wirkung des Orgonakkumulators
Für die Darstellung der biologischen Wirkung des
Orgonakkumulators sind einige Grundbemerkungen nötig. Besonders bezüglich
dieser Wirkungen des OA existieren Unklarheiten und Brüche in REICHs Theorie.
Sie waren auch für die Entwicklung der allgemeinen Fragestellung von Bedeutung.
Hielt sich REICH bis zur Zeit seiner skandinavischen
Emigration in seinen wissenschaftlichen Arbeiten noch an die gebräuchlichen
wissenschaftlichen Termini der einzelwissenschaftlichen Spezialdisziplinen, so
änderte sich dies im Laufe seiner amerikanischen Schaffensperiode. Ein
wesentlicher Grund dafür waren fehlende oder unzureichende Erklärungsmodelle
jener Spezialdisziplinen. Seitdem REICH die Strahlungserscheinungen der
SAPA-Bione und die Strahlungseffekte des Orgonakkumulators studierte, ging er
dazu über, einerseits neue Begriffe für seine Thesen zu verwenden, andererseits
gab er üblichen Begriffen einen speziellen sexualökonomischen und orgonomischen
Sinngehalt (z.B. Vagotonie, Sympathicotonie, Pulsation, Kontraktion und
Expansion etc.). Sie waren seines Erachtens zutreffender, als jene, welche die
Naturwissenschaften zu jener Zeit boten. Ein Beispiel sei hier angeführt.
REICH berichtet nach seiner Ankunft in den USA im Rahmen
seiner Bionforschungen über verschiedene Eigenschaften bionöser Strukturen,
Einzellern und andere organismische Strukturen (Blutkörperchen etc.). Noch in
seinem Werk "Die Bione" orientierte sich REICH eigenen Aussagen
zufolge (vgl. REICH 1949f) sehr an einer stofflich-materialistischen
Betrachtungsweise. Auch zog er die entsprechenden Paradigmen, die diese
Betrachtungsweise bietet, heran, um Erklärungsansätze für seine Beobachtungen
formulieren zu können. In der darauffolgenden Zeit (ca. ab 1940) stehen statt
stofflich-materielle Betrachtungsweisen mehr und mehr bioenergetische
Funktionen im Mittelpunkt. Mit diesem Wandel verschiebt sich die Betonung von
den materiellen Komponenten auf zunächst immaterielle Erregungsprozesse, die
sich der Theorie REICHs zufolge nur der stofflich-materiellen Zuständen
bedienen. So suchte REICH (1938) noch stofflich-materielle Gefüge und
Veränderungen bei der Untersuchung der S-L-Formel. Später geht es REICH um die
eingehende Untersuchung der Prozesse, die sich durch die S-L-Formel ausdrücken,
also in erster Linie um Erregungs- und Strömungserscheinungen von lebenden
plasmatischen Zellen oder Organismen.
Je weiter er sich mit diesen Erscheinungen
auseinandersetzte, desto mehr lösten sich für ihn gewohnte wissenschaftliche
Anschauungen und mechanistisch-kausale Denkmodelle in der
dialektisch-funktionellen Beschreibung auf. In den Werken nach den
"Bionen" kann der Leser diesen Übergang in REICHs Methodik wieder
finden. REICH (1949f) zählt die bioenergetischen Grundeigenschaften aller
lebenden Materie auf:
"Die Orgonenergiebläschen zeigen die Grundfunktion der
lebenden Substanz voll ausgebildet: Attraktion, Erstrahlung, Strahlungsbrücke,
Verschmelzung und Durchdringung. Diese Funktionen sind spezifische
Eigenschaften der Orgonbläschen, denn Bione, die ihre Orgonladung verloren
haben, lassen diese Funktionen vermissen. Diese Funktionen sind also nicht
stofflich, sondern energetisch begründet. Sie sind spezifische Orgonfunktionen
und haben nichts mit Magnetismus oder Elektrizität zu tun." (REICH 1949f,
S. 68)
Diese Umstellung hat Konsequenzen: Aus dieser neuen
Sichtweise erwachsen neue Möglichkeiten, die z.B. RAKNES (1970) für
verschiedene Wissenschaftsdisziplinen diskutiert. Sie bringt aber auch für den
Forschungsbetrieb noch einige ungelöste Fragen mit sich (z.B. die Frage der
Subjektivität im Funktionalismus; vgl. VITTINGHOFF 1977, BOADELLA 1980).
Graphisch zusammengefaßt lassen sich mehrere Entwicklungsstufen in REICHs
Forschungsparadigmen feststellen: Zu der oben mitgeteilten Einführung muß noch
ergänzt werden, daß REICH als Psychoanalytiker begonnen hat, wo er erstmals die
"spezielle" Orgasmustheorie formulierte.
1. Psychologie: Betonung des "Quantitativen
Faktors" der Libidotheorie; Gesetze der Spannung und Entspannung in der
ersten Formulierung der Orgasmustheorie (vgl. REICH 1927). GEGENSATZ: Lust vs
Unlust, Ich vs Außenwelt, Psychischer Kontakt vs Kontaktlosigkeit
2. Physiologie: Gesetze der Spannung und Entspannung in
dialektischer Kopplung mit biochemisch-elektrischer Auf- und Entladung von
Protoplasma; Modell der "Vegetativen Strömung" von F. KRAUS (1926,
1927); Vegetatives Nervensystem als ein Funktionsträger des Urgegensatzes von
Lust und Angst. GEGENSATZ: Sexualität vs Angst; Vegetative Strömung vs
Panzerung; Sympathicus vs Parasympathicus
3. Orgonomie: Gesetze der bioenergetischen Erregung,
Erstrahlung, Verschmelzung, Pulsation, Anziehung. GEGENSATZ: Plasmatische
Expansion vs plasmatische Kontraktion, bioenergetische Expansion vs
bioenergetische Kontraktion
Abbildung 1: 3 Bezugsbereiche in der REICHschen
Begriffsbildung.
Da sich das Hauptaugenmerk auf der dritten Stufe nicht mehr
auf materielle Prozesse konzentriert, wurden materiellen Folgeerscheinungen von
bioenergetischen Prozessen auch nicht mehr so eingehend von der
stofflich-materiellen Seite beschrieben. Im vorliegenden Falle sind dies
Begriffe der Vagotonie (s.u.) und der Sympathicotonie, ferner die der
Expansion, Kontraktion und Pulsation. Im geplanten Experiment sollen mittels
der Erhebung und Messung psychophysiologischer Parameter festgestellt werden,
ob eine Orgonakkumulatorwirkung tatsächlich reproduzierbar ist. Es ist etwas
schwierig, durch diese verschiedenen Betrachtungsebenen hindurch zu blicken.
Die Betrachtung der Gegensatzpaare stammt aus der Dialektik.
Bei der funktionellen Betrachtung der Gegensatzpaare fällt auf, daß die
Gegenüberstellung der Gegensätze eben nicht absolut ist, sondern den Gesetzen
der Dialektik folgen: Nur in der Herauslösung der Gegensätze vom
Gesamtgeschehen in die Isolierte Betrachtung stellen sie sich als solche dar.
Im Gesamtgeschehen betrachtet gehen die Gegensätze unscharf ineinander über,
können sich durchdringen und in ihrer Lage verändern. Unter diesem Aspekt muß
auch die oben angeführten Gegensätze betrachten.
I. Die vegetativen Wirkungen des Orgonakkumulators
Im Zusammenhang mit klinischen und experimentellen Arbeiten
formuliert REICH einen wesentlichen Effekt der Orgonstrahlung: "Die
Orgonstrahlung wirkt vagoton ..."
(REICH 1949f, S. 182)
Die Strahlung hat nach REICHs Zitat eine Beziehung zum
vegetativen Nervensystem. Zu berücksichtigen ist wie erwähnt, daß REICH die
Begriffe sympathisch und parasympathisch (vagisch) in ihrem sexualökonomischen
Sinne gebraucht. Der normale Gebrauch des Orgonakkumulators läuft darauf
hinaus, daß der Patient sich in den mit einer Türe versehenen Orgonakkumulator
setzt und darin für ca. 10 bis 60 Minuten einfach verweilt.
"Die Temperaturerhöhung des Organismus ist als eine
grundsätzliche Erregungsreaktion der Zellen und des Blutes bekannt. Sie wurde
bisher noch nicht verstanden. Diese Temperaturerhöhung weist auf eine
Erstrahlung des orgonotischen Körpersystems hin. Genauso wie der Kontakt zweier
Bione in eine orgonotische Erstrahlung ausläuft, erstrahlt auch das Blut und
das Zellsystem im Kontakt mit dem Orgonfeld des Akkumulators. Dieser Kontakt
der beiden Orgonsysteme führt zu einer Steigerung des Orgonenergiewechsels im
Organismus, dem nun die belebende Wirkung der Orgontherapie zugeschrieben
werden muß. Energiekontakt, Durchdringung, Zellerstrahlung und Steigerung des
Energiewechsels sind der Reihe nach wesentliche Etappen des Vorgangs."
(REICH 1949f, S. 322f.)
Demnach besitzt der Orgonakkumulator ein Energiefeld wie ein
lebendiger Organismus! Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als sich aus
dem bisher berichteten wohl die Möglichkeit eines solchen energetischen
Kontaktes zwischen zwei oder mehrere lebendige Organismen oder Bionbläschen
ergeben kann. Neu ist nun, daß eben auch ein Orgonakkumulator mit seiner
speziellen Materialanordnung zu ebensolchem Kontakt geeignet ist (von
qualitativen Unterschieden mal abgesehen).
Die anfängliche Annahme, daß der Organismus passiv und
unbeteiligt vom Orgon durchdrungen wird, war der Röntgen- und Radiumbestrahlung
entlehnt. Bei jenen Strahlungsarten handelt es sich um nicht-biologische,
körperfremde Energie. Die Orgonstrahlung dagegen stellt eine körpereigene,
biologische Energie dar. Sie wird dem Organismus durch die Atmung der Haut, durch
Kontakt mit anderen Menschen und Organismen oder z.B. auch mit der Lunge aus
der Atmosphäre geholt oder man bekommt sie von der Sonne zugeführt. Der
Organismus enthält in seinen Zellen und Flüssigkeiten Orgon, nimmt es auf bzw.
strahlt er es unausgesetzt ab. Befindet sich nun der Organismus im
Orgonakkumulator, so treten zwei orgonotische Systeme in eine funktionelle
Beziehung zueinander (vgl. REICH 1949f, S. 318f.). Anhand eines Beispiels aus
der Mikrobiologie schildert REICH seine Sichtweise von den energetischen
Prozessen zweier in Kontakt tretender orgonotischer Systeme (das sind im
einfachsten Falle Bione mit einer Membranumhüllung oder sonstige ein- und
vielzellige Organismen, oder rote Blutkörperchen):
"Geraten nun zwei orgonotische Systeme in entsprechende
Nähe zueinander, so bilden die beiden Orgonenergiefelder einen energetischen
Kontakt. Die nächste Folge dieses orgonotischen Kontakts ist gegenseitige
Erregung und Attraktion. Sie äußert sich darin, daß die orgonotischen Systeme
einander näherrücken. ... Sind die Blutkörperchen nahe genug gerückt, so bildet
sich eine Orgonenergiebrücke mit starker Lichtbrechung aus. Jetzt beginnen die
beiden biologischen Kerne der orgonotischen Systeme stärker zu strahlen. Wir
nennen die Erscheinung die "orgonotische Erstrahlung". Sie ist
dasselbe, was die Schulbiologie als "mitogenetische Kernstrahlung" in
der Zellteilung beschreibt. Sämtliche fundamentalen bioenergetischen Vorgänge
wie Sexualerregung, Orgasmus, Zellverschmelzung und Zellteilung gehen mit hoher
bioenergetischen Erregung, also mit orgonotischer Erstrahlung einher. Es
handelt sich um starke Energieentbindung in der lebenden Materie." (REICH
1949f, S. 319)
Aus der Erstrahlung bzw. "Überlagerung" der
Orgonenergiefelder des Akkumulators und des sich in ihm befindlichen Organismus
soll die eigentliche und wesentliche Heilwirkung dieses Gerätes entspringen. Im
Falle des oben zitierten Beispiels bildet sich zwischen den beiden
orgonotischen Systemen eine Orgonstrahlungsbrücke an den Kontaktflächen. Im Falle
des Orgonakkumulators umhüllt das Orgonenergiefeld des unbelebten orgonotischen
Systems das Energiefeld des lebenden orgonotischen Systems von allen Seiten
(vgl. REICH 1949f, S. 320f.)
"Die wiederholten, durch den Akkumulator
hervorgerufenen Erstrahlungen des Organismus äußern sich ja auch darin, daß die
roten Blutkörperchen mit der Zeit an biologischer Energie gewinnen und befähigt
werden, stärker zu strahlen, praller zu werden, Krebsgewebe zu zersetzen,
T-Bazillen zu töten etc., was sie im orgonschwachen Zustand nicht können."
(REICH 1949f, S. 323)
"Ich halte nach bisherigen Beobachtungen die durch den
Akkumulator erzielte Zellerstrahlung im Organismus für den eigentlichen und
wesentlichen Heilfaktor." (REICH 1949f, S. 323/324)
Soweit der 3. Bezugsbereich und die bioenergetischen
Funktionen.
Eng verbunden mit den Heilwirkungen des Orgonakkumulators
ist das vegetative Nervensystem (vNS), das dem 2. Bezugsbereich zuzuordnen ist.
REICH schreibt dem Gerät eine vagotone Wirkung auf das vNS zu. Die dadurch ausgelöste
zentrale Entspannung führt zur peripheren Spannung - eben der „Vagotonie“.
Unter diesen Umständen besteht dann wieder die Möglichkeit, die Erregung
abzuführen bzw. umzusetzen. Wichtige Erfahrungen über die Wirkungsweise des
Orgonakkumulators machte REICH im Rahmen der experimentellen Krebstherapie, bei
der die Klienten neben einer Vegetotherapie auch regelmäßige Sitzungen im
Orgonakkumulator absolvierten. Zu den biologischen Effekten des
Orgonakkumulators meint REICH:
"Das Plasmasystem gibt die chronische Kontraktion auf
und beginnt sich zu strecken, vagoton zu erweitern. Mit dieser
"plasmatischen Streckung" geht die Herabsetzung des typischen
Krebskrankenschmerzes einher." (REICH 1949f, S. 182)
Dieses Zitat ist etwas unglücklich, da der Begriff chronische
Kontraktion aus dem 3. Bezugsbereich stammt und in Beziehung gesetzt wird mit
Abläufen des 2. Bereichs. Das Problem dabei ist, daß hier eben der
bioenergetische Begriff der chronischen Kontraktion mit der Funktion des Vagus
in einen Gegensatz gesetzt und eine funktionelle Beziehung zwischen beiden
suggeriert wird. Korrekt und durchsichtiger wäre die Gegenübersetzung der
chronischen Sympathicotonie mit der Vagotonie, dann würde es klappen. Die sind
nun wirklich zueinander zugleich gegensätzlich und funktionell ident, das von
Reich aufgezeigte Gegensatzpaar nicht. Die chronische Sympathicotonie ist die
vegetative Folge der bioenergetischen chronischen Kontraktion. Diese
Ungenauigkeit hat bei Reichianern oft das Mißverständnis hervorgerufen, daß Kontraktion
als Gegenteil von "vagoton erweitern" (ein Ziel der Therapie)
schlecht sei, das Gegenteil gut und wünschenswert (vgl. auch Davis 1993).
Die einzelnen Reaktionen auf regelmäßigen Gebrauch eines
Orgonakkumulators sind individuell verschieden stark ausgeprägt:
"Bei dem einen ist die eine Wirkung, bei dem anderen
die andere mehr ausgesprochen. Rötung der Haut, Herabsetzung der Pulsfrequenz,
Ausbrechen warmen Schweißes und die subjektiven Empfindungen, daß sich im
Körper "etwas lockert", "anfüllt" oder "schwillt"
etc. ... ." (REICH 1949f, S. 181)
REICH (1949f) beruft sich auf andere Forscher (z.B. BURR
1972), die die Theorie stützen, daß jeder lebende Organismus ein energetisches
Feld besitzt, das über dessen materiellen Grenzen weit hinausreicht. Bezeichnen
jene Forscher dieses Feld als elektromagnetisch, so geht REICH einen Schritt
weiter und schreibt die meßbaren Effekte der Wirkung des Orgonenergiefelds des
Organismus zu.
II. Einige Bemerkungen zur Vagotonie im Sinne REICHs
Am Beginn wird auf die folgende Tabelle hingewiesen. REICH
fand in einer dialektisch-materialistischen Ordnung der psychoanalytischen
Triebgegensätze, daß aus einem einzigen (Ur-)Gegensatzpaar sämtliche andere
Gegensatzpaare abzuleiten sind (vgl. REICH 1949d; Es sei auf die Charakteranalyse:
Kapitel: Einige Bemerkungen über den Urkonflikt Bedürfnis - Außenwelt
verwiesen). In der Tabelle finden sich wichtige Funktionen, derer sich der
Urgegensatz von Sexualität und Angst (bzw. Sexualerregung und Angsterregung)
bedient. Die organbezogenen vegetativen Einzeleffekte, wie sie in
schulmedizinischen Büchern zumeist dargestellt werden, sind vernachlässigt.
Die
Dimensionen des Urgegensatzes
Psychisch Lust Angst
Libidinös "Auf die Welt zu" "Weg von der Welt"
Vegetativum Parasympathicus Sympathicus
Muskulatur tonisiert atonisch-schlaff
Biochemie Acetylcholin Adrenalin
Chemie Kalium Kalzium OH- H+
Ort der Erregung somatische, vegetative Peripherie, Herz- Zwerchfellgegnd, Solar Organe = Peripherie Plexus = vegetatives Zentrum
Tabelle 1: Der Urgegensatz des
vegetativen Lebens; nach REICH (1934b).
Wie schon weiter oben erwähnt, soll auf die unklare
Gebrauchsweise des Wortes "vagoton" hingewiesen werden. Ein kurzes
Beispiel soll zeigen, wie verwirrend manchmal das mit energetischen Begriffen
erweiterte Begriffsinventar REICHs sein kann. Es geht um die Wirkung der
Orgonstrahlung:
"Wenn die Krebsschmerzen nicht Ausdruck einer lokalen
mechanischen Läsion, sondern einer allgemeinen Kontraktion der Lebensnerven,
einem "Zerren an den Geweben" entsprechen, dann wird verständlich,
daß mit der vagotonen Streckung der Nerven das Zerren und damit der Schmerz
nachläßt.
"Sie [die Orgonenergie; G.H.] lädt lebende Gewebe auf
und bedingt Expansion des plasmatischen Systems ("Vagotonie")".
(REICH 1949f, S. 184)
auch hier wird von Reich kräftig gemischt: Aus der Reihe der
bioenergetischen Funktionen wird Expansion und Vagotonie gleichgesetzt. Die
bioenergetische Funktion der Expansion wird dem Begriff der Vagotonie aus dem
2. Bezugsbereich gleichgesetzt. Dieser Umstand brachte auch unter REICHianern
einige Unklarheiten hervor (vgl. MÜSCHENICH (1987). Einerseits geht es um die
Aufladung der Gewebe und der Expansion des plasmatischen Systems, zum anderen
um den Begriff der Vagotonie. Die Aufladung der Gewebe meint die Steigerung der
bioelektrische Erregbarkeit der Gewebe, die im engen Zusammenhang mit der These
der vegetativen Strömung steht. Expansion meint in etwa den sexualökonomischen
Grundzustand des Organismus. Er bedeutet, wie sehr der Organismus die Fähigkeit
besitzt, in seiner Gesamtheit nach der Spannungs-Ladungs-Formel zu
funktionieren („Es geht mir gut, Ich bin in Kontakt mit mir und meiner
Umwelt“). Kontraktion ist dagegen der Zustand, in dem der Organismus dies kaum
oder gar nicht vermag („Ich fühle mich scheußlich, erstarrt, isoliert, etc.“).
REICH beschreibt die Symptome der "bioenergetischen" Kontraktion sehr
ausführlich und setzt sie prinzipiell gleich mit einem chronischen Sympathicus-Hypertonus
(REICH 1949f), während letzterer ein Symptom der bioenergetischen chronischen
Kontraktion ist.
Jedenfalls ist hier eine Verbindung mit der
Spannungs-Ladungs-Formel (S-L-Formel) erkennbar. Insofern führt REICHs
sexualökonomische Theorie ohne weiters in die Orgonomie hinein, obwohl REICH
nicht sehr ausführlich über die Verbindungen seiner beiden großen
Theoriengebäuden berichtet.
Daß das physiologische Zustandsbild der (plasmatischen bzw.
bioenergetischen) Expansion auf der anderen Seite nicht den
Innervationseffekten des Parasympathicus entsprechen, hebt REICH ebenfalls
hervor (z.B. REICH 1949f). Damit im vegetativen Bereich die S-L-Formel
funktioniert, bedarf es des rhythmischen Wechsels von Sympathicus- und
Parasympathicusinnervation (REICH 1982). Damit beginnt das eigentliche Leben
abgebildet zu werden, denn auch ein toter Organismus verfügt über die
strukturellen Voraussetzungen zum Leben, es fehlt eben die dialektische
Bewegung (Schwingung, Pulsation) der beiden Funktionen Bioelektrik und
Oberflächenspannung zueinander.
Über das Zusammenspiel der Innervationen zu einem
einheitlichen System berichtet REICH:
"Die schematische Gegenüberstellung von Vagus und
Sympathicus ist in der Tat unrichtig; ... Der Wirklichkeit kommt wohl die
Vorstellung näher, daß es sich um ein funktionell und morphologisch
einheitliches System handelt, das in zwei entgegengesetzten Richtungen
funktionieren kann. Die Funktion der Streckung und die der Zusammenziehung
wären somit funktionell ein und demselben Organ überlassen." (REICH 1982,
S. 124f.)
REICH unterscheidet dabei mehrere verschiedene
Funktionszustände: Aus einer mittleren Gleichgewichtslage heraus kann sich der
Organismus auf die Welt zu bewegen, oder sich von ihr zurückziehen. In diesem
Zustand kann er zwischen den Extrempunkten, der Sympathicotonie bzw.
Kontraktion ("Angst") und der Vagotonie bzw. Expansion (Lust) hin-
und herschwingen. Das vegetative Nervensystem ist auch mit der Fähigkeit zur
biopsychischen Panzerung ausgestattet. Sie stellt einen "biopathischen
Gleichgewichtszustand" dar, der den Zustand der Expansion, als auch den
der bewußt erlebten Kontraktion verhindert (biopathisch bedeutet hier, daß der
Organismus in seiner Gesamtheit der S-L-Formel zu folgen, ernsthaft
beeinträchtigt ist; vgl. REICH 1982, S. 126). Andererseits gibt es eine Angstdiarhöe, die durch
Innervation des Vagus zustande kommt, oder während der orgastischen Konvulsion
eine lebhafte Motorik. Letztere entspricht einem wiederholten Zusammenziehen
und Expandieren, und nicht nur bloßer Parasympathicus-Aktivität und weist auch
Sympathicusinnervationen (Emission und Ejaculation) auf.
Beziehen sich die tabellarischen Zuordnungen von Vagus zu
Expansion bzw. von Sympathicus zu Kontraktion auf die vegetative Innervation,
so darf nicht außer Acht bleiben, daß der Lebensprozeß sich durch den Wechsel
von Expansion und Kontraktion (vermittelt durch Parasympathicus und
Sympathicus) bzw. von "auf die Welt zu" und "in sich
zurück" kennzeichnet. Innerpsychisch macht sich das in Form von Lust- oder
Angsterregung erkennbar. Somit bekommen diese Begriffen ihre sexualökonomische
Bedeutung und die Sexualökonomie ihre qualitative Komponente, die in der
Psychophysiologie vermißt wird.
Zum funktionellen Verhältnis der drei Stufen zueinander:
REICHs Forschungsmethode, der energetische Funktionalismus, ist abgeleitet von
der Forschungsmethode (und nicht vom geschichtlichen Konzept) des dialektischen
Materialismus. Dieser besagt, daß alles Sein nicht aufgrund von Ideen, Gedanken
etc. zustande kommt, sondern aus Gegensätzen entspringt, die in der Materie
selbst bzw. der materiellen Welt angelegt sind (vgl. auch ENGELS 1952 und
1971). REICH nimmt aufgrund seiner Sichtweise (vgl. in REICH 1934c) an, daß das
psychische Sein ebenfalls seinen Ursprung im Materiellen hat und sich aus jenem
entwickelt hat. Die Psyche hat somit einerseits die Funktionen der Physiologie
übernommen und mit ihr gemeinsam (s. Tabelle), andererseits hat sie auch ihre
eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickelt: die Abwehrmechanismen, die es im somatischen
nicht gibt!). Derart sind sich Vegetativum und Psyche einander gleich,
andererseits einander entgegengesetzt. Das ist das Modell der funktionellen
Identität bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit. Dasselbe gilt nun auch für das
Verhältnis der bioenergetischen Funktionen und dem Vegetativum. Auch sie sind
funktionell ident. So hat das Vegetativum die bioenergetische Funktion der
Überlagerung in dem, was wir Sexualität nennen, übernommen. Andererseits ist
die orgastische Konvulsion etwas, das im bioenergetischen Bereich anscheinend
nicht auffindbar ist und somit ihm entgegengesetzt ist.
MÜSCHENICH (1987) berichtet aufgrund der Ergebnisse der
Arbeit von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) über die Unklarheit der REICHschen
Definitionen von Vagotonie und Sympathicotonie im Vergleich zu den
entsprechenden Definitionen der Schulmedizin.
"Dadurch, daß REICH die vagotonen Effekte des ORAK im
selben Zusammenhang erwähnt wie die Erhöhung der Körperkerntemperatur, kann
leicht der Eindruck entstehen, als ob der Kerntemperaturanstieg in
funktioneller Übereinstimmung mit der durch das Orgon erzeugten Vagotonie
stünde. Dementsprechend schrieben wir in unserer Diplomarbeit:
"Bei den beiden Körpertemperaturen ließ sich ein
deutlicher Anstieg während des Aufenthalts im Orgonakkumulator aufzeigen. Diese
Tatsache steht im Einklang mit REICHs Behauptung bezüglich einer Erhöhung der
Kerntemperatur und einer Zunahme der parasysmpathischen Aktivation während der
Orgonakkumulatorsitzungen." ...
Diese Formulierung ist nicht direkt falsch, da man das
"und" auch alternativ verstehen kann. Zu größeren Mißverständnissen
kann allerdings folgende Textstelle führen:
"Aus dem Gesagten geht hervor, daß eine Erhöhung der
Körperkerntemperatur in engem Zusammenhang mit vagotonen Vorgängen steht,
wenngleich hierbei auch noch andere Vorgänge beteiligt sind".(Müschenich
& Gebauer: "Die (psycho-) physiologischen Wirkungen des REICH'schen
Orgonakkumulators...", 1987, 206.)" (MÜSCHENICH 1987, S. 68f.)
Nach BRÜCK (1990) kommt die Erhöhung der Hauttemperatur und
die erhöhte Durchblutung der Haut durch die Vasodilatation der Gefäße im
Bereich der Hautgefäße zustande, die vom überwiegenden Vagotonus hervorgerufen
wird. Andererseits wird ein Kerntemperaturanstieg hervorgerufen durch eine
sympathische Reizung (Grundumsatzsteigerung) und somatische Reaktionen (z.B.
Wärmebildung durch Kältezittern der Skelettmuskulatur). In diesem Sinne
bedeutet eine Kerntemperaturerhöhung einen sympathischen Effekt, und nicht
einen vagischen, wie es REICH an sich schrieb. MÜSCHENICH (1987) meint zu
diesem Widerspruch:
"Laut den gängigen physiologischen Lehrbüchern ...
kommen Hautrötungen und Erhöhung der Hauttemperatur durch periphere
Vasodilatation (= vagotoner Effekt) zustande, Kerntemperaturanstieg und Fieber
jedoch durch Kältezittern der Muskeln und Vasokonstriction der peripheren
Gefäße, was einer von hypothalamischen Zentren gesteuerten Sympathicus-Reaktion
entspräche. Dieses Problem halte ich deswegen für so zentral, weil einerseits
REICH Expansion des Lebensapparates stets mit Vagotonie gleichsetzt (und
umgekehrt Konstriktion mit Sympathicotonie), andererseits, weil wir in unserer
Untersuchung sowohl einen Kerntemperatur- als auch einen Hauttemperaturanstieg
während derselben ORAK-Sitzung nachgewiesen haben. Nun können die peripheren
Gefäße ja schlecht gleichzeitig kontrahiert und erweitert sein!?"
(MÜSCHENICH 1987, S. 69)
Bei dieser Diskussion betrachten GEBAUER & MÜSCHENICH
(1987) die vegetativen Einzelfunktion. REICH betrachtet in seinen Schriften die
Begriffe Vagus und Sympathicus unter mehreren Aspekten. Einerseits bedeuten sie
für ihn die vegetativen Innervationen mit ihrem gewohnten Sinngehalt (wenn auch
mit der Berücksichtigung des Gegensatzes von Peripherie und Zentrum, dem er die
Einzelfunktionen zuordnet). Andererseits faßt REICH die mit den Begriffen Vagus
und Sympathicus zwei antithetische Grundtendenzen des vegetativen Lebens (=
Urgegensatz) zusammen, welche schon in den basalen Funktionen der
Ionenzusammensetzung des Protoplasmas feststellbar sind.
Die Definitionen weichen voneinander ab und sind miteinander
nicht mehr ident, da einmal das Verhalten von Funktionen von Organen bzw.
Organgruppen beschrieben wird. Im zweiten Falle wird der Gesamtorganismus
selbst dieser Klassifikation unterzogen. Aus der Erfahrung ist bekannt, daß es
so gut wie immer nur ein Überwiegen des einen Teiles des vegetativen
Nervensystems gibt. Es gehen die gesamtorganismischen (d.h. sexualökonomischen)
Definitionen von "vagoton" bzw. "sympathicoton" somit weit
über die gewohnten Begriffsdefinitionen hinaus. Es erscheint ein Dilemma, das
sich einerseits auf REICHs Ungenauigkeit zurückführen läßt. REICH hat nur
bruchstückhaft die oben erwähnten gesamtorganismischen Definitionen umrissen.
Der andere Teil des Dilemmas liegt in der bisherigen Unvollständigkeit der
funktionellen Erkenntnismethode und der mangelnden Auseinanderhaltung der drei
verschiedenen Bezugsbereiche in der wissenschaftlichen Forschung.
Hinsichtlich der orgonomischen Begriffe bezieht sich die
theoretische Grundlage der "Expansion" bzw. der biologischen Wirkung
des Orgonakkumulators nicht auf die Einzelinnervationen. Vielmehr geht REICH im
wesentlichen vom gesamtorganismischen Funktionszustand biophysikalischer
Erregung aus. Aufgrund der Arbeit von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) ist es
offensichtlich, daß sich vom aktuellen Zustand der Einzelinnervationen nicht
automatisch die gesamtorganismische Situation ableiten läßt: Vagoton im
sexualökonomischen Sinne muß nicht unbedingt nur einen vagotonen Hypertonus in physiologischen Einzelfunktionen bedeuten.
Entscheidend ist vielmehr, inwieweit der Organismus (die Person)
gesamtorganismisch nach der S-L-Formel funktionieren (pulsieren, schwingen)
kann bzw. er sich in einem vagoton expandierten Zustand befindet.
Nach REICH funktioniert schon ein einfacher Einzeller nach
dem Prinzip der S-L-Formel, also schon lange ehe onto- und phylogenetisch ein
organisiertes vegetatives Nervensystem vorhanden ist. Hier liegt das
Allermeiste noch im Dunkeln.
III. Die Orgonakkumulatorsitzung als gesamtorganischer Prozeß
Die biologischen Wirkungen des Orgonakkumulators können auch
prozeßhaft betrachtet werden. Dem vagotonen Ansatz des vegetativen Impulses
geht immer eine zentrale Kontraktion (Sympathicus-Aktion) voraus (REICH 1982).
Ein Hypertonus des Vagus bedeutet nicht mehr als den ersten Ansatz zur
Pulsation entsprechend des S-L-Formel. Im günstigen Falle geht die vagische
Expansion in eine pulsierende Schwingung des Organismus über. Hier hat das
Phänomen des Bewußtseins große Bedeutung. Nur wenn dieser erste Ansatz zur
Pulsation bewußt wahrgenommen wird, scheint sie auch sich in eine Schwingung
umzusetzen. Dieser Schwingungsprozeß ist jedoch viel umfassender als die
Vagusinnervation selbst.
LASSEK (1982) nimmt an, daß es am Beginn einer Orgonakkumulatorsitzung
nach einer initialen Sympathikusaktivität zur eigentlichen therapeutischen
Reaktion durch "Stimulierung parasympathischer Zentren" kommt.
In diesem Sinne erscheint folgendes Bild von der
Wirkungsweise des Orgonakkumulators: Der Anfangspunkt einer jeden
organismischen Reaktion drückt sich in einer "inneren Stauung der
Energiebesetzungen" aus. Das ist immer die erste mögliche Antwort des
Individuums auf Reize (REICH 1949d). Der Zustand der zentralen Spannung (vgl.
Tabelle) drückt sich vegetativ in einer sympathischen Innervation aus. Das
weitere Schicksal des (gesamtorganismischen) Impulses (, der vegetativ als
zentrale Stauung auftritt,) hängt nun davon ab, ob das Individuum ihn in seinem
entsprechenden Ausdruck umsetzen kann (vgl. REICH 1949d). Abhängig vom
aktuellen Zustand der Panzerung gelingt dies in unterschiedlichem Maße.
Im sexualökonomisch gesunden Zustand entspricht dieser
Prozeß einem Expandieren, die (biologische und bioenergetische) Peripherie
„lädt sich auf“. In der Folge verlegt sich die Spannung (Erregung, Energie) in
die Peripherie, wo sie sich in Handlung und Verhalten manifestiert. Findet
dieser Prozeß nicht statt, so verbleibt die Spannung zentral bestehen, ändert
ihre Qualität und macht sich als Unlust bzw. Angst bemerkbar. Bleibt die
Erregung an der Peripherie „hängen“ bzw. kann sie nicht adäquat umgesetzt
werden, dann ändert sie wiederum ihre Qualität und schlägt in Angsterregung um.
Die gestaute Erregung (Angst) wird gewöhnlich Opfer der Panzerung und
entschwindet weitgehend oder ganz der bewußten Wahrnehmung. Flutet die Erregung
wieder ins vegetative Zentrum (Herzbereich, Solar Plexus) zurück, dann bildet
das ebenfalls eine zentrale Stauung von Erregung, die sich dann als Herzneurose
oder Panikattacke zeigen kann.
LASSEK (1982) liefert auch einen Beitrag zu dem
Diskussionspunkt, ob die Veränderungen des Orgonakkumulators nun einem erhöhten
Sympahicotonus oder einer dominanten Vaguswirkung entsprechen:
"Den schwer zugänglichen Daten über die ärztlich
therapeutische Anwendung des ORAKs und eigenen Erfahrungen zufolge ist die
Wirkung der konzentrierten Orgonenergie auf den menschlichen Organismus
zweiphasig zu charakterisieren: Auf eine initiale Phase erhöhter
Sympathicusaktivität erfolgt die eigentliche therapeutische Reaktion durch
Stimulierung parasympathischer Zentren, die die jedem Akkumulatorbenutzer
bekannten Erscheinungen der Wärme, vermehrter Hautdurchblutung, zunehmende
Darmbewegung, Entspannung etc. hervorbringen ... " (LASSEK, 1982, S. 60)
Zuerst reagiert der Organismus mit einem erhöhten
Sympathicustonus. Erst im Laufe der Sitzung(en) wird dieser abgeschwächt und
der Vagus dominiert schließlich die vegetative Innervation. Ist die Hypothese,
daß sich zu Beginn einer ORAK-Behandlung eine sympathicotone Reaktion
einstellt, welche dann in der folgenden Zeit immer mehr zu einer vagischen
wird, richtig, dann dürften die Vpn nach einiger Zeit mehr oder weniger
ausgeprägt vagotone Symptome zeigen.
Warum dann trotzdem vagotone Reaktionen gezeigt werden,
bleibt dabei ungeklärt. Auch hier liegt allerdings die Schwierigkeit, daß sich
die Bedeutungen der Begriffe "vagische bzw. sympathische Innervation"
auf der organisch-vegetativen Ebene von denen auf einer bioenergetischen
(orgonomischen) Ebene unterscheiden. Funktionell betrachtet liegt die Letztere
der Ersteren zugrunde. Es gibt schon lange vor der Entwicklung eines
vegetativen Nervensystems energetische Prozesse, die die gleiche
sexualökonomische Funktion tragen. Es wäre nötig, die für die Erklärung der
eigentlichen therapeutischen Reaktion angeführten vegetativen Nervenzentren in
ein orgonomisch-funktionelles Erklärungsmodell einzupassen. Deshalb ist diese
These vom logischen Zusammenhang her auf der 2. Bezugsbereich im Schema richtig
und kann mit entsprechenden physiologischen Methoden experimentell untersucht
werden.
REICH (1949f) gibt den Hinweis, daß im Akkumulator eine
plasmatische Veränderung stattfindet. Nach REICHs eigener Sichtweise entsteht
vor jeder energetischen Expansion eine energetische Kontraktion:
"Jede Plamaströmung beginnt mit einer zentral
ansparnenden Kontraktion, die sich in eine vagische Expansion auflöst ..."
(REICH 1949f, S. 197)
Dieser Vorgang spiegelt sich auf dem Bereich des
Vegetativums in einer Erhöhung des Sympathicus-Tonus wider.
Zum Abschluß wird noch einmal hervorgehoben, daß einerseits
ein Mangel an genauen Definitionen besteht, andererseits unterliegt die
Begriffsbildung der sexualökonomischen Konzepte einer „flexiblen, aber bewußten
Handhabung durch den Forscher“. Der Forscher muß sich immer im Klaren sein, in
welchem Bereich der Begriffsdefinitionen REICHs er sich befindet. Mit diesem
Bewußtsein ist es sowieso tragbar, daß eben die sexualökonomischen Begriffe an
sich sehr wohl valide sind. Aber ungleich leichter ist dann der Umstand zu
tragen, daß aufgrund der Weite des Betrachtungsrahmens bzw. der verschiedenen
Bezugsbereiche (s.o.) sie sich einander widersprechen können bzw. nicht ganz
kongruent sein müssen - und das aus gutem Grund: Wegen der funktionellen
Identität bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit, und: weil das Universum nicht
"perfekt" ist, sondern eine Unmenge an Widersprüchen in sich trägt.
Für die vorliegende experimentelle Arbeit zum OA soll
folgendes Konzept angenommen werden: Es wird gemäß REICHs sexualökonomischer
Theorie bei den vegetativen Einzelfunktionen unterschieden zwischen zentralen
und peripheren Einzelfunktionen (vgl. REICH 1942). Die zentralen Funktionen
(Herzgegend, Solar Plexus) scheinen sich zu verhalten, als würden sie
sympathisch innerviert. GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) stellten bereits eine
signifikant erhöhte Pulsfrequenz und eine ebensolche Kerntemperatur während der
OA-Sitzung im Vergleich zu einer Kontrollbox fest. Die peripheren Funktionen
(Temperatur, Muskelspannung) indes dürften ziemlich rasch mit einem erhöhten
Vagotonus reagieren. Das bedeutet unter anderem: Verstärkte Darmperistaltik und
intestinale Drüsensekretion, erhöhte periphere Körpertemperatur und des
weiteren eine tonisierte Muskulatur mit belebten Bewegungen.
Entsprechend diesem Modell können dann eindeutige
Vorhersagen gemacht werden, wie sich die abhängigen physiologischen Variablen
während der OA-Sitzung verändern sollten.
E. Die Muskelspannung als Beispiel der Operationalisierbarkeit von Meßparametern in einer sexualökonomischen Untersuchung
Die Veränderungen und verschiedenen Funktionszustände der
Muskulatur spielen in der Sexualökonomie und in den an Reich angelehnten
Therapieformen eine große Rolle. Der Begriff der psychischen und somatischen
Panzerung ist eng mit den Begriffen "Muskelverspannung" und
"Muskelrigidität verbunden. Für Reich bedeutet der Begriff der Panzerung
das Zusammenspiel der Abwehrmechanismen, welches die Aufgabe hat, den
Organismus vor Angst im Sinne von "zentrale Spannung (Stauung) von
Energiebesetzungen" (Reich 1949d) schützen soll. Hier soll die muskuläre
Erscheinung der Panzerung diskutiert werden.
I. Muskuläre, körperliche Panzerung
Reich machte wiederholt die Erfahrung, daß charakteristische
Körperhaltungen bzw. chronische Anspannungen bestimmter Muskelgruppen (die mit
Schlaffheit anderer Muskelgruppen einhergehen) charakterliche Abwehrhaltungen
ersetzen können. Wurde beispielsweise bei einem Patienten eine charakterliche
Abwehrformation bearbeitet und gelockert, so konnte jener durch körperliche
Muskelspannungen z.B. im Rücken-, Bein- oder Nackenbereich bzw. durch
Einschränkung der Atmungsfunktion die Schwächung der charakterlichen
Abwehrformation auf der körperlichen Ebene kompensieren. Ab 1932 ging Reich
aufgrund dieser und ähnlicher Beobachtungen immer häufiger dazu über,
Abwehrhaltungen (Panzerungen) auch am Körper aufzusuchen (vgl. auch Reich
1942). Aus den verschiedensten Mechanismen der Panzerung abstrahiert Reich die
ihnen allen zugrundeliegende Gemeinsamkeit:
"Zunächst fällt die Identität dieser Funktionen auf,
die nur aus einem Prinzip zu begreifen ist: aus der Panzerung der Peripherie
des bio-psychischen Systems." (Reich 1949d, S. 344)
Als die Peripherie des Organismus auf einer somatischen
Ebene gilt in der Sexualökonomie die Gesamtheit der erogenen Zonen und der
vegetativ innervierten Organe. Reich führt eine Reihe von Beobachtungen an, die
die funktionelle Identität von körperlichen und psychischen Erregungsprozessen
bezüglich der Panzerfunktion belegen sollen. Im therapeutischen Bereich fällt
die durch den therapeutischen Prozeß veränderte Körperhaltung bzw.
Muskelspannung auf.
"Sehr oft stellt man fest, daß der muskuläre
Spannungszustand vor der Lösung einer akuten Verdrängung anders ist als
nachher. Die Patienten spüren meist im Widerstand, das heißt dann, wenn sie
einem Gedanken oder einer Triebregung den Zutritt zum Bewußtsein versagen, eine
Spannung am Schädel, in den Oberschenkeln, in der Gesäßmuskulatur etc. Fällt
ihnen die Lösung ein oder erfolgt diese durch richtige Deutung seitens des
Analytikers, dann fühlen sie sich plötzlich entspannt; eine Patientin sagte in
einer derartigen Situation: ‘Es ist mir, als ob ich eine sexuelle Befriedigung
erlebt hätte’." (Reich 1949d, S. 346)
Den Gegensatz von Sexualität und Angst beschrieb Reich
sowohl auf der psychischen Ebene, als auch im vegetativen Bereich (vgl. Reich
1942 und 1949d). Neben diesen beiden Uraffekten gibt Reich noch ein drittes
Grundgefühl an, das in der therapeutischen Arbeit regelmäßig auftritt. Es ist
dies Wut bzw. Haß. Reich betrachtet diese Emotionen als das Ergebnis einer
Hemmung von libidinösen Impulsen, die an eigenen Strukturen des Panzers
abgelenkt werden und dadurch ihre Qualität verändern (Liebe -->
Haß). Diese Gefühle kommen aber auch durch äußere Hemmungen, Versagungen etc.
zustande.
"Sobald die Ausdrucksbewegung der Hingabe auf
Panzerblocks stößt, so daß sie nicht frei ablaufen kann, verwandelt sie sich in
destruktive Wut." (Reich 1949d, S. 376)
Die genaue Berücksichtigung der Wut- bzw. Haßemotion (von
Reich als sehr verwandt angesehen; vgl. Reich 1949d) ist für die klinische
Diskussion der somatischem Panzerfunktion wichtig. Eine eingehende klinische
Diskussion kann hier nicht gegeben werden, denn die genaue Diskussion der
Entstehung der Wut- bzw. Haßaffekte vom sexualökonomischen Standpunkt aus wäre
zu umfangreich. Reich (1949d und 1949e) diskutiert die klinische Bedeutung und
die Genese der Grundaffekte Sexualität, Angst und Wut ausführlich. In unserem
Zusammenhang ist die dritte Grundemotion im Verbindung mit der Muskelrigidität
wichtig. Reich entwickelt die Anschauung, daß durch eine rigide Muskelhaltung
Emotionen und Gefühle in Verdrängung gehalten werden können.
Die Emotionspsychologie stellt allgemein fest, daß "die
vegetative Innervation ein wesentlicher Bestandteil emotionaler Prozesse
ist" (Miltner 1986, S. 80). Emotionsspezifische vegetativ-muskuläre
Reaktionen sind dabei eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen
intensiver Gefühlsreaktionen (vgl. auch die Theorie von James und Lange; Lange
1887). Aber auch die zentralnervöse Verarbeitung der situativen Reizbedingungen
stellen eine wichtige Voraussetzung für die Innervation vegetativ-motorischer
Muster dar (Miltner 1986). Die Psychosomatik vermutet, daß zu häufiges und
überstarkes Auslösen von "negativen" Grundemotionen (Wut, Ärger,
Furcht, Angst und Trauer) zu Organstörungen führen kann. Sie führen an, daß bei
sozialen Bestrafungen z.B. zwar die motorischen Anteile der
Ausdrucksäußerungen, nicht aber der hormonelle und autonome Anteil derselben
gehemmt werden. Es kann sogar vorkommen, daß z.B. der motorische Teil bestraft
und wenig später zeitlich inkontingent autonom-endokrine Anteile sogar sozial
belohnt (verstärkt) werden. Die meist als Bewegungsrestriktion bestrafte
motorische Ausdrucksäußerung schafft in der Folge eine starke autonome und
hormonelle Gegenreaktion, die eine Dysfunktion des Systems verursachen kann.
Als neurophysiologischen Mechanismus führen die Autoren eine gegensätzliche
intrafusale und extrafusale Muskelinnervation an. Reich bezieht sich in seiner
Theorie auf sehr ähnliche Beobachtungen und zieht zur theoretischen Erklärung
seine Triebtheorie heran.
II. Lust, Angst und Wut am Muskelsystem
Vom sexualökonomischen Standpunkt aus lassen sich - in
Abhängigkeit von der emotionalen Verfassung des Organismus - verschiedene
qualitative Zustände der Spannung bzw. Erregung der Muskulatur unterscheiden.
Die libidoökonomische Unterscheidung zwischen den verschiedener Arten von
Angsterregung bzw. die Unterscheidung von Wut und sexueller Erregung auf einer
physiologischen Ebene findet sich in der Psychophysiologie nicht. Dort hat die
Muskelspannung als gemessene Größe quantitativen Gehalt. Als rein quantitatives
Maß drückt die Muskelspannung die integrierte Summe (Fläche) der pro
Zeiteinheit gemessenen Muskelaktionspotentiale aus. Dies ist auch für die
geplante experimentelle Untersuchung von Belang.
Clynes (1975; nach Miltner 1986) berichtet, daß
Mikrobewegungen nicht nur der Gesichtsmuskeln, sondern auch Muskeln fast jeden
anderen Körpersystems im Dienste einer spezifischen emotionalen
Ausdrucksäußerung stehen können. Miltner (1986) zieht in Betracht, daß eine
gehemmte Ausdrucksmotorik ein ätiologischer Faktor bei der Entstehung einzelner
Störungen oder Krankheiten sein kann. Zu häufiges und überstarkes Auslösen von
vor allem negativen Grundemotionen führt dazu, daß diese zu lange andauern und
vom sozialen Umfeld häufig bestraft werden. Reich meint hierzu, daß die Energie
(physiologisch-körperliche Erregung) der unausgedrückten Emotionen muskulär
zurückgehalten wird (Reich 1949d).
In der sexualökonomischen Theorie existiert eine komplexe
Sichtweise über das Verhältnis zwischen Muskelspannung bzw. sexueller Erregung,
Angst und Wut. In der Folge soll deren Beziehung näher beleuchtet werden. Das
Verhältnis zwischen Muskeltonus und emotionaler Erregung ist hier nicht nur
quantitativ aufzufassen, sondern es besitzt auch eine qualitative Komponente.
Bei der Angst unterscheidet Reich wie schon vor ihm Freud
zwischen der Erwartungsangst und dem plötzlichen Schrecken.
"In der Erwartung einer Gefahr ist die Muskulatur
gespannt, wie zur Aktion bereit
["auf die Welt" gerichtet; Anm. des Autors]. Man
vergegenwärtige sich ein zum Davonrennen bereites Reh. Beim Schreckzustand
finden wir die Muskulatur von Erregung plötzlich entleert"... ["weg
von der Welt", Anm. GH] (Reich 1949d, S. 349)
In beiden Situationen entsteht Angst als Ausdruck zentraler
Spannung. Im ersten Fall verursacht die zur Tat bereite, aber noch nicht in
Handlung umgesetzte Erregung eine Stauung an der Peripherie. Die Erregung ist bereitgestellt und wartet
gleichsam nur mehr auf die Abfuhr. Im anderen Fall verursacht die Flucht der
peripheren Erregung "zurück ins Innere" eine zentrale Spannung
(Stauung). Gemeinsam ist beiden die nicht abgeführte Erregung, die noch weiter
unabgeführt im Körper bzw. in der Psyche verbleibt. Trotz dieser
Gemeinsamkeiten erfahren die beiden Angstarten ein unterschiedliches Schicksal
aufgrund ihrer verschiedenen Lokalisation:
"Bei der ängstlichen Erwartung gerät die Muskulatur ...
in eine Dauerspannung, wenn sie durch keinerlei Motorik abgelöst wird. Dann
macht sie entweder einer Erschlaffung Platz, wenn die Schreckreaktion folgt,
oder aber sie weicht einer motorischen Fluchtreaktion." (Reich 1949d, S.
349)
Beim Fortbestand der Erwartungsangst erfolgt keine
motorische Lösung der Spannung. Es tritt ein Zustand der körperlichen
Erstarrung ("starr vor Schreck") ein. Hier ist der Zustand
chronischer Muskelanspannung gemeint. Die periphere Muskulatur bleibt vorerst
in rigider Spannung, die Angstempfindung fehlt bzw. ist sehr abgeschwächt. Das
kardiovaskuläre System ist unter solchen Umständen meist wenig erregt. Bei der
Schrecklähmung hingegen ist der Angstaffekt stark entwickelt und das kardiovaskuläre
System in hoher Erregung. Die Muskulatur befindet sich hier in einem
erschlafften Zustand. Reich interpretiert dieses unterschiedliche vegetative
Verhalten als Ausdruck einer ungleichen Verlagerung vegetativer Erregung von
einem Organsystem zum anderen (Muskelsystem, Herzkreislaufsystem,
Gastro-Intestinalsystem).
Tabellarisch
dargestellt ergeben sich folgende Varianten für die Verarbeitung von
Angsterregung. Angst- und Schreckreaktion sind einander tabellarisch
gegenübergestellt.
Erwartungsangst Schreckreaktion zur Aktion bereit Erregungsflucht / Gelähmtheit periphere muskuläre Spannung periphere Schlaffheit wenig Angstempfinden starkes Angstempfinden wenig kardiovaskuläre Erregung hohe kardiovaskuläre Erregung
Verschiedene Arten der
Angstverarbeitung.
Die in der Muskelspannung gebundene ("verhaltene")
Angstempfindung läßt sich in der Therapiesituation durch geeignete
Interventionen dem Bewußtsein wieder nahe bringen. Dies geschieht z.B. durch
Entspannung, Vertiefung der Atmung, Massage angespannter Muskelgruppen,
bestimmte ausdrucksfördernde Bewegungen etc. (siehe z.B. Lowen 1975, Lowen
& Lowen 1979). Regelmäßig treten dabei verschiedene vegetative Reaktionen
wie Schweißausbrüche, Herzklopfen oder allgemeine Nervosität auf, nach der
Lösung der Angst auch Wohlbefinden und Entspannung. Gleichzeitig damit
verbundenen sind auch vegetative Veränderungen, deren Effekt sich unter dem
Sammelbegriff des körperlichen Wolhlbefindens subsummieren läßt. (vgl. Reich 1949d
und 1942).
Wuterregung folgt der Angsterregung bezüglich ihrer
Gesetzmäßigkeit in weiten Zügen: Beim affektiven Wutausdruck befindet sich die
Muskulatur im ständigen Wechsel von Kontraktion und Spannungslösung. In diesem
Wechsel von Spannung und Entspannung soll die vegetative Erregung abgebaut
werden (Reich 1949d). Die Hemmung der Wut- bzw. Haßemotionen führt zur Stauung
der Erregungsspannung. Die Erregungsstauung schlägt in der Folge um in
ängstliche Erwartung oder in einen Schreckzustand. Die Umwandlung geht einher
mit einem veränderten (chronisch gespannten bzw. schlaffen) Muskeltonus
derjenigen Muskelgruppen, die für den jeweiligen emotionalen Ausdruck benötigt
werden. Reich spricht hier von "funktionelle Muskelgruppen" (1942).
Im chronischen Zustand kommt es hier auch zur Einschränkung der körperlichen
Beweglichkeit (Starrheit der Gelenke, chronisch gespannte Muskeln mit ihrer
Sekundärsymptomatik, wie z.B. Gelenksentzündungen, Rheuma, etc.).
Das Verhältnis zwischen sexueller bzw. Lusterregung und der
Muskelspannung ist ebenfalls in Verbindung mit der Angsterregung zu betrachten.
Im Zustand der sexuellen Erregung (im Sinne von "auf die Welt zu")
ist die Muskulatur durch einen ständigen Wechsel von Kontraktion und
Entspannung gekennzeichnet. Mit dem pulsatorischen Wechsel von Spannung und
Entspannung kann auch emotionale Bewegtheit im psychischen Bereich einhergehen.
Der Wechsel von Spannung und Entspannung wird subjektiv als lustvoll erlebt.
Die aktive Panzerfunktion ersetzt und verhindert schließlich
die bewußte Wahrnehmung von Angsterregung bzw. tritt an ihre Stelle. Sie
erspart dem Organismus das chronische Gefühl ängstlicher Erregung. Im Zustand
der Panzerung gegen Angsterregung entsteht als körperliches Äquivalent zur
Kontaktlosigkeit und dem Empfinden der psychischen Abgestorbenheit das
Empfinden von mechanischer, lustloser Bewegung (Reich 1942). Die
sexuell-lustvolle Erregung wird bei aktiver Panzerung genauso gehemmt wie die
Angsterregung. Hier liegen funktionelle (dialektische) und keine absoluten
Gegensätzlichkeiten vor. Bei richtiger therapeutischer Aktion zur richtigen
Zeit läßt sich die libidinöse Erregung wieder aus der Panzerung herauslösen,
der Vorgang ist also umkehrbar.
Affektgesperrte Personen weisen regelmäßig einen hohen
Muskeltonus der gesamten Körpermuskulatur auf (Reich 1949d). Bringt man sie zum
bewußten Entspannen, so treten häufig Unruhe, Nervosität, ablenkende Gedanken
etc. ein. Bei anderen Charaktertypen läßt sich neben chronischer Muskelspannung
auch eine chronische Muskelschlaffheit finden. In diese Gruppe gehört z.B. der
sog. passiv-feminine Charaktertyp. Reich schließt mit ein, daß extrapyramidale
Innervationsstörungen in pathologischen Fällen eine Rolle spielen, doch er
interpretiert die neuronale Aktivität als ein Mittel des Ausdrucks des
allgemeinen vegetativen (emotionalen) Erregungszustandes des Organismus.
Reichs Schluß aus seinen klinischen Beobachtungen zu den
verschiedenen Erregungszuständen am Muskelsystem ist, daß die Veränderungen,
die dort stattfinden, funktionell identisch sind mit den Erregungsempfindungen
selbst.
"Jede Erhöhung des Muskeltonus in Richtung zur
Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder
Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde. Treten genitale Sensationen auf, so
gelingt es manchen Patienten, sie durch motorische Unruhe zu beseitigen oder zu
mildern; das ist genauso wie bei der Aufarbeitung ängstlicher Empfindungen. Wir
denken dabei an die große Bedeutung, die die motorische Unruhe im Kindesalter
als Energieabfuhr gewinnt." (Reich 1949d, S. 346)
Die motorische Unruhe bedeutet dem Abbau von vegetativer
Erregung. Die Muskulatur kann im Prozeß der Bindung vegetativer Erregung wohl
in einen chronisch hohen Tonus geraten. Da sie aber auch atonisch werden kann,
erscheint es angebrachter, den Begriff der Rigidität der Muskulatur statt den
der Muskel(ver)spannung zu verwenden. Letztere ist selbst nur eine der
möglichen Manifestationsarten der Bindung vegetativer Erregung.
"Für
psychophysiologische Untersuchungen bietet sich die Integrationsmethode zur
Quantifizierung der elektrischen Muskelaktivität an. Wie Epstein u. Webster
(1975) zeigen, sind die integrierten Werte hinsichtlich der intraindividuellen
Reliabilität einem Amplitudenmaß deutlich überlegen." (Schandry 1989, S.
266)
Neben der willkürlichen Innervation der quergestreiften
Muskulatur gibt es auch noch eine unwillkürliche Muskelinnervation. In der
Sexualökonomie und der Vegetotherapie spielt vor allem diese Art der
Muskelinnervation eine bedeutende Rolle. Unwillkürliche Muskelinnervationen
betreffen nach Reich ganze Muskelgruppen, die am Ausdruck (bzw. an der
Verhinderung) einer Emotion beteiligt sind (z.B. weit geöffnete Augen als
Ausdruck eines Schreckens oder chronisches Schlucken etc.). Unwillkürliche Muskelreaktionen
stehen auch in Zusammenhang mit psychischer Aktivierung und Streßbelastung.
"Psychophysische Aktiviertheit dürfte in einem ziemlich
direkten Zusammenhang zur Muskelspannung stehen". (Schandry 1989, S. 256)
Dementsprechend scheint der Einsatz der Muskelspannung als
Parameter zur Überprüfung eines möglichen Effekts des Orgonakkumulators
durchaus sinnvoll. Üblicherweise wird die durchschnittliche Muskelspannung als
Variable eingeführt, wie es auch in der vorliegenden Untersuchung beabsichtigt ist.
Bezüglich weiterer geeigneter Parameter für psychophysiologische Aktiviertheit
führt Schandry aus:
"Bei Anstieg des Aktivierungsniveaus nimmt die
Standardabweichung der integrierten Muskelaktivität an Stirn und Unterarm
deutlich zu." (Schandry 1989, S 267)
Dieser Umstand ist für die vorliegende Untersuchung von
großer Bedeutung. Neben der Höhe der Muskelspannung soll noch die Variabilität
der Muskelspannung berücksichtigt werden.
Auch aus der Sexualökonomie läßt sich ableiten, daß während
einer Orgonakkumulatorsitzung die psychophysiologische Aktiviertheit zunimmt.
Im Falle eines vagotonen Einflusses des Orgonakkumulators im Reichschen Sinne
(also die Tendenz "auf die Welt zu", "Expansion") müßte
sich auch ein Anstieg der Muskelspannung einstellen. Die derart zustande
kommende "Expansion" führt im Falle des Orgonakkumulators einerseits
zu einer zentralen Spannung und andererseits zu einer "vagotonen
Weitung" (Reich). Es scheint sich bei den Effekten des Orgonakkumulators
weniger um ein starres: Entweder sympathisch oder parasympathisch zu handeln.
Vielmehr deuten auch die Ergebnisse von Gebauer & Müschenich (1987)
daraufhin, daß auf der Ebene der Einzelinnervationen der Akzent auf sympathisch
und parasympathisch gesetzt werden muß. Denn der von Reich so betonte
gesamtorganismische Zustand, der so zentral von der Spannungs-Ladungs-Funktion
bestimmt ist, bedient sich der vegetativen Einzelinnervationen und versucht
sich in ihnen auszudrücken. Auf die Schwierigkeiten der Definition des
Vagotoniebegriffes wurde schon weiter oben näher eingegangen, da sich im
Begriff „Vagotonie“ Schwierigkeiten verbergen, die genauer untersucht werden
müssen.
Im Falle des Orgoneinflusses sollte die Muskulatur
"vagisch tonisiert" sein (im Sinne von "auf die Welt zu").
Die Erschlaffung der Muskulatur korreliert hingegen mit der Flucht der
libidinösen Besetzungen ins Innere. Im Extremfall setzt eine Schrecklähmung
ein.
"Jede Erhöhung des Muskeltonus in Richtung zur
Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder
Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde." (Reich 1949d, S. 346)
"Die muskuläre Starre kann die vegetative Angstreaktion
ersetzen, anders ausgedrückt, die gleiche Erregung, die bei der Schrecklähmung
ins innere flieht, bildet bei der Schreckstarre aus der Muskulatur eine
Periphere Panzerung des Organismus" (Reich 1949d, S. 349f).
Zusammengefaßt kann also die im Moment erfaßte
Muskelspannung mehrere unterschiedliche Zustände des Organismus ausdrücken:
Vegetative Erregung, die einhergeht mit dem Ausdruck Lust-,
Angst- oder Wut bedeuten. Ihren charakteristischen Verlauf beschreibt Reich als
zwischen Spannung und Entspannung hin und her schwingend. Dabei ändert sich die
Muskelspannung rhythmisch.
Möglicherweise die Bremsung von Lust-, Angst- oder
Wutaffekten. Dieser Zustand zeichnet sich aus durch das chronische Verharren
des Muskeltonus in einer fixierten Lage zwischen Expansion und Kontraktion. Die
Muskelspannung ist mehr oder weniger rigid und wenig moduliert.
Sie kann weiters der Ausdruck lustvoller Natur sein bzw.
auch Angst- und Wuterregung bedeuten. Reich schreibt diesen verschiedenen
Erregungszuständen spezifische Qualitäten zu. Lustvolle Spannung ist unter
anderem gekennzeichnet als zwischen Spannung und Entspannung schwingende
Muskelaktivität. Liegt eine chronische Erregung (Stauung) vor, so zeigt sich
ein Bild generell erhöhter Muskelspannung. In manchen Fällen ist sie durch
chronische Schlaffheit bestimmter anderer Muskelpartien ergänzt. Unter diesen
Umständen liegt eine Bremsung von Lust-, Angst- oder Wutaffekten vor. Dieser
Zustand zeichnet sich durch chronisches Verharren in einer fixierten Lage
zwischen Spannung und Entspannung aus. Der Muskel hat einen Teil seiner
möglichen Schwingungsbreite eingebüßt.
Die Höhe der Muskelspannung alleine (Durchschnittswerte)
bringt also nicht alle Informationen, auf die die Sexualökonomie Wert legt.
Trotzdem müßte bei einem eventuellen Effekt des Orgonakkumulators die Spannung
bzw. die Aktivierung steigen, da die Person innerhalb des engen Orgonakkumulators
(und das gilt auch für den Kontrollkasten) die aufgebaute Spannung nicht
abbauen wird können.
F. Weitere physiologische Parameter
Auf der Suche nach weiteren Konstrukten, die
interindividuell verschiedene physiologische Reaktionen im Orgonakkumulator
verursachen könnten, drängte sich ein Personenparameter besonders auf: Jede
Versuchsperson kommt mit einem bestimmten aktuellen vegetativen Ist-Zustand
bzw. einem bestimmten Ausmaß an Aktivierung zum Experiment. Daher ist es
wahrscheinlich, daß der vegetative Ausgangszustand der Vp eine wesentliche
Rolle für den Verlauf des Experiments spielt.
G. Der vegetative Reaktionstyp
Der vegetative Grundtonus ist nicht bloß ein bloß momentaner
Zustand (vgl. Reich 1942 und 1949f). Vielmehr stellt Reich vegetative
Reaktionsmuster in Beziehung zu charakterlichen Gewohnheiten, also Verhaltens-
und Erlebensmustern, die sehr eng an die Person gebunden sind. Aus dem Bereich
des Biofeedback, dem Konzept der autonomen Balance und Homöostase von Eppinger &
Hess (1910; vgl. auch Schandry 1989) und den diesbezüglichen Arbeiten dazu von
M.A. Wenger (z.B. 1941) ist bekannt, daß solche grundsätzlichen vegetativen
Reaktionsmuster auch tatsächlich experimentell gefunden werden konnten.
Im Reich ökonomischem Konzept haben diese Reaktionsmuster
die Aufgabe, biophysische Erregung zu verarbeiten. In Begriffen der
Psychophysiologie gibt es ähnliche, allerdings rein auf psychologische und
psycho-physiologische Dimensionen begrenzte Konzepte. Dies ist z.B. die
Verarbeitung von Streß, das Konzept der Aktivierung, das Konzept der
Habituation und der „autonomen Balance“.
Eppinger & Hess (1910) untersuchten eine Reihe von
Krankheitsbildern und ordneten die Testpersonen anhand derer physiologischer
Symptome einem Typus zu, der dem Überwiegen eines der beiden Teile des
vegetativen Nervensystems entspricht. Entsprechend der vegetativen Reaktionen
werden die betreffenden Personen auch Vagotoniker und Sympathicotoniker
genannt. Dabei berücksichtigten EPPINGER & HESS besonders Symptome des
Verdauungssystems und des Herz-Kreislaufsystems. Sie sind in der folgenden
Tabelle angeführt:
Tabelle 3: Die verschiedenen möglichen
Symptome der beiden vegetativen Typen.
Eppinger & Hess ermittelten diese Symptombilder aufgrund
der vegetativen Reaktion auf Pharmaka. Bei dem Item "trockene kühle
Hände" führen Eppinger und Hess allerdings einen sympathischen und einen
vagischen Effekt in einer Zeile. Eine niedrigere Extremitätentemperatur muß
unter normalen Umständen, (d.h. ohne Pharmakaeinfluß), wohl auf einen
sympathischen Effekt zurückgeführt werden. Die Weite der Gefäßmuskulatur der
Arterien und Arteriolen hängen vom Innervationstonus der adrenergen
(sympathischen) Nervenfasern ab. Andererseits ist eine trockene Haut auf eine
geringe Schweißdrüsentätigkeit zurückzuführen, d.h. der Sympathicus wird von
einem höheren Vagotonus gehemmt.
In der vorliegenden Untersuchung soll ebenfalls eine
derartige Unterscheidung bezüglich dem vegetativen Reaktionstyp durchgeführt
werden. Allerdings wird die Tabelle 4 abgeändert: Es wird 1. die eher schwer zu
beurteilende Pupillenweite gestrichen; 2. scheint es auch angebracht,
Handfeuchte und Handtemperatur voneinander zu trennen; 3. werden zwei
Wahrnehmungsitems neu eingeführt:
Es wird a) gefragt, ob sich die Versuchsperson (Vp) eher
leicht nach emotionalen Aufregungen wieder entspannen kann. Vagotoniker sollten
sich nach einer aufregenden und belastenden Situation leichter erholen können
als Sympaticotoniker. Die vagotonisch reagierende Person kehrt schneller nach
der Aufregung in das gewohnte vagotonische Verhalten zurück.
Das zweite Item bezog sich auf die Leichtigkeit, zu einer
den Anforderungen angemessenen Aktivierung zu kommen. Der Sympathicotoniker
müßte grundsätzlich leichter in eine psychophysiologische Aktivierung kommen
als ein Vagotoniker. Letzterer wird u.U. Schwierigkeiten haben, rasch in die optimale
Aktivierungslage zu gelangen. Die Fragen werden so gestellt, daß die Vp selbst
beurteilt, ob sie im allgemeinen eher z.B. warme Hände hat oder kalte, u.s.w.
Die folgende Tabelle veranschaulicht die hier verwendeten Items und die
Zuordnung der Ausprägung zum jeweiligen Reaktionstyp.
VAGOTONIKER SYMPATHICOTONIKER
langsamer Puls schneller Puls
warme Hände
kalte Hände
trockene Hände
feuchte Hände
rasche Erholung nach Belastung
langsame Erholung nach Belastung
lange Anlaufzeiten für Aktivitäten
kurze Anlaufzeiten für Aktivitäten
Tabelle 4: Die Items, die bei der
vorliegenden Untersuchung erfragt wurden, um den vegetativen Reaktionstyp
festzustellen.
Es wird aber öfters der Fall eintreten, daß die Vp keine
eindeutigen Angaben bezüglich der Items über den vegetativen Reaktionstyp
macht. Als Quelle zusätzlichen Informationsgewinnes sollen deshalb auch die
Verläufe der physiologischen Parameter der Vp während kurzer, in den
Versuchsplan eingebauter Leistungssituationen herangezogen werden. Derartige
Aufgabenstellungen werden z.B. als Diagnosemittel im Rahmen des
Biofeedbacktrainings und der Biofeedbacktherapie verwendet (vgl. Kröner-Herwig
& Sachse 1981, Eder & Eggetsberger 1991, Green & Green 1978), um
entsprechende Informationen über die Reaktionen vegetativer und somatischer
Funktionen zu erhalten.
Als Beurteilungskriterien für die Bestimmung des vegetativen
Grundtyps aus dem Verlauf der Leistungssituation heraus wurden folgende
Variablen ausgewählt:
Hautleitfähigkeit
Hand- bzw. Fingertemperatur
Puls
Muskelspannung auf der Stirn.
Bei jeder dieser Variablen wurden aufgrund eines
Expertenurteils des Versuchsleiters und der Fragen zum vegetativen Reaktionstyp
entschieden, ob die Vp zur Sympathicotonie oder eher zur Vagotonie neigt. Dabei
handelt es sich allerdings um qualitative Zuordnungen, die quantitative Aspekte
vernachlässigen muß. Entscheidend ist dabei nicht bloß die Höhe der absoluten
Meßwerte, auch der Verlauf des Meßwertes soll berücksichtigt werden. So zeigen
ein Absinken des SCL und des Pulses ein vagotones Verhalten, das manchmal auch
verbunden ist mit einem Anstieg der Fingertemperatur. Andererseits kann eine
sympathicoton reagierende Vp vor und zu Beginn der Messung sehr vagotone Werte
durch ihre Entspannung bringen, während oder unmittelbar nach einer
Leistungssituation wird sich sehr wahrscheinlich ihr Sympathicustonus erhöhen
(vgl. Miltner, Birbaumer & Gerber 1986, Eder & Eggetsberger 1991).
Die Haupthypothese bezüglich des vegetativen Reaktionstyps
lautet: Die vegetative Reaktionsspezifität der Versuchsperson leistet einen
signifikanten Beitrag zu den unterschiedlichen Effekten, die im
Orgonakkumulator im Vergleich zu einer optisch identen Attrappe auftreten.
H. Psychologische Parameter
Der dritte Punkt der speziellen Fragestellung zielt auf die
Erhebung möglicher psychologischer Merkmale ab. Gibt es
"Personönlichkeitsfaktoren" bzw. psychische Merkmale, die individuell
unterschiedliche physiologische Reaktionen im Orgonakkumulator erklären können?
Um dies feststellen zu können, überdauernde Merkmale, wie
Persönlichkeitsfaktoren, Ängstlichkeit, Ursachenzuschreibung (Locus of Control)
erhoben. Andererseits sollen Prozeßvariablen nicht außer Acht gelassen werden.
Subjektive, in der Literatur beschriebene Veränderungen, die mit der
Orgonakkumulatorsitzung zusammenhängen, sollen erfaßt und überprüft werden.
Da es kein geeignetes Testinstrument für die vorliegende
Fragestellung gab, wurden mehrere angeführte psychologische Testinstrumente
herangezogen:
Die verwendeten psychologischen Testinstrumente
Persönlichkeitstest Giessen Test
Erfassung der Ängstlichkeit STAI (State Trait Angstinventar)
Locus of Control (Kontrollüberzeugung) IPC
Subjektive Veränderungen, Wahrnehmungen
Veränderungsfragebogen
Tabelle 5: Liste der in der
Untersuchung verwendeten Tests.
3. Das Experiment
Nach der ausführlichen theoretischen Einführung soll nun das
Experiment, in dem die psychophysiologischen Wirkungen des Orgonakkumulators
untersucht werden sollten, näher erläutert werden.
A. Der Versuchsplan
Da die Wirkungsweise des OAs auf den menschlichen Organismus
meist bloß empirisch deskriptiv bzw. mittels medizinischer Fallstudien
untersucht wurde (mit Ausnahme von Arbeiten in jüngerer Zeit; z.B. Gebauer
& Müschenich 1987), ist es ein Anliegen dieser Arbeit, mittels
experimentellem Herangehen an die Fragestellung weitere Informationen über die
Wirkungsweise des Orgonakkumulators zu erhalten.
Es sollen neben den bisher beschriebenen Variablen, auch
physiologische Indikatoren sowie komplexe physiologische Konstrukte auf einen
möglichen erklärenden Einfluß auf die Orgonakkumulatorwirkung untersucht
werden. Bei den psychologischen Indikatoren ist die subjektive Erlebensweise
ebenso von Interesse wie Persönlichkeitsmerkmale, Ängstlichkeit oder die
Verstärkerkontrolle. In diesem Sinne ist diese Untersuchung zum einem Teil als
Erkundungsexperiment zu verstehen. Zum anderen gilt es dort, wo es um die
Überprüfung von Aspekten der Arbeit von Gebauer & Müschenich (1987) bzw.
Snyder (1990) geht, als Kontrollexperiment.
Der von Gebauer & Müschenich (1987) beschriebene
Versuchsaufbau wird aus methodischen Gründen auch für diese Arbeit
herangezogen. Nur in wenigen Punkten wird er abgeändert oder ergänzt. Schließlich
sollen die Ergebnisse von Gebauer & Müschenich (1987) mit den eigenen
vergleichbar sein. Andererseits ist der Versuchsaufbau vom
experimentalpsychologischen Hintergrund her gut durchdacht und hat sich
grundsätzlich bewährt. Bei Gebauer & Müschenich (1987) wurde die Wirkung
des Reichschen Orgonakkumulators im Vergleich zu einer optisch und
wärmeisolatorisch identen Attrappe (auch Kontrollkasten - KK oder Placebokasten
genannt) untersucht. Auch bei der vorliegenden Studie wird aus Gründen der
Vergleichbarkeit neben dem Orgonakkumulator ein Placebokasten eingesetzt.
Letzterer erzeugt aufgrund seines fehlenden Doppelschichtaufbaues keine
"Orgoneffekte".
Um die in der Literatur beschriebenen Effekte und
Wirkungsweise des Orgonakkumulators auch experimentalpsychologisch untersuchen
zu können, wird ein "Vorher-Nachher"-Design angewendet.
a) Der Ablauf
Die Versuchsperson (Vp) absolviert unmittelbar vor der
Kastensitzung eine Ruhesituation mit einer Dauer von 10 bis 15 Minuten. Mit
diesem Schritt sollten sich das Aktivierungsniveau der Vp und emotionale, durch
den Versuch verursachte, Spannungen ausgleichen. Durch diese Vorkehrung sollen
die Meßwerte interindividuell besser verglichen werden können. Würden
beispielsweise Meßwerte während einer Sitzung im Orgonakkumulator oder in der
Attrappe ohne einer vorhergehenden Ruhesitzung ermittelt werden, dann könnten
Effekte einfließen, die aufgrund anderer physikalischer, psychologischer und
psychophysiologischer Veränderungen zustande kommen. Derart könnten Störeffekte
die Ergebnisse verzerren und schwieriger interpretierbar machen. Scheineffekte
könnten als Orgoneffekt mißdeutet werden.
Das vorliegende Experiment ist deshalb nach folgendem Schema
gestaltet:
R1,2 symbolisieren hier die erste und zweite Ruhesitzung, A
und A´ jeweils die beiden Kastensitzungen. Die Realisierung von zwei
Versuchsdurchgänge (Kastensitzungen) pro Person erfordert auch die
Berücksichtigung des möglichen Reihenfolgeeffekts. Andererseits läßt sich
beurteilen, ob es unterschiedliche Nachwirkungen von der ersten Kastensitzung
zur zweiter Ruhesitzung gibt. Um etwaige Reihenfolgeeffekte auszuschließen,
wird in randomisierter (zufälliger) Weise die Reihenfolge von A und A´
vertauscht. Der Versuch ist folgendermaßen gegliedert:
Gruppe 1
Gruppe 2
Ankunft und Instruktion der Versuchsperson
Anlegen der Elektroden und Erhebung des vegetativen
Reaktionstyps
Ruhesitzung 1 (R1)
Ruhesitzung 1 (R1)
ORGONAKKUMULATOR
(A)
ATTRAPPE (A´)
Pause mit Tests
Ruhesitzung 2 (R2)
Ruhesitzung 2 (R2)
ATTRAPPE (A´)
ORGONAKKUMULATOR (A)
Aufklärung der Vp und Ende
Tabelle 6: Vollständiger Überblick über
den Versuchsablauf mit der Aufteilung der Gesamtstichprobe durch den Faktor
"Reihenfolge".
Damit entstehen zwei Versuchsgruppen, die in zufälliger
Reihenfolge ausgewählt werden. Zwischen der ersten Kastensitzung und der
zweiten Ruhesituation wird noch eine Pause eingeführt, um eventuelle kurze
Kasteneffekte ausklingen lassen zu können. Zusätzlich bekommen die Vpn nach
dieser Pause die psychologischen Tests zur Bearbeitung vorgelegt.
Die Planung des Versuches erzwang es, die beiden
Kastensitzungen unmittelbar hintereinander stattfinden zu lassen, da sonst ein
üblicher Drop-Out zu erwarten und der Organisationsaufwand doppelt so groß
gewesen wäre. Obwohl die lange Dauer des Versuches für manche Vpn eventuell
eine Belastung darstellen könnte, wird das Risiko in Kauf genommen, das sich
aufgrund der langen Versuchsdauer ergibt. Darunter fallen etwa
Aufmerksamkeitsdefizite oder körperliche Ermüdung. Die Dauer des gesamten
Versuchs wurde mit ca. 2½ Stunden veranschlagt. Der Versuch hat meist
tatsächlich so lange gedauert.
B. Zusammenfassung des Experiments und der Ergebnisse
Im psychophysiologischen Experiment wurden die Auswirkungen
des von Wilhelm REICH entwickelten Orgonakkumulators (OA) im Vergleich zu einem
optisch identen Placebokasten (Kontrollkasten; KK; Attrappe) untersucht.
Es war nicht die Absicht dieser Arbeit, die Orgontheorie,
d.h. die bio-physikalische Theorie einer Lebensenergie zu untersuchen. In
erster Linie standen im experimentellen Vorgehen die psychophysiologischen
Effekte, die im Orgonakkumulator auftreten sollen, im Mittelpunkt. Dabei werden
die Effekte des Orgonakkumulators unter sexualökonomischen Aspekten betrachtet
und diskutiert, d.h. unter dem Blickwinkel der Haushaltung biologischer,
vegetativer und psychischer Spannung bzw. Erregung. Die weitere Ausarbeitung
der experimentellen Methodik unter diesem Schwerpunkt, geschah in der
Sexualökonomie bisher nur lückenhaft und mußte noch ein Stück weit geleistet
werden. Schließlich ist sie die Voraussetzung für eine exakte wissenschaftliche
Untersuchung.
REICH formulierte die Grundzüge seiner Orgontheorie in engem
Zusammenhang mit Beobachtungen, die mit einem Gerät mit einer speziellen
Materialanordnung anstellte: dem Orgonakkumulator (OA). Dieser OA zeichnet sich
durch seinen alternierenden Aufbau einer oder mehrerer Schichten von Metall
(Eisenplatte bzw. Stahlwolle) und elektrisch isolierender Stoffe (Hier: Preßspanplatten,
Kunststoffolie) aus. Zumeist besitzt der Orgonakkumulator Würfel- oder
Kastenform, aber auch andere Formen sind möglich, wie z.B. ein Orgonrohr oder
ein Orgonkissen. Im vorliegenden Versuch besitzt der Orgonakkumulator
Kastenform, und ist so groß, daß eine erwachsene Person darin sitzend Platz
findet. Der Placebokasten besitzt identes äußeres und inneres Aussehen bei
gleichen Abmessungen.
Die allgemeinen Fragestellungen der vorliegenden Arbeit
lassen sich wie folgt formulieren:
Sind die physiologischen und psychologischen Effekte, wie
sie in der Literatur im überwiegendem Maße dem Orgonakkumulator zugeschrieben
werden, auch im experimentellen Laborversuch nachweisbar? Besonders die Arbeit
von GEBAUER & MÜSCHENICH (1987) soll überprüft werden.
Die zweite Fragestellung untersucht den Zusammenhang des
psychophysiologischen Konstrukts der autonomen Balance (EPPINGER & HESS
1910) mit den Effekten des Orgonakkumulators im Vergleich zur Attrappe.
Die dritte Fragestellung beschäftigt sich mit Personenparameter,
die mit einer speziellen Wirkung des Orgonakkumulators im Vergleich mit zum
Placebokasten in Zusammenhang stehen. Lassen sich auf der psychologischen Ebene
Merkmale finden, die einen entscheidenden Einfluß auf die Stärke und Art der
Reaktionen im Orgonakkumulator haben?
Die vierte Fragestellung setzt sich mit der
Kasteninnentemperatur während der Kastensitzungen auseinander.
Im psychophysiologischen Experiment sollten die Auswirkungen
des Orgonakkumulators im Vergleich mit einer optisch identen und wärmetechnisch
gleichwertigen Attrappe untersucht werden. Es wurde dabei postuliert, daß der
Orgonakkumulator eine vegetativ stimulierende bzw. erregende Wirkung auf die
biologische Person hat, die unter anderem über Veränderungen des vegetativen Nervensystems
einhergehen. Die zusätzliche Attrappensitzung schien nötig, zumal sonst die
Gefahr besteht, jede Art von Veränderung, die sich allgemein in einem solchen
engen Kasten einstellt, als "Orgoneffekt" zu interpretieren. Um der
experimentalpsychologischen Forderung nach Objektivität gerecht zu werden,
wurden die Vpn unter Vorschiebung eines anderen Themas ("Auswirkungen
elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Organismus") angeworben.
Um eventuellen suggestiven Einflüssen des Versuchsleiters entgegenzuwirken,
wurde ein Assistent beauftragt, die Reihenfolge der Kästen randomisiert
vorzugeben, so daß der Versuchsleiter über den jeweiligen vorgegebenen Kasten
nicht informiert war. Die sogenannte Doppel-Blind-Bedingung konnte in den
meisten Fällen eingehalten werden. Dort wo sie nicht eingehalten werden konnte
(weil der Assistent nicht verfügbar war), wurde diese Veränderung im
experimentellen Versuchsmodus (kurz: EXPMODUS) berücksichtigt.
Weiters wurde das Geschlecht der Vp in den Versuchsplan
aufgenommen und ihr vegetativer Reaktionstyp (VEGTYP; mit den Idealtypen:
Sympathicotoniker und Vagotoniker) nach einem modifizierten Modell von WENGER
& CULLEN (1972) ermittelt.
Um eine physiologische Baseline zu schaffen, wurden die Vpn
vor den Kastensitzungen für die Dauer von ca. 10 bis 15 Minuten einer
Ruhesitzung unterzogen. Danach nahmen die Vpn gleich in einem der beiden Kästen
Platz.
Es wurden insgesamt 62 möglichst unkundige Versuchspersonen
(Vpn) je einmal in den Orgonakkumulator und einmal in den Placebokasten für ca.
20 bis 30 Minuten gesetzt. Der größere Teil der Stichprobe (44
Versuchspersonen) durchlief im Spätherbst/Winter 1991 in Wien den Versuch
(Winter- bzw. Stadtversuch). Eine zweite, kleinere Stichprobe von 18 Vpn wurde
im Frühsommer in Niederösterreich untersucht (Sommer- bzw. Landversuch). Es
wurden deshalb auch unterschiedliche klimatische Bedingungen in den
Versuchsplan aufgenommen (Faktor KLIMA).
Um physiologische Veränderungen zu messen, wurden die
folgende Meßvariablen mittels psychophysiologischer Meßgeräte und modernster
Computertechnik erfaßt und aus ihnen die in den Klammern stehenden Parameter
rechnerisch abgeleitet: Hautleitfähigkeit (Mittleres SCL-Niveau: SCLX;
Maximalwert des SCL pro Sitzung: SCLMAX); die periphere Hauttemperatur
(Mittelwert HTX und Maximalwert HTMAX); die Achseltemperatur (mittlere
Achseltemperatur ATX und der Maximalwert ATMAX); die Herzrate (Mittelwert und
Streuung: PX und PSD; SD steht für standard deviation); die Muskelspannung am
Musculus Frontalis (auf der Stirn; Mittelwert EMGFX und Variation EMGFSD); die
Kasteninnentemperatur (Mittelwert KTX und Maximalwert KTMAX). Während des
Winterversuchs wurde außerdem noch die Muskelspannung auf der Schulter
(Mittelwert und Streuung EMGTX und EMGTSD) und im Sommerversuch statt dessen
die Fußtemperatur (mit Mittelwert FTX und Maximalwert FTMAX) gemessen.
Außerdem wurde unmittelbar nach jeder Versuchsphase der
Basler Befindlichkeitsfragebogen (BBF) vorgegeben sowie nach jeder
Kastensitzung ein eigens konstruierter Fragebogen zur Erfassung von subjektiven
Wahrnehmungen und Veränderungen während der beiden Kastensitzungen.
Weitere unabhängige Variablen waren Skalen verschiedener
standardisierter psychologischer Tests: Die 6 Giessen-Test Faktoren, die 3
IPC-Skalen und die 2 STAI-Skalen wurden in einer ca. 20 bis 40 minütigen Pause
zwischen den beiden Versuchsdurchgängen (Ruhesitzung + Kastensitzung) erhoben.
Aufgrund methodischer und inhaltlicher Überlegungen wurde
beschlossen, für die statistische Auswertung sowohl Absolutwerte, also auch
Differenzwerte heranzuziehen: Neben den Absolutwerten jeder einzelnen
Versuchsphase wurden auch noch Differenzwerte zwischen der Kastensitzung und
der ihr jeweils unmittelbar vorausgegangenen Ruhesitzung berechnet. Letzteres
sollte dazu dienen, um unabhängiger von unterschiedlichen Aktivierungsniveaus
der Vpn zu sein.
Die Auswertung der Daten erfolgte je nach Erfüllen oder
Nicht-Erfüllen der Normalverteilungsvoraussetzung entweder durch eine
multifaktorielle Varianzanalyse mit den fünf Kontrollfaktoren und einem 4-fach
(Absolutwerte) bzw. 2-fach gestuften Meßwiederholungsfaktor (Differenzwerte
Kastensitzung minus Ruhesitzung) oder mittels parameterfreien Tests.
Es folgt nun eine Darstellung wichtiger Ergebnisse bezüglich
der untersuchten Variablen. Da die Kontrollvariable REIHENFOLGE oft mit den
Meßwerten systematisch kovariiert, wird zunächst das Hauptergebnis bezüglich
jedes Meßparameters gemeinsam mit eventuellen signifikanten Einflüssen der
REIHENFOLGE dargestellt. Wo es keinen bedeutenden Einfluß der REIHENFOLGE gibt,
wird das nicht extra erwähnt. Anschließend folgt dann eine kurze Diskussion der
Wechselbeziehungen zwischen dem OA und den anderen vier Kontrollvariablen
GESCHLECHT, KLIMA, VEGTYP und EXPMODUS.
Bei der Hautleitfähigkeit zeigte sich, daß das mittlere
Hautleitfähigkeitsniveau (SCLX) des OA mit 14,37mS(iemens) signifikant
höher liegt als jenes im KK, wo das SCLX der Vpn bei 13,21mS
liegt. Ebenso sind die SCL-Maximalwerte (SCLMAX) im OA mit 19,29mS
signifikant höher als im Kontrollkasten (KK) mit 17,53mS. Betrachtet man die
Differenzwerte (relativen Veränderungen) des SCL, dann nimmt das SCL von RO
(=Ruhephase vor dem Orgonakkumulator) zum OA nur wenig ab (-0,13mS).
Dem gegenüber fällt die Verringerung des SCL von RK (Ruhephase vor der
Kontrollkastensitzung) zum KK mit -2,46 viel stärker ins Gewicht. Die
Differenzen unterscheiden sich hoch signifikant voneinander. Auch bei den
Differenzwerten der SCLMAX-Werte gibt es prinzipiell das selbe Bild: Nur liegen
jetzt die Maximalwerte in den Kästen höher als in den Ruhephasen. Von RO zum OA
gibt es eine Zunahme von +3,8 mS, während von RK zu KK der SCLMAX-Wert nur um
bescheidene +0,75mS
zulegte.
In allen vier Fällen (2 Absolutwertvariablen, 2
Differenzwertvariablen) liegen die Werte des OA auf einem höheren vegetativen
Spannungs- bzw. Aktivierungslevel. Diese Beobachtungen gehen konform mit der
Hypothese, daß während der OA-Sitzung ein zusätzliches Wirkungsmoment
feststellbar ist, welches verhindert, daß in der an und für sich reizarmen,
grundsätzlich desaktivierenden Kastensitzung die SCL-Werte im OA genauso tief
absinken wie im KK.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Hautleitfähigkeit (SCL)
Bei der mittleren Muskelspannung auf der Stirn EMGFX wurde
festgestellt, daß sie im OA mit 4,05mVolt um ca. 1/3 höher liegt als im KK, wo die Vpn
durchschnittlich 2,99mV erreichen. Das heißt, die zusätzlich durch den OA
aufgebaute vegetative Spannung drückt sich in einem signifikant erhöhten
Durchschnittsniveau aus. Dieser signifikante Effekt zeigt sich bei den
Differenzwerten DEMGFX allerdings nicht: Hier sinkt zwar der Mittelwert des
EMG-Frontalis von RO zu OA geringfügig um 0,32mV ab, im Gegensatz dazu
sinkt er aber von RK zu KK um 2,46mV, also einem Vielfachen, ab. Trotz dieses deutlichen
Unterschieds ist dieser Wert aber nicht signifikant. Es muß hinzugefügt werden,
daß der OA während der Untersuchung das EMG in zweierlei Hinsicht beeinflußt:
Einerseits hebt er bei der Vp die absolute Muskelspannung an, andererseits ist
der relative Anstieg von RO zu OA größer als von RK zu KK. Bei der Signifikanztestung
der Differenzen werden nur die relativen Veränderungen verrechnet, es fällt
also ein Teil des OA-Effekts von vorn herein aus der Analyse heraus.
Bei den Variations- bzw. Streuungswerten des Stirn-EMG
(EMGFSD) hingegen läßt sich weder bei den Absolutwerten, noch bei den
Differenzwerten ein für einen der beiden Kästen spezifisches Verhalten
erkennen. Die 1,53mV
Streuung der EMGFSD des OA stehen einem Wert von 1,44mV im KK gegenüber. Die
Differenzwerte (DEMGFSD) bewegen sich unter 0,1mV und sind aus
statistischer und praktischer Sicht gesehen bedeutungslos. Die EMGFSD in ihrer
Formulierung als ein Indikator für psychophysiologische Aktiviertheit zeigt
also keinen Unterschied zwischen OA und KK. Die Vpn liegen in ihrer
psychophysiologischen Aktiviertheit in beiden Kästen nicht unterschiedlich
hoch. Das bedeutet, daß die Vpn nicht müder oder wacher, nicht aktivierter oder
schlapper aus des Kästen kommen. Sie zeigen in bezug auf OA und KK keinen
Unterschied.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Muskelspannung auf der
Stirn (EMGF)
Bezüglich der Hauttemperatur fanden sich sehr ähnliche
Verläufe zwischen den Parametern HTX und HTMAX, weshalb in der folgenden
Zusammenfassung der Ergebnisse zumeist beide Parameter betroffen sind: Aufgrund
einer hoch signifikanten Wechselwirkung der beiden Variablen HTX und HTMAX mit
der REIHENFOLGE ist für die Gesamtstichprobe der Unterschied zwischen OA und KK
nicht signifikant. Es unterschieden sich also all die Leute, die zuerst im OA
und danach im KK waren von jenen, die zuerst im KK und dann im OA gesessen
sind. Erst durch die weitgehende Kontrolle und Ausfilterung dieser
Wechselwirkung konnte ein signifikanter Effekt bei der Hauttemperatur
nachgewiesen werden. Dabei betrug für die erste Kastensitzung, wenn sie eine
OA-Sitzung war die HTX 33,07°C, wenn sie eine KK-Sitzung war 30,91°C. Für HTMAX
liegen die Werte im OA bei 33,94°C, im KK bei 32,07°C, was ebenfalls einer
Signifikanz auf dem 5%-Niveau entspricht. Aufgrund der Nachwirkung des OA weit
über die Kastensitzung selbst sind die Phasen Ruhe 2 und Kasten 2 deutlich und
signifikant beeinflußt und wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Dabei
sind die Fingertemperaturen nach der OA-Sitzung im Vergleich zur Zeit nach der
ersten KK-Sitzung stark erhöht.
Die Differenzwerte DHTX (D steht für Differenz; sonst die
gewohnten Parameterkürzel) und DHTMAX sind unabhängig von der REIHENFOLGE und
besitzen auch entsprechende Aussagekraft. Beide Variablen sind bezüglich OA und
KK hoch signifikant unterschiedlich. Vom RO zu OA steigt die
Durchschnittstemperatur relativ um +2,11°C an, bei den Maximaltemperaturen
sogar um +3,23°C. Im Vergleich dazu steigen die Durchschnittswerte von RK zu KK
um +0,89°C, die Maximalwerte um +1,85°C an.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Hauttemperatur (HT)
Zu den Ergebnissen der Achseltemperaturvariablen ist zu
sagen, daß sich die Wahl der Achselhöhle als Meßort für die Kerntemperatur als
nicht sehr glücklich herausstellte: Durch nicht vermeidbare Bewegungen der Vpn
während der Ruhe- und Kastensitzungen kam es immer wieder vor, daß kühlere
Umluft in die Achselhöhle drang. Diese führte dort zu einer mehr oder weniger
starken Abkühlung der Achselhöhlentemperatur. Die Folge davon war eine hohe
Varianz und verzerrte Ergebnisse. Eine weitere Instruktion der Vpn schien
allerdings nicht ratsam zu sein, da das ruhig Halten bzw. das Anpressen des
Armes an die seitliche Brustwand auf Dauer sehr störend und unbequem ist, was
unter Umständen auch die anderen Meßvariablen beeinflußt hätte. Die
Größenordnung dieses Störeffekts ist wahrscheinlich bis zu 5 Mal so groß wie
der in der Literatur beschriebene OA-Effekt. Aus diesem Grunde wurden keinerlei
Unterschiede zwischen OA und KK gefunden.
Bei den Pulsvariablen PX und PSD fanden sich Signifikanzen.
Jedoch scheint der Mittelwertsunterschied bei PX zwischen OA und KK von +0,28
Schläge pro Minute im OA ein für die Praxis nicht bedeutsames Ergebnis zu sein.
Wie kann das denn nun erklärt werden, daß ein statistisch signifikantes
Ergebnis nun wenig Bedeutung hat? Hier sei auf die Wahrscheinlichkeit des
ß-Fehlers hingewiesen, der mit steigender Anzahl der durchgeführten statistischen
Tests zunehmend größer wird. Der ß-Fehler ist das Komplement zum a -
Fehler. Inhaltlich bedeutet er die Wahrscheinlichkeit, daß ein statistischer
Test eine Signifikanz anzeigt, obwohl die zu vergleichenden Bedingungen sich
tatsächlich zu wenig voneinander unterscheiden - das ist eine Angelegenheit der
Wahrscheinlichkeiten, die hier aber nicht weiter diskutiert werden soll. Die Differenzwerte der beiden Versuchsdurchgänge OA-RO
und KK-RK von DPX zeigte immer positive Differenzen (= grundsätzlich mehr
Aktivierung in den Kästen). Von RO zu OA nahm die Pulsrate um 1,4 Schläge pro
Minute (c.p.m.) zu, von RK zu KK um 1,87 c.p.m. zu, was im Statistiktest nicht
signifikant blieb.
Anders liegen die Dinge bei der Pulsfrequenz-Variation PSD:
Während im OA die PSD bei 7,13 liegt, ist sie im KK bei 7,61. Dieser
Unterschied ist im Mittelwertsvergleich signifikant. Die in der
Psychophysiologie als Indikator von Vagotonie verwendete Größe zeigt an, daß im
KK eine signifikant größere Vagotonie vorliegt als im OA, obwohl die
Wirkungsweise des OA als "vagoton" propagiert wird. Daß hier eine
Ungenauigkeit bzw. eine etwas andere Konzeption der Dimensionen Sympathicotonie
und Vagotonie zwischen der Sexualökonomie und der (Psycho-) Physiologie
vorliegt wurde bereits ausführlich dargestellt. Aufgrund der aus der
Versuchssituation entspringenden Umstände (enger Kasten, weitgehende
Einschränkung der Bewegung etc.) war zu erwarten, daß der postulierte Effekt
des OA (Aufbau zusätzlicher vegetativer Spannung bzw. Erregung) ein im
Vergleich zum KK höherer Sympathicotonus sein würde, bzw. daß sich beim PSD der
höhere Sympathicotonus derart ausdrücken würde.
Die Differenzwerte OA-RO und KK-RK bleiben nicht
signifikant. Sie zeigen zu geringe Unterschiede.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Pulsfrequenz (P)
Zu erwähnen bleibt wiederum eine Wechselwirkung der
REIHENFOLGE mit den beiden Absolutwertvariablen PX und PSD. Es konnte bei PX
gezeigt werden, daß nach der OA-Sitzung in der Phase "Kasten 1" die
Mittelwerte der Pulsrate von 74,9 auf 70,6 c.p.m. gesunken sind, was einem vagoton
stimulierten Zustand entspricht. Dieser Effekt bleibt individuell verschieden
für einige Zeit beobachtbar (ca. 30 bis 60 Minuten), bevor er wieder
verschwindet.
Der WW-Effekt von PSD ist auf die Phasen RO und OA
beschränkt und scheint sich zu einem guten Teil aus der unterschiedlichen
Verlaufsdynamik der beiden REIHENFOLGE-Stichproben zu ergeben: Während sich bei
jenen Vpn, die zuerst in den KK und dann in den OA gingen, sich im Laufe der
Ruhephase 1 7,07 c.p.m.), Kastensitzung 1 (7,38) und Ruhephase 2 (7,93) die PSD
kontinuierlich erhöhte, und dann bei Phase Kasten 2 (= OA) einen Knick in
Richtung Sympathicotonus machte (7,03 c.p.m.), findet sich eine
Zick-Zack-Bewegung bei der Stichprobe, die zuerst in den OA und dann in den KK
ging. Von der Ruhephase 1 zur Kastensitzung 1 gibt es einen Anstieg der PSD von
6,47 auf 7,22 c.p.m. (= OA), bevor sie wieder in Ruhephase 2 auf 7,0 c.p.m.
zurückgeht, um dann wieder in der zweiten Kastensitzung (KK) wieder auf 7,81
c.p.m. anzusteigen.
Obwohl eine weitere Analyse von PX und PSD durchgeführt
wurde, die eine Ausschaltung des REIHENFOLGE-Effekts verfolgte, brachte sie in
bezug auf die Gesamtstichprobe keine weiteren signifikanten Ergebnisse.
Jedenfalls konnten Nachwirkungen der OA-Sitzung über die Zeit der Kastensitzung
selbst nachgewiesen werden, was für zukünftige Untersuchungen von großer
Wichtigkeit ist.
Die Analyse der Variable der Schultermuskelspannung EMGTX
brachte als Ergebnis, daß im OA die Muskelspannung signifikant höher ist als im
KK. Liegt die EMGTX im OA bei 3,88mVolt, so ist sie im KK nur bei 3,25 mV.
Bei den Differenzwerten trat eine starke WW mit der REIHENFOLGE auf. Nach der
Korrektur der WW trat eine signifikant stärkere Verringerung bzw. relative
Verringerung der Muskelspannung von RK zu KK im Vergleich zu OA-RO auf. Im OA
sind bei jenen Vpn, die zuerst im KK und dann im OA gesessen sind, prinzipiell
keine OA-spezifische Nachwirkungen feststellbar. Deshalb wurden nur diese Vpn
zur weiteren Analyse herangezogen. Von RO zum OA kam es nur zu einem geringfügigen
Rückgang der Schultermuskelspannung (3,92-4,17mV= -0,25 mV).
Im Vergleich dazu ist die Differenz KK-RK größer: 2,63µV - 4,92 mV =
-2,29 mV.
Diese Differenzen sind entsprechend den Angaben des U-Tests signifikant
voneinander unterschieden. Das bedeutet entsprechend der Theorie eine vermehrte
vegetative Erregung der Muskelspannung (und in der Sexualökonomie wird die
Muskulatur auch als vegetatives Organ gesehen), die sich in einem erhöhten
Tonus ausdrückt.
Im Hinblick auf die Muskelspannungsvariation EMGFSD und
DEMGFSD sei hier nur festgestellt, daß diese als Indikatoren für
psychophysiologische Aktiviertheit in bezug auf OA und KK keinerlei
Unterschiede aufzeigen. Vom Standpunkt des Konzepts der psychophysiologischen
(bzw. muskulären) Aktivierung gibt es keinen Unterschied zwischen OA und KK.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Muskelspannung auf der
Schulter (EMGT)
Bei der Fußtemperatur und den Absolutwertvariablen FTX und
FTMAX fand sich wie schon bei den anderen Temperaturen eine starke
Wechselwirkung mit der REIHENFOLGE. Weder vor der Korrektur der Wechselwirkung,
noch nach dieser konnten hier statistisch signifikante Effekte zwischen OA und
KK festgestellt werden. Bei den Differenzwerten DFTX und DFTMAX, die frei von
einer solchen störenden Beeinflussung sind, konnten unterschiedliche relative
Temperaturrückgänge beobachtet werden: Während bei FTX von RO zu OA die
Temperatur um -0,33°C zurückging, fiel sie von RK zu KK um -0,91°C. Bei FTMAX
blieb die Temperatur von RO zu OA gleich, während sie von RK zu KK um -0,58°C
fiel. Der verringerte Temperaturabfall während der OA-Sitzung läßt sich
insofern als "vagotoner" Effekt deuten, als die Vp durch das ruhige
Sitzen und der Unmöglichkeit der Bewegung der Füße nur geringfügig an
Temperatur verlor, während im KK diese Veränderung ungleich stärker ausfiel.
Trotzdem gingen allgemein die Fußtemperaturen - auch im OA - zurück!
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Fußtemperatur (DT)
Beim Befindlichkeitsfragebogen als vorletzte abhängige
Variable wurden ebenfalls Absolutwerte, als auch Differenzwerte zwischen den
vier Versuchsphasen berechnet. Als Hauptergebnis läßt sich feststellen, daß im
Versuchsdurchgang mit den OA die Befindlichkeit (Summenscore; SUMSCORE)
niedriger ist, als in jenem mit dem KK. Im KK ist sie mit 80,29 am
allerhöchsten, während das SUMSCORE im OA mit 78,19 am tiefsten liegt. Dieser
Unterschied 2,1 Punkten ist signifikant. Er verdient - obwohl nicht sehr groß -
aber trotzdem Beachtung, da die Streubreite des SUMSCORE sehr hoch ist. Der
Erfinder dieses Testinstruments, HOBI (1985), gibt jedenfalls keine Zahlen
bezüglich relevanter Unterschiede im BBF an. Generell läßt sich ableiten, daß -
unter der Bedingung der vegetativen Stimulierung - die im OA ablaufenden
Prozesse für die Vpn soweit beeinflussen, daß sie sich in ihrer Befindlichkeit
eher eingeschränkt fühlen. Dies könnte einerseits auf die psychophysiologischen
Einwirkungen zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite muß auf die mit dem
Versuch verbundenen Fehlinstruktionen bzw. das Verschweigen des wahren Themas
hingewiesen werden. Denn letzten Endes ist nicht abzuschätzen, inwieweit
solche, für die Untersuchung notwendigen Rahmenbedingungen, auch tatsächlich in
die gewünschte Richtung (Objektivität, Qualität der Daten) wirken. Nicht
zuletzt ist die Organempfindung - wenn sie trainiert ist! - in der
Sexualökonomie und der Orgonomie prinzipiell einem orgon-sensiblen Meßgerät
gleichzustellen und gleichstellbar. Häufig wird aber gerade diese Seite im
psychophysiologischen Experiment vernachlässigt bzw. stiefmütterlich behandelt.
Hier scheint sich ein großer Graben zwischen den Thesen der Sexualökonomie und
der akademischen Psychologie aufzutun.
Bezüglich der Differenzwerte ist sagen, daß jene nur
geringe, nicht signifikante Unterschiede ausmachen: Von RO zu OA nimmt das
DSUMSCORE um 0,47 Punkte ab, von RK zu KK nimmt es um 0,65 Punkte zu. Wie man
sieht: da gab es zu geringe Differenzen!
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Befindlichkeit
(Sumscore)
Zuletzt soll noch auf die WW der SUMSCORE-Daten mit der
REIHENFOLGE hingewiesen werden. Sie zeigt, daß die SUMSCORE-Werte im KK dann am
höchsten sind, wenn der OA vorangegangen ist (77,9 im OA zu 82,9 im KK).
Umgekehrt sind die Werte im OA noch niedriger, wenn der KK vorausgegangen ist.
Dann haben die Vpn im KK ein SUMSCORE von 79,4, während es im OA auf 77,3
absinkt. Mit einer gewissen Vorsicht läßt sich der hohe SUMSCORE-Wert im KK als
2. Kastensitzung (82,9 Punkte) auf eine Nachwirkung des OA interpretieren, da
eine solche sich weder bei der anderen Versuchsgruppe mit der REIHENFOLGE 1. KK
- 2. OA, noch insgesamt ein zeitlicher Effekt erkennen läßt. Die OA-Sitzung
wäre übertrieben gesprochen eine bio-physikalische Belastungssituation, während
nachher die Früchte der "harten Arbeit" geerntet werden. Es steht
auch zur Frage, ob nicht die Vpn anders reagiert hätten, wenn sie über den
Sachverhalt der beiden Kästen informiert worden wären und sie z.B. auch raten
könnten, was nun der „richtige“ Kasten ist ...
Als letzte abhängige Variable wurde die
Kasteninnentemperatur der Kästen aufgezeichnet: Hier zeigen sich die absolut
deutlichsten Ergebnisse von allen bisherigen Variablen, eventuell die mittlere
Stirnmuskelspannung ausgenommen: Durchschnitts- und Maximalwert sind einander
sehr ähnlich im Verlauf, weshalb das nun Folgende für beide Parameter gilt: KTX
und KTMAX erreichen im OA 24,9 bzw. 25,43°C, während ihre Werte im KK mit 23,85
und 24,35°C (jeweils KTX und KTMAX) deutlich tiefer liegen. Diese Mittelwerte
unterscheiden sich hoch signifikant voneinander. Im OA "heizen" die
Vpn den Kasteninnenraum stärker auf als im KK. Gerade diese Fragestellung
grenzt wie keine andere an physikalische Grundlagen, zumal zwar übereinstimmend
in der Literatur behauptet wird, daß der OA aufgrund seiner
Eisenblech-Innenwände kühler sein müßte als der KK. Andererseits fehlen bis
heute Studien zur Problematik des Vergleichs einer mit Eisenblech
ausgekleideten Box mit einer Box, die Holzinnenwände besitzt. Und dies, obwohl
im nicht-humanen Bereich gerade auf diesem Sektor die meisten Arbeiten auf dem
Gebiet der Orgonomie vorliegen.
Die Differenzwerte zeigen folgendes Bild: Von RO (RO ist
hier die Raumtemperatur) zu OA steigt die Temperatur relativ um 1,68°C
bezüglich KTX, und um 2,17°C bezüglich KTMAX an. Im Vergleich dazu ist der
Anstieg von KTX bei RK zu KK mit 0,79°C bescheidener ausgefallen, ebenso bei
KTMAX: 1,24°C. Beide Variablen erweisen sich im Vergleich der relativen
Temperaturzunahmen zwischen OA und KK als hoch signifikant.
Kurzzusammenfassung des Haupteffekts Kasteninnentemperatur
(KT)
I. Einige Ergebnisse zu Wechselbeziehungen des OA mit den
Kontrollfaktoren
DAS GESCHLECHT DER VERSUCHSPERSON
Bei den Einflüssen der Kontrollfaktoren zeigte sich, daß das
GESCHLECHT beim OA einen leicht nivellierenden Einfluß auf SCLX und SCLMAX
ausübt.
Ebenso bei der Muskelspannung auf der Stirn und auf der
Schulter, wo in den anderen Phasen deutliche Unterschiede zwischen Männern und
Frauen zu sehen sind, hat der OA die Tendenz, die Unterschiede zu verwischen:
Bei Frauen fällt sie eher von dem gewohnten höheren Spannungsniveau ab, Männer
reagieren im OA mit einer Spannungszunahme in bezug auf ihre sonst niedrigere
Muskelspannung auf der Stirn.
Weiters konnte festgestellt werden, daß der OA einen in etwa
30 bis 60 minütigen deutlichen Nacheffekt auf die Vpn ausübt, der dahin geht,
daß geschlechstsspezifische Tendenzen signifikant auseinandergehen. Männer
haben in der Zeit nach dem OA verringerte, Frauen gesteigerte bzw. hohe SCLX-
und SCLMAX-Werte.
Eine deutliche Wechselwirkung des OA mit dem Geschlecht
ergibt sich bei den Variablen HTMAX sowie den beiden Differenzwertvariablen
DHTX und DHTMAX: Bezüglich der Hauttemperatur finden sich im OA im Vergleich
zum KK große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Hier vergrößert der OA die
Differenzen bezüglich den Geschlechtern: Männer legen besonders viel Temperatur
zu, Frauen weniger.
Besonders auch bei den Differenzwerten DKTX und DKTMAX gibt
es noch eine deutliche Wechselwirkung zwischen dem GESCHLECHT und den
Differenzen der beiden Versuchsdurchgänge. Hier können Männer im OA einen
überproportional großen relativen Temperaturanstieg im Vergleich zu Frauen
einerseits und den Verhältnissen im KK andererseits erreichen. So steigt der
KTX Wert von RO zu OA um +2,19°C, der KTMAX Wert gar um +2,74°C. Während dessen
liegen die entsprechenden Werte der Frauen bezüglich KTX bei +1,3°C und
+1,75°C. Im KK liegen die Werte von Männer und Frauen niedriger und viel näher
beisammen (KTX: Männer: KK-RK: + 0, 89°C; Frauen: +0,72°C; KTMAX: M: +1,43°C; F:
1,09°C). Männer beheizen also den OA überproportional besser als Frauen.
DER FAKTOR ORT/JAHRENSZEIT (KLIMA)
Der Versuch wurde in zwei Teilen durchgeführt. Eine
Stichprobe wurde im Spätherbst/Winter 1991 in der Stadt, eine zweite im
Frühsommer 1992 auf dem Land getestet. Beide Stichproben werden anhand des
„KLIMA“-Faktors unterschieden. REICH vermutete aufgrund einiger Beobachtungen,
daß die Wirkung des OA unter anderem abhängig ist von der Jahreszeit und auch
von der geographischen Lage.
Der auffällige KLIMA-Effekt bei der Hautleitfähigkeit läßt
sich zum Teil als jahreszeitlicher Trend interpretieren, bei dem im Sommer die
relativen Differenzen (von DSCLX und DSCLMAX; D steht für Differenzwert) immer
negativ werden, während im Winter überwiegend die Tendenz besteht, daß in den
Kastensitzungen höhere Werte zu finden sind. Andererseits sind die
Differenzwerte zwischen Sommer- und Winterdurchgang beim OA statistisch
deutlich unterschiedlich, während dies beim KK nicht der Fall ist. So ist dem
OA eine klimaspezifische Wirkung zuzuschreiben: Zwischen Winter und Sommer
unterscheiden sich die Differenzwerte beim OA signifikant. Im Winter steigt das
SCLX und das SCLMAX signifikant stärker an als im Sommer. Beim KK gibt es solch
einen Effekt nicht.
Auch bei der Hauttemperatur ist der Einfluß des KLIMAs zu
erwähnen: Es zeigte sich die Tendenz, daß im OA die sonst sichtbaren und
„üblichen“ Unterschiede verwischt werden. Treten beim KK zwischen Winter und
Sommer große, signifikante Unterschiede auf, so sind sie im OA bedeutungslos.
Der KK ist sozusagen mehr den Gegebenheiten des KLIMAs ausgesetzt als der OA,
der eine (zusätzliche) Eigendynamik besitzt.
Von den zahlreichen Wechselwirkungen der Variablen KTX und
KTMAX mit den Kontrollvariablen ist jene zwischen den Versuchssituationen und
dem KLIMA am bedeutendsten: Hier zeigte sich, daß es eine jahreszeitliche bzw.
geographische Gebundenheit der Höhe der Kastentemperatur im OA gibt. So zeigen
die KTX- und KTMAX-Werte je nach Sichtweise im Winter hohe, und im Sommer tiefe
Werte. Dieser Effekt dürfte mit dem Temperaturregulationssystem des
menschlichen Organismus zusammenhängen: Je nach Jahreszeit ist der Organismus
gewohnt, mit gewisser Stärke die Peripherie mit Wärme zu versorgen. Im Winter
ist dies stärker erforderlich als im Sommer. So kommt der Temperaturregulation
im Winter der enge Kastenraum entgegen, zumal er klein ist und die in größeren
Mengen als im Sommer produzierte Wärme aufstaut. Bevor der Organismus
gegenreguliert, ist die Temperatur in der Umgebung schon hoch. Andererseits ist
dieser Prozeß auch im Sommer im OA zu verzeichnen, beim KK im Sommer ist dies
aber viel schwächer ausgeprägt.
DER VEGETATIVE REAKTIONSTYP (VEGTYP)
Der VEGTYP steht vor allem in enger Wechselbeziehung mit den
Differenzwertvariablen der Hauttemperatur: Es erweist sich, daß
Sympathicotoniker besonders im OA mehr zulegen als Vagotoniker.
Sympathicotoniker können im OA besonders hohe Temperaturanstiege verzeichnen.
Allgemein formuliert scheint der OA vor allem bei jenem Organismus bzw. bei
jener Funktion zu wirken, wo der Ist-Zustand vom Vagotonus "weit entfernt
ist" bzw. ein Sympathicotonus vorliegt. Hier kann der OA größere
Veränderungen bewirken, als dort, wo bereits grundsätzlich ein stabiler
Vagotonus vorliegt. Man könnte dabei von einem Deckeneffekt nach
sexualökonomischen Kategorien sprechen.
Darüber hinaus können die Vpn im OA den Kasteninnenraum
überproportional stärker erwärmen als im KK. Grundsätzlich verzeichnen
Vagotoniker höhere relative Rauminnentemperaturanstiege bei DKTX und bei DKTMAX
als Sympathicotoniker. Andererseits kommen aber Sympathicotoniker im OA den
Vagotonikern viel näher als es ihnen im KK gelingt (mit Hilfe des OA?). Der OA
wirkt also insofern "VEGTYP"-spezifisch, als er vorhandene
Unterschiede zwischen Sympathicotonikern und Vagotonikern im KK ausgleicht und
nivelliert. Die OA-Sitzung scheint den Sympathicotonikern in ihrer
Temperaturregulation "unter die Arme zu greifen". Die schon weiter
oben festgestellte Tendenz des OA beeinflußt die vom sexualökonomisch gesunden
bzw. vagotonen Zustand weiter entfernten Personen quantitativ stärker in diese
Richtung als Personen, die bereits in dieser Funktion einen vagotonen Zustand
aufweisen.
II. Weitere Ergebnisse
Daß die unterschiedlich hohen Kasteninnentemperaturen von OA
und KK nicht für die signifikanten Ergebnisse bei den anderen normalverteilten
physiologischen Variablen verantwortlich ist, zeigte eine Kovarianzanalyse
dieser abhängigen Variablen mit der mittleren Kasteninnentemperatur als
Kovariate. Zwar kovariiert die HTX generell signifikant mit der
Kasteninnentemperatur, dieser Effekt trifft aber gleichwohl auf OA wie auch auf
den KK zu. Selektive, nur für den OA charakteristische Kovariationseffekte
konnten keine gefunden werden. Die speziellen physiologischen Veränderungen im
OA sind also unabhängig von der Höhe der mittleren Kasteninnentemperatur.
Die in der Pause zwischen den beiden Versuchsdurchgängen
vorgegebenen psychologischen Tests wurden ebenfalls im Rahmen von
Kovariationsanalysen mit den abhängigen Variablen untersucht. Es wurden dabei
Differenzwerte zwischen OA und KK berechnet, welche dann in der
Kovarianzanalyse als abhänge Variablen dienten.
Von der Untersuchung der 6 Skalen des Gießen- Tests blieben
die drei Skalen GT1, GT3 und GT5 übrig. In der Folge sollen die inhaltlichen
Bedeutungen der Zusammenhänge verbal zusammengefaßt werden:
GT1: Je mehr positiv sozial resonanter sich die Vpn
beschrieben (beliebt, beachtet und geschätzt) umso höher ist eigenartigerweise
die Hauttemperatur im KK im Vergleich mit dem OA. Anders herum formuliert
bedeutet das, daß Personen, deren Hauttemperatur im OA viel höher war als im
KK, erleben sich selbst als eher negativ sozial resonant (=das Gegenteil dieser
Eigenschaften). Zunächst soll zur Skala GT1 keine psychologische Interpretation
abgeleitet werden.
GT1: Ein direkter Zusammenhang besteht zwischen den beiden
Variablen KTX und KTMAX und der sozialen Resonanz: Je höher die
Kasteninnentemperaturen im OA im Vergleich zum KK liegen, um so sozial positiv
resonanter beschreiben sich die Vpn.
GT5: Tendenziell existiert noch ein Zusammenhang zwischen
der Größe der Differenz zwischen OA und KK und der Zurückhaltung der Vpn (Skala
5: retentiv vs. durchlässig = Maß, wieviel ich von mir als Person anderen
preisgebe) bei den Variablen KTX und KTMAX. Je mehr Vpn von sich preisgeben,
umso mehr heizen sie den OA im Vergleich zum KK auf. Je retentiver sie sind,
umso mehr tun sie das im KK.
GT3: Eine weitere schwache Tendenz läßt sich bezüglich der
Pulsdifferenz und dem Grad der Kontrolle feststellen: Je höher der PX-Wert im
OA (im Vergleich mit dem KK), um so unterkontrollierter bzw. weniger zwanghaft
sehen sich die Vpn. Stufen sich Vpn als eher zwanghaft ein, dann reagieren sie
im OA nicht mit einem entsprechenden Pulsfrequenzanstieg. Vielmehr kehrt sich
der Zusammenhang um: Je zwanghafter, umso eher ein Frequenzabfall! Hier ist
besonders die bioenergetische Bedeutung ins Auge stechend - vom energetischen
Standpunkt reagiert hier die Vp als ob die Erregung abfallen würde! Fraglich
ist, ob das ein Muster einer Kanalisation darstellt, wie vegetative Erregung
unterdrückt, zurückgehalten wird?
Bei der Kovarianzanalyse der IPC-Skalen trat eine
Kovariation der beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE mit dem Faktor C („Glaube
an einen entscheidenden Einfluß und eine Macht des Schicksals, des Glücks und
des Zufalls auf das eigene Leben, etc.“) auf. EMGFSD steht dabei in einem
umgekehrt proportionalen Verhältnis mit der Höhe des C-Skalenwerts. Je größer
die Muskelspannungsvariation im OA gegenüber dem KK ist, umso tiefer ist der
C-Wert, d.h. umso weniger führt diese Person Geschehnisse und Entscheidungen
auf Zufall, Glück und Schicksal zurück.
Andererseits fühlt sie sich im OA im Vergleich mit dem KK
umso weniger wohl (SUMSCORE), je höher der C-Wert ist. Diese Tendenz entspricht
in der weit gezogenen sexualökonomischen Dimension des Gegensatzes von Lust und
Angst der Unlust- bzw. Angstreaktion: Die Dimensionen "Weg von der
Welt" bzw. "In sich zurück" stehen für eine derartige Reaktion. Da
nach der postulierten Wirkung des OA davon ausgegangen wird, daß während der
OA-Sitzung vegetative Spannung und Erregung aufgebaut wird, scheint es, als
würden Vpn mit hohen C-Werten mit Scheu oder Angst reagieren, wenn es darum
geht, in Kontakt mit der körperlichen, vegetativen Spannung bzw. Erregung zu
kommen.
Die dritte Kovarianzanalyse wurde mit den beiden STAI-Skalen
durchgeführt. Diesmal kovariieren die beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE mit
den beiden STAI-Skalen beträchtlich. Während bei der STATE-Skala ein indirekt
proportionaler Zusammenhang mit den beiden Variablen EMGFSD und SUMSCORE
vorgefunden wurde, liegen die Verhältnisse bei der TRAIT-Skala umgekehrt.
Die sich scheinbar widersprechenden Verhältnisse der Trait-
und der State-Skala konnten nach sexualökonomischen Gesichtspunkten völlig
aufgeklärt werden: Während die Trait-Skala sehr für die Art der Person steht,
wie sie mit Angsterregung generell umgeht bzw. in die Richtung eines
Charaktermerkmals geht, steht die State-Skala für die aktuelle situativ
wahrgenommene Angsterregung.
Da der Charakter bzw. seine in der Sexualökonomie so viel
beachtete ökonomische Funktion der Regulation von vegetativer Erregung,
automatisch und meist kaum bewußt arbeitet, ist sie eigentlich das Gegenteil
von dem was die State-Skala repräsentiert: bewußtes Gewahrsein der eigenen
vegetativen Erregung und damit auch der Angsterregung.
Die Vp zeigt auf der State-Skala um so höhere Werte, je
geringer die Stirnmuskelvariation EMGFSD im OA im Vergleich zum KK wird. Die Vp
erstarrt im OA aufgrund der durch den OA zusätzlich aufgebauten Erregung, die
vorher schwingende Muskulatur wird schlaff oder starr (je nach Spannungshöhe).
Es wird eine Vp, die über zu viel vegetative Erregung
verfügt, eher dazu neigen, diese Erregung vom Bewußtsein abzuspalten, mehr
noch, sich von ihr abzupanzern. Dieser Mechanismus ist deshalb wichtig, da
üblicherweise die Qualität einer solchen vegetativen Erregung in Angsterregung
umschlägt, was sehr unlustvoll für die Person wäre. Wenn die Angsterregung
andererseits zu groß ist, ist die Person aber trotzdem in ihrer Befindlichkeit
eingeschränkt, da sie über einen Teil der körperlichen Empfindung
(Selbstempfinden, Selbstbewußtsein) nicht mehr verfügt. Denn es muß genau
soviel Erregung, wie die Angsterregung darstellt, als Gegenbesetzung
aufgewendet werden, damit jene nicht jäh ins Bewußtsein bricht (vgl. REICH
1949d). Insgesamt bedeutet dieser Prozeß für die Vp eine Verringerung der
Befindlichkeit.
Im Gegensatz dazu wird eine Person mit niedrigen Angstwerten
sich nach einer für sie vegetativ eher angenehm als unangenehmen OA-Sitzung
wohler fühlen, zumal durch die zusätzliche vegetative Spannung das
Selbstempfinden gesteigert ist, ohne daß das Erregungsmaß an das Maximum des
Tragbaren geht.
Die Trait-Skala hingegen gibt - mit sexualökonomischer
Formulierung - an, wie sehr durchlässig der Charakter der Vp gegenüber
vegetativer Erregung, also Angst- und Lusterregung, ist. Ist der Wert niedrig,
so deutet im Durchschnitt das auf eine rigide Panzerung gegen vegetative
Erregung hin. Denn eine (gesunde) Person, die Angsterregung kennt, wird in der
Regel eine Toleranz entwickelt haben, um mit ihr - genauso wie mit
Lusterregung, die ja auch vegetative Erregung ist - umzugehen. Unter diesem
Aspekt lassen sich auch die Ergebnisse erklären: Haben Menschen hohe
Trait-Angstwerte, dann müßten sie der vegetativen Erregung gegenüber eine
gewisse Toleranz verfügen, die jemand, der niedrige Angstwerte besitzt, weniger
oder kaum besitzt. Je höher die Differenz zwischen OA und KK zu Gunsten des OA
liegt, um so höhere Angstwerte werden auf der Trait-Skala angegeben. Ebenso ist
die Befindlichkeit im OA im Vergleich zum KK höher, je höher die
Trait-Angstwerte sind.
Neben den abhängigen physiologischen Variablen und der Befindlichkeit
wurde den Vpn unmittelbar nach jeder Kastensitzung ein Fragebogen vorgelegt,
bei dem sie angeben sollten, welche Veränderungen, Wahrnehmungen und
Empfindungen sie während der gerade abgeschlossenen Kastensitzung bemerken
konnten.
Von den 10 Items erwiesen sich 5 als REIHENFOLGE-abhängig.
Die anderen 5 Items: Kribbeln bzw. Ameisenlaufen auf der Haut, Schwitzen im
Kasten, Darmblubbern, Entspannung der Muskeln im Kasten und Langeweile erwiesen
sich sämtlich als nicht signifikant. Lediglich die Frage nach den
Darmgeräuschen bzw. dem Darmblubbern zeigt eine schwache Tendenz, wobei im OA
öfter und intensiver diese Darmgeräusche wahrgenommen wurden.
Von den verbleibenden Items zeigte besonders eines teilweise
hoch signifikante Unterschiede: Der Inhalt des Items bezog sich auf die
Spürbarkeit einer Wärme, die von den Wänden zu kommen schien. In beiden
Versuchsdurchgängen war eine Signifikanz gegeben. Daneben unterschied sich das
Item über die Empfindung einer Müdigkeit im Kasten zwischen OA und KK signifikant.
Sie fühlen sich im OA müder (vgl. auch die Ergebnisse zum SUMSCORE).
Zusammenfassend läßt sich vom methodischen Standpunkt aus
sagen, daß die Differenzwertvariablen durchgehend aufgrund von ihrer größeren
Unabhängigkeit von den Kontrollfaktoren, besonders aber von der REIHENFOLGE,
grundsätzlich mehr Aussagegewicht besitzen. Dort, wo die Unabhängigkeit von den
Kontrollfaktoren auch bei den Absolutwertvariablen gegeben ist, sind auch
durchwegs beachtliche Ergebnisse erzielt worden. Daher erweist sich der
nachträgliche Entschluß, auch Differenzwerte zwischen den Kastensitzungen und
ihren dazugehörigen Ruhesitzungen zu bilden, gerechtfertigt.
Es zeigte sich, daß bei Berücksichtigung der meßmethodischen
Störeinflüsse bei der Achseltemperatur und der Abhängigkeit v.a. der
Körpertemperaturen von der REIHENFOLGE, im OA im Vergleich zum KK letztlich 17
von 26 möglichen Differenzwert- und Absolutwerthypothesen signifikante
Unterschiede anzeigten. Von der Beeinflussung der OA-Effekte von der
psychologischen Seite her gab es ebenso einige deutliche Ergebnisse. Die
subjektiven Veränderungen während der Kastensitzungen fielen vergleichsweise
bescheiden aus. In diesem Versuch waren die subjektiven Wahrnehmungen aber
nicht im Mittelpunkt des Interesses, sondern v.a. die physiologischen
Variablen.
Die Hypothesenprüfung bestätigte die anhand der aus der
sexualökonomischen Theorie abgeleiteten Hypothesen zu einem beachtlichen Teil.
In der Folge werden einige typische Ergebnisse dargestellt: Im wesentlichen
fanden sich bei den betreffenden Variablen keineswegs nur "vagotone"
Effekte, wie sie in der Literatur wiederholt beschrieben wurden. Vielmehr ist
es von Vorteil, die OA-Sitzung, wie wahrscheinlich auch jede andere
sexualökonomische Beobachtung und Untersuchung, als einen in einer spezifischen
Situation ablaufenden Prozeß zu sehen, der primär als energetische
(elektrochemische, libidoökonomische) Funktion abläuft, und der eine Reihe von
Veränderungen auf der psychischen und bio-physikalischen Ebene zeigt. Bezüglich
der Situation ist zu sagen, daß das weitere Schicksal der vegetativen Energie
auch davon abhängt, wie einladend die Situation selbst ist, sich zu entspannen
bzw. es sich gut gehen zu lassen. Dieser Prozeß beginnt im Falle des OA mit
einer zentralen Stauung von Erregung, die sich dann in Abhängigkeit der
Charakter- und Körperstruktur des Menschen in Richtung (vegetativer,
psychischer) Peripherie bewegt, um sich dort Ausdruck zu verschaffen (vgl.
REICH 1982). Je nachdem, wie die aktuelle Umweltsituation beschaffen ist, bzw.
der aktuelle Funktionszustand des Individuums ist, wird sich die zentral
gestaute Erregung ausdrücken können. Während der OA-Sitzung dürfte die zentrale
Stauung eher zunehmen. So ist auch aufgrund vorerst unsystematischer
Beobachtungen anzunehmen, daß, wie schon LASSEK (1982) vermutete, aufgrund der
Erregungsstauung periphere vegetative Funktionen aktiviert werden. Wenn man den
zahlreichen Erfahrungsberichten Glauben schenkt, dann drückt sich das auch in
der zunehmend kürzer werdenden Verweildauer der OA-Benutzer nach einer größeren
Anzahl von Sitzungen über ein oder mehrere Jahre hinweg aus, bis sie
schließlich ganz auf den OA verzichten.
Im vorliegenden Experiment waren die Ausdrucksmöglichkeiten
der Person durch die enge Begrenzung während der Kastensitzung und die
Strukturiertheit des Experiments nur eingeschränkt möglich, weshalb die
Hypothesen allgemein dahingehend formuliert wurden, daß vegetativ zumindest
teilweise die zentrale Stauung selbst zum Ausdruck kommt.
Es stehen den Ergebnissen zu Folge einander eine
sympathische und parasympathische Tonussteigerung gegenüber. Sie können ins
Konzept der Sexualökonomie (d.h. der Art, wie das Individuum mit seiner
sexuellen, emotionalen, vegetativen, Energie haushält, d.h. wieviel es davon "orgastisch"
(d.h. lustvoll) umsetzen kann, und wieviel es zurückhält, aufstaut oder z.B. in
neurotischen oder psychosomatischen Störungen "verbratet")
eingegliedert werden. Daß der sexualökonomische Standpunkt praktisch
untersuchbar ist, ist besonders aus dem Ergebnis der Untersuchung der
Kovariation der abhängigen Variablen ersichtlich, wo eine signifikante
Kovariation zwischen den Variablen EMGFSD (Stirnmuskelspannungsvariation) und
SUMSCORE (Höhe der Befindlichkeit) und den beiden STAI-Angstskalen sowie der IPC-Skala
C festgestellt wurde. Der Zusammenhang konnte post hoc durch das Konzept der
Libidoökonomie bzw. das der Panzerungsfunktion theoriekonform interpretiert
werden.
Die absoluten und die relativen Temperaturanstiege an den
Händen und den Füßen im OA gegenüber dem KK bedeuten physiologisch und
sexualökonomisch einen vagischen Effekt. Der Anstieg der Hautleitfähigkeit im
OA ist hingegen physiologisch wie auch sexualökonomisch per definitionem ein
sympathischer Effekt. Dasselbe gilt für die verringerte PSD, der
Pulsfrequenzvariation. Nicht definiert in der Physiologie des vegetativen
Nervensystems ist die Muskulatur. Sexualökonomisch ist die Muskulatur der
vegetativen Peripherie zuzuordnen und der hier festgestellte Effekt der höheren
Muskelspannung im OA gegenüber dem KK ließe sich im Sinne prinzipiell als
Panzerungsmechanismus, aber auch als "zur Aktion bereite Spannung"
deuten. Hier sind prinzipiell zwei Möglichkeiten offen. Die gemessene erhöhte
Spannung der Muskulatur im EMG kann im Sinne der Sexualökonomie daher weder
eindeutig als sympathicotoner, noch als vagotoner Effekt gedeutet werden (der
Grund für die nicht eindeutige Zuordenbarkeit sexualökonomischer Konzeptionen
zu physiologischen Funktionen liegt darin, daß der gebräuchliche Parameter des
EMG unterschiedliche sexualökonomische Funktionszustände nicht adäquat
differenzieren kann; Es ist sowohl Lusterregung, als auch Angsterregung mit
einer Spannungszunahme der Muskulatur verbunden; hier wäre es wünschenswert,
Parameter auszuarbeiten, die diese Funktion berücksichtigen: eventuell wäre ein
Koeffizientparameter o.ä. von Nutzen.
Die beobachteten Effekte stehen in einer gewissen
Nahbeziehung zum psychophysiologischen Konzept der Aktivierung:
Hautleitfähigkeit, mittlere Muskelspannung und Pulsfrequenzvariation zeigen in
die Richtung einer Zunahme der Aktivierung, während es bei der peripheren
Durchblutung im Orgonakkumulator zu keiner Vasokonstriktion kommt, sondern sich
eine Vasokongestion einstellt. Gerade dieser Effekt ist wesentlich, da die Verschiebung
von Plasma in die Peripherie nach Reich ein Abbild der Urfunktion des
Gegensatzes von Lust und Angst ist. Im Zustand der Lust bewegt sich das
Individuum auf die Welt zu. Die Amöbe tut dies mit ihren Scheinfüßchen, die
durch Plasmaverschiebungen in Richtung Peripherie zustande kommen. Beim
Menschen passiert dasselbe, wobei diese Urfunktion sich des kardiovaskulären
Systems bedient. Im Zustand der Angst zieht sich die Amöbe mit ihren
Scheinfüßchen von der Welt zurück, der komplexe Organismus reagiert mit einer
Vasokonstriktion. Worin sich das Konzept der Sexualökonomie von jenem der
Aktivierung unterscheidet, ist erstens die Dimensionierung des
Forschungsgebietes, und zweitens die Berücksichtigung der libidoökonomischen
Funktion des Organismus, also eine qualitative Komponente. So läßt sich vorerst
feststellen, daß das Konzept der Aktivierung in großer Übereinstimmung mit dem
Reichschen Konzept der zentralen Entstehung vegetativer Impulse steht. Welches
Schicksal diese Impulse in der Folge erfahren, erklärt die Aktivierungstheorie
weniger differenziert. Im Reichs sexualökonomischen Erregungskonzpt gibt es die
Charakterlehre, die Segmentlehre und andere Konzepte der psycho-physischen
Verarbeitung vegetativer Erregungsimpulse. Dazu kommt eben noch der qualitative
Aspekt und des qualitativen Sprungs vom neurotischen bzw. psychosomatischen
Symptom zum Wohlfühlen (umsetzen der eigenen Entwicklungpotentiale) in Reichs
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Prof. Dr. Arnim Bechmann
Orgonomische Selbstregulation und postmaterialistische
Naturwissenschaft
1. Orgontheorie und gesellschaftliche Praxis
Wilhelm Reich hat mit dem Konzept der Orgontheorie der
Lebensforschung neue, wichtige Impulse gegeben. Er artikulierte die
Orgontheorie in langen Jahren des experimentellen Arbeitens, in denen er sich
um ein Verständnis von Lebenskräften und Lebensenergie bemühte.
Die Orgontheorie entwickelte sich so zu einem Spannungsfeld,
das von drei Polen aufgespannt wird (Vgl. Abb. 1)
der Frage nach der Existenz und den Eigenschaften von
Lebenskräften,
der systematischen Beobachtung von Lebensprozessen und des
gezielten Experiments mit
ihnen,
der theoretischen Deutung des experimentell gefundenen
Anschauungs- und Datenmaterials.
Wilhelm Reichs Orgontheorie wird bislang von herrschenden
Wissenschaft, (d. h. von den Universitäten und staatliche
Forschungsinstitute derzeit noch beherrschenden und an einem materialistischen
Naturbild orientierten Wissenschaft) nicht zur Kenntnis genommen, belächelt
oder für "verrückt" erklärt. Dennoch gibt es wichtige und sich
ständig ausdehnende Praxisfelder in unserer Gesellschaft, in denen nach
orgontheoretischen Vorstellungen gearbeitet wird und in denen sich Reichs
orgonenergetisches Konzept in der Praxis bewährt. Das was herrschende
Wissenschaft für nicht existent hält, schafft sich seit Jahren im
gesellschaftlichen Alltag einen ständig wachsenden Lebensraum. Beispiele
hierfür sind:
das Vordringen bioenergetischer Körpertherapien,
die Weiterentwicklung der Reich'schen Vegeto-/Orgontherapie,
die Nutzung von Orgonakkumulatoren,
(leider auch) der Umgang mit Cloud-Bustern.
Ich möchte im folgenden über ein weiteres Feld der Anwendung
der Reich'schen Orgontheorie sprechen, in dem sich orgonenergetische,
homöopathische und radionische Konzepte miteinander verbinden. Es handelt sich
um die Anwendung sogenannter transmaterialer Katalysatoren.
Der Begriff des transmaterialen Katalysators ist ein
Arbeitsbegriff, den ich eingeführt habe um eine bestimmte Form der Technik
Orgonenergie zu binden, zu konzentrieren und in ihrer Qualität zu gestalten, zu
benennen. Ich werde diesen Begriff in Abschnitt 3 genauer erläutern.
Transmateriale Katalysatoren werden in Deutschland heute in
den Bereichen Humanmedizin, Veterinärmedizin, Gartenbau, Landwirtschaft,
Wasserenergetisierung/-reinigung und Nahrungsmittelverbesserung genutzt. Oft
geschieht dies allerdings, ohne daß die Anwender eine konkrete Vorstellung davon
haben, was ein transmaterialer Katalysator ist, wie er wirkt und welche Risiken
er eventuell beinhalten kann. D. h., die Praxis ist unaufgeklärt und der
Anwender blickt nur auf den erwarteten Nutzen, ohne den transmaterialen
Katalysator in seiner Ganzheit oder seinem Wesen zur Kenntnis zu nehmen.
Im folgenden werde ich zunächst Wilhelm Reichs Konzept der
orgonomischen Selbstregulation mit dessen Hilfe die Wirkungsweise
transmaterialer Katalysatoren ansatzweise gedeutet werden kann, darstellen. Im
Folgeschritt werde ich den Begriff "transmaterialer Katalysator"
erläutern und ein einfaches Erklärungsmodell für transmateriale Katalysatoren
skizzieren. Daran anschließend werde ich kurz über empirische Arbeiten zu
transmaterialen Katalysatoren berichten, um abschließend anzudeuten, welche
Möglichkeiten und welche Risiken in ihrer Nutzung liegen.
Im Ausblick möchte ich kurz das Konzept einer
Nachmaterialistischen Naturwissenschaft erläutern, in welches nach meiner
Vermutung heutige Naturwissenschaft und Außenseiterkonzepte wie die
Orgontheorie Wilhelm Reichs in den nächsten Jahrzehnten einmünden werden.
2. Orgonomische Selbstregulation
2.1. Grundaussagen der Orgontheorie
Wilhelm Reich war stolz darauf, daß die Orgontheorie
(Orgonomie) werder ein spekulativer Entwurf noch gar eine "schnelle
Erfindung" war, sondern daß sie im Prozeß intensiver empirischer Forschung
geformt und gewachsen ist (Vgl. Abb. 2). Bezogen auf die Wissenschaft seiner
Zeit hinterließ Reich mit ihr ein neues Paradigma der Lebensforschung.
Die zentrale Leistung des orgonomischen Paradigmas liegt in
der radikalen Veränderung des Blickes auf Welt. Reich vollzieht hier aus
methodischer Sicht eine „kopernikanische Wende“. der Lebensforschung. Seine
Grundannahme von einer, aller Materie, allem Lebens und allem
Seelisch-Geistigen zugrunde liegenden Urenergie, die eigenen Gesetzmäßigkeiten
folgt, bedeutet einen Bruch mit dem herrschenden naturwissenschaftlichen
Weltbild des 20. Jahrhunderts. Im Reich´schen Paradigma der Orgonomie ist
letztendlich die Lebenskraft der Materie vorgeordnet, während, der gängigen
Meinung folgend, Leben eine späte komplexe Form der Organisation von Materie
ist. Reich vollzieht diese „kopernikanische Wende“, indem er die Existenz von
Energien und Kräften behauptet, die er Orgonenergie nennt. Diese Existenz
versucht er durch Evidenzverweise (Wahrnehmungsformen von Orgonenergie),
Bionforschung, praktische Tauglichkeit orgontechnischer Geräte,
(Orgon-Akkumulator, Cloud-Buster usw.) zu belegen.Orgonenergie nimmt nach Reich
bestimmte Zustände oder Qualitäten an und kann sehr mächtige Wirkungen hervorrufen.
Orgonenergie kann z. B.:
sich zu Materie verdichten,
Grenzflächen bilden und damit energetische Felder und Systeme,
die ein Innen und ein Außen aufweisen, generieren,
Lebensprozesse hervorrufen,
komplexe Lebewesen integrieren und in ihrem Verhalten
steuern.
Orgonenergie hat eigene Gesetze. Orgonenergie kann
z. B. unterschiedliche Zustände einnehmen, die sich zum Teil polar auch
oder antagonistisch gegenüberstehen. Auf Grund dessen können orgonomische
Systeme dialektische Prozesse durchlaufen.
In seiner ausgestalteten Form lassen sich das Reich’sche
Konzept der Orgontheorie und das durch diese Theorie geschaffene Paradigma,
verkürzt und holzschnittartig wie folgt zusammenfassen:
Alles Sein hat seinen letzten Grund in einem universalen
Ozean von Orgonenenergie. Sie ist die "Ur-Substanz", die
"Ur-Energie", aus der alles hervorgeht, was Welt ausmacht.
Die Orgonenergie gehorcht Gesetzmäßigkeiten, die von denen
physikalischer und chemischer Energien abweichen. Die wichtigsten dieser
Gesetzmäßigkeiten sind in der Tab. 1 aufgeführt.
Orgonenergie kann drei fundamentale Grundzustände annehmen
(Vgl. Abb. 3). Sie kann
in ihrer Ursprungsform pulsieren. (Reich nennt diesen
Zustand "pulsierende Orgonenergie" oder OR)
in ihrer Pulsation übererregt werden (Reich bezeichnet
diesen Zustand mit "ORANUR")
erstarren bzw. blockieren (Reich spricht hier von
"Deadly Orgone Energy" oder DOR).
Materie bildet sich durch Überlagerung und Verdichtung von
Wellen im Orgonozean.
Allen Lebensprozessen liegt das Pulsieren von Orgonenergie
im belebten Organismus zugrunde. Wird diese Pulsation behindert oder
blockiert, so kommt es zur Devitalisierung, zur Deformation von Leben oder
sogar zu Todesprozessen.
Die Erde ist von einer intensiven, pulsierenden Orgonhülle
umgeben. Die globale, regionale oder lokale Qualität dieser Energiehülle
wirkt gestaltend auf Klima, Wetter und äußere Lebensbedingungen. Reich
erläutert dies im OROP-Wüste am Beispiel des Zusammenhanges von DOR-Wolken,
Dürre und Wüstenbildung.
Orgonenergie wirkt als Kernprozeß von Leben, sowohl
"innerhalb" von Mensch, Tier und Pflanze als auch außerhalb von
ihnen, so z. B. in der Orgonhülle der Erde. Orgonenergie kann sich dabei an
Materie binden.
Im Menschen äußert sich die Orgonenergie nicht nur in
unbewußten "autonomen"
Lebensprozessen, sondern auch in bewußt erlebten Emotionen, in Lust oder Angst
und in Sexualität.
Die möglichen Zustände von Orgonenergie
Die enge Verknüpfung von Orgonenergie und erlebter Emotion
ermöglichen es dem Menschen, die Qualität der ihn umgebenden Orgonenergie auf
sich wirken zu lassen (Resonanz) und wahrzunehmen, sofern er seinen eigenen
inneren Energiefluß nicht permanent blockiert oder sich gegen jede Wahrnehmung
der ihn umgebenden Energie emotional und körperlich panzert.
Reich gründet seine Wahrnehmung von Orgonenergie und damit
seine Empirie in weiten Bereichen auf die mögliche Resonanz zwischen dem im
Äußeren und dem im Innern des Menschen emotional erlebbaren Energiefluß. Zur
Wahrnehmung von Orgonenergie und ihrer jeweiligen Qualität hat Reich
unterschiedliche Wege beschritten (Vgl. Tab. 2). Reich hat subjektive, das
heißt an die sinnliche und emotionale Wahrnehmungsfähigkeit des Beobachters
gekoppelte Formen der Beobachtung und Beschreibung gewählt. Daneben hat er das
Wirken von Orgonenergie an lebenden Systemen auch nach herkömmlichen Verfahren
erforscht (z. B. Laborexperimente mit Krebsmäusen) und versucht, die Wirkung
von Orgonenergie mit Hilfe von physikalischen Meßgeräten indirekt sichtbar zu
machen. (Temperaturdifferenz am Orgonakkumular, Geiger-Müllerzähler, Orgonfeldmesser
usw.)
Tab. 1: Beispiele für
Beobachtungsmöglichkeit von Orgonenergie nach Wilhelm Reich
SAPA-Bione Aufladung von Nichtleitern (Gummihandschuh) Leuchterscheinung auf einer Fotoplatte Bionwasser reagiert am Fluorezenzmeter wie eine organische Substanz Atmosphäre Flimmern zwischen Sternen (Orgonoskop) Leuchtpunkte am Himmel Leuchtreaktionen des Orgonfeldmeters Orgon- Wärme-/Prickelgefühl im Körper akkumulator Leuchterscheinungen Temperaturdifferenz (innen/außen) Flockenentwicklung im Bionwasser Verringerung der Entladungsgeschwindigkeit eines Elektroskops im im Akkumulator veränderte Zählrate eines orgongeladenen Geiger-Müller-Zählers Veränderung der Geschwulstbildung bei Krebskranken in Verbindung mit Radioaktivität: Oranur-Effekt
2.2 Orgonomische Pulsation und Selbstregulation
Als Selbstregulation bezeichnet man die Fähigkeit eines
Systems einen bestimmten Zustand oder Entwicklungspfad auch bei von außen oder
innen auftretenden Störungen aufrecht zu erhalten. Selbstregulative Systeme
besitzen die Fähigkeit Störungen durch Regelung zu kompensieren. Man nennt ein
System homöostatisch, wenn es in der Lager ist, sein internes Mileau, so z. B.
seine essenziellen Variablen, in relativ engen Grenzen konstant zu halten. In
diesem Sinne sind z. B. alle höheren Tiere und der Mensch Homöostaten.
Aus der Sicht von Wilhelm Reich verleiht die Orgonenergie
allen lebenden Systemen ihre Lebensfähigkeit. Sie durchdringt sie, bildet ein
Feld um sie, pulsiert in ihnen und erhält so ihre Lebensfunktionen. Der
physische Tod und das Erlöschen der Orgonfunktion sind zwei eng gekoppelte
Vorgänge. Ein orgonomisches System ist voll funktionsfähig oder gesund, wenn es
auf einem, ihm angemessen hohen Energieniveau funktioniert und wenn in ihm
pulsierende orgonenergetische Auf- und Entladungsvorgänge ablaufen. (Vgl.
Müschenich, 1995, S. 166)
Gesunde (voll funktionsfähige) orgonomische Systeme besitzen
in der Regel die Fähigkeit zur Selbstregulation. D. h., sie sind in der Lage
ihren Lebensprozeß auch bei wechselnden äußeren Einflüssen oder bei bestimmten
inneren Störungen aufrecht zu erhalten. Therapien an gestörten orgonomischen
Systemen, wie z. B. Pflanzen, Menschen oder Tieren zielen deshalb im Sinne Wilhelm
Reichs darauf ab, die gestörte orgonomische Pulsation wieder in Bewegung zu
bringen.
Die orgonomische Pulsation kann gestört werden indem sie
blockiert wird (DOR-Bildung) oder in dem sie in einen Prozeß der Übererregung
(ORANUR) überführt wird. Die wechselseitige Beziehung pulsierender
Orgonenergie, DOR (blockierter Orgonenergie) und ORANUR (übererregter
Orgonenergie) wurde bereits in Abschnitt 2 angesprochen (Vgl. Abb. 2).
Störungen der natürlichen Pulsation eines lebenden Systems
bezeichnet Reich als Biopathie. Biopathien können in allen Organismen ebenso
wie in der die Erde umgebende Orgonhülle auftreten. Sie können sich in sehr
verschiedenen Krankheiten und Krankheitsverläufen zum Ausdruck kommen.
Umgekehrt kann die natürliche Pulsation eines lebenden
Organismus verstärkt und intensiviert werden, indem seine orgonomische
Durchlässigkeit und seine Energiehaltekapazität gesteigert werden. (Müschenich,
S. 158) Reich unterscheidet zwischen Überladungs- und
Unterladungsbiopathien. (Reich, 1951, S. 42-43, zitiert nach Müschenich, 1995,
S. 165)
Befindet sich ein orgonomisches System z. B. ein lebender
Organismus im Zustand der Biopathie, so gibt es verschiedene Strategien den
Lebensprozeß und damit auch die Selbstregulation in ihm wieder anzustoßen. Dies
kann z. B. dadurch geschehen, daß im Falle einer
Überladungsbiopathie Blockaden abgebaut und die gestaute
Energie zum Abfluß gebracht wird,
Unterladungsbiopathie der energetische Zugang zum
betreffenden System geöffnet und, oder seine energetische Haltekapazität erhöht
wird.
Reich hat für die Wiederherstellung der orgonomischen
Selbstregulation unterschiedliche Techniken und Geräte entwickelt.
Die bekannteste orgontherapeutische Technik ist die
Vegetotherapie aus der sich unterschiedlichste Varianten der bioenergetischen
Therapien entwickelt haben.
Als Instrumente sind vor allem der Orgonakkumulator sowie
der DOR- bzw. Cloud-Buster zu nennen. Der Orgonakkumulator reichert ein
Orgonfeld an, während der DOR-Buster Energie abzieht und somit geeignet ist
Stausituationen aufzulösen oder Konzentrationsgefälle zu schaffen.
Um selbstregulatorische Prozesse in orgonomischen Systemen
wiederherzustellen oder zu unterstützen richtet Reich seine Aufmerksamkeit auf
die Intensität (Stärke) und die Pulsationsfähigkeit des Orgonflusses in und um
das betrachtete System. Qualitative Differenzierungen frei pulsierender
Orgonenergie faßt er dabei zunächst nicht ins Auge. D. h., er unterscheidet
nicht zwischen der Qualität pulsierender Orgonenergie in unterschiedlichen
menschlichen Organen, in unterschiedlichen Menschen oder in Menschen, Tieren
und Pflanzen.
Seit Reich sind in unterschiedlichen Anwendungsbereichen
Strategien und Vorgehensweisen zur orgonomischen Revitalisierung und
Wiederherstellung der orgonomischen Selbstregulation entwickelt worden. Zu
ihnen gehören
die bereits erwähnte Vegetotherapie und alle an sie
anknüpfenden bioenergetischen Therapieformen,
die Orgontherapie nach Reich und ihre Weiterentwicklung
durch Heiko Lassek,
der Einsatz des Cloud-Busters zur Beeinflussung der
orgonomischen Selbstregulation in der Atmosphäre und des Wetters,
die Nutzung des Orgonakkumulators zur Unterstützung von
Lebensprozessen bei Pflanzen, Tieren und Menschen sowie zur Energetisierung von
Wasser,
die Verwendung des DOR-Busters im medizinischen Bereich.
Alle diese Umgangsweisen mit Orgonenergie zielen entweder
darauf ab biologische Prozesse innerhalb eines Organismus mit den Mitteln
dieses Organismus zu verändern (Vegetotherapie, Bioenergetik) oder die
orgonomische Umwelt des Organismus mit Hilfe von Orgongeräten zu verändern. In
einigen dieser Fällen werden beide Techniken sinnvoll und erfolgreich
miteinander kombiniert, so z. B. in der Orgontherapie.
Im folgenden möchte ich nun am Beispiel der sogenannten
transmaterialen Katalysatoren einen weiteren Weg schildern, Prozesse der
orgonomischen Selbstregulation zu unterstützen und gestörte orgonomische
Systeme zu revitalisieren.
3. Transmateriale Katalysatoren
3.1. Orgongeräte und transmateriale Katalysatoren
Wilhelm Reich hat die Frage, ob man Orgonfelder, die an
einer Stelle produziert werden, transportieren kann und welchen Nutzen dies
eventuell hat, nicht systematisch untersucht, obwohl ihm die Transportfähigkeit
von Orgonfeldern bekannt war (Aufladung von elektrischen Nichtleitern durch
Orgonenergie).
In den vergangenen Jahren hat der Transport von künstlich
erzeugten Orgonfeldern in Deutschland eine erhebliche Bedeutung erlangt. Dabei
wird dem Qualitätsspektrum eines pulsierenden Orgonfeldes intensive
Aufmerksamkeit gewidmet. (Das Qualitätsspektrum eines Orgonfeldes ist etwas,
was Reich kaum bekannt war und womit er sich nur in Nebenbemerkungen
beschäftigt hat.) Qualitätsspektren lebensenergetischer Felder spielen
z. B. in der Homöopathie oder der Radionik eine wichtige Rolle.
Ein homöopathisches Mittel wird z. B. gewonnen, indem ein
aufbereitetes Ausgangssubstrat durch Verdünnen und Verschütteln
"energetisiert" wird. Der Homöopath nennt diese Vorgänge potenzieren.
Ein homöopathisches Mittel besteht aus der Sicht herrschender Naturwissenschaft
letztendlich fast ganz oder sogar vollständig aus Wasser (bzw. Milchzucker). Es
kann somit weder chemisch noch elektromagnetisch wirken. Sofern es einen
Einfluß auf ein Lebewesen ausübt, so ist dieser als
"lebensenergetische" Wirkung auf das beeinflußte System (den
behandelten Organismus) zu deuten. (Selbst der in diesem Kontext häufig
genannte Placebo-Effekt ist naturwissenschaftlich als "lebensenergetischer
Wirkungsmechanismus" einzustufen. Die Wirkung, die ein homöopathisches
Mittel hervorruft ist wesentlich von dem aufbereiteten Ausgangsmaterial,
d. h. der Urtinktur abhängig. Homöopathische Mittel werden demzufolge auch
nach den jeweiligen Urtinkturen und nach dem durch potenzieren erreichten
Energieniveau benannt (Abb. 4)
Radionische Geräte arbeiten nach einem ähnlichen
Grundprinzip. Sie rufen eine nicht-chemische, nicht-elektromagnetische Wirkung
in einem lebenden System hervor, indem sie dieses mit modulierter (qualitativ
gefärbter) "Lebensenergie" bestrahlen. Auch hier kann die Modulation
(qualitative Färbung) der Strahlung von Ausgangssubstanzen abgegriffen werden.
Homöopathische Mittel oder radionisch erzeugte
"Strahlungen/Felder" weisen, soweit man heute empirisch vermuten
kann, Wirkungsspektren auf, die von dem gewählten Ausgangsstoff und der
Intensität der verwendeten Energetisierungsprozessen abhängen. Bei radionischen
Geräten kann der Ausgangsstoff durch wählbare Geräteneinstellungen simuliert
werden.
Orgongeräte konzentrieren Orgonenergie (Orgonakkumulator)
oder saugen Orgonenergie an und leiten sie in ein Transportmedium ein
(DOR-Buster). Sie müssen punktuell d. h., an einen Standort plaziert werden und
wirken von da aus ins Umfeld. Ihre Wirkung kann allerdings sehr weit reichen.
Transmateriale Katalysatoren (Vgl. Abschnitt 3.2) sind Träger,
die ein einmal künstlich erzeugtes Orgonfeld an den Platz tragen an den es zur
Wirkung kommen soll. Sie werden an einem Standort produziert und können in sehr
unterschiedlicher Form, an den für sie vorgesehenen Wirkungsort transportiert
werden. Mit Hilfe von transmaterialen Katalysatoren lassen sich folglich auch
größere Landflächen und bewegte Systeme gezielt beeinflussen. Diese
Beeinflussung kann darauf ausgelegt sein, am Wirkungsort die Konzentration von
Orgonenergie zu verändern oder spezifische Bereiche des Qualitätsspektrums zu
überlagern.
3.2. Transmateriale Katalysatoren - Eine Begriffserläuterung
Als transmateriale Katalysatoren bezeichne ich materielle
Systeme, die das Verhalten biologischer Systeme beeinflussen, ohne mit diesen
in einen Wirkungszusammenhang zu treten, der im Rahmen der herrschenden
naturwissenschaftlichen Paradigmen wahrnehmbar ist. Darüber hinaus sind im
Rahmen herrschender Naturwissenschaft weder die Wirkungen dieser Katalysatoren
zu erklären noch gezielt zu prognostizieren.
Transmateriale Katalysatoren sind somit zunächst
Katalysatoren im gängigen Sprachgebrauch. Das Adjektiv
"transmaterial" kommt hinzu, da diese Katalysatoren im herkömmlichen
naturwissenschaftlichen Weltbild weder physikalisch noch chemisch gedeutet
werden können.
Eine große Klasse von transmaterialen Katalysatoren läßt
sich jedoch ansatzweise beschreiben und verstehen, indem das Reich'sche Konzept
der Orgonenergie mit den Konzepten der Homöopathie oder der Radionik
zusammengeführt werden.
Ein transmaterialer Katalysator besteht aus folgenden
Komponenten:
einem materiellen Träger (Trägersubstanz),
einem künstlich erzeugten Orgonfeld, welches an diesen
Träger gekoppelt wird,
einer qualitativen Ausprägung (qualitativen Färbung), die
diesem Feld eingeschrieben bzw. aufmoduliert wird. (Manche Autoren sprechen
davon, daß das Feld informiert bzw. das dem Feld Informationen eingeprägt
wird.)
Das Orgonfeld, welches an die Trägersubstanz angekoppelt
wird, kann mit Hilfe eines Reich'schen
Orgonakkumulators erzeugt werden. In Abb. 5 ist die
Herstellung eines Transmaterialsen Katalysators nach dem Prinzip des
"Plocher-Energie-Systems" wiedergegeben. ( Geräte zur Herstellung
Transmaterialer Katalysatoren werden hier als Transmateriale Generatoren
bezeichnet. )
Der Wirkungsprozeß transmaterialer Katalysatoren läßt sich
folgendermaßen beschreiben:
Ein Ausgangsstoff wird in ein starkes Orgonfeld gebracht dem
eine bestimmte Qualität so z. B. durch Einbringen eines bestimmten Materials
aufgeprägt wird.
Ist dies geschehen, so wird der transmateriale Katalysator
an den für ihn vorgesehenen Wirkungsort, d. h., den Ort an dem er wirken soll,
gebracht. Die Wirkung geschieht nicht auf stofflicher oder elektromagnetischer
Basis, sondern über das an die Wirkungssubstanz gebundene, modulierte
(qualitativ gefärbte) Orgonfeld.
Der Begriff transmaterialer Katalysator erschließt sich aus
dieser phänomenologischen Wirkungsbeschreibung. Ein transmaterialer Katalysator
wirkt insoweit wie er wirkt weder chemisch-stofflich noch physikalisch
energetisch, sondern "lebensenergetisch". Da
"Lebensenergie" für die herrschende Naturwissenschaft nicht
existiert, ruft ein transmaterialer Katalysator eine Wirkung hervor, die im
herrschenden naturwissenschaftlichen Weltbild nicht erfaßt werden kann und die
von der Trägersubstanz allein, nicht erwartet werden kann. Es ist deshalb
plausibel, daß herrschende Naturwissenschaft kein Interesse an der Erforschung
transmaterialer Katalysatoren zeigt.
3.3. Ein einfaches Deutungsmodell
Im vorangehenden Abschnitt wurde der Begriff des
transmaterialen Katalysators bereits mit Hilfe eines einfachen Feld-Modelles
eingeführt. Im folgenden soll dieses Modell unter Verwendung von Sheldrake's
Theorie der morphischen Felder und im Rückgriff auf Reichs Orgonomie erweitert
werden. Man geht dabei von der Reichianischen Vorstellung aus, daß
Orgonenergie vor aller Materie existiert und im ganzen Universum
anzutreffen ist.
die Erde eine konzentrierte Orgonhülle besitzt.
Fügt man diesen
empirisch gestützten Annahmen die von Sheldrake geäußerte Vermutung
hinzu, daß alle materiellen Systeme von einem organisierenden Feld jeweils
spezifischer Qualität umgeben sind, so ergibt sich ein Modell, in dem die
Wirkungsweise eines transmaterialen Katalysators darstellbar wird.
Führt man die Vermutungen Sheldrake's und Reichs zusammen,
so kann man unterstellen, daß alle Objekte von einem für sie spezifischen
formstiftenden, organisierenden und Lebensprozesse regulierenden Orgonfeld
umgeben sind. Sheldrake nennt diese Felder "morphisch". Mit Hilfe des
morphischen Feldes werden materielle Systeme als zweidimensional gedeutet.
(Vgl. Abb. 6) Sie besitzen
einerseits die, auch einer gängigen naturwissenschaftlichen
Beschreibung zugrunde gelegte, materielle Struktur
andererseits verfügen sie über ein, an diese materielle
Substanz gekoppeltes, morphisches Feld.
Das morphische Feld besitzt eine gewisse Eigenständigkeit
und ist damit in der Lage strukturierend, organisierend und Lebensprozesse
regulierend auf materiale Systeme einzuwirken. Da nach Sheldrake morphische
Felder untereinander interagieren und da morphische Felder auf materielle
Systeme strukturierend einwirken können, gelingt es Sheldrake biologische
Prozesse primär aus den Eigenschaften morphischer Felder zu erklären. Man
könnte aus seiner Sicht sagen, daß morphische Felder Programme in sich tragen,
mit deren Hilfe materielle Strukturen in ihrer Formgestaltung, in ihrer
Organisation und in ihrer Steuerung/Selbstregulation beeinflußt werden können.
Morphische Felder enthalten also Programme mit deren Hilfe materielle Abläufe
beeinflußt, gesteuert oder reguliert werden können.
Folgt man der Annahme, daß transmateriale Katalysatoren
Trägersubstanzen mit speziell aufbereiteten morphischen Feldern sind, so läßt
sich ihre Wirkungsweise im Sheldrake'schen Modell ansatzweise deuten, sofern
dieses um zwei ergänzende, auf Reich zurückführbare, Annahmen erweitert wird.
Diese Annahmen lauten:
Es gibt bestimmte Substanzen, an die sich künstlich
morphische Felder binden lassen
Es gibt Verfahren und Techniken morphische Felder einer
bestimmten Stärke und einer bestimmten Qualität künstlich herzustellen.
Treffen diese beiden Annahmen zu, so lassen sich an
ausgewählte Trägersubstanzen morphische Felder mit einer künstlich beeinflußten
Intensität und Qualität ankoppeln. Transportiert man diese Trägersubstanzen mit
einem gekoppelten morphischen Feld in ein biologisches System, so kann sich das
morphische Feld der Trägersubstanz, mit dem des biologischen Systems nach dem
Prinzip der morphischen Resonanz überlagern. Morphische Resonanz tritt dann
auf, wenn Trägersubstanz und biologisches System in ihren morphischen Feldern
ähnliche oder gleiche Qualitäten aufweisen. Bei der Erstellung eines
künstlichen morphischen Feldes muß lediglich darauf geachtet werden, daß das
künstliche Feld auch Qualitäten enthält, die diese morphische Resonanz oder
allgemeiner ausgedrückt, die Koppelung zwischen dem Feld der Trägersubstanz und
dem Feld des beeinflußten Systems ermöglichen. (Vgl. Abb. 7)
Abb.6 Grundmodell eines morphischen Feldes nach Rupert Sheldrake
Durch die Überlagerung wird das Feld des beeinflußten
Systems verändert und wirkt so verändert organisierend auf das betroffene
System. Es unterstützt in ihm biologische Prozesse, die vielleicht im
unbeeinflußten Zustand erschwert oder blockiert waren. Diese Beeinflussung kann
sowohl durch die Intensität (Stärke, Konzentration des Orgonfeldes) als auch
durch die Qualität (qualitative Färbung, enthaltenes Programm) des morphischen
Feldes ausgelöst werden. Durch morphische Koppelung oder morphische Resonanz
wird somit das Programm des Feldes der Trägersubstanz in das Feld des
beeinflußten Systems übergeben. Ebenso kann das Feld des beeinflußten Systems
durch das Feld der Trägersubstanz hinsichtlich seiner Intensität verstärkt
werden. Findet tatsächlich eine solche Koppelung morphischer Felder statt, so
stellt sich die Frage, ob diese Koppelung nur mit dem unmittelbar materiellen
beeinflußten System stattfindet, oder ob sie auch mit entfernteren Systemen, in
die die Trägersubstanz nicht materiell eingebracht wird auftreten kann. Das
Prinzip der morphischen Resonanz oder allgemeiner, der morphischen Koppelung
läßt solch eine "Fernwirkung" durchaus vorstellbar erscheinen. In der
Praxis unserer Experimente mit transmaterialer Katalysatoren zeigte es sich,
daß solche Fernwirkungen tatsächlich auch auftreten. So läßt sich z. B. das
Umfeld eines transmaterialen Katalysators nur schwer gegen dessen Wirkung ganz
oder teilweise abschirmen.
4. Zur Wirkungsweise transmaterialer Katalysatoren
4.1. Zur Berbreitung transmaterialer Katalysatoren im Alltag
In Deutschland werden heute unterschiedliche transmateriale
Katalysatoren im Bereich der Humanmedizin, des Gartenbaus, der Forstwirtschaft,
der Landwirtschaft sowie zur Gewässerreinigung, zur Wasserenergetisierung oder
zur Nahrungsmittelverbesserung bereits käuflich angeboten. Von ihnen werden
sehr weitreichende und sehr erstaunliche Wirkungen behauptet (Vgl. Tab. 2).. Da
diese Produkte inzwischen einen breiten, ideologisch sehr uneinheitlichen
Käuferkreis aufweisen, ist zu vermuten, daß die behaupteten Wirkungen im
Regelfall tatsächlich mehr oder minder deutlich eintreten.
Transmaterialen Katalysatoren werden von einigen der
Hersteller solcher Produkte auch als Bio-Katalysatoren bezeichnen
Ihnen werden gewisse Eigenschaften zugesprochen, wie z. B.:
sie wirken in kleinen Mengen,
sie verbinden sich nicht mit dem beeinflußten System,
sie wirken sehr spezifisch.
Beispiele für transmateriale Katalysatoren
Nr Mittel Art des Katalysators Anwendungsbereich aus der Sicht seiner Hersteller
1 Biplantol homöopathisches Mittel Stärkung der Selbstreinigungs- kräfte von Oberflächengewässern, Aktivierung des Bodenlebens, Stärkung von Pflanzenvitalität und und Pflanzenwachstum, Homogenisierung und Verrottung von Gülle.
2 Bio-Aktiv "informatives" Kreidepulver Stärkung von Pflanzenvitalität und -wachstum, Homogenisierung und Verrotung von Gülle.
3 Bion Impulsgeber für die Aktivierung Stärkung der Resistenz von der "systemisch aktivierten Pflanzen Resistenz" (SAR) einer Pflanze
4 PENAC " informatives" Quarzmehl Stärkung der Selbstreinigungs- kräfte von Oberflächengewässern, Aktivierung des Bodenlebens, Stärkung von Pflanzenvitalität und -wachstum, Homogenisierung und Verrottung von Gülle.
5 SILPAN homöopathisches Mittel Aktivierung des Bodenlebens, Stärkung von Pflanzenvitalität und- wachstum
6 SYMBO "informierte" Hartferritfasern Aktivierung des Bodenlebens,
Stärkung von Pflanzenvitalität
und- wachstum
7 program- kontinuirlich verstärktes Orgon- Aktivierung des Bodenlebens,
mierter feld mit biologischem Programm Stärkung von Pflanzenvitalität
ORGON- und- wachstum Booster
Viele transmateriale Katalysatoren sind in der Praxis sehr
einfach zu handhaben. Sie werden dem jeweiligen System in einer geringen Menge
in Wasser gelöst, als Gesteinsmehl oder durch Einfügen eines festen
Gegenstandes beigegeben. Dabei wird vermutet, daß die eingebrachten Flüssigkeiten,
das Gesteinsmehl oder auch der feste Körper stofflich keine relevante Wirkung
auf das behandelnde System haben. Die Hersteller dieser Produkte vermelden
vielmehr, daß ihre Produkte eine "Information" mit sich
transportieren, auf die das behandelte System energetisch reagiert.
Offen bleibt, wie das System diese "Information"
erkennt, wie es auswertet und welche Dimension die Reaktionsenergie hat.
Jeder der Hersteller solcher transmaterialer Katalysatoren
gibt einen etwas anderen Erklärungskommentar für sein Mittel. Gemeinsam ist
ihnen allen die nachprüfbare Behauptung, daß die Trägerstoffe, durch die die
sogenannte biologische Informationen transportiert wird, die beobachteten
Reaktionen des beeinflußten Systems im Normalfall (das heißt
"uninformiert" oder im Urzustand) nicht auslösen.
4.2. Empirische Pre-Tests zur Wirkung von transmaterialen Katalysatoren
Am Institut für ökologische Zukunftsperspektiven wurden im
vergangenen Jahr unterschiedliche Versuche mit einigen der o. g.
transmaterialen Katalysatoren durchgeführt. Ziel dieser Versuche war es:
festzustellen, ob und auf welche Art und Weise von solchen
Mitteln tatsächlich eine wahrnehmbare Wirkung ausgeht,
Erfahrungen über das Wirkungsspektrum solcher Katalysatoren
zu gewinnen,
Vorarbeiten für die Erstellung einer Testbatterie zu
leisten, mit deren Hilfe das Wirkungsspektrum eines zunächst nicht bekannten
unkonventionellen transmaterialser Katalysators geortet werden kann.
Für diese Pretests wurden unterschiedliche Versuchsaufbauten
gewählt, die jedoch einige Gemeinsamkeiten hatten:
Es handelte sich um relativ einfach zu überschauende
Systeme,
Die meisten dieser Versuchsaufbauten werden auch im Rahmen
der herrschenden biologischen Forschung eingesetzt,
Die genutzten Versuchsaufbauten sind konventionellen
Beobachtungsverfahren zugänglich,
Die Versuchsanordnungen sind grundsätzlich leicht
reproduzierbar,
Die einzelnen Versuchsaufbauten sind Teil einer
Testbatterie, die große Bereiche des behaupteten Wirkungsspektrums der
unkonventionellen, bioenergetischen Katalysatoren überdeckt.
Darüber hinaus wurden auch Pretests an komplexen
Öko-Systemen durchgeführt.
Im folgenden Abschnitt wird eine überschlägige
Grobauswertung einiger dieser Versuche geschildert. Aus ihr wird deutlich, daß,
auch wenn man auf konventionelle Wahrnehmungsparameter zurückgreift, eine
Wirkung der untersuchten Mittel begründet vermutet werden kann. Die Versuchsergebnisse
werden an anderer Stelle ausführlich veröffentlicht. Auf sie soll deshalb hier
nur exemplarisch, nicht aber systematisch oder gar vertiefend eingegangen
werden.
4.3. Experimentelle Erfahrungen mit transmaterialen Katalysatoren
4.3.1. Die Versuchsbereiche
Am Zukunfts-Institut wurden wie bereits angesprochen bislang
in drei Bereichen Erfahrungen mit transmaterialen Katalysatoren gewonnen und
dokumentiert
Beim Einsatz in devitalisierten Öko-Systemen
Seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre führt das Institut
für ökologische Zukunftsperspektiven im Deister bei Hannover Versuche mit
unkonventionellen Mitteln zur Revitalisierung von Waldbäumen durch. Unter
diesen unkonventionellen Mitteln befanden sich transmaterialen Katalysatoren in
Form von homöopathischen Mitteln und Geräte mit denen solche Katalysatoren
hergestellt werden können. Mit ihnen wurden in Freilandversuchen Erfahrungen
gewonnen.
Seit 1996 testet das Zukunfts-Institut transmateriale
Katalysatoren zur Revitalisierung von anoxischen oder stark anoxisch gefährdeten
Bereichen im Nordseewatt (schwarze Flecken).
In Laborexperimenten wurde der Umgang mit transmaterialen
Katalysatoren in gut definierten und kontrollierbaren Versuchssituationen
getestet.
Dabei wurden unterschiedliche transmateriale Katalysatoren
eingesetzt und unterschiedlich strukturierte Versuchsanordnungen verwendet.
Die Arbeit mit transmaterialen Katalysatoren und die Nutzung
von Geräten mit deren Hilfe sie erzeugt werden können, wurde auch auf
Alltagssituationen ausgedehnt.
Solche Alltagssituationen sind z. B. die Behandlung von
Blumen, Gartenpflanzen und ähnlichem. Die dabei gewonnen Beobachtungen waren
nicht-systematischer Art, wurden aber manchmal durch kleine Protokolle und
häufiger durch Fotos dokumentiert. Das insgesamt vorliegende Material ist
dennoch aufschlußreich.
In den folgenden Abschnitten werden Ergebnisse aus einzelnen
dieser Experimente vorgestellt. Diese Darstellung soll lediglich einen
Überblick über die Wirkungsweise transmaterialer Katalysatoren vermitteln. Sie
ist skizzenhaft und baut auf ausführlichere an anderer Stelle oder noch nicht
veröffentlichten Versuchs- und Ergebnisbeschreibungen auf.
4.3.2. Freilandversuche
4.3.2.1. Revitalisierung von Waldbäumen
Seit 1986 führt das Zukunfts-Institut das Projekt "Test
von unkonventionellen Mitteln und Verfahren zur Stärkung der Vitalität von
Waldbäumen" im Deister, einem kleinen Mittelgebirge bei Hannover, durch.
Dabei werden insgesamt ca. 250 Bäume mit 12 unterschiedlichen Mitteln oder
Verfahren behandelt. Unter ihnen befinden sich zwei transmateriale
Katalysatoren in Form von homöopathischen Mitteln und ein Gerät mit dessen
Hilfe transmateriale Katalysatoren hergestellt werden können.
Die Behandlung von geschädigten Waldbäumen wurde 1987 zum
ersten Mal durchgeführt und bis 1996 regelmäßig wiederholt.
Die Bäume wurden nach der deutschen Waldschadenskartierung
und mit Hilfe ausführlicher Baumprotokolle jährlich hinsichtlich ihres
Vitalitätszustandes erfaßt.
Die folgenden pauschalierten Auswertungsergebnisse beziehen
sich auf die Einstufung nach der Waldschadenskartierung. Für die
Untersuchungsjahre 1987 bis 1994 wurde diesbezüglich ein durchschnittlicher
Entwicklungstrend für behandelte und für unbehandelte Bäume auf unterschiedlichen
Vergleichsflächen geschätzt.
Die Wirkung der eingesetzten transmaterialen Katalysatoren
differierte in Abhängigkeit dieses Mittels sowie des Alters und der Art der
behandelten Bäume.
Insgesamt ergab sich folgendes, in sich nicht ganz klares
Bild (Vgl. Abb. 8).
Die bisherige Versuchsauswertung ist allerdings erst
überschlägig durchgeführt worden. Wichtige Detailauswertungen stehen noch an.
4.3.2.2. Revitalisierung anoxischer Gefährdungsbereiche im Nordseewatt
Das deutsche Nordseewatt besitzt in vielen Bereichen eine
nur dünne belebte sauerstoffhaltige Decke. Unter ihr befinden sich
tiefgreifende anoxische Bereiche in denen keine Lebensprozesse möglich sind. In
den vergangenen Jahren, insbesondere aber im Jahr 1996, traten solche anoxischen
Bereiche auf großen Wattflächen bis an die Oberfläche. Dieser Prozeß wurde in
Form von sogenannten schwarzen Flecken auf denen kein Leben möglich ist und von
denen ein unangenehmer Geruch ausgeht erlebbar.
Auf einer parzellierten Testfläche von ca. 35 Hektar wurden
Versuchs- und Vergleichsflächen angelegt. Auf den Versuchsflächen wurden drei
unterschiedliche Typen von transmaterialen Katalysatoren im Herbst 1996
ausgebracht. Dies wurde zum Teil im Jahre 1997 einmal wiederholt.
Zwischen Herbst 1996 und Herbst 1997 wurden diese Flächen
monatlich im Hinblick auf die dort anzutreffende Makrofauna mit Hilfe von
Stichproben erfaßt. Obwohl dieses Verfahren einige Unsicherheiten in sich
birgt, kann es doch als Pre-Test für den Einsatz transmaterialer Katalysatoren
im Watt gewertet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind erst
ansatzweise ausgewertet.
Insgesamt deutet sich an, daß auf Flächen, die mit
transmaterialen Katalysatoren vorbehandelt sind, die Makrofauna als Spitze der
Lebenspyramide im Watt intensiver ausgeprägt ist. Auch die diesem Experiment
vorgeschalteten Vorversuche deuten daraufhin, daß Wattboden im Bereich
"schwarzer Flecken" durch transmateriale Katalysatoren beeinflußt
werden kann (Vgl. Tab. 4).
4.3.3. Laborexperimente
4.3.3.1. Grünalgen
In den Jahren 1995 und 1996 wurden am Zukunfts-Institut
Versuche mit Grünalgen unter Streß durchgeführt. Dabei wurden Grünalgen in
Aquarien in Dunkelheit gestellt und nur "kurzzeitig" beleuchtet. Die
Zeitspanne in der sie Licht erhielten, um so eine Photosynthese durchführen zu
können, wurde schrittweise immer weiter heruntergesetzt. Zunächst waren es acht
Stunden am Tag, später vier und schließlich standen die Grundlagen für einen
Zeitraum von fünf Monaten ganz im Dunkeln. Nach Einregulierung der Versuchsbedingungen
wurde einem der drei Apuarien ein transmaterialer Katalysator beigefügt. Er
zeigte unmittelbar, d. h. innerhalb eines Tages Wirkungen. Der Sauerstoffgehalt
im behandelten Becken stieg signifikant. Allerdings übertrug sich diese Wirkung
mit einem time-lag auch auf die beiden unbehandelten Vergleichsbecken. Die Übertragung
fand innerhalb von zwei Tagen statt. Dies Phänomen zeigte sich auch bei einer
zweiten Behandlung. Daraufhin mußte von der Annahme ausgegangen werden, daß es
mit der gewählten Versuchsanordnung nicht möglich sein würde ein echtes
Null-Becken zum Vergleich zu erzeugen. Aus diesem Grund wurden die Versuche
zwar weitergeführt, es herrschte aber Unsicherheit, welche Bedeutung sie unter
diesen Bedingungen haben könnten. Verwunderlich war, daß obwohl die
Belichtungszeiten immer weiter reduziert wurden, der Lebensprozeß in keinem der
Becken zum Erliegen kam. Auch als die Belichtung eingestellt wurde und auch die
Versorgung der Algen mit Nährstoffen eingestellt wurde kamen die Lebensprozesse
nicht zum Stillstand. Nach ca. fünf Monaten wurde der Versuch abgebrochen.
Anschließend wurde er einem zweiten Ansatz unter Dunkelheit wiederholt. Dieser
Versuchslauf währte sieben Monate. Mit nahezu dem gleichen Ergebnis.
In beiden Fällen führte die Zugabe eines bestimmten
transmaterialen Katalysators zur Steigerung der Sauerstoffwerte in den
behandelten und später auch in den unbehandelten Becken. Die Algenkulturen
überlebten monatelang ohne Licht und ohne Zuführung von Nährstoffen in reinem
Leitungswasser.
4.3.3.2. Gülle
In mehreren im Erdreich versenkten Fässern wurde die
Zersetzung von Gülle verfolgt (Vgl. Tab. 3). Auch hier gab es ein Faß,
welches mit einem transmaterialen Katalysator behandelt wurde und ein
Vergleichsfaß. Ähnlich wie im Algenversuch scheint es zu einem
Wirkungsüberschlag gekommen zu sein. Trotzdem sind leichte Unterschiede
zwischen den untersuchten Fässern zu erkennen. Die "behandelte" Gülle
hatte einen höheren PH-Wert als die Unbehandelte. In Bezug auf Homogenität,
Geruch und visuellen Gesamteindruck ähnelten sich behandelte und unbehandelte
Gülle, wirkten aber insgesamt homogener und weniger unangenehm riechend als
dies zu erwarten gewesen wäre.
4.3.3.3. KeimlingeAm Institut für ökologische Zukunftsperspektiven wurden in
den vergangenen Jahren Keimlingsversuche mit Hilfe unterschiedlichen
transmaterialer Katalysatoren in größerem Umfang durchgeführt. In diesen
Keimlingsversuchen wurde das Wachstum von Weizen- oder Bohnenkeimlingen unter
Streßbedingungen mit und ohne transmateriale Katalysatoren verglichen. Die
Ergebnisse zeigen, daß unterschiedliche transmateriale Katalysatoren, die
angeblich das Gleiche bewirken sollen, im Einzelnen in ihren Wirkungen
differieren. Dies wurde insbesondere an den Indikatoren Trieblänge und
Wurzellänge gut sichtbar. Im Hinblick auf den Gesamteindruck den die behandelten
und die unbehandelten Pflanzen vermitteln, schnitten die Behandelten besser ab
und zwar unabhängig davon, welche der getesteten Katalysatoren im Einzelfall
verwendet worden war (Vgl. Tab. 5).
Aus diesen Keimlingsversuchen geht hervor, daß das
Pflanzenwachstum vermutlich mit Hilfe transmaterialer Katalysatoren beeinflußt
werden kann. Das gleiche gilt für den allgemeinen Vitalzustand der behandelten
Pflanzen.
4.3.3.4. Spontangärung
Am Beispiel von Äpfeln und Karotten wurden Prozesse der
Spontangärung in Gang gesetzt. Das gärende Material wurde mit einem transmaterialen
Katalysator behandelt. Die Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten
Gärungsprozessen waren recht deutlich. Sie zeigten sich vor allem im äußeren
Erscheinungsbild, im Ausmaß der Verpilzung der gärenden Substanzen und in
unterschiedlichen Nährwerten.
Auch hier wirkten die behandelten Proben vitaler als die
unbehandelten.
4.3.4. Beobachtungen unter Alltagsbedingungen Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren unter
Alltagsbedingungen d. h. bei Zimmer- und Gartenpflanzen sind relativ vielfältig
aber sehr unsystematisch vorgenommen worden. Ich möchte deshalb hier lediglich
für einen bestimmten transmaterialen Katalysator, für den solche Beobachtungen
im Rahmen eines Projektes zusammengestellt wurden, zeigen, daß man auch auf
diesem Wege Hinweise für die Wirksamkeit dieser Mittel erhält. Die Art und
Weise wie konkrete Pflanzen auf einen transmaterialen Katalysator reagierten
dürfte allerdings aus vielerlei Gründen sehr spezifisch sein.
Die berichteten Beobachtungen wurden nicht systematisch, sondern
punktuell durchgeführt und soweit möglich per Foto dokumentiert. Als
Vergleichssituationen wurde die Erfahrung der Experimentatoren mit Pflanzen
ohne Behandlung gewählt und es wurden, da wo möglich, Vergleichssituationen
gesucht. Darüber hinaus wurde versucht abzuschätzen, was für eine bestimmte
Pflanze an dem jeweiligen Standort typisch ist, erwartet werden darf oder für
möglich angesehen wird.
Die gewonnenen Eindrücke waren bei den in den folgenden
Beispielen geschilderten Pflanzen eindeutig, so daß sie in Bezug auf die
jeweiligen Vergleichssituation oder die gängigerweise berechtigten Erwartungen
als markant einzuschätzen ist.
Als wichtigster Effekt zeigte sich, daß der getestete
transmateriale Katalysator vor allem das vegetative Wachstum (Längenwachstum
und Blattbildung) anregte und daß mit behandelten Pflanzen eine gewisse Tendenz
zur Buschigkeit aufwiesen. Diese Behauptungen werden durch die folgenden
Beispiele gestützt:
ein schmalblättriges Weidenröschen, daß mit Biplantol
behandelt wurde, zeigte ein Längenwachstum von ca. 3,30 m, was außerhalb aller
Erwartungen für diese Planze liegt,
Weihnachtssterne, die ungefähr ein ¾ Jahr im gleichen Topf,
ohne Düngung und unter schwierigen Bedingungen gehalten wurden, zeigten eine
unverhältnismäßig gute Blattentwicklung, einschließlich einer klaren Tendenz
zur Buschigkeit,
ein behandelter Lorbeerbusch in einem Mehrfamilienhaus
zeigte im Verhältnis zu einer nahezu identischen Vergleichssituation ein
üppiges vegetatives Wachstum und auch hier Tendenzen zu einer wesentlich
größeren Buschigkeit,
zwei Apfelbäume aus ein und der selben Baumschule am
gleichen Standort und zur gleichen Zeit gepflanzt zeigen nach zwei Jahren
hinsichtlich ihrer Triebentwicklung und Blattfülle deutliche Unterschiede (Vgl.
Abb. 9 und Abb. 10 ).
Das vermutlich stärkere vegetative Wachstum der behandelten
Pflanzen birgt jedoch auch mögliche Probleme. So reagierte z.B. der
geschilderte Apfelbaum auf eine längere Hitzeperiode indem er deutliche
Verwelkungserscheinungen zeigte. Ein mit dem transmaterialen Katalysator
behandelter Holunder begann zu schießen und ging in ein für einen Holunder
unübliches gestrecktes Längenwachstum über.
Abb. 9 Unbehandelter
Apfelbaum
Abb.
10 Behandelter Apfelbaum
Alle diese Beobachtungen waren mehr oder weniger zufällig
und sind im wissenschaftlichen Sinne als nicht gesichert anzusehen. Dennoch
geben sie Hinweise darauf, was in Zukunft systematisch zu untersuchen sein
könnte. Sie stabilisieren darüber hinaus die Vermutung, daß transmateriale
Katalysatoren grundsätzlich erkennbare Wirkungen an behandelten Pflanzen
hervorrufen.
5. Nutzen und Risiken transmaterialer Katalysatoren
Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren kann in vieler
Hinsicht von Nutzen sein. Durch transmaterialer Katalysatoren lassen sich z. B.
Wachstumsprozesse in Pflanzen unterstützen und optimieren,
Die Selbstregulationsfähigkeit von Pflanzen, Tieren und
Menschen erweitern und so deren Lebensfunktionen einschließlich der Immunabwehr
stärken,
Energetisch gestörte kranke Organismen therapieren und
revitalisieren,
Lebensenergetische Qualität und Haltbarkeit von Pflanzen
oder tierischen Produkten verbessern,
Gewässer reinigen und lebendig erhalten.
Kurzum, durch die Verwendung von transmaterialen
Katalysatoren können sehr verschiedene Lebensprozesse aktiv und naturgemäß
gestützt oder gestaltet werden. Vielerorts, wo heute stofflich eingegriffen
wird, so z. B. durch chemische Substanzen oder elektromagnetische Felder können
in Zukunft transmateriale Katalysatoren an die Stelle von Chemikalien und
elektromagnetischen Beeinflussungen treten. Ihr Wirken ist besser abstimmbar
auf den Bedarf von lebenden Systemen und sie können häufig auch da heilend oder
revitalisierend wirken, wo heute nur geringe oder gar keine therapeutischen
Möglichkeiten bestehen. (Chronische Krankheiten, Allergien und ähnliches)
Der Einsatz von transmaterialen Katalysatoren zeigt somit
wünschenswerte Perspektiven für eine naturgemäßen Gestaltung und Unterstützung
von Lebensprozessen auf.
Allerdings, auch die Nutzung von transmaterialen
Katalysatoren kann Probleme aufwerfen. Überall da, wo es durch technische
Instrumente oder Verhaltensstrategien möglich ist Effekte und Wirkungen
hervorzurufen, kann sowohl Nutzen, als auch Schaden gestiftet werden. Dies gilt
auch für transmateriale Katalysatoren. Ihr Gefahrenpotential ist erheblich.
So können transmateriale Katalysatoren nicht nur auf
lebensunterstützende, sondern auch auf lebenseinschränkende oder zerstörende
Prozesse hin entwickelt werden,
Auch in dem Fall wo keine böswillige Absicht vorliegt, kann
es dennoch zu lebensbeeinträchtigenden Wirkungen kommen. Werden z. B.
transmateriale Katalysatoren mit Orgonenergie sehr hoch aufgeladen, so kann es
geschehen, daß die Systeme in die sie eingeschleust werden, die Intensität der
eingeschleusten Orgonenergie nicht verarbeiten können. Es kann dann zu energetischen
Blockaden oder zu chronischen Überladungen bzw. Übererregungen kommen. Die
Balance zwischen Aufladung und Entladung wird gestört und Biopathien treten
auf. Transmateriale Katalysatoren, die ein erhöhtes Niveau orgonomischer Ladung
aufweisen interagieren mit Radioaktivität, Röntgenstrahlen oder
elektromagnetischen Feldern. Es treten ORANUR- und DOR-Effekte auf, die auf
lebende Systeme destruktiv wirken.
Transmateriale Katalysatoren, die nicht sachgemäß auf das
System in das sie eingeschleust werden abgestimmt sind, können in diesem
Lebensfunktionen verzerren oder verschieben.
D. h., sie entwickeln sich zur permanenten Störquelle.
Dies alles ist nicht neu, aber es ist an der Zeit es
wissenschaftlich systematisch wahrzunehmen und zu diskutieren. Geschieht dies
nicht, so besteht die Gefahr, daß die Nutzung von transmaterialen Katalysatoren
eine Form von biologisch-technischem Fortschritt auslöst, der genauso blind in
seine Folgeprobleme hineinstolpert wie dies der materialistisch-technische
Fortschritt des 19ten Jahrhunderts getan hat. Soll dies vermieden werden,
erscheint es mir notwendig, daß
die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten nach denen
transmateriale Katalysatoren funktionieren vorangetrieben und von Anfang an mit
der Erforschung der Folgen- und Nebenwirkungen transmaterialer Katalysatoren
verknüpft wird.
Menschen bewußt darauf vorbereitet werden, mit
transmaterialen Katalysatoren umzugehen. Diese Vorbereitung muß sich sowohl auf
den technischen Umgang beziehen als auch eine seelisch-moralische Vorbereitung
sein. Die Verantwortung, die derjenige der mit transmaterialen Katalysatoren
arbeitet für Lebensprozesse auf sich nimmt ist groß. Um ihr gerecht werden zu
können, bedarf es viel Liebe und Demut gegenüber den Lebensprozessen in der uns
umgebenden Natur.
6. Ausblick - Nachmaterialistische Naturwissenschaft als Grundlage naturgemäßen Handelns
In den nächsten Jahrzehnten wird sich das
naturwissenschaftliche Weltbild vermutlich grundlegend verändern. Im Bereich
der Biologie und der Medizin werden immer mehr Phänomene sichtbar, die sich
konventionell naturwissenschaftlich nur schwer oder gar nicht erklären lassen.
Greift man hingegen auf Theorien zurück, die wie die Reich'sche Orgontheorie
Vorstellungen von Lebensenergien und lebensorganisierenden Kräften beinhalten,
so wird es möglich diese Phänomene auch theoretisch zu erklären. Transmateriale
Katalysatoren und die von ihnen ausgehenden Wirkungen sind ein gutes Beispiel dafür.
Diese neue Art, die Welt naturwissenschaftlich zu begreifen versuche ich mit
dem Arbeitsbegriff der "Nachmaterialistischen Naturwissenschaft" zu
erfassen. Nachmaterialistische Naturwissenschaft geht von folgenden Annahmen
aus:
Vor- und hinter Materie gibt es organisierende Kräfte ohne
deren Wirken Leben nicht vorstellbar ist,
Diese organisierenden Kräfte sind die Voraussetzung für die
Bildung von Materie und für ihre Höherentwicklung.
Reich nennt diese organisierenden Kräfte Orgonenergie.
Sheldrake erfaßt sie aus einer anderen Perspektive, mit dem Begriff des
morphischen Feldes.
Rudolf Steiner geht noch weiter, indem er behauptet, daß es
nicht nur transmateriale organisierende Kräfte, sondern daß auch organisierende
Wesenheiten existieren, die mit Subjekthaftigkeit und Willen ausgestaltet sind.
Im Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft
wird Welt somit in zwei Dimensionen beschrieben.
Der uns bekannten materialen Dimension
Einer transmaterialen und lebenorganisierenden Dimension.
Diese Beschreibung kann mit Hilfe der Sprache der
Systemtheorie weiter ausdifferenziert werden. Sie bietet einen Rahmen in dem
unterschiedliche ,Lebenskräfte postulierende, Beschreibungen von Natur und Welt
miteinander in Verbindung gebracht und kommuniziert werden können.
Ich kann und will an dieser Stelle nicht auf das Konzept,
die Grundlagen und die mögliche Entwicklung einer Nachmaterialistischen
Naturwissenschaft eingehen, sondern ich möchte lediglich den Blick darauf
lenken, wohin sich Naturwissenschaft in den kommenden Jahrzehnten entwickeln
wird: auf ein neues Verständnis von Leben.
Literatur
Müschenich, St. Der
Gesundheitsbegriff im Werk des Arztes Wilhelm Reich (1897-1957)
Verlag
Görich und Weiershäuser, Marburg 1995
Bechmann, A. Über
Wilhelm Reichs OROP-Wüste, Verlag
2001, Frankfurt 1995, (Hier
finden sich die Literaturhinweise für die Zusammenfassung der Reich’schen Orgonomie
Bechmann, A
(Hier
finden sich die Belege für die Sheldrake-Darstellung)
Wolfgang Runge, Diplomarbeit im Fachbereich Psychoogie der TU Berlin
Auswirkungen
einer körperzentrierten Interventionstechnik
-
Am Beispiel der Pulsationsarbeit nach Reich und Lassek -
1.
Einleitung
Die
Pulsationsarbeit ist eine therapeutische Behandlungsmethode, durch die
grundlegende selbstregulierende Prozesse im menschlichen Organismus beeinflußt
werden sollen, wie beispielsweise die Funktion des vegetativen Nervensystems
oder die Herz- und Atemtätigkeit. Diese regulierenden biologischen Prozesse
können als Pulsationsprozesse beschrieben werden. Nach REICH stellt die
biologische Pulsation die Grundfunktion aller Lebensprozesse dar. Somit
bedeutet Pulsationsarbeit Arbeit an der Grundfunktion des Lebens, an der
Pulsationsfähigkeit des gesamten Organismus. Seit 1995 verfolgen zunehmend mehr
Therapeuten dieses Ziel. Sie wenden die Pulsationsarbeit in der Behandlung verschiedener Erkrankungen,
aber auch präventiv zur Steigerung der Vitalität sowie des psychischen und
körperlichen Wohlbefindens an.
Die
mit der Pulsationsarbeit verbundenen Erklärungsmodelle sowie das zugrundeliegende
Gesundheitsverständnis basieren auf den Erkenntnissen REICHs, speziell auf
denen aus der Vegeto-/ Orgontherapie. Pulsationsarbeit setzt dort an, wo sich
nach REICH die gemeinsame Wurzel von Psyche und Körper befindet, am Fluß der
Lebensenergie. REICH nennt diese Lebensenergie Orgon. Deren ungehindertes
Strömen und Fließen im gesamten Organismus stellt dabei ein wichtiges Kriterium
für Gesundheit dar. Genau an diesem Punkt kommt es zur deutlichsten Annäherung
an das Gesundheitsverständnis der traditionellen chinesischen Medizin mit
seinem seit Jahrhunderten überlieferten Wissen vom Wundernetz der Meridiane.
Das
Konzept der Pulsationsarbeit wagt eine Integration dieser beiden
Gesundheitsmodelle. Die traditionellen Behandlungstechniken der Vegeto-/Orgontherapie
und einige der Kenntnisse aus der chinesischen Medizin werden modifiziert und
zu einem neuen Behandlungskonzept verschmolzen. Der Kerngedanke dieses
Konzeptes beinhaltet die Anregung des Organismus, genauer gesagt die
Aktivierung selbstregulativer pulsatorischer Prozesse. Diese systematische
Aktivierung selbstregulativer Prozesse erfolgt durch die Behandlung von außen.
Sie scheint für den meist auf mehreren Ebenen blockierten Organismus notwendig,
bis zu einem gewissen Grad aber auch ausreichend zu sein, um die Gesundung aus
sich selbst, aus dem eigenen System heraus anzuregen. Dieses Potential des
Organismus, täglich neu die biologischen Grundlagen für die Gesundheit
bereitzustellen, ist - ähnlich wie die Pulsation - eine Grundfunktion des Lebens
und damit prinzipiell jedem Organismus eigen.
Welche
Auswirkungen hat nun die Pulsationsarbeit auf die Behandelten? Was geschieht,
wenn selbstregulative Prozesse ihre Wirkung entfalten? Dieser Beitrag versucht
die möglichen Vorgänge aus sehr unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Er enthält einen Teil der Ergebnisse meiner Diplomarbeit. Dabei handelt es sich
um die Erfahrungen von sechs Klienten, die bis zu zwanzig Stunden lang mit
dieser Methode der Pulsationsarbeit behandelt worden sind. Ihre Aussagen gaben
Anlaß zu weiteren theoretischen Überlegungen und zum Formulieren einiger
Hypothesen hinsichtlich möglicher Wirkmechanismen.
Zur
Einstimmung in dieses Thema möchte ich zunächst mit einigen theoretischen
Vorüberlegungen zur “Leib-Seele-Problematik” im Rahmen der
Psychosomatikdiskussion beginnen. Daran anschließend stelle ich kurz die
wichtigsten Schritte dar, die REICH in der Entwicklung der
Vegeto-/Orgontherapie gegangen ist. Danach folgen einige Überlegungen zum
Begriff der Lebensenergie. Für die nähere Darstellung der Pulsationsarbeit
selbst möchte ich auf den Beitrag von Heiko LASSEK in diesem Buch verweisen.
2.
Psychosomatikdiskussion: Vom Problem mit Leib und Seele
Die
Menschen der westlichen Welt tun sich schwer mit dem Verständnis von Leib und
Seele. Kurz gesagt, sie haben ein “Leib-Seele-Problem”. Dieses Problem taucht
jedoch nicht erst in der aktuellen Psychosomatikdiskussion auf, sondern hat
eine ehrwürdige Tradition, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.
3.
Der Leib-Seele-Dualismus in der Philosophie- und Kirchengeschichte (bis
Augustinus)
Aus
der Philosophiegeschichte ist die Trennung von Leib und Seele - und als Folge dessen die Leibfeindlichkeit -
gut bekannt. Im 6. Jahrhundert v.Chr. kommt von den Bergen Thrakiens eine neue
Mythologie nach Griechenland, in deren Mittelpunkt der Gott Dionysos steht und
deren Priester der thrakische Sänger und Wundermann Orpheus ist. Obwohl
Dionysos als Symbol der Lebensbejahung gilt, ist die Dogmatik der Orphiker eine
Mischung aus Askese und Mystik. Die Seele (= Geist) stammt aus einer anderen
Welt und ist zur Strafe für eine alte Schuld auf die Erde verbannt; sie ist an
den Leib gefesselt und muß mit ihm eine weite Wanderung durchmachen, bis sie
von der Sinnlichkeit erlöst wird (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 15).
Die
Pythagoreer übernehmen diese Sicht und
sagen, daß der Leib das Gefängnis der Seele sei (sma
- sma)
(HIRSCHBERGER 1984, 24). Auch für Platon ist der Mensch nur eine ganz lockere
Verbindung aus Körper und Seele. Die Seele ist der eigentliche Mensch, der Leib
bloß der Schatten. Den Pythagoreern fügt er noch die Forderung hinzu, mit dem
Körper nur so weit in Verbindung zu treten, als es unbedingt notwendig ist,
sich von ihm und seiner Natur nicht durchdringen zu lassen, sondern sich davon
rein zu halten (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 116f).
ARISTOTELES
vertritt zunächst den platonischen Dualismus: Leib und Seele verhalten sich wie
zwei feindliche Substanzen, die nur äußerlich verbunden sind. Erst sehr spät
verschwindet die Zweiheit, Leib und Seele verschmelzen zu einer unio
substantialis. Die Seele ist als Ganzes im ganzen Körper, und der Mensch ist
eine aus Leib und Seele zusammengesetzte einheitliche Substanz. Die Seele ist
die Form des Leibes (Hylemorphismus). Seele in diesem Sinne meint die Idee und
das Ganze, die Sinnhaftigkeit und den Zweckzusammenhang eines lebendigen
Körpers (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 209f).
In
der christlichen Patristik gehen die Überlegungen, angetrieben von der Frage,
was denn Seele sei, weiter. TERTULLIAN denkt sich die Seele als Körper, nur mit
feinerer Qualität. Für ORIGINES ist die Seele zur Strafe für den Sündenfall im
Leib, aber sie ist schon Geist und damit gottverwandt. Für GREGOR VON NYSSA ist
sie immateriell, für NEMESIUS dagegen substantiell, d.h. sie ist nicht nur eine
Qualität oder Form am Körper, sondern etwas selbständig für sich Bestehendes.
Damit gerät jedoch das Verhältnis Seele - Leib wieder ins Ungleichgewicht, der
Leib wird abgewertet. Der platonische Dualismus klingt mit der Eigenständigkeit
der Seele immer wieder an (HIRSCHBERGER 1984, 341f).
AUGUSTINUS
betont die Einheit, die darin besteht, daß die Seele den Körper besitzt,
gebraucht und regiert. Der Mensch ist somit eine vernünftige Seele, die einen
sterblichen und einen irdischen Leib in Gebrauch hat. Die Seele ist nicht nur
in einem Teil sondern im ganzen Körper wie eine “lebendige Spannung” (intensio
vitalis - tonos) (vgl. HIRSCHBERGER 1984, 363f).
Dieses
Bild von der Seele als einer “lebendigen Spannung” im ganzen Körper legt einen
Vergleich mit der “Lebensenergie” nahe, auch wenn ich die Seele nicht mit der
Lebensenergie identifizieren möchte. Bedenkt man, daß der Begriff “Energie”
(energeia) bei ARISTOTELES durchaus auch einen finalen Aspekt beinhaltet (vgl.
HIRSCHBERGER 1984, 200), so beinhaltet die “Spannung” als “intensio” ebenfalls
einen finalen Aspekt. Seele und Energie könnten als etwas im Körper gesehen
werden, das eine zielgerichtete Entwicklung des ganzen Menschen beinhaltet.
4.
Der Leib-Seele-Dualismus in der Medizin
“In
vivo” sind Leib und Seele nicht voneinander zu trennen. Selbst DESCARTES, der
meist fälschlicherweise als Urheber auch des medizinischen Dualismus gesehen
wird (res extensa und res cogitans), scheint von der Einheit des “Ichs” und des
Körpers überzeugt gewesen zu sein (vgl. UEXKÜLL 1986, 3).
WEINER
vertritt nach UEXKÜLL die These, daß der Dualismus von Ärzten selbst
verschuldet sei, angefangen von Hippokrates über Galen und Virchow, die bis
heute “die Erklärung für Krankheitssymptome in anatomischen Strukturen von
Leichen suchten, nicht aber in veränderten Lebensfunktionen. ... Die
eigentliche Kluft liege daher gar nicht zwischen Körper und Seele, sondern
zwischen Ärzten, die kranke Menschen und deren Lebensfunktionen untersuchen und
behandeln würden auf der einen Seite, und Medizinern auf der anderen, welche
Leichen auf den Tischen der Pathologen sezieren und die dort erhobenen Befunde
auf Lebende übertragen (Hervorhebung durch den Verf.). Pathologen, sagt er,
könnten Strukturveränderungen an toten Organen, Geweben und Zellen, aber nicht
deren Funktionen im Leben beschreiben” (UEXKÜLL 1986, 3).
Diese
Polarisierung setzt sich in der von den jeweiligen Strömungen verwendeten
“Technik” fort. Strukturen toter Materie lassen sich beispielsweise seit 1937
mittels Elektronenmikroskop fast bis in den atomaren Bereich hinein beobachten.
Lebendige Prozesse können nur anhand von Lebendpräparaten mittels
Lichtmikroskop beobachtet werden (z.B. die Veränderung und der Zerfall von
Blutzellen oder die Veränderung von Krankheitserregern in Abhängigkeit vom
Milieu).
Die
Anhänger der Strukturlehre konnten ihre Position erst im 19. Jahrhundert
ausbauen, wobei die Physik mit ihrer in sich geschlossenen Lehre der mechanischen
Kräfte den notwendigen Hintergrund bildete.
“Mit
der Etablierung der naturwissenschaftlich orientierten Medizin wurde die ...
traditionelle, aus der Antike stammende psychosomatische Sichtweise aus der
medizinischen Lehrmeinung verbannt. Von nun an kamen definitionsgemäß nur
körperliche Faktoren in Frage, zumal seelische Prozesse mittels
naturwissenschaftlicher Verfahren schwer erfaßbar sind” (KLOTTER 1994, 119).
Infolgedessen
entstand das Paradigma der Maschine als Erklärungsmodell für die Lebensvorgänge.
Dieses Modell versagte jedoch an zwei entscheidenden Punkten:
Körpervorgänge können damit nicht als
spezifische Lebensphänomene beschrieben werden, da Begriffe, wie Selbstreduplikation und Autonomie in
der Terminologie der Physik und Chemie nicht vorkommen.
Psychische und soziale Faktoren können
nicht mit körperlichen Vorgängen in Verbindung gebracht werden (vgl. UEXKÜLL 1986, 3f).
5.
Vitalismus als Antwort auf den Mechanismus
Eine
der Gegenbewegungen zur mechanistischen Sicht der Lebensvorgänge (Mechanismus)
findet sich in der Bewegung des “Vitalismus”, die besagt, “daß sich die
Lebenserscheinungen nicht allein aus physikalisch-chemischen Prozessen erklären
lassen, sondern für sie ein eigenes immaterielles Prinzip angenommen werden
muß. In der Philosophie und Biologie bezeichnet Vitalismus die Auffassung, die
im Unterschied zum Mechanismus ... die innere Gesetzlichkeit der Organismen auf
eine >Lebenskraft<. (vis vitalis) oder (als Psycho-Vitalismus) auf ein
seelenähnliches Organisationsprinzip (Entelechie) zurückzuführen sucht”
(BROCKHAUS 1994, Bd. 23, 384).
Nach
DRIESCH, einem typischen Vertreter dieser Bewegung, schließt die Autonomie der
Lebensvorgänge die Möglichkeit des Maschinellen und damit der rein
materialistischen Erklärung der Lebensvorgänge aus:
“keine
noch so komplicirt gedachte, mit noch so viel inneren Harmonien ausgestattete
Maschineneinrichtung (reicht) zum Verständnis der Sachlage aus...” (DRIESCH
1901, 192).
Ebenso
wie Maschinen in ihren Funktionen reguliert werden können, gibt es die
Regulation auch für die autonomen Lebensvorgänge:
“Regulation
ist ein am lebenden Organismus geschehender Vorgang oder die Änderung eines
solchen Vorgangs, durch welchen oder durch welche eine irgendwie gesetzte
Störung seines vorher bestandenen “normalen” Zustandes ganz oder theilweise,
direkt oder indirekt, kompensirt und so der “normale” Zustand oder wenigstens
eine Annäherung an ihn wieder herbeigeführt wird” (DRIESCH 1901, 92).
Und
dabei gilt:
“Alle
Fälle organismischen Regulationsgeschehens zerfallen in zwei große Gruppen,
durch welche der Regulationsbegriff überhaupt erschöpft wird: in Organisations-
und Adaptationsregulationen” (DRIESCH 1901, 95).
6.
Der Begriff des Autonomen
DRIESCH
empfiehlt am Ende seines Buches den Ausdruck: “Autonomie der Lebensvorgänge”,
an Stelle jenes schulenmäßig klingenden, vieldeutig gebrauchten Wortes
“Vitalismus” zu gebrauchen (DRIESCH 1901, 220).
Hier
finden wir hinsichtlich lebendiger Vorgänge die Betonung des “Autonomen”.
Dieses Autonome kann zwar beobachtet, in der letzten Verursachung jedoch nicht
mehr beschrieben werden.
“...
wir müssen offen bekennen, dass wir von sehr vielen Regulationen der Organismen
nicht mehr als eben ihre Zweckmäßigkeit in allgemeiner Hinsicht kennen”
(DRIESCH 1901, 169).
UEXKÜLL
schreibt zu diesem Thema:
“Autonomie
oder Selbstreduplikation enthalten den Begriff “Selbst”, der für eine adäquate
Beschreibung lebender Systeme von zentraler Bedeutung ist. Die Begriffe müssen
geklärt werden, wenn man die Phänomene verstehen will, die wir mit ihnen
bezeichnen” (UEXKÜLL 1989, 4).
Gerade
auch im Hinblick auf die Phänomene, die bei der Pulsationsarbeit auftreten,
werden wir uns um eine möglichst adäquate Beschreibung bemühen müssen. Als
Beispiel sei das Phänomen der autonomen Bewegungen genannt. Eine möglichst
klare Beschreibung dieser autonomen Bewegungen könnte dazu beitragen, sich dem
tieferen Verständnis dieses Phänomens anzunähern. Die vom Vitalismus betonte
“Autonomie der Lebensvorgänge” wird uns an späterer Stelle wieder begegnen.
7.
Zur historischen Entwicklung der Psychosomatik
Der
Paradigmenwechsel in der Medizin wurde nicht von der Seite des Vitalismus
bewirkt, sondern eher von der Seite der Psychoanalyse eingeleitet. Mit dem
Freudschen Paradigma des “psychischen Apparats” hat die Medizin eine neue
Dimension gewonnen, die es der Seele erlaubt, nicht mehr nur als Gespenst in
der Maschine Körper zu existieren.
“In
einer Maschine gibt es nirgendwo Angriffspunkte für Gedanken, Gefühle oder
Triebe. Wenn die Maschinendefinition für den Körper zutrifft, kann es so etwas
wie eine Seele nur als ‘Gespenst in einer Maschine’ geben” (UEXKÜLL 1996, 7).
Die
Gründerväter der Psychosomatik wollten die Medizin noch durch die Psychoanalyse
ersetzen (Pan-Psychologismus). Georg GRODDECK (1866-1934), der “Vater der
Psychosomatik” stellte “den Körper unter das alleinige Diktat der allmächtigen
Seele” (KLOTTER 1994, 120), obwohl FREUD davor gewarnt hat, körperliche
Störungen einfach wegzupsychologisieren.
Differenziertere
psychosomatische Betrachtungsweisen bildeten sich jedoch bereits in der
nächsten Generation mit Franz ALEXANDER (1951) und Viktor von WEIZSÄCKER (1949)
heraus. ALEXANDER kritisierte den Monismus GRODDECKs, verfiel selber jedoch in
den psycho-physiologischen Parallelismus:
“Als
Ursache der psychosomatischen Erkrankungen im Rahmen des vegetativen
Nervensystems ... nannte er einen unbewußten Abhängigkeitskonflikt des Kindes
mit der Mutter in der präverbalen Phase” (KLOTTER 1994, 120).
Trotz
der Betonung der Eigengesetzlichkeit körperlicher Prozesse, beispielsweise
durch Alexander MITSCHERLICH, hält sich “die populäre Strömung
trivialisierender Psychosomatik ... : Alles sei psychisch bestimmt” (KLOTTER
1994, 120).
In
der psychosomatischen Medizin war man nun bemüht, den Leib-Seele-Dualismus
durch entsprechende Konzepte zu überwinden. In der gesundheitspolitischen
Wirklichkeit dagegen wurde das Gewicht auf die somatische Medizin gelegt, in
der es zu rasch fortschreitenden Spezialisierungen kam. Diese Entwicklung
führte nach UEXKÜLL dazu, daß sich in der Psychosomatischen Medizin zwei
Tendenzen zeigten:
“Die
Spezialisten sehen das Ziel in einer elitären Weiterentwicklung psychotherapeutischer
Methoden zur Behandlung neurotischer Menschen. Die Bezeichnung
“psychosomatisch” wird von ihnen nur aus taktischen Gründen beibehalten ... Bei
den Generalisten führte die Trennung von den somatischen Kliniken und ihren
Problemen zu einer Tendenz, Modelle von hoher Subtilität für den psychischen
Bereich, aber relativ primitive, oft naive Vorstellungen für das
Körpergeschehen zu entwickeln” (UEXKÜLL 1986, 1280).
Die
Wirklichkeit der Heilkunde fordert jedoch eine andere Herangehensweise:
“Die
Aufgabe, die sich einer dritten Generation von Psychosomatikern stellt, lautet
nicht mehr Einführung der psychosomatischen Betrachtungsweise in eine
mechanistische Medizin, sondern die Entwicklung der Theorie und Praxis für eine
Heilkunde, die psychische und somatische Abläufe als interdependente und
interaktive Funktionen eines einheitlichen Systems begreifen kann” (UEXKÜLL
1986, 1280).
Hierbei
kann beispielsweise die Erfahrungs- bzw. Naturheilkunde eine Bereicherung der
psychosomatischen Medizin und Psychotherapie darstellen, besonders unter dem
Aspekt, daß der Mensch auch unter ganzheitsbiologischen Aspekten gesehen wird
(vgl. das System der Grundregulationen nach PISCHINGER (1989) und HEINE (1991)
bzw. Ausführungen zum Kybernetischen Modell nach DAS (1990)).
8.
Der Sprung vom Psychischen ins Physische
In
der Psychosomatischen Medizin geht es auf dem Hintergrund des
Leib-Seele-Problems “um die Frage, wie sich seelische und körperliche Vorgänge
gegenseitig beeinflussen und verändern können. Es geht um den ‘rätselhaften
Sprung’ (FREUD) vom Psychischen ins Körperliche und umgekehrt. Für diese Frage
gibt es bis heute keine befriedigende Antwort. Die verschiedenen theoretischen
Konzepte und therapeutischen Ansätze sind als Versuche aufzufassen, der Lösung
dieses Problems näher zu kommen.” (HOFFMANN 1992, 151). Angesichts der
unterschiedlichsten Erklärungsmodelle ist es “ehrlicher, zugleich aber auch
fruchtbarer, einzugestehen, daß die psychosomatische Erkrankung meist
rätselhaft bleibt, und daß die Berechtigung einer solchen Beziehung erst noch
bewiesen werden muß. Fruchtbarer deshalb, weil die Forschung dadurch nicht in
Hypothesen und Halbwahrheiten stecken bleibt” (ISRAEL 1987, 49, zit. nach
KLOTTER 1994, 120).
Würde
man sich mit der Durchsicht der psychosomatischen Fachliteratur der vergangenen
Jahre zufriedengeben, dann müßte man dem obigen Zitat zustimmen. Es wird
analysiert und gefolgert, daß sich psychosomatische Forschung in zunehmendem
Maße nicht mehr mit globalen Theorien, sondern mit heuristischen Modellen von
begrenzter Reichweite beschäftigen muß, die spezifisch für das jeweilige
Krankheitsgeschehen sind (vgl. HÄFNER 1994). Diese “Spezifizierung” innerhalb
der Psychosomatik findet sich auch in einer der neuesten Bestandsaufnahmen
gegenwärtiger psychosomatischer Forschungs- und Arbeitsansätze wieder (HAHN
1994).
HOFFMANN
gibt zu bedenken, daß die Trennung von Leib und Seele eine abendländische
Eigenheit mit langer Tradition sei, deren Notwendigkeit jedoch immer wieder
hinterfragt werden sollte. Dies klingt z.B. bei MITSCHERLICH an, für den die
Gleichzeitigkeit leiblicher und seelischer Prozesse die Grundvoraussetzung
menschlichen Lebens und auch menschlicher Krankheit ist (vgl. HOFFMANN 1992,
156).
Diese
Gleichzeitigkeit kommt in der funktionellen Identität psychischer und
somatischer Prozesse nach REICH in besonderer Weise zum Tragen. Hier liegt
meiner Meinung nach einer der wenigen “Belege” für den “Sprung vom Psychischen
ins Physische”. Beeinflußt von den dynamisch-vitalistischen Ansätzen seiner Zeit,
den Konzepten der “Selbstorganisation” bzw. der “Entelechie” (DRIESCH) oder dem
“elan-vital” (BERGSON) wird REICHs Interesse für die Prozesse des Lebendigen
geweckt.
“Die
Frage, ‘Was ist Leben?’ stand hinter jedem neuen Wissenserwerb ... . Das
Prinzip einer schöpferischen Kraft, die das Leben regiert, war nicht zu
leugnen, doch es befriedigte nicht, solange es nicht zu fassen, zu beschreiben
und zu lenken war ... . Die Vitalisten schienen mir immer dem Verständnis des
Lebensprinzips näher zu sein als die Mechanisten” (REICH 1987, 28).
Doch
immer wieder war REICH “auch fasziniert vom Konkreten, etwa in der Neurologie
von der komplexen Struktur der Nervenbahnen und der genialen Einrichtung der
Ganglien.” (SHARAF 1994, 76). So verwundert es nicht, daß er sich - ausgehend
von der Psychoanalyse und deren Konzept der Libidotheorie - der Erforschung des
biologischen Fundaments von Lust und Angst widmete. Am Ende seiner Forschungen
hat REICH eine Menge von Belegen zusammengetragen, die den “Sprung vom Psychischen
ins Physische” begreiflich werden lassen und im Folgenden noch deutlicher
dargestellt werden sollen.
9.
Die Verwurzelung der Pulsationsarbeit im theoretischen und
therapeutisch-praktischen Ansatz Wilhelm REICHs
10.
REICHs Weg zur Vegeto-/Orgontherapie
“In
unserer Arbeit sind die Theorie und die Praxis untrennbar ineinander
verflochten. Eine falsche theoretische Grundeinstellung muß eine falsche
Technik bedingen, und eine falsche Technik muß falsche theoretische
Anschauungen hervorbringen” (REICH 1989, 394).
REICHs
theoretische Grundeinstellung, seine Suche nach den energetischen Prozessen,
die Leben ermöglichen oder behindern, ist in der Tat untrennbar mit seiner
Praxis verbunden, die ihn von der Psychoanalyse über die Biologie hin zu
physikalischen und kosmischen Prozessen führte. Wie ein rotes Band zieht sich
seit Ende der 30er Jahre der Begriff “Orgon” durch die Forschungen REICHs. An
diesem Begriff und mehr noch an den damit verbundenen Erkenntnissen und
Forschungsmethoden scheiden sich bis heute die Geister. Schließlich schwamm
REICH gegen den Strom, um zu den Quellen des Lebens zu gelangen. “Alles
Natürliche und Große ist einfach” (REICH 1987, 69). Aber gerade dieses Einfache
stößt immer wieder auf Widerstand. REICH galt zwar als einer der progressivsten
Vertreter der Psychoanalyse und als Günstling FREUDs. Doch trotz seiner
wichtigen Beiträge zur Psychonanalyse (REICH 1989), wird er heute kaum noch mit
der Psychoanalyse in Verbindung gebracht. Ein Grund dafür war u.a. seine
sexualökonomische Radikalität, die letztlich zum Bruch mit der
Psychoanalytischen Vereinigung führte.
REICH
nutzte seine hervorragende Beobachtungsgabe innerhalb des therapeutischen
Settings und löste sich vom psychotherapeutisch gebotenen Abstinenzgebot. Er
achtete auf Mimik und Gestik, berührte seine Klienten und gelangte so zu
erstaunlichen Fortschritten innerhalb der Therapie. Er sammelte dadurch genau
die Erkenntnisse, die zur Entwicklung der Vegeto-/Orgontherapie führten. Die
weitere Verfeinerung dieser Technik begleitete ihn sein ganzes Leben lang.
Später schrieb REICH:
“Die
Sprache der Motorik, die Organsprache und die emotionelle Ausdruckssprache,
deren sich die Orgontherapie bedient, ist phylogenetisch und ontogenetisch
älter als die Sprache des Wortes und der Vorstellungen, die das Instrument der
Tiefenpsychologie bildet. ... Das Lebendige wird auf diese Weise der
Orgonbiophysik vor dem ersten Lebensjahr beim Menschen und beim Tier ganz
allgemein zugänglich, denn Emotion und Bewegungsausdruck sind an die Plasmapulsation
gebunden.” (REICH 1994, 383).
11.
REICHs physiologische Forschungen
“Ich
habe in Wirklichkeit nur eine Entdeckung gemacht:
Die
Funktion der orgastischen Plasmazuckung.”
(REICH
1987, 11)
Seit
1934 traten die physiologischen Aspekte in REICHs Forschungsarbeit immer
stärker in den Vordergrund: speziell die Erforschung der Energieströme (Libido)
bei Lust und die umgekehrte Energiebewegung bei Angst. Früher wollte er das
Gebäude der Psychoanalyse stützen, indem er die (Libido-) Energie als biophysikalisch
beobachtbare Größe zu beschreiben versuchte. Dies war zunächst ganz im Sinne
FREUDs, der selbst auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte:
“Die
Terminologie der Psychoanalyse ist vorläufig und nur solange gültig, bis sie
von der Physiologie ersetzt wird.” (FREUD 1954, zit. nach LASSEK 1994) oder:
“Das
Gebäude der psychoanalytischen Lehre, das wir aufgebaut haben, ist in
Wirklichkeit nur ein Überbau, der irgendwann auf seine organischen Grundlagen
zu setzen sein wird; aber diese Grundlage ist uns bisher noch unbekannt.”
(FREUD 1969, ?*)
Obwohl
FREUD 1926 bekundete, daß er an dem physiologischen “Zeug”, aus dem die Angst
bestehe, kein Interesse mehr habe, beschäftigte sich REICH weiter mit der von
FREUD fallengelassene Frage nach der Natur von Lust und Angst. Diese
Beschäftigung führte ihn zum Studium der Sexualökonomie und weiter zur
Entwicklung seiner Orgasmustheorie. Zur Ausgabe des Buches “Funktion des
Orgasmus” zitiert REICH einen Brief FREUDs an ihn:
“Lieber
Herr Doktor! ... Sie wissen, ich stehe ihrem Lösungsversuch, der die
Neurasthenie auf ein Unterbleiben des Genitalprimats zurückführt, keineswegs
ablehnend gegenüber” (REICH 1987, 127) und:
“Ich
weiß seit langem, daß meine Aufstellung und Auffassung der Aktualneurosen eine
oberflächliche war und eingehender Korrekturen bedarf. ... Von ihren Bemühungen
habe ich den Eindruck, daß sie einen neuen und hoffnungsvollen Weg einschlägt
... Ob Ihre Annahme wirklich das Rätsel löst, weiß ich nicht. Es bleiben mir
Zweifel ...” (REICH 1987, 128).
Und
die Zweifel blieben. In dem Kapitel “Der Einbruch ins biologische Fundament”
(REICH 1987) zeichnet REICH die Entwicklung der Orgasmusformel nach. Die
Neurose ist für REICH nichts anderes als die Summe aller chronisch
automatisierten Bremsungen der natürlichen Sexualerregung, wobei der seelische
Widerspruch von Sexualität und Moral in der biologischen Tiefe des Organismus
als Widerspruch zwischen Lusterregung und muskulärem Krampf wirkt (REICH 1987,
194). Der primäre Impuls, der vom Zentrum (= biologischer Kern = zentrales
vegetatives Nervengeflecht = Ganglion) ausgeht, wird am muskulären Panzer
behindert, wodurch ein sekundärer Impuls und Angst erzeugt werden. Sexuelle
Lebensenergie kann also durch dauernde muskuläre Spannungen gebunden werden,
Wut und Angst werden dadurch gebremst (vgl. REICH 1987, 203). Der biologischen Funktionsrichtung “Zur
Welt”, “Aus sich heraus” wirkt die andere Richtung “Weg von der Welt”, “In sich
zurück” (Angst) entgegen.
Sponn
REICH noch in seiner Phantasie und meinte, man müsse das Bild FREUDs von der
“Libidoaus-sendung” wörtlich ernst nehmen, welches das Ausschicken und
Einziehen der seelischen Interessen mit dem Ausschicken und Einziehen der
Pseudopodien der Amöbe vergleicht. Analog dazu wird die Vorstreckung der
sexuellen Energie sichtbar in der Erektion des männlichen Gliedes, während die
Impotenz infolge Angst das Glied einschrumpfen ließe (REICH 1987, 197).
Dreizehn Jahre später kam REICH wieder auf die Amöben zurück.
HARTMANN
und RHUMBLER beschäftigten sich mit den inneren Flüssigkeitsbewegungen in den
Amöben. Sie führten Bewegungserscheinungen von Einzellern auf Veränderungen im
Cytoplasma zurück (Hydratation und Dehydratation; Wasseranreicherung und
Wasseraustreibung), die mit Veränderungen auch in der Oberflächenmembran bzw.
-spannung einhergehen (vgl. HEBENSTREIT 1995, 60).
REICH
bezog nun die beiden biologischen Funktionsrichtungen “Zur Welt” und “Weg von
der Welt” auf die Plasmaströmungen innerhalb der Amöben. Die aktive Annäherung
an ein Objekt (positive Stimulierung) wurde begleitet von Plasmaströmungen in
Richtung Zelloberfläche, umgekehrt (bei negativer Stimulierung) strömte das
Plasma sichbar zurück zum Zentrum. Im Ruhezustand stellten die Forscher auch
pulsierende Bewegungen in Form eines rhythmischen Wechsels zwischen Expansion
und Kontraktion mit den entsprechenden Plasmaströmungen fest (vgl. SHARAF 1994,
248f).
Weiterhin
übertrug REICH die Grundbewegung der plasmatischen Strömungen auf die
funktionelle Gegensätzlichkeit von Sexualität und Angst.
“ ‘Sexualität’
konnte nichts anderes sein als die lebendige Funktion der Streckung ‘aus sich
heraus’ vom Zentrum zur Peripherie. Die Angst wiederum konnte nichts anderes
sein als die umgekehrte Richtung von der Peripherie her zum Zentrum ‘in sich
zurück’. Sie sind entgegengesetzte Richtungen an ein und demselben
Erregungsvorgang” (REICH 1987, 200).
Weitergedacht
heißt dies:
“Im
Vielzeller lebt die kontraktile und expansible Amöbe in Form des kontraktilen
und expansiblen autonomen Nervensystems fort. Dieses autonome
Lebensnervensystem ist nichts anderes als organisiertes kontraktiles Plasma.
Die emotionelle, vegetative, autonome Bewegung ist daher unmittelbarer Ausdruck
des Plasmaströmung” (REICH 1994, 183).
Die
während der Vegetotherapie beobachteten körperlichen Erscheinungen wie Zucken
der Muskulatur, Zittern, Prickeln u.a. faßte REICH als “vegetative Strömungen”
zusammen. Auf die Frage, ob diese Strömungen nur Flüssigkeitsbewegungen sind
oder ob da noch etwas hinzukommt, das je nach seiner biologischen Funktion
Angst, Wut oder Lust macht, fand sich die Bioelektrizität als Antwort (REICH
1994, 204). Entscheidend dafür war die Beschäftigung mit dem Berliner
Internisten KRAUS (z.B. KRAUS 1926), “der alle Lebenserscheinungen gänzlich
oder zumindest teilweise zurückführt auf den unausgesetzten Auf- und Abbau
elektrochemischer Potentiale an den Membranen des Körpers.” (HEBENSTREIT 1995,
54). Unter dem Begriff “Membran” fallen in diesem Zusammenhang sowohl
Einheitsmembransysteme der Zelle (Zell- und Kernmembran, Membranen des
endoplasmatischen Retikulums und der verschiedenen Zellorganellen),
organumhüllende Bindegewebsmembranen (Muskelfaszien, Bindegewebssepten und
-kapseln der Organe) bzw. ähnliche grenzbildende anatomische bzw. histologische
Strukturen (vgl. HEBENSTREIT 1994, 60).
In
Verbindung mit seinen eigenen sexualökonomischen Studien über die Funktion des
Orgasmus entwickelte REICH seine Hypothese, daß bioelektrische Prozesse beim
Strömen sexueller Lust beteiligt sein müßten.
“Die
Organe füllen sich erst mit Flüssigkeit: Erektion mit Mechanischer Spannung.
Dies führt eine starke Erregung mit sich, wie ich annahm, elektrischer Natur:
Elektrische Ladung. Im Organismus baut die Muskelzuckung die elektrische Ladung
beziehungsweise sexuelle Erregung ab: Elektrische Entladung. Diese geht über in
eine Entspannung der Genitalien durch Abfluß der Körperflüssigkeit: Mechanische
Entspannung. Den Viertakt: Mechanischer Spannung - Elektrische Ladung -
Elektrische Entladung - Mechanische Entspannung nannte ich Orgasmusformel”
(REICH 1987, 206).
Über
die Beschäftigung mit den experimentellen Arbeiten von HARTMANN (spezielle
Sexualitätsversuche mit Gameten) kam REICH zu der Schlußfolgerung, daß auch die
Fortpflanzung und die Zellteilung von bioelektrischen Kräften beeinflußt wird.
So erweiterte REICH die Orgasmusformel zur Lebensformel, da dieser Viertakt von
Mechanischer Spannung (mechanische Oberflächenspannung von Gefäßwänden) -
Elektrische (elektrochemische) Ladung - Elektrische Entladung - Mechanische
Entspannung für alle Vorgänge des Lebendigen zuzutreffen schien (vgl. REICH
1987, 214).
HEBENSTREIT
(1995, 61-65) führt verschiedene Beispiele an, die das Zutreffen der S-L-Formel
(Spannungs-Ladungs-Formel) für autonome Körperfunktionen unterstreichen. Neben
der von REICH genannten Sexualfunktion, der Herzfunktion und der
Zellteilungsprozesse sind dies z.B. auch die Funktionen der Darmmuskulatur, der
Darmzottenpumpe, der Harnblase und der Überleitung des Aktionspotentials von
einer Nervenzelle auf eine andere bzw. im Bereich der neuromuskulären
Endplatte.
“Inwieweit
die von REICH beschriebene Anordnung der Funktionen der Spannung und der Ladung
auch im Erregungsablauf des Muskelsystems anzutreffen sind, wurde bisher auch
noch nicht untersucht. Die Sichtweise dieser Vorgänge vom Verständnis der
Orgasmusfunktion her wäre aber von großer klinischer Wichtigkeit. Es sei hier
nur hingewiesen auf die Möglichkeit einer fundierten theoretischen Grundlage
der Körperpsychotherapieformen. Ein sehr zentraler Begriff ist dort die
Problematik der Muskelverspannungen bzw. des Muskeldystonus.” (HEBENSTREIT
1995, 64).
REICH
schloß aus der wiederholten Beobachtbarkeit der S-L-Formel in den Funktionen
des autonomen Nervensystems, daß die Nerven des vegetativen Nervensystems die
Anordnung der Funktionen der Mechanik (mechanische Spannung und Entspannung)
und der Elektrik (elektrische Ladung bzw. Entladung) innervieren und daß auf
dieser Grundlage der gesamte Organismus funktioniert. Die sympathische Reaktion
des vegetativen Nervensystems setzte REICH mit der Bewegung des Menschen “Weg
von der Welt” gleich, die Bewegung des Menschen “Zur Welt hin” mit der
parasympathischen Reaktion. Gesundheit
besteht demnach in der Fähigkeit eines Lebewesens, in rhythmischer
Oszillation zwischen sympathischen und parasympathischen Reaktionen hin- und
herzuschwingen zu können. Gesunden heißt, die natürlichen Funktionen zuzulassen,
sich ihnen hinzugeben, ohne sie steuern zu wollen. Gesundheit ist kein Ideal,
das man durch irgendwelche Aktivitäten machen kann. Sie ist im Kern immer da
und muß nicht eingeführt werden.
Diese
Überlegungen reichen zurück auf Anregungen, die REICH im Jahre 1931 durch
MÜLLER erhielt, der ein Buch über die Funktionen des autonomen Nervensystems
veröffentlichte. Stark beeindruckt von den autonomen Nervenreaktionen, d.h. von
den Reaktionen des Sympathikus, der z.B. auf gefährliche und erschreckende
Situationen reagiert, und des Parasympathikus, der die lebenserhaltenden Organe
unter angstfreien, entspannten Bedingungen kontrolliert, definierte REICH auch
die Aufgabe der Therapie neu. Sie sollte nun die “allgemeine sympathicotone
Kontraktion des Organismus” umkehren (SHARAF 1994, 248).
12.
Funktionelle Identität somatischer und psychischer Prozesse
REICH
betonte die funktionelle Identität somatischer und psychischer Prozesse, wie
sie sich beispielsweise in der Übereinstimmung der Hautpotentialmessungen mit
den subjektiv wahrgenommenen Empfindungen und Emotionen ausgedrückt hatten
(vgl. REICH 1984). Damit setzte er sich unter anderem vom psychophysischen
Parallelismus ab, für den seelische und körperliche Erscheinungen zwei
unabhängige, miteinander in Wechselbeziehung stehende Kausalreihen bilden und
er setzte sich auch von der “monistischen” Ansicht ab, wonach Psyche und Soma
lediglich verschiedene Aspekte einer Sache sind (vgl. REICH 1934).
Nach REICHs Ansicht liegt allen lebendigen
Zusammenhängen eine Lebensenergie zugrunde. In Bezug auf diese Funktion sind
Soma und Psyche identisch. Auf den verschiedenen Ebenen formt sich diese
gemeinsame Funktion allerdings jeweils spezifisch aus. Auf der organischen
Seite formt sich die grundlegende Expansions-Kontraktionsfunktion im Sinne des
Vagus<->Sympathicus Gegensatzes aus und auf der anderen Seite
strukturiert sich die Psyche auf der Basis derselben Funktion nach dem
Lust<.->Angst Gegensatz (vgl. REICH1942).
“Indem
der Monismus die Verschiedenheit von Psyche und Soma nicht erkennt, kann er die
gegenseitige Beeinflussung nicht verstehen. Weit häufiger wird aber die
Identität nicht erkannt und so können diese Ansichten allenfalls die
Wechselwirkungen beschreiben. Nur wenn man die Unterschiedlichkeit und die
Identität als eine Einheit betrachtet, kann es zu einem tatsächlichen
Verständnis dieses Gegensatzpaares kommen. Das Besondere an REICHs Betrachtung
liegt also darin, daß er einerseits Unterschiede und Gegensätze von Psyche und
Soma anerkennt, darüberhinaus aber eine Gemeinsamkeit in der ihnen
zugrundeliegenden Funktion entdeckte. So gestand er zu, daß es durchaus bekannt
sei, daß sich alle Empfindungen auf die Grundemotion Lust<->Angst, und
alle Bewegungen des Plasmas auf Vagus und Sympathicus reduzieren lassen. Neu
dagegen sei, daß er auf der Basis der Lebensfunktion so unterschiedliche
Funktionen wie die Lust und die Vagusfunktion in Bezug auf die Funktion der
biologischen Expansion, und die Angst und die sympathische Funktion in Bezug
auf die Kontraktion als identisch ansehen konnte.” (DIEDRICH 1993, 42).
Der
Menschen wird als eine Einheit gesehen. Er reagiert auf einen äußeren Reiz mit
einer gesamtbiologi-schen Erregung der Lebensfunktion, deren Reaktion ihren
Ausdruck in den verschiedenen Ausformungen von Psyche und Soma findet. Somit
arbeitete REICH mit seiner Therapieform “am seelischen und körperlichen
Apparat” gleichzeitig, da eine Funktionsstörung im psychischen Bereich, z.B.
eine Neurose, immer ein Äquivalent im somatischen Bereich hat. Die biologische Funktionsstörung
manifestiert sich auf der psychischen Ebene als Charakterstruktur und
entsprechend auch als Körperstruktur.
“Ein
Magengeschwür ist demnach nicht die somatische Folge einer psychischen
Funktionsstörung (im gebräuchlichen Sinne einer psychosomatischen Erkrankung),
sondern wie diese Ausdruck einer gesamtbiologischen Funktionsstörung. Es ist
daher nicht sinnvoll, z.B. über die Psyche das Magengeschwür heilen zu wollen.
Nur wenn die Therapie über die Psyche oder die Soma die biologische Funktion
wieder zum Fließen bringen kann, ist tatsächlich eine Heilung der Soma und
Psyche möglich. Das ungehinderte Funktionieren auf der biologischen Ebene kommt
im vollständigen Erleben des Orgasmus zum Ausdruck.” (DIEDRICH 1993, 43).
Mit
anderen Worten:
“Jede
dauernde Energiestauung im biologischen Plasmasystem (Lebensnervenapparat) muß
sich im psychischen ebenso wie im körperlichen Symptom äußern. Die
Psychotherapie setzt an den psychischen, die chemisch-physikalische Therapie
setzt an den somatischen Symptomen an. Die Orgontherapie geht von den Tatsachen
aus, daß Soma und Psyche im pulsierenden Plasmasystem (Blut- und
Lebensnervensystem) einheitlich bioenergetisch verwurzelt sind. Sie beeinflußt
also die gemeinsame Wurzel der psycho-physischen Funktion, nicht diese selbst,
indem sie die Atemsperre, die Sperre des Orgasmusreflex und anderer
biologischer Funktionshemmungen zu lösen versucht. Die Orgontherapie ist
demzufolge weder psychische noch physiologisch-chemische, sondern biologische
Therapie an Störungen der Pulsation des Lebensapparates. Da diese Störungen
sich in jeder oberflächlichen Schicht des psychosomatischen Apparates
auswirken, z.B. als hoher Blutdruck und Herzneurose im Körperlichen, als Phobie
im psychischen Bereich, muß die Orgontherapie die Symptome aus der höheren
biologischen Schicht ebenfalls treffen. (...) Sie bleibt zunächst auf die
Biopathie beschränkt” (REICH 1994, 208).
Zum
tieferen Verständnis des Modells der Biopathien möchte ich wieder verweisen auf
BUHL (1994), LASSEK (1994), MÜSCHENICH (1995), REICH (1994).
13.
Die Ausdruckssprache des Lebendigen
Mit
der Entdeckung des Orgasmusreflexes (1935) verschob sich bei REICH der Akzent der Charakteranalyse in den
körperlichen und damit in den physiologischen Bereich, weshalb er diese Art der
Arbeit Vegetotherapie nannte. Um die Arbeit am seelischen und körperlichen
Apparat in eines zu fassen, sprach REICH auch von “charakteranalytischer
Vegetotherapie” (REICH 1989, 470f) und später von Orgontherapie. Für REICH
bedeutet das Wort “Emotion” mehr als wir darunter im normalen Sprachgebrauch
verstehen. Er übersetzt das Wort “Emotion” als “Herausbewegen” oder
“Vorquellen” und bezieht es auf Empfindungen und auf die Bewegungen des
Plasmas. “Die Emotion ist im Grunde ihres Wesens nichts anderes als eine
Plasmabewegung” (REICH 1989, 472), wobei lustvolle Reize eine Emotion des
Protoplasmas vom Zentrum zur Peripherie auslösen und unlustvolle Reize eine
“Remotion” von der Peripherie weg zum Zentrum des Organismus.
“Das
Lebendige drückt sich in Bewegungen aus, und wir sprechen daher von
“Ausdrucksbewegung” (REICH 1989, 474). Diese Ausdrucksbewegung ist eine
Eigenschaft des Protoplasmas (Kontraktion und Expansion) und sie unterscheidet
das Lebendige von den nichtlebenden Systemen. Der “physikalische Vorgang der
plasmatischen Emotion oder Ausdrucksbewegung ist untrennbar verknüpft mit einer
unmittelbar verständlichen Bedeutung, die wir den “Bewegungsausdruck” zu nennen
pflegen. Die Bewegung des Protoplasmas hat also einen Ausdruck im Sinne einer
Emotion, und jede Emotion oder der Ausdruck eines Organismus ist an Bewegung
geknüpft” (REICH 1989, 474).
“Die
menschliche Biopathie ist nichts anderes als die Summe aller Verzerrungen der
natürlichen Ausdrucksformen des Lebendigen. Durch die Enthüllung der krankhaften
Ausdrucksformen lernen wir die menschliche Biopathie in einer Tiefe kennen, die
den mit der Wortsprache arbeitenden Heilmethoden unzugänglich ist. (...) Leider
liegt die Biopathie mit ihrem verzerrten Lebensausdruck außerhalb des Bereichs
der Sprache und der Vorstellungen” (REICH 1989, 477).
Aus
diesem Grunde hält die Orgontherapie einen Kranken unter weitgehender
Ausschaltung der Wortsprache dazu an, sich biologisch auszudrücken, um ihn in
eine Tiefe zu führen, die er stets flieht, zu echtem biologischen
Bewegungsausdruck, zu eigenen Ausdrucksformen der Bewegung, die mit Worten
überhaupt nicht zu fassen sind (vgl. REICH 1989, 477). Deshalb arbeitete REICH
mittels Gebärdensprache. Um einen Kranken zu “begreifen”, muß man seinen
“Bewegungsausdruck” “empfinden”. Ihn “begreifen” bedeutet, zu wissen, welche
Emotion sich in ihm “ausdrückt”.
“Der
Bewegungsausdruck des Kranken führt in unserem Organismus unwillkürlich eine
Imitation herbei. Indem wir imitieren, empfinden und verstehen wir den Ausdruck
in uns selbst und derart auch im Kranken. Da jede Bewegung einen Ausdruck hat
und derart einen Emotionszustand des Protoplasmas verrät, wird uns die
Gebärden- und Ausdruckssprache zum wesentlichen Verständigungsmittel im Kontakt
mit den Emotionen des Kranken.” (REICH 1989, 478f).
Diese
Bewegungen entstehen bei der Auflösung der Panzerung, bei der Herstellung der
Beweglichkeit des Körperplasmas. REICH erwähnt, daß dabei ein körperlicher
Gesamtausdruck entstehen kann, Bewegungsmuster, die sich früher oder später im
Verlauf der Behandlungen wie von selbst ergeben und die gewöhnlich in eine
Formel zu fassen sind. Es sind merkwürdigerweise meist Formeln und
Bezeichnungen aus dem Tierreich wie “Fuchs”, “Schwein”, “Schlange”, “Wurm” u.ä.
(REICH 1987, 228).
Als
Resultat der ideal durchgeführten Orgontherapie wird das Auftreten des
Orgasmusreflexes gesehen, der unweigerlich mit dem Ausdruck der “Hingabe”
verknüpft ist. Diese Hingabe läßt sich technisch nicht üben, sondern geschieht
unwillkürlich. “Das Lebendige funktioniert autonom, jenseits des Bereiches von
Sprache, Intellekt und Willkür” (REICH 1989, 482). REICH sieht die
Ausdrucksbewegungen im Orgasmusreflex als funktionell identisch mit denen einer
lebenden und schwimmenden Qualle. Die Körperenden bewegen sich rhythmisch
aufeinander zu (Kontraktion) und wieder voneinander fort (Expansion) und haben
so die primitive Form der biologischen Pulsation (vgl. REICH 1989, 517f).
Die
primitivsten und die höchstentwickelten plasmatischen Funktionen bestehen
nebeneinander und funktionieren wie ineinandergeschachtelt. Die Bewegungen der
Amöbe, die an einen Wurm erinnernden segmentären Anordnungen der Panzerringe
und das Pulsieren der Qualle liegen in der “Natur des Menschen” und sind
bioenergetisch höchst bedeutsame Funktionen im hochentwickelten Organismus
(vgl. REICH 1989, 519).
Orgontherapie
konzentriert ihre Arbeit an der biologischen Tiefe, am Plasmasystem bzw. am
biologischen Kern des Organismus. Ob nun Emotionen aus der charakterlichen
Panzerung mittels “Charakteranalyse” oder aus der muskulären Panzerung mittels
“Vegetotherapie” mobil gemacht werden, es werden in jedem Fall plasmatische
Erregungen und Bewegungen veranlaßt.
“Was
sich dabei bewegt, ist nichts anderes als Orgonenergie, die an die
Körperflüssigkeit gebunden ist. Die Mobilisierung der plasmatischen Strömungen
und Emotionen ist demnach identisch mit der Mobilisierung von Orgonenergie im
Organismus. Ihre Anzeichen sind klinisch eindeutig an den Veränderungen der
vasomotorischen Funktionen zu erkennen.” (REICH 1989, 472).
14.
Ausführungen zum Begriff der Energie
15.
Der naturwissenschaftliche Energiebegriff und der Begriff der Lebensenergie
Aus
den Naturwissenschaften kennen wir verschiedene Energiearten, die untereinander
in exakt definierten Relationen und Wechselwirkungen stehen. Die Umwandlung der
einen Energieart in eine andere gehört zum Lebensalltag. Dabei spielt der Satz
von der Erhaltung der Energie eine bedeutende Rolle. Diese Energieumwandlungsprozesse
und darüber hinaus auch die wechselseitige Beeinflussung von
elektromagnetischen Feldern vollziehen sich in der technischen wie in der
lebendigen Welt.
Mit
der Entdeckung der künstlichen Elektrizität im 17. Jahrhundert begann eine
interessante Entwicklung in der Erforschung der elektrischen Energien. Diese
elektrische Energie spielte sowohl im lebenden Organismus als auch schon bald
in der Technik eine besondere Rolle. Sie löste als geheimnisvolle “elektrische
Kraft” viel Enthusiasmus aus und wurde mit der lang gesuchten Lebenskraft
identifiziert, ja sogar mit der Aura des Menschen in Verbindung gebracht. Mit
GALVANI (1737-1798) begann der Streit um die biologische Elektrizität
(“tierische Elektrizität”, “Bioenergie”) und damit die wissenschaftliche
Auseinandersetzung um die “Lebenskraft”, die im Vitalismus ihren Höhepunkt
erreichte. Mit der Entwicklung der Elektrophysiologie im 19. Jahrhundert (von
MÜLLER, DU BOIS-REYMOND, von HELMHOLTZ) verfügte dann jedoch die
wissenschaftliche Medizin über neue methodische Mittel, um die Geheimnisse des
Lebens zu lüften. Der Begriff “Energie” wurde zunehmend physikalisch besetzt,
auch wenn der Vitalismus zu keiner Zeit wirklich mundtot gemacht werden konnte
(MESMER, REICHENBACH, REICH) (vgl. BISCHOF 1995, 54-66).
“Um
dem physikalisch besetzten Begriff der Energie ein nichtphysikalisches Pendant
zu geben, prägte OSWALD bereits Ende des 19. Jahrhunderts den Ausdruck
Energetik (syn. Energetismus) ... Er versuchte den Gegensatz Geist - Körper
(Bewußtsein - Materie) dadurch aufzuheben, indem er beides als Spielarten einer
übergeordneten Energie begriff. Dies wurde von FREUD und JUNG aufgegriffen und
für die Psychologie als psychische Energie bzw. Libido definiert” (VOGL 1990,
55).
REICH
beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit es möglich sein könnte, den
FREUDschen Begriff “psychische Energie” konkreter zu fassen oder gar dem
allgemeinen Energiebegriff einzuordnen. Damit versuchte er einen Brückenschlag
zwischen quantifizierbaren Energien (Bereich der exakten Naturwissenschaft) und
den seelischen Qualitäten (Bereich der Geisteswissenschaft) (vgl. REICH 1987,
74). Für REICH bestand die Lösung in der Annahme einer übergeordneten Energie,
die er Orgon nannte. Die von ihm durchgeführten Experimente zum physikalischen
Nachweis des Orgons konnten jedoch bis heute nicht zufriedenstellend
verifiziert werden. Der Versuch, “Orgonenergie” physikalisch zu messen, bezieht
sich nur auf den mechanistischen Aspekt des Begriffs Energie. Entgegen den
Bemühungen OSWALDs, der mit dem Begriff “Energetik” ein nichtphysikalisches
Pedant setzen wollte, versucht REICH physikalische und nichtphysikalische
Energie unter einem Begriff zu vereinen. Damit wird jedoch der Begriff
“Orgonenergie” keinesfalls deutlicher. Doch unabhängig von Meß- und
Definierbarkeit lassen sich die Erscheinungsformen des Orgons subjektiv
beobachten und genau dies ist es, was REICH nicht im Sinne einer Definition
sondern als Phänomen folgendermaßen beschreibt:
“What
is orgone? What do we mean when use the word orgone? Orgone is an abstraction
of mind. What we see are its manifestations. You must never confuse the word
for what we see. (...) The discovery consists in the interlacing of the
phenomena.” (REICH 1950, zit. nach LASSEK 1994, 77).
Das,
was REICH Orgon nennt, ist zunächst nur eine Abstraktion von verschiedenen
Phänomenen (blaues Leuchten, positive Auswirkung auf Heilungsprozesse,
vegetative Strömungsempfindungen usw.). Diese Phänomene stehen in Verbindung
mit den Prozessen im lebendigen Organismus. Ähnliches scheint auch für die
Begriffe “Lebensenergie”, “elan vital”, “Chi”, “Prana” zu gelten. Sie lassen
sich ebensowenig exakt definieren. Was wir beobachten können, sind immer nur
bestimmte Manifestationen dieser besonderen “Energien”, beispielsweise die
Wirkungen, die von der Stimulierung der Akupunkturpunkte ausgehen. Ein Beispiel
für einen besonders hohen Abstraktionsgrad des Begriffes “Lebensenergie” zeigt
sich in einem Modell zur Einordnung von verschiedenen Psychotherapieformen von
FITTKAU (1982), in dem “Lebensenergie” als Oberbegriff verschiedener
nichtphysikalischer Energiearten (kreative Energie, vegetative Energie u.a.m.)
verwendet wird. Der Begriff “Lebensenergie” umschließt hier psychische wie
körperliche Prozesse und steht somit für eine alles (an-) treibende Kraft, die
sich in allen Bereichen des Lebendigen auswirkt.
In
der Psychologie ist “psychische Energie”
bis heute ein ungenau definierter Begriff geblieben und gilt eher als Metapher
für den dynamischen Aspekt des Verhaltens. Die Tatsache, daß bestimmte
physikalische Elemente wie der Satz von der Erhaltung und Umwandlung der
Energie oder der Entropiesatz als begriffliche Parallelisierungen in die
Psychologie übernommen wurden (vgl. JUNG 1948, zit. nach VOGL 1990, 55),
verleitet dazu, auch psychische Prozesse meßbar machen zu wollen. Dabei besteht
jedoch die Gefahr, den Begriff der Energie, der auch qualitative und finale
Aspekte beinhaltet, auf den mechanistischen Anteil zu reduzieren. Nach BOSS
kann eine Medizin oder Psychologie, die streng nach diesen
naturwissenschaftlichen Kriterien vorgeht, von ihrem Selbstverständnis her
niemals Phänomene wie Leben, Gesundheit und Krankheit suffizient erklären (vgl.
BOSS 1971, nach VOGL 1990, 55).
Auf
erkenntnistheoretischer Ebene begegnen wir dem Begriff der Energie im Streit
zwischen dialektischem Materialismus und subjektivem Idealismus wieder. Dem
Primat der Materie steht das Primat des Bewußtseins gegenüber. Der Energetismus
OSWALDs, vom dialektischen Materialismus als Spielart des subjektiven
Idealismus angesehn, wird kritisiert, weil Energie nur eine der drei
Hauptaspekte der Materie darstellt (neben dem stofflichen und dem
informationellen Aspekt) und demnach ohne Materie nicht denkbar ist. Für die
Energetik jedoch gelten geistige und materielle Prozesse als Transformation von
Energie, eine Auffassung, die dem funktionalistischen Denken REICHs nahekommt.
Trotz
der Nähe zum Vitalismus bleibt REICH im Prinzip dem weltanschaulichen Rahmen
des dialektischen Materialismus treu. Er ersetzt allerdings den Primat der
Materie durch den Primat des Orgons und ordnet dieser primären Energieform die
Hauptaspekte zu, die im dialektischen Materialismus der Materie zugeordnet
wurden, d.h. aus Orgon, der sogenannten Primärenergie, entwickeln sich andere Energien,
Materie, Leben und Bewußtsein durch Überlagerung und Verwirbelung (vgl. REICH
1951). Es bleibt jedoch ungeklärt, wie das geschieht. Ähnlich wie im
Materialismus, der den informationellen Aspekt als materieimmanent betrachtet,
ist dieser informationelle Aspekt bei REICH als orgonimmanent zu betrachten.
Inwieweit es jedoch berechtigt ist oder nicht, die Aspekte von Information bzw.
Organisation tatsächlich als materie- oder orgonimmanent zu betrachten, soll
nicht zum Thema dieser Arbeit gemacht werden. Eine differenziertere Sicht
bietet beispielsweise HEIM (1990) mit seinem Modell einer einheitlichen
Beschreibung der materiellen Welt.
Wenden
wir uns noch einmal der ursprüngliche Bedeutung des Wortes “Energie” (energeia)
im griechischen Sprachgebrauch zu, so finden wir darin den oben bereits
erwähnten finalen Aspekt. Im Zusammenhang mit seinen Reflexionen über die Arten
des Werdens und über die Arten des Bewegens verwendet ARISTOTELES pararell den
nicht immer deutlich unterschiedenen Begriff “Entelecheia”:
“Alles
Werden strebt ja, insofern es der Form entgegeneilt, nach einem Ziel. Dieses
Ziel ist nichts anderes als Wirken, weshalb denn auch die wirkende Wirklichkeit
(Energeia) ‘Entelecheia’ heißt, d.h. ‘das, was das Ziel erreicht hat’.”
(HIRSCHBERGER 1984, 200).
Eben
dieses Verständnis von einer wirkenden, zielgerichteten Kraft wird im
Vitalismus wieder aufgenommen, im Verweis auf Organisations- und
Regulationsmechanismen, die an lebenden Organismen beobachtbar, wenn auch nicht
erklärbar sind. Ich werde in dieser Arbeit die Begriffe “Orgon” und
“Lebensenergie” synonym im Sinne einer “wirkenden Wirklichkeit”, einer
zielgerichteten Kraft im menschlichen Organismus verwenden. Das, was unter
“psychischen Energien” verstanden, bisher jedoch nicht eindeutig definiert
wurde, soll mit unter den Begriff der “Lebensenergie” subsummiert werden. Diese
Reduktion dient der Vereinfachung und quasi dem Brückenschlag zu (lebens-)
energetischen Konzepten anderer Kulturen, wie z.B. “Prana” im Hindi oder “Chi”
im Chinesischen bzw. im Taoismus. Allerdings sehe ich auch deutlich, daß der
Begriff “Orgon” von REICH noch umfassender als “Lebensenergie” im oben
genannten Sinne gebraucht wird. Orgon bleibt bei REICH stets mit dem Bemühen
verbunden, nicht nur die Phänomene zu beobachten, sondern diese Phänomene zu
erklären und ihnen über objektivierbare Meßmethoden einen Platz in der exakten
Wissenschaft einzuräumen.
In
seinem Spätwerk “Cosmic Superimposition” entwickelt REICH mehr und mehr ein
Verständnis von lebensenergetischen Vorgängen, die den Vorstellungen des Tao
Yoga (s.u.) entsprechen. Bereits vom Moment der Zeugung an beginnt
Lebensenergie zu zirkulieren, und mit dem Kreisen dieser Lebensenergie beginnt
sich der neue Organismus nach und nach auszudifferenzieren und zu wachsen.
REICH spricht vom “closed orgonome”.
Der
Energiefluß kann nach dem Modell des Tao Yoga angeregt werden durch die
Stimulation bestimmter Energiezentren. Diese Stimulation kann beispielsweise
durch Meditation erfolgen, also durch bewußte Konzentration auf diese Zentren.
Eine andere Stimulation dieser Punkte ist auch durch die in der
Pulsationsarbeit praktizierte Technik der (zum Teil auch rhythmischen) Pressur
möglich.
17.
Die Theorie von den “Feldern des Lebens”
Bioelektrische
Vorgänge im lebenden Organismus können relativ exakt gemessen werden. Das
Messen von bioelektrischen Feldern ist dagegen weniger gebräuchlich. Da jedoch
in der Pulsationsarbeit auch von einer Arbeit an “intentionalen Feldern”
gesprochen wird (eine genaue Definition konnte ich nicht finden), möchte ich im
Zusammenhang mit der Diskussion um den Energiebegriff auf Untersuchungen
verweisen, die von BURR etwa um die gleiche Zeit durchgeführt wurden, in der
auch REICH seine Forschungen vorantrieb. Auf BURR geht die Feldtheorie in der
Biologie zurück und die elektrodynamische Theorie des Lebens (BURR 1935, 1947).
Im Zusammenhang mit der elektrischen Natur des Gehirns entdeckte BURR neben den
elektrischen Strömen auch bioelektrische Felder, die den ganzen Körper umgeben
und die er später L-Felder oder “Felder des Lebens” nannte. Bestimmte Phänomene
sprachen einfach für deren Existenz. Seine Theorie lautet:
“Die
Organisation eines Lebewesens, also sein Funktionsmuster, wird durch ein
elektrodynamisches Feld geschaffen, das einerseits die Anordnung der einzelnen
Komponenten des Organismus bestimmt und andererseits durch diese bestimmt wird.
BURR stellte fest, daß dieses elektrische Feld für jedes Lebewesen typisch ist;
es bestimmt sein Wachstum und seine Struktur und erhält diese Struktur, solange
das Lebewesen lebt. Das elektrodynamische Feld muß der Mechanismus sein, durch
den die Ganzheit, die Organisation und die Kontinuität des Lebens erhalten
werden. In der Tat ein “Feld des Lebens”!” (SHALLIS 1992, 136).
Auch
wenn viele der Erkenntnisse BURRs bis heute noch nicht rezipiert worden sind,
sollten sie als Hintergrund gerade für die Pulsationsarbeit zur Kenntnis
genommen werden. Arbeit an “intentionalen Feldern” kann bedeuten, diese von
BURR entdeckten Felder und die Wechselwirkungen zwischen ihnen als Wirklichkeit
zu akzeptieren.
Damit
sind wir an der Stelle angelangt, von der aus wir von den theoretischen
Wirklichkeiten zu den erfahrenen Wirklichkeiten der mit der Pulsationsarbeit
Behandelten überleiten können.
18.
Die Erfahrungen der Behandelten und die Diskussion der Ergebnisse
Insgesamt
wurden für die Diplomarbeit acht Personen befragt. Drei von ihnen konnten
sowohl nach fünf als auch nach zwanzig Behandlungsstunden interviewt werden
(Daniel, Monika, Tobias), drei weitere infolge von Therapieabbruch oder
-verzögerung nur einmal nach jeweils fünf Behandlungsstunden (Anton, Judith,
Ursus) und zwei Personen stellten eine Kontrollgruppe dar, die nur zwei
Probestunden mit zeitlich längerem Abstand erhielten (Horst, Kay). Im Folgenden
werde ich oft nur die Anfangsbuchstaben dieser ohnehin bereits verschlüsselten
Namen verwenden. Die Zahlen 1 oder 2 nach dem jeweiligen Kürzel zeigen an, ob
es sich bei dieser Aussage um eine Erfahrung aus dem ersten oder zweiten
Interview handelt.
Das
Material, das ich aus den Erfahrungen der Behandelten zusammentragen konnte,
werde ich im Folgenden in neun Kategorien darstellen und diskutieren. Soweit es
das Material erlaubt, möchte ich an den entsprechenden Stellen auch Hypothesen
formulieren. Die Diskussion dieser Hypothesen könnte helfen, das Verständnis
der durch die Pulsationsarbeit angeregten Prozesse und Wirkmechanismen zu
korrigieren und zu vertiefen.
19.
Beschwerden und Erwartungen der Behandelten
20.
Therapierelevante Beschwerden
Aus
den in den Interviews genannten Beschwerden und Problemen, die ausdrücklich im
Hinblick auf die Behandlung mit der Pulsationsarbeit genannt wurden, habe ich
folgende Beschwerdegruppen zusammengestellt:
- Psychosomatische Symtomatik:
Neurodermitis (J1, K1, T1), allergisches Asthma (T1)
- Schmerzsymptomatik: Probleme mit
Lymphknoten (D1), Schmerz in Gelenken, Schultern und Knie (J1), Rückenschmerz,
Menstruationsschmerz (M1), Kopfschmerz
(U1)
- Psychische Symptomatik: Müdigkeit
(A1), Streß (K1), Probleme im Umgang mit anderen Menschen (J1),
Partnerkonflikte (K1), Trennungsproblematik
(K2, M1)
- - - - Sonstiges: Sehbeschwerden (D1),
allgemeine Steifheit (D1)
- Symptomfreiheit, aber dennoch
Annahme von körperlichen Blockierungen (H1)
Diese
Einteilung richtet sich in etwa nach der üblichen Aufteilung in körperliche
und/oder psychische Beschwerden bzw. Krankheiten. Die Annahme körperlicher
Blockierungen verweist allerdings auf die alle Beschwerden umfassende Beschwerdegruppe
der Biopathien. Damit taucht eine der voraussehbaren Schwierigkeiten dieser
Untersuchung auf. Das Konzept der Biopathien umfaßt sehr viele der
schulmedizinisch klassifizierbaren Beschwerdebilder und darüber hinaus auch
solche, die mit dem für die Vegeto-/ Orgontherapie REICHs typischen Vokabular
beschrieben werden. Dies spiegelt sich hier wieder. Ich räume ein, daß
homogenere Gruppen für weitere Untersuchungen unabdingbare Voraussetzung sein
sollten. Selbst im Fall einer sehr homogenen Gruppe würden sich vermutlich noch
genügend Interpretationsprobleme ergeben.
21.
Erwartungen
Die
Erwartungen sind aufgrund der Beschwerden ebenfalls sehr unterschiedlich
ausgeprägt. Sie reichen von der Erwartungslosigkeit (M1) über Neugier (A1, H1,
H2) bis hin zur privaten Überprüfung der Theorie REICHs (D1) und der Heilung
von schulmedizinisch als unheilbar angesehenen Erkrankungen (D1). Konkrete,
vorwiegend somatisch orientierte Erwartungen zielen vorwiegend auf
Symptomverbesserungen:
- Beschwerde- und Symptomfreiheit nach
½ Jahr Behandlung (T1) bzw. erst nach längerer Therapiedauer (T2)
- positive Auswirkung auf die Haut
(K2)
- Schmerzreduktion:
Menstruationsschmerz (M1), Kopfschmerz (U1)
- Überwinden der Müdigkeit (A1)
Vorwiegend
psychisch ausgerichtete Erwartungen beziehen sich auf eine veränderte
Selbstwahrnehmung bzw. auf eine Begleitung oder Neuorientierung im Leben:
- Veränderung des Selbstempfindens und
des Umgangs mit sich selbst (K2), sich
selbst und den eigenen Körper ernster nehmen (M1)
- Unterstützung des eigenen Prozesses
(K1), Sammlung und Neuordnung (K2)
- Verantwortung für sich übernehmen,
den eigenen Weg finden (M1)
- Steigerung des Selbstbewußtseins
(U1)
Erwartungen,
die geprägt sind von reichianischer Terminologie, die also sowohl die psychische
als auch die somatische und damit eine energetische Ebene meinen können, sind
folgende:
- größere
Lebendigkeit statt Steifheit (D1)
- Loswerden der Blockaden (J1)
- Veränderung der sexuellen
Erlebnisfähigkeit (D1/2)
- Halten von Energie über längere Zeit
hinweg (A1)
- Einsetzen der Energien zum
Selbstschutz (H2)
- Umgang mit Energien lernen zur
Verhinderung von Krankheiten (H1)
- Erreichen einer größeren Tiefe (T2)
- eine andere Art der ganzheitlichen
Erfahrung (K1)
Die
meisten Erwartungen beziehen sich konkret auf die genannten Beschwerden und
Probleme, mit denen die Behandelten ursprünglich zur Therapie gekommen sind.
Diese Erwartungen verändern sich z.T. im Verlauf der Therapie (z.B. zeitliche Einschätzung der
voraussichtlichen Heilungsdauer bei T1/2) oder sie entstehen neu (z.B. der
Wunsch nach größerer Tiefe bei T2).
Die
Erwartungen hinsichtlich der Vorbeugung (Prävention) von Krankheiten (H1)
möchte ich hier besonders hervorheben (siehe auch REICHs Betonung der
Neurosenprophylaxe (1987, 1989)). Diese Erwartungen werden allein von Horst
geäußert, der z.Z. keine aktuellen Probleme oder Beschwerden angeben kann, sich
aber seiner eigenen Blockaden durchaus bewußt ist (H2). Hier wird der Blick
über die reine Symptombekämpfung hinaus möglich, auch wenn konkretere
Therapieerfahrungen von Horst bisher noch nicht gesammelt werden konnten.
Gleichzeitig zeigt sich hieran auch die Problematik der Motivation für
präventive Maßnahmen: der (augenblicklich) fehlende Leidensdruck müßte in
diesem Falle beispielsweise durch ausreichende Einsicht in die Notwendigkeit
oder Interesse ersetzt werden. Das Interesse selbst kann von Anfang an sehr
hoch sein (D1) oder erst im Verlauf der Therapie zum persönlichen Bedürfnis
heranwachsen (M2), wobei der Motivationsprozeß durch die jeweiligen
Therapieerfahrungen und (Neben-) Wirkungen der Therapie wesentlich beeinflußt
scheint.
Zusammenfassung
Beschwerden
und Erwartungen beziehen sich größtenteils aufeinander. Dabei gibt es
Beschwerden sowohl im psychischen, im somatischen als auch im psychosomatischen
Bereich, wobei sich nicht alle Beschwerden als Biopathien im Sinne REICHs
einstufen lassen. Ein großer Teil der Erwartungen liegt jenseits der psycho-/
somatischen Ebene und richtet sich auf energetische Prozesse, die z.T. der
Theorie und dem Konzept der Pulsationsarbeit entsprechen.
22.
Interventionsmaßnahmen
Unter
Interventionsmaßnahmen verstehe ich alle Handlungen, die während der Behandlung
vom Therapeuten ausgehen. Besonders das zeitliche Verhältnis von Körperarbeit
und Gespräch zeigt deutliche Unterschiede zwischen D, M T, A und J, U, H, K
auf. Während für die ersten vier Behandelten das Gespräch etwa die Hälfte der
Therapiestunde einnimmt, überwiegt bei den anderen eindeutig die energetische
Körperarbeit (die “?” stehen für
fehlende Angaben aus den Interviews, wobei sich jedoch meist rückschließen
läßt, daß der zeitliche Anteil für energetische Körperarbeit ###½
ist).
Andere
Interventionsmaßnahmen, die z.T. im Fachjargon genannt wurden, sind folgende:
- Vertiefung der Atmung
- Kontrolle der Spannung in Armen und
Beinen und Kontrolle der jeweiligen Positionen
- Drücken von Punkten (z.B. an den
Knien) oder Pusten auf Punkte
- Massage (z.B. Nacken-, Brust-,
Kopfmuskulatur)
- sanfte Berührungen (z.B. kleine
Fußzehen, Schulter, Kopf, Gesicht, Ohren)
- - - - - Herstellen des Augenkontakts
- in ein Tuch beißen lassen - Verstärkung der
“Energiemobilisation” (Verstärken der Muskelanspannung und der vertieften
Atmung beispielsweis durch die “Flieger”-Position)
- “Einfaltungsarbeit” (die Energie
wird von der Körperoberfläche auf tiefer liegende Energiekanäle gelenkt) - “Energieausgleich” (Herstellen eines
ausgeglichenen Energieniveaus im gesamten Organismus)
- verbale Kommunikation (z.B.
Nachfragen, Anweisungen, Aufforderungen zum Späße machen)
Zusammenfassung
Die
oben ohne weitere Definition genannten Interventionsmaßnahmen spiegeln einen
Teil der Vorgänge während der Therapiestunden wieder. Dabei gehören die
vertiefte Atmung, das Spannung-Halten in der jeweiligen Position und das
“Punktedrücken” zu den obligatorischen Interventionen zwecks “Mobilisierung der
Energie”, während der “Energieausgleich” und die “Einfaltungsarbeit” sicherlich
erst in einem späteren Stadium der Arbeit zur Anwendung kommen. Je nach
Behandlungsdauer unterscheiden sich somit auch die Erfahrungen der
einzelnen Behandelten hinsichtlich der
Interventionen voneinander.
23.
Positionen während der Behandlung
Aus
den Interviews lassen sich in unterschiedlicher Genauigkeit Angaben über
bestimmte Behandlungspositionen herauslesen (Beschreibung der einzelnen
Grundpositionen siehe wieder bei LASSEK). Es ist jedoch nicht möglich, genauere
Angaben über die Häufigkeit der Behandlungen in bestimmten Positionen und über
einen exakten Behandlungsverlauf zu machen.
Positionen D1 D2 M1 M2 T1 T2 A1 J1 U1 H1 H2 K1 K2 ### Stehend x x x x x x x x x x x x x 13 Stehend x x 2 ohne Entspan- nung Rücken- x x x x x x x x x x 10 lage Bauch- x x 2 lage Entspan- x x x x x x x 7 nugsposi- tion
Alle
Behandelten haben die Position im Stehen angegeben, in der sie sowohl innerhalb
der ersten fünf Behandlungsstunden als auch danach wenigstens einmal behandelt
worden sind. Die Position in der Rückenlage wird in verschiedenen möglichen
Variationen genannt: Arme um den Baum, Beine aufgestellt, Becken angehoben/
Arme bewegen/ Arme und Beine senkrecht in die Luft strecken/ Flieger (der
Therapeut belastet die nach oben gehaltenen Beine des Behandelten mit seinem Körpergewicht).
Diese Position wird von allen Behandelten angegeben und einmal auch aus der
Kontrollgruppe (K2). Von der Position in der Bauchlage spricht nur Tobias;
Anton erwähnt die “Bauchlage” als Entspannungsposition, die jedoch nicht mit
der Arbeitsposition identisch ist. Die Entspannungspositionen bzw. -phasen
(entspannte Rückenlage, Bauchlage oder Embryostellung) werden mit Ausnahme von
Tobias von allen Behandelten wenigstens in einem der Interviews genannt.
Behandlungen, die ganz bewußt auf eine anschließende Entspannungsphase
verzichten, werden ausdrücklich von Daniel und Tobias genannt. Dies
unterscheidet beispielsweise Daniel und Tobias von Anton, Judith und Ursus;
letztere scheinen eher großen Wert auf die Entspannungsphasen gelegt zu haben.
Zusammenfassung
Die
stehende Position und die Position in der Rückenlage mit ihren verschiedenen
Variationen scheinen die Positionen der Wahl zu sein. Die Entspannungsphasen am
Ende der Behandlung sind nicht obligatorisch, sondern können sogar ganz
entschieden ausgelassen werden. Die Begründung für die Wahl einer bestimmten
Position geht aus den Interviews nicht direkt hervor.
24.
Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem muskulären System
25.
Anstrengung und Schmerz
Da
die muskuläre Anspannung ein notwendiges
Element der Pulsationsarbeit darstellt, auf das am Anfang nicht verzichtet
werden darf, überrascht es nicht, daß körperliche Anstrengung und Schmerzen von
allen Behandelten registriert worden sind. Von einigen kann beispielsweise die
stehende Position am Anfang nur zehn bis fünfzehn Minuten ausgehalten werden
(A1), (U1), (H1), wonach sie bereits an ihre körperlichen Grenzen geraten. Mit
der Anstrengung beim Anspannen der Muskulatur können Schmerzen in den Armen,
Schultern oder im Rücken auftreten (J1), besonders aber in den Beinen (H2) bis
hin zu Krämpfen (J1), (D2). Die
Anstrengung selbst wird von einigen nicht negativ bewertet (K1), (T2), bzw.
unterm Strich durchaus positiv (J1) oder als eine andere Qualität, z.B. als
“warmer Schmerz” gesehen (M1). Mit der Zeit werden Anstrengungen und Schmerzen
spürbar geringer (D1), (D2). Diese Entwicklung scheint im Zusammenhang mit der
Entwicklung der Bewegungen zu stehen. Treten Bewegungen auf, dann erfolgt auch
eine Verminderung der Anstrengung und des Schmerzes (K1).
Kritisch
kann an dieser Stelle gefragt werden, inwieweit die Behandelten die als
Ausgleichbewegungen des Körpers verstehbaren Bewegungen selber herbeiführen, um
sich Erleichterung zu verschaffen oder inwieweit sich diese Bewegungen
tatsächlich autonom, d.h. von selbst entwickeln können. Daniel betont extra,
daß er selbst nichts steuert, sondern bewußt abwartet und sich zurückhält (D2).
Auch Tobias gesteht, daß er keinen Einfluß mehr auf die Reaktionen hatte (T1).
Die Aussage Monikas, daß sie Lust hat, sich bei der Behandlung quälen zu lassen
(M2), spricht dafür, daß zu einem gewissen Maß mit der Motivation der
Behandelten gerechnet werden kann, durch die Anstrengung hindurchzugehen und
die Anspannung auszuhalten (T2), (J1) bis hin zu dem Experimentieren mit einer
mentalen, bewußt herbeigeführten Schmerzausschaltung (H2).
Zusammenfassung
Nach
einem meist sehr beschwerlichen Anfangsprozeß, an dem die Behandelten bis an
ihre körperlichen Grenzen geführt werden, lassen Anstrengung und Schmerz nach
(D1/2, T1/2). Dies geschieht meist in dem Moment, wo stärkere Bewegungen
möglich werden, beispielsweise das Zittern der Knie oder der Beine (K1). Je
ruhiger, weicher und größer die Bewegungen werden, um so weniger scheint dies
mit Anstrengung verbunden zu sein. Dies schließt nicht aus, daß bei bestimmten
Positionen auch nach einem fortgeschrittenem Therapieprozeß wieder heftigere
Anstrengungen und Schmerzen beispielsweise in einer neuen Position auftreten
können (D2).
26.
Diskussion um Muskelspannung und Körperwahrnehmung
BISCHOFF
(1989) verweist in seinen Untersuchungen zu Personen mit
Muskelkontraktionskopfschmerz (MKKS) darauf, daß er als Hauptfunktion der
Muskulatur die Realisierung von motorischen Akten sieht, sprich Haltung und
Bewegung.
Diese Motorischen Akte können
durch Lernprozesse überformt werden - Reflexe insbesondere durch klassisches
Konditionieren, motorische Willkürakte vor allem durch operante
Konditionierung. Lernprozesse können somit auch zur Entstehung von Bewegungen
und Haltungen führen, die mit Muskelmehrarbeit einhergehen (z.B. beim MKKS).
Bei Muskelmehrarbeit liegt eine ständig erhöhte Muskelspannung (motorische
Dysfunktion) vor, ein Mehr an Muskelarbeit/Zeiteinheit, die durch den
Muskelstoffwechsel nicht kompensiert werden kann. Die Ursachen für diese
Muskelmehrarbeit können sehr unterschiedlich sein und jeweils die
Schmerzentstehung begünstigen (vgl. BISCHOFF 1989, 9).
Zwei
Studien illustrieren die Folgen der Muskelmehrarbeit bei Personen mit MKKS:
BISCHOFF
& SAUERMANN (1985) berichten über eine Untersuchung von Spontanbewegungen
in und nach einem Konzentrationstest, wobei es “insbesondere in der
Leistungssituation zu Bewegungen als Ausdruck von Aktivierung und insbesondere
nach “getaner Arbeit” zu Bewegungen, die wahrscheinlich als Regulative des
Muskeltonus und der Blutversorgung der Muskeln dienen, wie etwa Räkel- und
Streckbewegungen (Hervorhebung durch den Verf.) kommt. Personen mit
Muskelkontraktionskopfschmerz zeigten ... bedeutsam weniger Bewegungen ...”
(BISCHOFF 1989, 16).
In
einer anderen Untersuchung (TRAUE et al. 1985, zit. nach BISCHOFF 1989) zeigten
Versuchspersonen mit MKKS im Vergleich zu schmerzfreien Kontrollpersonen ein
reduziertes Ausdrucksverhalten (Anzahl der Bewegungen und motorische
Expressivität). Die Unterdrückung emotionalen Ausdrucks im Gesicht führt zu
erhöhter Muskelaktivität im Gesicht und vermutlich zu einer Abschwächung des
emotionalen Erlebens (Hervorhebung durch den Verf.).
“Beide
Studien basieren auf der Überlegung, daß Muskelmehrarbeit dann entsteht, wenn
motorische Handlungsimpulse unterdrückt werden: In diesem Fall bleibt der
Handlungsimpuls in Form einer Aktivierung spezifischer Muskeln fortbestehen,
und es kostet Kraft antagonistischer Muskeln, diese Handlungsbereitschaft so
unter Kontrolle zu haben, daß aus ihr keine wirklichen Handlungen werden.”
(BISCHOFF 1989, 16).
Die
Sensibilität der Personen mit MKKS ist in der Untersuchung BISCHOFFs
signifikant geringer als die der Versuchspersonen der Kontrollgruppen. Sie
geben aber bedeutsam mehr wahrgenommene Körperprozesse und insgesamt mehr
Körperbeschwerden an als die schmerzfreien Versuchspersonen, was sich als
Folgeerscheinung der jeweiligen psychophysiologischen Dysfunktion deuten läßt
(BISCHOFF 1989, 168f). Die Nichtwahrnehmung beispielsweise von Muskelspannungen
wird bei Personen mit MKKS als Konsequenz von Löschungsvorgängen betrachtet und
als Wahrnehmungsdefizit-Hypothese formuliert (BISCHOFF 1989, 82).
Diese
Beobachtungen kommen den Überlegungen REICHs hinsichtlich der Entstehung der
muskulären Panzerung sehr nahe:
“Schon
in sehr frühem Alter tritt bei Kindern die Angst vor den Grimassen auf, die sie
vorher gern schnitten. Eine Bremsung der entsprechenden Impulse hat zur Folge,
daß sie ihr Gesicht steif “in Ordnung” halten.” (REICH 1987, 231).
“Unsere
Patienten berichten ausnahmslos, daß sie Perioden in ihrer Kindheit
durchmachten, in denen sie es durch bestimmte Übungen im vegetativen Verhalten
(Atem, Bauchpressen etc.) lernten, ihre Haß-, Angst- und Liebesregungen zu
unterdrücken.” (REICH 1987, 226).
REICH
faßt diese Beobachtungen zusammen:
“Die
charakterliche Panzerung kostet Energie, denn sie erhält sich durch ständigen
Verbrauch an libidinöser Energie bzw. vegetativen Kräften, die sonst (unter der
Bedingung der motorischen Hemmung) Angst erzeugen würden. Derart erfüllt die
charakterliche Panzerung ihre Funktion, die vegetative Energie zu verarbeiten
und aufzuzehren. ... Jede Erhöhung des Muskeltonus in der Richtung zur
Rigidität ist ein Zeichen dafür, daß eine vegetative Erregung, Angst oder
Sexualität, aufgefangen und gebunden wurde.” (REICH 1989, 451f).
Diese
Parallele zwischen REICHschen Vorstellungen und der Lerntheorie findet sich
auch von UEXKÜLL beschrieben:
“Bestimmte
frühkindliche Lernbedingungen - so REICH - begünstigen die Entwicklung von
Muskelpanzerungen, daß heißt von chronischen Muskelverspannungen, die im
Extremfall und - in bestimmten Körperregionen bevorzugt - Schmerzen zur Folge
haben. REICHs Beispiele und Überlegungen können in Begriffen der klassischen
und operanten Konditionierung dargestellt werden.” (UEXKÜLL 1986, 574).
Nehmen
wir umgekehrt die Erkenntnisse der Lerntheorie und die hier zitierten
Untersuchungsergebnisse zur Kenntnis und gestatten wir uns eine
Verallgemeinerung, dann würde dies für alle Personen mit der Symptomatik
“Muskelmehrarbeit” (sprich chronisch überhöhte Muskelanspannung bzw. muskuläre
Panzerung) folgendes bedeuten:
- vermutlich
Abschwächung des emotionalen Erlebens
- reduzierte Schmerzwahrnehmung - reduziertes Ausdrucksverhalten - bedeutsam weniger autonome
Bewegungen
Umgekehrt
würde die Zunahme von Bewegung und Ausdrucksverhalten sowie die Zunahme des
Erlebens von Muskelschmerz und des emotionalen Erlebens als Abnahme der
Muskelmehrarbeit interpretiert werden können und damit als Prozeß der Auflösung
muskulärer Erstarrung.
These
1:
Das
Nachlassen von Schmerz und Anstrengung ist kein Gewöhnungsprozeß, sondern Folge
der Auflösung muskulärer Erstarrungen.
These
2:
Der
Prozeß der Auflösung muskulärer Erstarrung kann im Verlauf der Pulsationsarbeit
begleitet sein von der Zunahme der körperlichen Ausdrucksbewegungen und des
emotionalen Erlebens.
Für
die Pulsationsarbeit gelten allerdings andere “Versuchsbedingungen”. Während
BISCHOFF & SAUERMANN (1985) ihre Beobachtungen an Versuchspersonen während
eines Konzentrationstests gemacht haben, stehen die “Versuchspersonen” bei der
Pulsationsarbeit nicht unter geistiger sondern unter extrem körperlicher
Anspannung.
27.
Körperliche Ausdrucksformen
In
den Interviews werden verschiedene Bewegungsformen genannt, die während der
Behandlung auftreten können. Die individuellen Bezeichnungen für die subjektiv
wahrgenommenen Bewegungsformen unterscheiden sich, woraus zu schließen ist, daß
sich auch die Bewegungen voneinander unterscheiden.
Unterschiedliche
Bezeichnungen können durchaus gleiche Vorgänge bezeichnen (möglicherweise sind
“Zappeln” und “Flattern” Synonyme), während die gleiche Bezeichnung (z.B.
“Zittern”) für sehr wohl voneinander unterscheidbare Vorgänge stehen kann
(Zittern der Arme oder Zittern der Beine). Ohne parallel durchgeführte
Videoaufnahmen lassen sich die qualitativen Aussagen nicht auf ihre genauen
quantitativen Inhalte (Frequenz, Amplitude, Intensität, Richtung oder Form der
Bewegungen) überprüfen. Dennoch bin ich der Meinung, daß die hier genannten
Ausdrücke durchaus auch quantifizierbare Inhalte implizieren. Versucht man auf
diesem Hintergrund und teilweise auch auf näheren Erläuterungen der Behandelten
eine Ordnung der Begriffe (und damit der Bewegungen), dann ergibt sich ein
Bewegungsspektrum, das ich aus meiner Sicht wie folgt kommentieren und
interpretieren möchte:
- “Bewegungen”
relativ
undifferenziert
- “Vibrieren”
feine
und hochfrequente Bewegungen, mehr spürbar als sichtbar - “Zittern” feine,
aber stärkere und weniger hochfrequente Bewegungen, spürbar und gut sichtbar
- “Wackeln / stärkere,
(un-) regelmäßige Bewegungen
Zappeln”
- “Flattern” stärkere,
(un-) regelmäßige Bewegungen
- “Schlagen”
heftige
(un-) regelmäßige Bewegungen
- “Schlängeln”
Bewegungsimpulse,
die schlängelnd oder auch ruckartig durch den (ganzen) Körper gehen - “Schwingen” ruhige
rhythmische Bewegungen, die sich auf den ganzen Körper ausweiten könen - “Pulsieren”
Empfinden
einer inneren, ruhigen (und rhythmischen) Bewegung
Diese
Bewegungsformen wiederum sind gekoppelt an das Stütz- und Bewegungssystem des
Körpers. Es werden unterschiedliche Körperbereiche in die verschiedenen Formen
der Bewegung mit einbezogen.
Die
Bewegungen der Beine (Füße, Knie, Oberschenkel) sind in jedem der Interviews
genannt worden, z.B. das Zittern in den Beinen. Alle anderen Körperbereiche
sind weniger häufig genannt, was die Vermutung nahe legt, daß sich die
Bewegungen in den Armen, im Becken, im Gesicht oder über den ganzen Körper
nicht bei allen Behandelten oder erst über einen längeren Behandlungszeitraum
hinweg entwickeln. So berichtet beispielsweise Anton von Armbewegungen nach der
2. Stunde, bei Daniel tritt ein erstmaliges Zittern der Arme nach der 5.
Therapiestunde auf und Monika berichtet erst im Abschlußinterview von seltenem
und nur leichtem Vibrieren der Arme.
Von
sehr starken Schwingbewegungen über den ganzen Körper bis hin zum Kopf
berichtet Daniel (D2), während Tobias im Abschlußinterview von ruckartigen Schlängelbewegungen im Becken spricht (T2).
Der von Anton verwendete Begriff “Impuls” (A1) meint hier noch nicht das
Pulsieren im oben genannten Sinne - obwohl ich es als Pulsieren kodiert habe -
sondern bezeichnet die Wahrnehmung eines einmaligen inneren Impulses durch den
Körper.
Heftige
Bewegungen und Verspannungen um Mund und Lippen werden von Tobias (T1) und Ursus (U1) genannt. Hier
liegt die Vermutung nahe, daß die Verspannungen im Mundbereich
Hyperventilationsphänomene sein könnten. Dies zeigt sich besonders bei Ursus im
Zusammenhang mit dem Krampfgefühl und der Pfötchenstellung beider Hände (U1).
Gegen reine Hyperventilationsphänomene spricht, daß im Mundbereich
Verspannungen und Bewegungen auftreten, verbunden mit dem “Gefühl der
Unkontrolliertheit” (T1). Daß gerade auch im Gesicht muskuläre und
unkontrollierte Bewegungen ohne Hyperventilation auftreten können, ist eine
Erfahrung, die von anderen Behandelten, in dieser Untersuchung jedoch nicht
befragten Personen berichtet wird.
Von
Verlauf und Entwicklung der Bewegungen kann folgendes gesagt werden:
-nach zunehmender Heftigkeit am
Anfang der Behandlung werden die Bewegungen von der Tendenz her ruhiger (T2)
- mit dem Zulassen von Gefühlen können
die Bewegungen auch stärker und weicher werden (M2) - die Bewegungen können nach oben
gelenkt werden, d.h. Armbewegungen nehmen zu, während der Rest des Körpers
relativ ruhig bleiben kann (D2)
- es können durchaus verblüffende
Bewegungsmuster entstehen wie etwa die komplizierten, unregelmäßigen aber koordinierten
Armbewegungen, die Daniel als Ausdrucksbewegung bzw. als Verzweiflungsgeste
empfunden hat (D2)
- die Bewegungen sind unkontrollierbar
(T1), d.h. sie treten unwillkürlich (T2), (U1) oder automatisch auf (U1) - die Bewegungen lassen sich zwar abbremsen
aber nicht unterdrücken (K2)
- es besteht die Möglichkeit zu
beobachten, wie sich die Bewegungen entwickeln, ohne sie steuernd zu
beeinflussen (D2).
Zusammenfassung
Die
Bewegungen scheinen sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit über ein anfänglich
kaum spürbares Vibrieren der Muskulatur zu einem auch sichtbaren Zittern hin zu
entwickeln, das dann übergehen kann in stärkere Bewegungen wie Flattern,
Zappeln oder Schlagen. Darüber hinaus kommt es zu Bewegungen, die sich über den
ganzen Körper hinweg als Schlängeln oder als Schwingungen ausbreiten können,
bis hin zum Erleben des Pulsierens im Inneren des Körpers.
Die
Intensität scheint in diesem Prozeß zunächst zuzunehmen; aus der anfänglichen
Unbewegtheit entwickelt sich eine feine hochfrequente Bewegung in den Beinen,
die dann größer und heftiger werdend immer weitere Körperbereiche einzubeziehen
vermag. Danach verändern sich die Bewegungen; sie werden ruhiger, weicher,
schwingend.
Die
Zusammenfassung sollte nicht den Eindruck vermitteln, daß die Entwicklung von
Bewegungsprozessen immer so glatt und geordnet abläuft. In jeder
Behandlungsstunde können die unterschiedlichsten Bewegungsformen entstehen.
Diese in ihrer Vollständigkeit zu beobachten, zu erinnern und für ein Interview
in Sprache umzusetzen, scheint jedoch für jemanden, der behandelt wird, nicht
möglich zu sein. Trotz der Möglichkeit, aus den Angaben bestimmte Tendenzen
herauslesen zu können, sollten wir uns gerade hier bewußt sein, daß wir nur auf
einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zurückgreifen.
28.
Gruppierung im Hinblick auf die autonomen Körperreaktionen
Die
von LASSEK beschriebenen Reaktionsweisen der drei energetischen Grundtypen sind
typische Reaktionsweisen, die besonders deutlich auftreten, wenn der oder die
zu Behandelnde bereits relativ weit auf seiner jeweiligen Entwicklungslinie
vorangeschritten ist und bereits die typischen und schweren Erkrankungen hat.
Die Reaktionen “Normalgesunder” unterscheiden sich demzufolge nicht so deutlich
voneinander. Eine Einordnung der in dieser Untersuchung vorgestellten
Behandelten erweist sich jedoch als problematisch. Die Angaben zu den
Reaktionsweisen sind oftmals nicht ausreichend genug, um tatsächlich eine
exakte und lebendige Vorstellung von diesen Prozessen zu erhalten. Aus diesem
Grunde verzichte ich an dieser Stelle auch auf eine genauere Darstellung der
wenigen dafür relevanten Aussagen.
29.
Diskussion der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten
Die
körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten zeigen sich in den Formen und in der Entwicklung
der autonomen Bewegungen, wie oben dargestellt. Es zeigt sich einerseits, daß
es oft erhebliche Veränderungen in den intraindividuellen Reaktionsformen
zwischen t1 und t2 gibt und daß es andererseits zu einem vergleichbaren
Behandlungszeitpunkt durchaus interindividuelle Unterschiede in den Reaktionen
der einzelnen Behandelten gibt. Die Spannweite der hier geschilderten
Erfahrungen reicht vom anfänglich schmerzenden Vibrieren und Zittern der Beine
bis hin zum Schwingen des gesamten Körpers nach einer längeren Behandlungszeit.
Pulsationen im Sinne der Wahrnehmung tiefer innerer Bewegungen sind meines
Erachtens nach nicht gemacht worden, auch wenn Pulsation als eine Bewegungsform
in der Ergebnisdarstellung mit aufgenommen wurde.
Das
einmalige Entstehen von Ausdrucksbewegungen der Arme mit dem Empfinden dieser
Bewegungen als “Verzweiflungsgeste” stellt sicherlich eine Erfahrung eigener
Art dar. Sie könnte ein Beispiel dafür sein, daß Gefühl und Ausdrucksbewegung
nur zwei unterschiedliche Ausdrucksebenen einer tieferen “Emotion”, der
gemeinsamen zugrundeliegenden plasmatischen Strömung darstellen. In diesem
Falle könnten beide Ausdrucksebenen als einander zugehörig empfunden worden
sein.
Die
in den Interviews beschriebenen Bewegungen bestätigen die von REICH bereits in
der klassischen Vegetotherapie gemachten Beobachtungen, daß am Anfang der
Therapie nach dem Lösen von Körperorgon zunächst klonisches Zittern auftritt.
REICH schreibt, daß “sichtbar wellenartige Zuckungen in dem freigelegten
Körperbereich” erst dann auftreten, wenn eine ganze Reihe von Panzersegmenten
gelöst worden sind. Diese Wellen bewegen sich “nach oben zum Kopf und nach
unten zum Genital” (REICH 1989, 490f).
These
3:
Die
Tatsache, daß in der Pulsationsarbeit
sowohl Zittern als auch wellenartige Zuckungen (Schlängeln, Schwingen) ohne
vorhergehende systematische Auflösung der einzelnen Panzersegmente auftreten,
spricht dafür, daß die Pulsationsarbeit einerseits auf dem Fundament der
Vegetotherapie steht, daß aber andererseits die von REICH beschriebenen
Prozesse auch mit der modifizierten Methode der Pulsationsarbeit angeregt
werden können.
30.
Nebenwirkungen
31.
Somatische Nebenwirkungen
Schmerzen,
Krämpfe (D2, J1) und Hyperventilationsphänomene (U1) werden als Nebenwirkungen
genannt, die direkt bei der Behandlung aufgetreten sind. Nebenwirkungen, die
sich erst nach der Behandlung einstellen und die von mehreren der Behandelten
direkt damit in Verbindung gebracht werden, sind auf somatischer Ebene vor
allem Durchfälle in unterschiedlicher Intensität (ohne genauere Angaben (T2),
ein paarmal (U1), drei Tage lang (M2), über zwei Wochen hinweg (D1) und
monatelang anhaltend (D2)). Hinzu kommen noch weitere einzelne Reaktionen:
- Hautreaktionen: fast täglich
aufkommender Juckreiz an den Knien und
Oberschenkeln (D2) oder
Hautausschläge direkt nach der Stunde (J1) - Fieberschübe über eine Woche hinweg
mit gleichzeitiger Verbesserung und nachfolgender Verschlechterung des Lymphödems
am Fuß (D2)
- Asthmaanfälle, die am Ende der
Behandlung auftreten, aber von Stunde zu Stunde schwächer werden und auch ganz
ausbleiben können (T1); bei schwülem Wetter tritt Asthma außerhalb der Therapie
allerdings noch auf (T2)
- Verringerung der Nacken- und
Kreuzschmerzen (T1) - wärmere Hände (T2)
- geradere Körperhaltung (T2)
- Taubheitsgefühl im Mund (eine Woche
lang) (U1)
- Verschlechterung der Sehstärke (D2)
- Schmerzen in den Lymphknoten (D1)
Es
werden auch Symptome genannt, die von den Behandelten nicht eindeutig mit der
Behandlung in Zusammenhang gesehen werden, wie heftige Magenprobleme nach der
Behandlung (J1), Erkältungen (T2), (J1) oder positive Hautveränderung (T2). Für
ein sich veränderndes Körperbewußtsein sprechen beispielsweise das Wahrnehmen
einer unangenehm harten Kugel im Bauchraum (M1) bzw. das Wahrnehmen von sich
bessernden Bauchschmerzen (M2) - Problembereiche, die vor der Therapie nicht
wahrgenommen wurden.
Bis
auf die Durchfälle erscheinen die hier genannten Reaktionen auf den ersten
Blick als sehr inhomogen. Individuell stehen sie jedoch meist in Beziehung zu
den ursprünglichen Beschwerden. Es scheint etwas in Bewegung zu kommen (z.B.
Fieber und Fußentzündung - D2) und es scheinen positive (Verringerung der
Asthmaanfälle - T1) wie negative Symptomveränderungen möglich
(Sehschärfeverschlechterung - D2).
Von
den beiden Behandelten der Kontrollgruppe werden keine somatischen Reaktionen
berichtet, von den Behandelten mit 20 Stunden dagegen deutlich mehr als von den
Behandelten mit 5 Stunden.
Zusammenfassung
Abgesehen
von der Entwicklung bestimmter Bewegungsmuster treten vorwiegend somatische
Nebenwirkungen auf, die einerseits als Entladungsreaktionen des Organismus
gesehen werden können (Durchfall), als Aktivierung des Immunsystems (Fieber),
als Beeinflussung des Vegetativums (wärmere Hände) oder als Veränderungen an
der jeweiligen Symptomatik (Asthma, Neurodermitis, Schmerzen).
32.
Kribbelphänomene und andere Empfindungen
Bei
fast allen Behandelten (bis auf Judith, Horst und Kay) werden in den
Erstinterviews Kribbelphänomene genannt, die während der Pulsationsarbeit
aufgetreten sind. In den späteren Interviews werden diese Phänomene nicht mehr
erwähnt (z.B. M2, T2), dafür aber Phänomene beschrieben, die in
unterschiedlichen Variationen als (elektrische) Impulse oder Ströme
wahrgenommen wurden, die von bestimmten Punkten aus durch den ganzen Körper
gehen. Tobias berichtet von einem Wärmestrom, einer Welle, die plötzlich von
den Füßen zu den Armen hindurchgeht, worauf die kalten Arme plötzlich warm
werden (T2). Daniel erlebt, wie nach Berühren des Ellenbogens durch den
Therapeuten zweimal nacheinander eine Welle vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen
und wieder zurück geht, wonach die Arme anfangen zu schlagen (D2). Bei Anton
geht nach Berühren des Fußpunktes ein starker Impuls von diesem Punkt aus durch
den ganzen Körper (A1) und beim Berühren der Ohren geht ein Impuls vom Kopf zu
den Füßen (A1). Judith hat das Gefühl, einen Energieschub von den Fingern ihres
Therapeuten zu erhalten (J1) und bei Kay ergießt sich nach Berühren der Ohren
ein warmes helles Gefühl wie die Sonne von oben nach unten durch den Körper
(K1).
Weiterhin
berichtet Daniel von Kribbelphänomenen, die eine für ihn ungewöhnliche Stärke
hatten, wo das Kribbeln einschoß (D2) oder wo gleichzeitig die Arme rot und
heiß wurden (D2). Diese Phänomene traten einmal auf nach einer sehr starken
Mobilisierungen der Energie (Fliegerposition und anschließend eine leichte
Streckspannung gegen den Widerstand des Therapeuten - D2), und ein anderes mal
in der stehenden Position, in der sich
zunächst fast gar keine Bewegung entwickelte, dafür aber eine hohe
“Ladungsdichte” entstand, d.h. die Arme wurden rot und heiß und kribbelten,
worauf kurzzeitig sehr starke Bewegungen einsetzten, “so stark, daß der ganze
oberkörper mitschwang”. Darauf folgte wieder Ruhe und das Gefühl einer “ganz
großen dichte in den armen”, worauf er die Hände vor dem Körper aufeinander zu
bewegt hatte und bei vierzig Zentimetern ein deutlicher Widerstand zu spüren war
(D2). Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet Monika , bei der sich in der
stehenden Position ein dichtes Energiefeld zwischen den Händen gebildet habe,
wo das Gefühl zwischen den ganz dicht aneinander gehaltenen Händen “wie so’n
berühren” war (M2). Vor dem Wahrnehmen dieses Feldes habe sie das Gefühl von
Energieströmen zwischen ihren Fingern gehabt, die sich wie “fäden gesponnen
haben”, “das war’n seile” zum “durchschneiden” und vom Gefühl her wie ein
glitzerndes rot-grün-gelb-durchsichtig blitzendes Seil, was sich ständig bewegt
(M2).
Schenkt
man diesen Beschreibungen Glauben, so dokumentieren sie die Möglichkeit,
(bio-elektrische) Felder mit den Händen wahrzunehmen. Die Behandelten waren
dazu in der Lage, nachdem sie vorher intensiv Energie mobilisiert hatten und
nachdem diese Energie auf irgendeinem Weg in die Arme gelangt ist. Diese
Erfahrungen sind anhand unseres Materials erst in einem fortgeschrittenen
Stadium der Arbeit möglich gewesen.
Während
Monika eine bildliche Wahrnehmuung der Energieströmen zwischen den Fingern
berichtet, hat Daniel nach einer Behandlung, bei der nach seinen Angaben
Energie in seine Augen gelangt sei, einmal völlig andere Lichtphänomene
wahrgenommen als gewohnt (D2). Eine genauere Beschreibung oder Erklärung dieser
Phänomene fehlt jedoch. Mit diesem Erlebnis scheint allerdings gekoppelt zu
sein, daß sich Daniels Sehschärfe danach etwas verschlechtert hat (s.o.).
Zusammenfassung
Während
der Pulsationsarbeit werden Phänomene wie Kribbeln, Wellen, (elektrische)
Impulse von Erregung sowie bio-elektrische Felder in Verbindung mit farblichen
Wahrnehmungen und Vorstellungen beschrieben. Die Erfahrungen des Kribbelns und
der Erregungswellen passen zu dem, was auch REICH (1989) beobachtet und mit dem
Freisetzen von Orgon im Körper erklärt hat. Das Wahrnehmen von starken
bioelektrischen Feldern und teilweise auch von ungewöhnlichen farblichen
Vorstellungen durch die Behandelten scheint mit dem Freisetzen und Bewegen von
bio-elektrischer Energie im Zusammenhang zu stehen. Es sind Phänomene eigener
Art, die als Indiz für energetische Prozesse gesehen werden können.
33.
Diskussion um Parästhesien und andere Wahrnehmungen
Das
Lexikon für Medizin (1995) erklärt das “Kribbeln”, “Pelzigsein” oder
“Ameisenlaufen” unter dem Fachausdruck Parästhesien als Fehlempfindungen des
Hautsinns. Nach BAKER (1980) sind Parästhesien verzerrte Empfindungen, die
durch Blockierung des Energieflusses im Körper erzeugt werden. REICH führt dazu
aus, daß das Körperorgon nach Auflockerung eines Panzerringes nicht sofort frei
zu strömen beginnt.
“Zunächst
tritt klonisches Zittern, einhergehend mit dem Empfinden des Prickelns und
“Ameisenlaufens” auf. Daran erkennen wir klinisch, daß die Panzerung nachgibt
und Körperorgon frei wird” (REICH 1989, 490).
Treten
also Parästhesien am Anfang der Pulsationsarbeit auf, so ist dies ein Zeichen
dafür, daß “Körperorgon” frei geworden ist, aber noch nicht frei strömen kann.
Bei ausreichender Beseitigung der Blockaden werden dann nicht mehr diese
Parästhesien empfunden, sondern Erregungswellen.
“Echte
Empfindungen plasmatischer Erregungswellen treten erst dann auf, wenn eine
ganze Reihe von Panzersegmenten, etwa die Augen-, Mund-, Hals-, Brust- und
Zwerchfellblocks, gelöst sind” (REICH 1989, 490).
BAKER
(1980) bezeichnet die Wahrnehmungen von angenehmen, wellenförmigen
Energie-Bewegungen im Körper als Lustströme, gleichsam als ob der Körper von
einer sanften Brise durchzogen werde. Auch wenn keiner der Behandelten
ausdrücklich von Lustempfindungen im Zusammenhang mit diesen Wahrnehmungen
spricht, ist aus den Interviews zumindest herauszulesen, daß diese
Wahrnehmungen meist von angenehmer oder überraschender Natur gewesen sind. Das
Neue an diesen Wahrnehmungen im Vergleich zu REICH ist die Tatsache, daß die
Energie-Bewegungen oft im Zusammenhang mit den Stimulationen bestimmter Punkte
gemacht wurden, und zwar nachdem der organismische Gesamtzustand auf einen
erhöhten Aktivierungsgrad angehoben wurde.
These
4:
Die
Tatsache, daß das Empfinden von Energie-Bewegungen meist nach dem Berühren
bestimmter Punkte (z.B. an den Fußpunkten oder am Ohr) erfolgte, spricht für
die Existenz der Punkte und Energiebahnen und somit auch für deren
therapeutische Nutzung.
These
5:
Die
Herstellung eines besonders angeregten energetischen Zustandes im Gesamtsystem
des Organismus durch vertiefte Atmung und durch muskuläre Anspannung erhöht die
Wirksamkeit beim Stimulieren der Punkte und Energiebahnen.
34.
Psychische und emotionale Nebenwirkungen
Auf
der emotionalen bzw. psychischen Ebene werden ebenfalls Auffälligkeiten oder
Veränderungen benannt, die mit der Pulsationsarbeit in Zusammenhang stehen
könnten. Da jedoch während der Behandlungsstunden mitunter bis zur Hälfte der
Zeit gesprochen wurde, das Verhältnis zum Therapeuten eine wichtige Rolle
spielt und vor allem die äußeren Lebensverhältnisse der Behandelten z.T. ganz
gravierende Veränderungen erfahren haben, halte ich eine eindeutige Zuordnung
der im Folgenden angeführten psychisch-emotionalen “Nebenwirkungen” als
alleinige Folgen der Pulsationsarbeit nicht für möglich. Trotzdem seien sie
hier genannt:
1. Entspannung (Erleichterung,
Beruhigung, Stärkung, Zentrierung) (M1/2)
2. größere Gelassenheit (D2) 3. gutes Gefühl nach der Behandlung
(K1/2)
4. Erkennen von Verhaltensmustern (T1)
5. größere Ehrlichkeit sich selbst
gegenüber (M2)
6. Erkennen, was ich will (T1)
7. höheres Durchsetzungsvermögen (U1)
8. bessere Abgrenzung gegenüber
PartnerIn oder Kollegen (A1, J1, U1)
9. mitteilsamer in Gesprächen (A1)
10. Neigung zum Weinen (T2)
11. Lachanfälle beim Sex (D1)
12. verändertes (tieferes) sexuelles
Empfinden (M2, T1)
13. Ermöglichen des Einlassens auf einen
Partner (D2, M2, T2)
Trotz
der breiten Streuung der psychisch-emotionalen Nebenwirkungen lassen sich
einige aufgrund ihrer Ähnlichkeit zusammenfassen. 1. - 3. sprechen für
Auswirkungen, die mit der organismischen Umschaltung zu tun haben können, 4. -
6. hat etwas mit Klärungsprozessen zu tun, 7. - 9. mit der sozialen
Interaktion, während 11. - 13. noch spezieller die partnerschaftliche bzw. sexuelle
Ebene betrifft. 10. zeigt eine Veränderung in der Möglichkeit des Ausdrucks von
Gefühlen an.
Als
Randbemerkung möchte ich auf die Veränderung des Konsumverhaltens hinweisen,
das während der Behandlungszeit bei Anton aufgetreten ist: Anton beginnt Kaffee
und Rotwein zu trinken, was er zuvor strikt vermieden hat (A1).
Zusammenfassung
Auch
wenn die auf psychisch-emotionaler Ebene genannten Veränderungen mit exteren
Faktoren in Verbindung stehen können, so sollte die Möglichkeit nicht
unbeachtet bleiben, daß zumindest auch die Möglichkeit besteht, sie tatsächlich
auch als Indizien für die Wirksamkeit der Pulsationsarbeit auf der
psychisch-emotionalen Ebene anzusehen.
35.
Empfindungen, Gefühle und Emotionen
Die
drei in der Überschrift genannten Begriffe möchte ich wie folgt grob
unterscheiden: Empfindungen sind Wahrnehmungen, die noch nicht gefühlsmäßig
bewertet werden. Mit der Bewertung werden die Empfindungen zu Gefühlen und mit
dem Ausdruck zu Emotionen. Gefühle können zurückgehalten werden und erhalten so
keinen Zugang zum Ausdruck. Ebensogut können Emotionen gezeigt werden, ohne daß
ein Zugang zu den Gefühlen da ist. Alle drei Ebenen sind auch vom
Interviewmaterial her belegbar. Ich werde jedoch nicht jedesmal explizit auf
diese Unterscheidungsmöglichkeit verweisen.
Das
Auftreten von Empfindungen, Gefühlen und Emotionen ist in der Pulsationsarbeit
selten, jedoch nicht ausgeschlossen, wie sich auch in den Interviews zeigt, wo
von Trauer, Wut, Angst und Selbstliebe die Rede ist. Weinen ohne ersichtlichen
Grund verstehe ich nach obiger Unterscheidung als Emotion.
Gerade
bei Monika scheint es wichtig gewesen zu sein, in ihrer Krisensituation
(Trennung) sowohl Kummer, Trauer und Tränen (M1) als später auch die
ICH-bezogenen Gefühle, sprich Selbstliebe (M2) zulassen zu können. Judith
dagegen ist einfach fasziniert von der Tatsache, daß sie in fast jeder Stunde
weint, ohne an etwas bestimmtes denken zu müssen (J1). Auch bei Tobias sind
Tränen und Trauer während der Pulsationsarbeit gekommen (T2) und einmal ein
kurzer Moment der Angst (T1). So beginnt Tobias beispielsweise nach einem
bestimmten Satz des Therapeuten, der eine bestimmte Situation genau auf den
Punkt gebracht hat, zu “heulen” (T2) oder Tobias fängt in einer bestimmten
Position bei der “Einfaltungsarbeit” an zu “heulen” ohne einen näheren Grund
dafür zu kennen (T2). Auch der Grund für die kurz aufkommende Angst in der
stehenden Position ist ihm nicht bekannt (T1). Die Traurigkeit kommt in einer
Situation, in der er sich geborgen fühlt und eigentlich darüber traurig ist,
daß er sich früher nicht so angenommen gefühlt habe (T2). Hier gibt es die
einzige ausdrückliche Verbindung eines Gefühls mit einer konkreten
biographischen Erinnerung!
Hinsichtlich
der körperlichen Nähe zwischen Behandelten und Therapeuten werden auch
gefühlsgeladene Situationen geschildert. Kay berichtet davon, daß es angenehm
war, die Wärme des ihr sympathischen Therapeuten zu spüren, und daß dies in
Richtung einer sexuell angenehmen Empfindung ging (K1), weshalb sie sich anschließend
auch noch viele Gedanken gemacht habe (K1). Nach einem Gespräch darüber hat
sich das jedoch alles erledigt und es sei beim nächsten mal ganz normal gewesen
(K2). Auch Anton berichtet von einer kurzzeitigen sexuellen Attraktion während
eines direkten Augenkontaktes mit der Therapeutin (A1). Monika berichtet von
ihren Schwierigkeiten beim direkten Augenkontakt mit dem Therapeuten während
der Behandlung, den sie nicht erwidern kann und abblockt, vermutlich aus Angst
vor zu großer Nähe oder vor zunehmender Intensität (M1). Auch nach zwanzig
Behandlungsstunden bestehen noch immer Probleme, den Therapeuten an sich
herankommen zu lassen (M2).
Empfindungen
bzw. Gefühle wie Aufregung (D1), Geborgenheit (M1), Zufriedenheit (U1),
Sicherheit (K2), Euphorie (T1), “sich gut fühlen” (J1), körperliches Wohl- oder
Mißempfinden (U1), Hilflosigkeit (T1), Unkontrolliertheit (T1) oder
Schutzlosigkeit (K2) werden ebenfalls berichtet. Dabei haben die negativen
Empfindungen eher mit der Ungewißheit vor dem Neuen, den ungewohnten Positionen
oder der Unkontrollierbarkeit der körperlichen Reaktionen zu tun, während sich
die positiven Empfindungen meist in der Entspannungsphase oder im Anschluß an
die Behandlung einstellen.
Zusammenfassung
Empfindungen,
Gefühle und Emotionen treten gelegentlich während der Pulsationsarbeit auf,
wobei vor allem von scheinbar grundlosem Weinen (J1) und von teilweise
begründeter Traurigkeit (M1, T2) die Rede ist. Wut wird nur gegenüber dem
Therapeuten empfunden, weil er die Behandelten in eine meist sehr anstrengende
Position bringt (D2, T1). Auch wenn Gefühle relativ selten während der
Behandlung auftreten, können sie auf der Basis der therapeutischen Beziehung
zunehmend offener gezeigt werden (z.B. M1/2).
Exemplarisch
möchte ich hier auf zwei Gefühle eingehen, die leicht übersehen werden könnten:
auf das Gefühl der Angst, die beispielsweise von Tobias berichtet wurde, und
auf das Gefühl der Lust, das von Kay besonders thematisiert wurde.
36.
Angst
Nach
REICH steht Angst oft im Zusammenhang mit der Behandlung und könnte eventuell
mit dem Lösen bestimmter Blockaden und dem anschließenden Blockieren
benachbarter Segmente zusammenhängen:
“Sehr
oft reagiert der Organismus auf diese ersten Strömungen und Zuckungen mit
neuerlicher Abpanzerung.
(...) Da mehr
Orgonenergie frei wurde, als der Kranke zu entladen fähig ist, da ferner noch
an zahlreichen Stellen Spasmen sich der plasmatischen Strömung widersetzen,
kommt es zu akuter Angstentwicklung” (vgl. REICH 1989, 491).
Inwieweit
die von Tobias berichtete, scheinbar grundlos aufgetauchte Angst auf diese von
REICH beobachteten Zusammenhänge rückführbar ist, kann nicht eindeutig
beantwortet werden. Sie kam während der Behandlung im Stehen kurzzeitig auf und
verschwand so schnell wie sie gekommen war.
These
6:
Während
der Behandlung mit der Pulsationsarbeit kann es ähnlich wie in der
Vegetotherapie zum Empfinden von Angst kommen.
37.
Lustempfindungen
Die
Empfindungen von Lust bzw. von Strömungen, Wellen und dergleichen mehr können
von den Behandelten als sexuelle Empfindungen wahrgenommen und bewertet werden.
Diese Bewertung scheint jedoch damit zusammenzuhängen, daß solche Empfindungen
bisher - wenn überhaupt - tatsächlich nur im Zusammenhang mit der eigenen
Sexualität erlebt wurden. Neu wird für die meisten der Behandelten sein, daß es
sich hierbei um tiefer liegende Prozesse handelt, um plasmatische Strömungen
und vegetative Empfindungen, die im Laufe der Behandlung ermöglicht werden, die
jedoch nicht primär auf Sexualität abzielen. Diese lustvollen Strömungen und
die damit zusammenhängenden wellenartigen Bewegungen, die meist erst in einem
späteren Stadium der Arbeit auftreten, sind als Ausdruckssprache des Lebendigen
zu verstehen und sollten entkoppelt werden können von der reinen Sexualisierung
dieser Vorgänge. Dazu bedarf es jedoch des Gesprächs zwischen Behandelten und
Therapeuten, um eine entsprechende Einordnung zu ermöglichen und um
gleichzeitig auch an der therapeutischen Beziehung zu arbeiten. In dem Maße,
wie es den Behandelten möglich wird, diese Prozesse als körpereigene Prozesse
anzunehmen und nicht als Übertragungsphänomene innerhalb der therapeutischen
Beziehung, wird sich auch die Beziehungsebene zwischen Behandelten und
Therapeuten ändern.
These
7:
Das
Wahrnehmen von Lustempfindungen während der Behandlung beruht auf dem
Wahrnehmen tieferer Vorgänge, die sich unter anderem auch in der Sexualität
äußern können. Eine Entkopplung dieser tiefen Empfindungen von sexuellen
Fantasien sollte im Sinne einer guten Beziehungsgestaltung durch entsprechende
Gespräche zwischen Behandelten und Therapeuten möglich sein.
38.
Gedanken
Gedanken,
die genannt wurden, sprechen einerseits für den Versuch, die Behandlung so weit
wie möglich zu kontrollieren, sich irgendwie unliebsamen Begleiterscheinungen zu
entziehen oder in die Ferne zu schweifen:
- Kontrolle: Gedanken, die sich der
Behandelte als Beobachter des Geschehens macht (D1), (D2), Gedanken als
Versuch, die Vorgänge während der Behandlung zu verstehen (U1).
- Ablenkung: banale Gedanken zur
Ablenkung während der Behandlung (M1), Gedanken, die der Schmerzreduktion
gelten (M2), (H2).
- Gedanken, die über das
Therapiegeschehen hinausgehen: Gedanken über die Bedeutung sexueller
Empfindungen für die Therapie (K1), Gedanken über Beziehungen (M1) und Gedanken
über den Einfluß der Therapie auf das Leben (M1).
In
diesem Zusammenhang möchte ich die “Experimente” mit der bewußten
Schmerzreduktion (H2) nennen, in denen der aktuelle Schmerz aufgrund der
muskulären Anstrengung durch positiv gefärbte Erinnerungen einfach
ausgeschaltet werden konnte. Es läßt sich jedoch nicht beantworten, welche
Auswirkungen diese positiv gefärbten Erinnerungen auf die Zustände der
Plasmaerregung selbst bzw. auf die damit gekoppelten Ausdrucksbewegungen
hatten.
Meiner
Meinung nach zeigen sich hier zwei Pole der Präsenz während der Behandlung: das
bewußte Wahrnehmen der Situation und das bewußte Ablenken von möglichen,
teilweise sogar schmerzhaften Wahrnehmungen. Jede/r Behandelte kann in jeder
Stunde je nach Aufmerksamkeit unterschiedlich präsent sein.
Es
läßt sich aus dem vorliegenden Material vermuten, daß das therapeutische
Geschehen durchaus vom Grad der Aufmerksamkeit seitens der Behandelten abhängen
kann. Während Monika weniger Schmerzen spürt, wenn sie mit ihren Gedanken bei
sich bleibt (M2), spürt Horst weniger Schmerz, wenn er bei seinen positiven
Erinnerungen bleibt (H2). Es scheint keine feste Regel zu geben.
Zusammenfassung
Das
Gedankenmaterial zeigt keinen direkten Zusammenhang zu biographischem Material,
das während der Behandlung aktuell aufgestiegen wäre. Die berichteten
gedanklichen Inhalte zeigen einen starken Bezug zur aktuellen Aufmerksamkeit
während der Behandlung in der Polarisierung “bewußtes Beobachten” und “bewußte
Ablenkung”.
39.
Veränderungen in der Symptomatik
Hinsichtlich
der Ausgangssymptomatik läßt sich folgendes feststellen:
Unverändert
blieben die starken Menstruationsschmerzen bei Monika, die Schmerzsymptomatik
bei Judith, sowie die Neurodermitis bei Kay. Bei Judith stellten sich
vermutlich aufgrund ihrer Neurodermitis Juckreize nach den Behandlungen ein.
Daniels Sehschärfe verschlechterte sich etwas nach einer der Behandlungen.
Direkte
positive Veränderungen der angegebenen Ausgangssymptomatik sind nur ansatzweise
und z.T. auch mit einem gewissen Zweifel (?) angegeben worden:
- Reduktion des Kopfschmerzes
(Ursus) (?)
- Verbesserung der Haut (Tobias) (?) - Verringerung der Asthmaanfälle
(Tobias)
- Verringerung der Nacken- und
Kreuzschmerzen (Tobias) - Veränderungen am entzündeten Fuß
(Daniel)
These
8:
Die
Pulsationsarbeit wirkt sich meist erst über längere Zeit auch auf die von den
Behandelten angegebene Symptomatik aus. Dabei ist die Veränderung der
Symptomatik als Folge der Beeinflussung des gesamten Organismus zu verstehen.
Eine direkte, nur auf die Symptomatik abzielende Behandlung ist nicht möglich.
40.
Mögliche Wirkmechanismen der Pulsationsarbeit
Die
Ergebnisdarstellung hat gezeigt, daß die einzelnen Personen, die mit der
Pulsationsarbeit behandelt worden sind, sowohl unterschiedliche als auch
vergleichbare Reaktionen hinsichtlich ihrer körperlichen und emotionalen
Ausdrucksmöglichkeiten als auch hinsichtlich ihrer subjektiven Befindlichkeit
gezeigt haben. Eine eindeutige
Einordnung der Behandelten in die drei von LASSEK beschriebenen Reaktionstypen
ist nicht eindeutig möglich gewesen. Bei der folgenden Diskussion möchte ich
mich auf vier Schwerpunkte beziehen:
- das Modell der therapeutischen
Tiefung
- die Vorgänge auf der
neuro-muskulären Ebene
- die Vorgänge auf der Ebene des
Meridiansystems
- die Vorgänge im Zusammenhang mit der
organismischen Umschaltung.
41.
Therapeutische Tiefungsebenen
PETZOLD
(1993) entwickelte ein Modell der therapeutischen Tiefung, das für alle
erlebniszentrierten und integrativen Verfahren verwendet werden kann. Intensive
und umfassende therapeutische Prozesse beeinflussen verschiedene Dimensionen
des Menschen: seine Körperlichkeit, seine Emotionalität, seine geistigen
Strebungen, seine Sozialität und seinen Lebensraum. Um an frühe Schädigungen
(Defizite, Störungen, Konflikte) heranzukommen, ist eine therapeutisch
induzierte Regression angestrebt. Dadurch wird ein sogenanntes
Nachsozialisieren auf emotionaler und somatomotorischer Ebene möglich,
verbunden mit einer nachfolgenden Aufarbeitung zwecks kognitiver und
emotionaler Integration.
Während
der Regression verringert sich die kognitive Kontrolle zugunsten autonomer
Reaktionen des Organismus. Die Ebene der autonomen Körperreaktionen ist für
PETZOLD die tiefste Ebene, auf der traumatische Ereignisse oder Störungen
durchgearbeitet werden können. Dabei kann es sowohl zu Gefühls- und
Verspannungsentladungen kommen als auch zu den weniger spektakulären
Alternativerfahrungen von Lust, satter Zufriedenheit oder Glück. Da PETZOLD
Regression als "therapeutisch induzierte Krise" versteht, ist die
"Rückführung" als Progression durch die darüber liegenden Ebenen im
Sinne einer Krisenbewältigung im Rahmen einer integrativen Therapie unbedingt
notwendig.
Pulsationsarbeit
dagegen zielt zwar ab auf eine Ebene der autonomen Körperreaktionen und
möglicherweise können die autonomen Bewegungen als Verspannungsentladungen im
Sinne PETZOLDs verstanden werden. Dennoch wird hier nicht an den “primären
Schmerz-Pools”, d.h. an der Aufarbeitung von Traumata u.ä. gearbeitet. Die
sogenannten Alternativerfahrungen ("sich wohl fühlen" usw.) können
während der Behandlung durchaus erlebt werden. Aber - und dies sei mit aller
Deutlichkeit gesagt: die Pulsationsarbeit arbeitet mit der Regression nicht als
therapeutisch induzierter Krise. Regression auf die Ebene der autonomen
Reaktionen bzw. Körperbewegungen ist zwar beabsichtigt, aber sie erfolgt unter
Umgehung der anderen Ebenen der therapeutischen Tiefung. Genau genommen zielt
die Pulsationsarbeit mit dem Umgehen emotionaler Entladungen auf die Ebene, die
sogar noch unter der Ebene der autonomen Körperreaktionen liegt, auf die
organismische Ebene der plasmatischen Reaktionen.
Die
Ebene der Gefühle scheint vermutlich nicht in jedem Fall umgehbar. PETZOLD gibt
sicher mit Recht zu bedenken, daß bestimmte Berührungen an bestimmten
Körperstellen gerade erst Gefühle und damit verbundene Erinnerungen auslösen
können, die dann in der Therapie weiter bearbeitet werden sollten. Diese
Bedenken konnten anhand der ausgewerteten Interviews für die Behandlungsmethode
der Pulsationsarbeit nicht bestätigt werden. Die gezielten, bestimmte Punkte
stimulierenden Berührungen wurden vorwiegend als gefühlsneutrale Reize (Druck)
wahrgenommen. Dennoch halte ich es für möglich, daß auch Gefühle ausgelöst werden
können, wenn bestimmte Körperbereiche entsprechend sensibel dafür sind. In
diesem Fall wäre ein entsprechendes therapeutisches Reagieren angezeigt.
PETZOLD
wirft den Arbeiten des mittleren und späten REICHS und seinen Schülern recht
pauschal und undifferenziert vor, daß sie ihre Hoffnung auf ein plötzlich
auftretendes “großes Durchbruchserlebnis” setzen würden (vgl. PETZOLD 1993, 45ff). Dies kann ich so
nicht für die durch die Pulsationsarbeit ausgelösten Prozesse sehen. Auch auf
der organismischen Ebene besteht die Arbeit aus vielen kleinen Schritten. Was
auf der organismischen Ebene allerdings nicht möglich ist, ist die “sorgfältige
Bearbeitung von Übertragungen”. Inwieweit diese Bearbeitung von Übertragungen
nicht nur nicht möglich, sondern auch nicht nötig ist, kann mit dem
vorliegenden Material nicht befriedigend beantwortet werden.
These
9:
Die
Pulsationsarbeit zielt nach dem Modell der “therapeutischen Tiefung” bis auf
die tiefste, die organismische Ebene ab. Auf dieser Ebene werden plasmatische
Reaktionen ausgelöst. Dabei wird Regression weder als "therapeutisch
induzierte Krise" betrachtet, noch wird eine anschließende Progression
durch alle Ebenen als entsprechende Konfliktlösung mit schrittweiser
Integration des Erlebten für notwendig erachtet.
42.
Zusammenhänge zwischen muskulärem System und Gesamtorganismus
Es
bestehen interindividuelle Unterschiede in den körperlichen
Ausdrucksmöglichkeiten, die vor allem auf muskulärer Ebene betrachtet werden
können. Ein Modell, das die unterschiedliche Sensibilität für die Wahrnehmung
körperinterner Reize als auch Unterschiede im emotionalen Erleben und im
körperlichen Ausdrucksverhalten im Zusammenhang mit der Muskelmehrarbeit sieht,
wurde bereits unter 5.4.2 diskutiert. Dies legt die Vermutung nahe, daß sich
ein unterschiedlicher Grad an chronischer muskulärer Anspannung auch in den
Reaktionen bei der Pulsationsarbeit zeigen würde. Eine Zunahme der Bewegungen
und damit der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten entspräche dann der Auflösung
muskulärer Erstarrung. Um diese Annahme etwas zu untermauern, möchte ich weiter
ins Detail gehen.
Wenn
Anstrengung und Schmerz während der Behandlungen beim Auftreten von Bewegungen
geringer werden, dann könnte dies physiologisch mit dem Übergang von einer
statischen muskulären Haltearbeit zu einer dynamischen muskulären Arbeit
zusammenhängen. Letztere wird als weniger anstrengend empfunden, weil dem
Körper wieder Ausgleichsbewegungen
möglich werden. Die Umschaltung von der statischen zur dynamischen Muskelarbeit
ist kein vom Bewußtsein gesteuerter Vorgang. Trotz bewußter Aufrechterhaltung
der Anspannung entwickeln sich autonome Körperbewegungen. Für eine Rückführung
dieser autonomen Bewegungen auf die ständig vorhandenen Bewegungen des
Organismus, sozusagen als eine Verstärkung von Mikrotremor und Mikrovibration,
sprechen folgende Angaben:
“Nach
H. ROHRACHER (1962) vollzieht der Organismus von Warmblütlern ständig
Schwingungen im Bereich von 7-18 Hz mit einer Amplitude von 1-5 Mikron. Die
Schwingungen werden als Mikrotremor oder Mikrovibration (MV) bezeichnet. ...
Die Amplitude der MV erhöht sich bei allen Arten psychischer Anspannung mit
steigender Intensität. ... Nach HUBER (1965) ist die Frequenz bei emotional
Labilen höher als bei stabilen Pbn. (...) Sämtlichen Willkürbewegungen
überlagert sind mehr oder weniger regelmäßige Schwingungen aller Extremitäten.
Besonders deutlich sind sie bei Messungen an Finger und Hand. Der Fingertremor
hat eine Frequenz von 5-15 Hz (X~10) und eine Amplitude von 0,05-3mm. In
pathologischen Fällen kann die Amplitude viel größer sein (bis zu einigen
Zentimetern bei der Parkinson'schen Krankheit). Die Ursachen des
physiologischen Tremors bei Normalpersonen sind ungeklärt. Wahrscheinlich
handelt es sich um den Ausdruck oscillatorischer Korrekturbewegungen des
Streckreflexsystems ... Frequenz und Amplitude zeigen signifikante, aber
relativ niedrige Korrelationen mit der subjektiven “inneren” Spannung” (JANKE
1976, 16).
Auch
wenn von HUBER nicht definiert wurde, was “emotional labil” genau bedeutet,
scheint der beobachtete Unterschied zu “stabilen Probanden” wie auch der
Verweis auf die Zusammenhänge zwischen Amplitude des Tremors mit psychischen
Anspannungen darauf hinzuweisen, daß es bereits auf der Ebene der
Mikrovibrationen meßbare Unterschiede hinsichtlich körperlicher Bewegungen
gibt. Es läßt sich daraus noch nicht ableiten, ob sich diese Unterschiede auch
bei deren Verstärkung durch die Behandlung im sichtbaren Bereich auswirken bzw.
inwieweit auf dieser Ebene bereits verschiedene Reaktionstypen klassifiziert
werden könnten.
These
10:
Während
die Willkürbewegungen bewußt unterdrückt werden, scheint es so zu sein, daß die
ständig vorhandenen und die Willkürbewegungen überlagernden “Korrekturbewegungen”
aufgrund der extremen muskulären Anspannung in ihrer Amplitude soweit verstärkt
werden, daß sie sogar spür- und sichtbar werden. Aus den Überlagerungen formen
sich autonome Bewegungen.
44.
Muskuläre Anstrengung, Wahrnehmung von Anstrengung und selbstregulative
Körperprozesse
Über
die Wege, wie Wahrnehmung von Anstrengung erfolgt, läßt sich nach BISCHOFF
(1989, 75f) folgendes zusammenfassen:
- Bei geringen und mittleren
Belastungsintensitäten - unabhängig von Art und Dauer - liefern die lokalen
Faktoren (Spannungsempfindungen in den arbeitenden Muskeln) die afferente
Information für die wahrgenommene Anstrengung, bei stärkeren Belastungen
dagegen die zentralen Faktoren (Empfindungen von Herz-Kreislaufparametern) und
bei Maximalbelastung lokale und zentrale Faktoren gleichermaßen.
- “Die Wahrnehmung der Muskelaktivität
geht sowohl bei dynamischer als auch bei statischer Muskelarbeit in das
Anstrengungsurteil ein.”
- Nach MIHEVIC (1981) bestimmen “bei
kürzeren Belastungen ... überwiegend die neurogen vermittelten Wahrnehmungen
das Anstrengungsurteil. Bei längeren Belastungen gewinnen biochemisch
vermittelte Stimuli ... zunehmend Einfluß auf das Urteil ...” (BISCHOFF 1989,
76).
“Die
Wahrnehmung dieser interozeptiven Reize hat zweifelsohne adaptive Funktion.
Allgemein steigert sie, insofern sie selbstregulatives Verhalten
(Handlungsregulationen) einleitet, das körperliche Wohlergehen. Das
selbstregulative System der Wahrnehmung von Körperprozessen ist jedoch
fehleranfällig” (BISCHOFF 1989, 79).
“Mit
PENNEBAKER (1982) ist anzunehmen, daß Fehlregulationen der Interozeption
hauptsächlich die Folge von Lernprozessen sind, d.h. durch positive oder
negative Verstärkung und Bestrafung erworben und aufrechterhalten werden ...
Die Nichtwahrnehmung von interozeptiven Signalen bei emotionalen Reaktionen
kann gelernt werden, wenn die von den aufgerufenen Emotionen geleiteten
Handlungen auf aversive Konsequenzen stoßen” (zitiert nach BISCHOFF 1989, 80f).
Wie
schon ausgeführt finden sich diese Lernprozesse auf muskulärer Ebene
manifestiert wieder. Nach BISCHOFF hängt “insbesondere bei statischer Arbeit
... die Dauer der Belastung und die wahrgenommene Anstrengung mit der Zahl der
efferenten Impulse (der Begleitentladungen) zusammen.” (BISCHOFF 1989, 80).
“Bei
der konstanten Realisierung einer definierten Kraft wächst die wahrgenommene
Anstrengung, da zur Herstellung dieser Kraft immer mehr motorische Befehle
zentral generiert werden müssen” (KILBOM et al. 1983; McCLOSKEY et al. 1983,
zit. nach BISCHOFF 1989, 80f).
Insofern
ist es nicht verwunderlich, daß Klienten infolge der Maximalbelastung in der
Pulsationsarbeit durch langandauernde statische (und später auch dynamisch
werdende) Muskelarbeit anfangs schon relativ schnell eine extreme Anstrengung
wahrnehmen, die nach subjektiv variablen Zeiten zu starken Schmerzgefühlen und
zum Beenden der Übung führen kann.
These
11:
Die
zunehmende Zahl der Begleitentladungen bei der Aufrechterhaltung einer
konstanten Kraft bei statischer muskulärer Arbeit könnte beim Überschreiten
einer bestimmten Toleranzgrenze mit dazu führen, daß sich sichtbare
Handlungsregulationen in autonomen Bewegungen äußern.
Wenn
die Wahrnehmung von interozeptiven Reizen eine adaptive Funktion hat und durch
das Einleiten von selbstregulativem Verhalten das körperliche Wohlergehen steigert,
so könnte dies bedeuten, daß die bewußte Nichtwahrnehmung dieser Signale (z.B.
Schmerzausschaltung bei H2) selbstregulatives Verhalten verzögert. Inwieweit
das Nichtwahrnehmen-Wollen oder -Können interozeptiver Reize jedoch tatsächlich
entscheidenden Einfluß auf die selbstregulativen und damit auf die Prozesse der
Pulsationsabeit hat, müßte extra untersucht werden.
45.
Aktivation der Formatio Reticularis (FR) und organismische Gesamterregung
Aus
psychophysiologischen Untersuchungen ist bekannt, daß ganz spezifische Prozesse
(Emotion, Wahrnehmung, Denken) dazu führen, daß der Organismus als ganzer mit
einer Veränderung seiner Handlungsbereitschaft antwortet. Diese
Handlungsbereitschaft bzw. unspezifische Aktivation läßt sich auf allen
organismischen Ebenen beobachten, beispielsweise in der Desynchronisation des
EEG im ZNS, in der Erhöhung der Sympathikusaktivität im VNS, in der Erhöhung
der Muskelspannung, des Tremors sowie der Mikrovibrationsamplitude und
-frequenz im muskulären System, im erhöhten Grundumsatz des Stoffwechsels sowie
der erhöhten Ausscheidung von Catecholaminen und Corticoiden im endokrinen
System.
“Der
Organismus wird in allen organismischen Teilsystemen offensichtlich im Sinne
einer erhöhten Handlungsbereitschaft verändert. DUFFY (1962) spricht deshalb
von einer “energy mobilisation”” (JANKE 1974, 26), wobei das reticuläre System
(FR) eine Schlüsselrolle in allen Aktivationstheorien spielt.
“Nach
klassischer Anschauung erhält die FR über Kollaterale Informationen über alle
spezifischen Bahnen, sowie über die Aktivität der Muskelspindeln
(proprioceptive Information). ... Nach der klassischen Modellvorstellung führen
die Erregungen der FR ihrerseits zu einer Erregung des somato-sensorischen
Cortex” - Arousalreaktion des Cortex (JANKE 1974, 26f).
Ergänzend
dazu hat die FR aber auch hemmende Einflüsse auf den Cortex. Sie ist nicht
unabhängig von anderen Systemen, sondern steht in enger Beziehung zum Thalamus,
zum Cortex, sowie zum Hypothalamus und zum limbischen System. Da es sich bei
den beiden letztgenannten Systemen offensichtlich auch um spezifische
emotional-motivationale “Zentren” handelt, erscheint es heute immer sicherer,
daß die FR zwar überwiegend allgemein aktivierende Funktionen hat, jedoch auch
an der Spezifizierung von psychophysiologischen Prozessen beteiligt ist.
Nach
BIRBAUMER sind die vielfältigen Aufgaben der FR bisher nur unvollkommen
erkundet. Zusammenfassend wird der FR an folgenden Funktionen Mitwirkung
zugesprochen:
- Steuerung der Bewußtseinslage durch
Beeinflussung der Erregbarkeit cortikaler Neurone und damit Teilnahme am
Schlaf-Wach-Rhythmus
- Vermittlung der affektiv-emotionalen
Wirkungen sensorischer Reize durch Weiterleitung afferenter Informationen zum
limbischen System
- Vegetativ-motorische Regulationsaufgaben,
besonders bei lebenswichtigen Reflexen (z.B. bei Kreislauf-, Atem-, Schluck-,
Husten-, Nießreflexen), bei denen viele afferente und efferente Systeme
miteinander koordiniert werden müssen
- - - - - Mitwirkung an der Stütz- und
Zielmotorik über die motorischen Zentren des Hirnstammes (BIRBAUMER 1990, 318).
Die
Mehrzahl der Psychologen nimmt heute den Standpunkt ein, daß Aktivation eine
organismische Gesamterregung sei, die sich in den Effektoren des VNS und des
endokrinen Systems ebenfalls ausdrücke, wobei die FR und der Cortex als eine
Art Steuerzentrum angesehen werden (vgl. JANKE 1974, 28).
These
12:
Durch
die Pulsationsarbeit erfolgt eine Aktivation der FR (Formatio Reticularis),
wodurch gleichzeitig Einfluß auf die anderen Systeme des Organismus genommen
werden kann.
46.
Umweltveränderungen und Aktivation
Äußere
Reize ziehen eine Veränderung der Aktiviertheit nach sich. In der
Aktivierungsforschung sind bestimmte Stimuli nach der Art, dem Ausmaß und der
Dauer der Reiz- bzw. Umweltvariation klassifiziert worden. In Abhängigkeit
davon werden wiederum bestimmte Aktiviertheitsvariationen bedingt. Überträgt
man diese Klassifizierung der Reizvariationen auf den Bereich
körpertherapeutischen Handelns bzw. speziell auf die Pulsationsarbeit, in
welcher ja zu Beginn eine Aktivierung und eine organismische Gesamterregung
(“energy mobilisation”) angestrebt wird und verschiedene Interventionen
eingesetzt werden, so ließe sich die Tabelle (nach JANKE 1974, 30) wie folgt
modifizieren:
Stimulusmerkmale
Stimulusklassen
Beispiele
aus verschiedenen Stimulusklassen
Psychische
Sensorische
Stimuli Töne
singen, Atemgeräusche Funktionen (Wahrnehmung) Kognitive Stimuli Ausführen von Bewegungsmustern Emotionale Stimuli Witze erzählen Motivationale Aufmunterung Stimuli Intesität der Unterschwellige Pusten auf Akupunktur, Arbeit ohne Stimuli Reize Berührung (Arbeit ym biologischen Feld) Überschwellige muskuläre Anspannung Reize Dimensionalität Eindmensionale Ton beim Ausatmen der Stimuli Reize Oligodimensionale verschiedene Töne, Geräusche Reize Multidimensionale rückwärts Zählen in Intervallen Reize Dauer der Stimuli Kurzdauernde feine Streichbewegungen im Gesicht Reize Langdauernde Drücken der Apupunkturpunkte Reize Regelmäßigkeit der Kontinuirliche gleichmäßige Muskelanspannung Stimuli Reize Regelmäßig kon- koordinierte willkürl. Bewegungen tinuierliche Reize der Arme Unregelmäßige dis- Augen folgen dem Finger des kontinuirl. Reize Therapeuten Wirkungsrichtung Aktivierende Reize Spannung halten der Stimuli Desaktivierende Reize Entspannungsphasen Informations- Infoarme Reize Lichtstrahl zur Augenmobilisierung gehalt der Stimuli Inforeiche Reize Reize, die ohne Berührung gesetzt werden
Abb.
9: Diese Tabelle stellt einen Ausschnitt aus den Möglichkeiten der
Reizvariationen (Interventionen) dar.
These
13:
In
Anlehnung an die Aktivationsforschung geht der Ablauf der ersten Phase der
Pulsationsarbeit (Energie-Mobilisierung) infolge multipler Stimulierung mit
einer organismischen Gesamtaktivation einher.
Zusammenfassung
Das
muskuläre System eines Organismus befindet sich in ständiger, mehr oder weniger
regelmäßiger Schwingung (Mikrovibrationen, -tremor), wobei willkürliche
Bewegungen von den unwillkürlichen Schwingungen überlagert sind, die im Falle
der Pulsationsarbeit bis in den sichtbaren Bereich hinein verstärkt werden
können. Das selbstregulative System löst aufgrund der Wahrnehmung von
Körperprozessen (interozeptive Reize) und aufgrund der damit zusammenhängenden
unspezifischen organismischen Aktivation Handlungs- und andere
Regulationsprozesse auf den verschiedensten Ebenen des Organismus aus, die
durch Setzen äußerer Stimuli weiter verstärkt werden können.
Aufgrund
verschiedener individueller Entwicklungen (Lernerfahrungen, Unterdrücken
emotionalen Ausdrucks, ständig erhöhte Muskelspannung, reduziertes
Ausdrucksverhalten, geringere Wahrnehmungssensibilität für interozeptive Reize)
ist das selbstregulative System und die darauf beruhenden Regulationsprozesse
fehleranfällig. Unterschiedliche Reaktionen im Ausdrucksverhalten könnten auf
diese Fehleranfälligkeit zurückgeführt werden. Auch die bereits auf der Ebene
der Mikrovibrationen festgestellten Unterschiede könnten unterschiedliches
Ausdrucksverhalten mitbestimmen oder selbst bereits Folge eines tieferliegenden
(emotionalen oder plasmatischen) Ausdrucksverhaltens sein.
47.
Meridiane und Punkte - das Modell der Akupunktur
Zur
neuro-muskulären Ebene kommt die Ebene der Meridiane und der dazugehörigen
Punkte hinzu, die in der Pulsationsarbeit durch Fingerdruck (ähnlich wie in der
Akupressur) beeinflußt werden. Die berichteten
Phänomene, die nach Berühren bestimmter Punkte wahrgenommen wurden,
legen es zumindest nahe, diese energetische Ebene mit zu betrachten. Die
Untersuchungen, die ich im Folgenden anführen werde, sollen ein Einordnen der
berichteten Phänomene erleichtern.
48.
Akupunktur und physiologische Meßbarkeit
Etwa
seit 1972 erforschen westliche Wissenschaftler die Phänomene der Akupunktur.
Sie fanden, daß die Meridiane als elektrophysiologische Erscheinung tatsächlich
existieren und daß sich die wissenschaftliche Kartographie der
Akupunktur-Meridiane und -Punkte zu 80-90% mit der Akupunktur-Tafel deckt, die
in China seit Tausenden von Jahren überliefert wurde. Die Stimulierung
entsprechender Akupunktur-Punkte führt zu meßbaren Veränderungen im Darm- und
Herzbereich sowie in anderen Organen und zu ebenfalls meßbaren Impulsen, die in
der Großhirnrinde empfangen werden. Zusammenhänge zwischen Meridianen und
inneren Organen wurden nachgewiesen (vgl. CHIA 1985). Akupunkturpunkte können
mechanisch (durch Nadeln in der klassischen Akupunktur, durch Fingerdruck in
der Akupressur) stimuliert werden. Danaben wird auch die elektrische
Stimulierung praktiziert. Letztere gilt als Methode der Wahl, wenn es um die
neurophysiologische Erforschung der Akupunkturpunkte geht (vgl. STUX 1989).
Auch mit Schall und Laserlicht ist eine Stimulierung der Akupunkturpunkte
möglich, wobei die Laserbehandlung sogar wirksamer zu sein scheint als die klassische
Methode der Nadelung bzw. der elektrischen Stimulierung (vgl. BISCHOF 1995,
393f).
Gegenüber
der “normalen” Haut scheinen die Akupunkturpunkte besondere Hautareale mit
einer etwa zehnmal höheren Leitfähigkeit zu sein. Entsprechend lassen sich an
Akupunktur-Punkten niedrigere Hautwiderstände messen als auf der umgebenden
Haut (50.000 Ohm im Gegensatz zu 200.000 bis 2 Mio. Ohm). Akupunktur-Punkte
besitzen ein elektrisches Potential gegenüber der umgebenden Haut und stellen
damit sozusagen eine Stromquelle dar, wobei die Punkte um 5 mV positiver sind
als die Umgebung. Somit liegt die Idee nahe, gerade an diesen Punkten Messungen
durchzuführen. Hinsichtlich der verwendeten Meßmethoden, auf die hier nicht
näher eingegangen werden soll, werden zum Teil starke Bedenken geäußert (vgl.
STUX 1989, 28).
49.
Akupunktur und Analgesieforschung
In
den letzten Jahren schränkten sich die meisten der neurophysiologisch
orientierten Forscher auf zwei Fragen ein:
- Wirkt die Akupunkturanalgesie
tatsächlich - also über einen physiologischen und nicht nur
Placebo-/psychologischen Effekt?
- Wenn sie wirkt, dann auf welchen
physiologischen Wegen? (Vgl. STUX 1989).
Aufgrund
dieser Einschränkung konnten experimentell Hinweise zusammengetragen werden,
die Aufschluß über die neuronalen Mechanismen der Schmerzübertragung bzw.
Hemmung dieser Schmerzübertragung durch Akupunktur (Analgesie) geben und die
einen tatsächlichen physiologischen Effekt bestätigen. Speziell durch die
Beschäftigung mit der Elektroakupunktur konnte gezeigt werden, daß die Art der
Analgesierung von der Frequenz und der Intensität der Stimulierung abhängt.
Langsame Stimulierung des Akupunktur-Punktes (2-4 Hz) bei hoher Intensität
führt zu einer langsam einsetzenden, sich kumulierenden und langanhaltenden Analgesie,
die hochfrequente Stimulierung (50-200 Hz) bei geringer Intensität führt zu
einer schnell einsetzenden aber nur kurzzeitig wirksamen Analgesie ohne
Kumulation (vgl. STUX 1989, 10).
Hinsichtlich
des physiologischen Weges konnten verschiedene anatomische Strukturen
beschrieben werden, die sich in der Nähe der Akupunktur-Punkte befinden. Ca.
71% der Akupunktur-Punkte fallen mit Triggerpunkten (schmerzhafte sensorische
Reizpunkte) zusammen, so daß sich vermuten läßt, daß die Nadeln sensorische
Nerven, die von Muskeln ausgehen, aktivieren.
These
14:
Die
in der Pulsationsarbeit verwendeten Punkte sind Akupunktur-Punkte.
Unterschiedliche Frequenzen in der Stimulation dieser Punkte durch Pressur
(Pulsation) könnten sich in Analogie zur Analgesiebehandlung unterschiedlich
auswirken. Da für die Pressur nur die langsame Stimulierung des
Akupunktur-Punktes (max. 4 Hz) bei unterschiedlich hoher Intensität in Frage
kommt, könnte dies zu einer langsam einsetzenden, sich kumulierenden und
langanhaltenden Wirkung der Behandlung beitragen.
50.
Morphologische Grundlagen der Akupunktur
Ein
weitergehender Impuls zur Erforschung der Akupunkturpunkte kommt von der Seite
der ganzheitsbiologischen Medizin.
“Über
80% der klassischen Akupunkturpunkte stellen Perforationen der oberflächlichen
Körperfaszie (Fcs) zwischen Subkutis und Muskulatur dar. ... Durch die bis zu 7
mm im Durchmesser großen, scharf konturierten runden schlitzförmigen
Perforationen zieht ein in Mesenchym gehülltes Nerven-Gefäßbündel aus der Haut
in die Tiefe ... Während die Fcs als kollagene Platte hohen elektrischen
Widerstand bietet, bricht dieser im Perforationsbereich vor allem wegen der
wasserreichen Mesenchymscheide des Nerven-Gefäßbündels schlagartig zusammen.
... In der klassischen chinesischen Medizin werden aus historischen Gründen
lediglich 361 Punkte therapeutisch genutzt. Tatsächlich gibt es jedoch mehrere
Tausend derartiger Faszienperforationen mit jeweils einem durchtretenden
Nerven-Gefäßbündel ... Auch dort, wo keine Fcs entwickelt ist (Gesicht,
Kopfschwarte, Akren) bzw. spezielle Verhältnisse vorliegen wie in der vorderen
und hinteren Mittellinie des Körpers, gilt das Prinzip des mesenchymumhüllten
Nerven-Gefäßbündels im Punktbereich. ... Eine besondere Situation liegt in den
Akupunkturpunkten entlang der vorderen und hinteren Mittellinien des Körpers
(Du Mai- und Ren Mai-Meridian) vor. Nur in diesen Bereichen wird das
Nerven-Gefäßbündel der Punkte von beiden Körperseiten her aufgebaut. (...) Alle
in der EAP (Elektroakupunktur nach Voll - Anm. d. Verf.) genutzten
Akupunkturpunkte lassen sich somit auch morphologisch genau reproduzierbar
charakterisieren.” (HEINE 1994, 4-6).
Als
eine spezielle Grundlage der Ohrakupunktur gilt die Vorstellung, daß sich der
ganze Körper somatotopisch in der Haut der Ohrmuschel repräsentiert findet.
“Das
Ohr ist der Ort, an dem alle Meridiane sich treffen” (VEITH 1972, zit. nach
HEINE 1993, 99).
Nach
HEINE (1993) liegt der Ohrakupunktur ein eigenes morphologisches Substrat
zugrunde. So lassen sich in der Ohrhaut eiförmige, geflochtene Kollagenkörper
(ein Strukturglykoprotein der Grundsubstanz im Bindegewebe, größter Durchmesser
ca. 0,1 mm) beobachten, die von terminalen somato-sensiblen sympathischen und
parasympathischen Axonen (Hervorhebung durch den Verf.) umsponnen
(“innerviert”) werden.
“Im
Areal eines Ohrakupunkturpunktes lassen sich mehrere derartige Körperchen
nachweisen. Aufgrund der Innervation des Ohres über Äste aller
Kiemenbogennerven sowie Spinalnerven des sensiblen Halsplexus sind die Körperchen
an alle Kerngebiete des Gehirnstammes angeschlossen” (HEINE 1993, 99).
“Bei
allen Veränderungen mechanischer, thermischer, biochemischer und elektrischer
Art reagiert Kollagen mit veränderter Piezoelektrizität und Ladungsänderung
seiner negativ geladenen Hülle (Henlesche Scheide) aus PG/GAGs (Proteoglykane/
Glykosaminoglykane - Anm. d. Verf., vgl. PISCHINGER 1989). Letztere sind zur
Wasserbindung und zum Ionenaustausch befähigt, wodurch sie ein allen
Situationen angepaßtes “Strömungspotential” entfalten. Aufgrund ihrer
visko-elastischen Fähigkeiten sind sie gleichzeitig zu mechanisch-elektrischer
Energietransformation befähigt” (HEINE 1993, 101f). Diese Tatsachen lassen “die
Kollagenkörperchen der Ohrakupunkturpunkte funktionell als besondere Biosensoren
erscheinen.” (HEINE 1993, 99).
Darüber
hinaus gilt, “daß funktionell bedeutsame Grundsubstanzkomponenten wie Kollagen
und PG/GAGs aufgrund ihrer Struktur und Ladung das Phänomen der “Verschlackung”
zeigen, d.h. inadäquate Stoffwechselprodukte (Schwermetallionen,
Defektproteine, Antigen-Antikörperkomplexe) binden sowie altersbedingt einer
fortschreitenden nichtenzymatischen Glykosilierung unterliegen. ... Mit
zunehmendem Alter kann es daher angezeigt sein, Akupunktur mit verschiedenen
Ausschwemm- und Umstimmungstherapien zu kombinieren.” (HEINE 1993, 102).
These
15:
Wird
bei der Pulsationsarbeit am Ohr als dem “Treffpunkt aller Meridiane”
gearbeitet, so beeinflußt dies den gesamten Organismus.
These
16:
Die
Pulsationsarbeit wirkt der “Verschlackung” des Organismus entgegen.
51.
Akupunkturlinien und deren isotopische Verdeutlichung
DARRAS
(1992) berichtet über die Forschungsergebnisse zur Darstellung des Verlaufs der
Akupunkturlinien mittels radioaktiver Markierungsmittel. Einige der Ergebnisse,
die im Zusammenhang mit dieser Arbeit als bedeutsam betrachtet werden, möchte
ich hier kurz auflisten:
“Wir
können mit Sicherheit sagen, daß der Verlagerungsweg nach einer
Technetiumspritze in einen Akupunkturpunkt weder venöser, noch lymphatischer,
noch wohlgemerkt arterieller Art, sondern seine eigenen spezifischen
Eigenschaften hat.” (DARRAS 1992, 4).
Die
da wären:
- Die Verlagerung des Isotops
geschieht linear und in eine Richtung (erfolgt der Einstich in einem
Nicht-Akupunkturpunkt erfolgt die Verteilung pfützenartig in alle Richtungen).
- Die Verlagerungsgeschwindigkeit des
injizierten Isotops beträgt etwa 6 cm pro Minute, die
Verlagerungsgeschwindigkeit in der Vene dagegen 6 cm pro Sekunde.
- Die Verlagerung nimmt jedesmal
denselben Weg, wenn wieder in den entsprechenden Akupunkturpunkt injiziert
wird. - Die Verlagerung vollzieht sich
vorzugsweise in zentripedaler Richtung, kann in bestimmten Fällen auch
zentrifugal erfolgen.
- Im medianen rückseitigen Meridian DU
MAI oder Lenkergefäß folgt die Energie YUAN einer steigenden Richtung der
Zirkulation, wohingegen die Energie WEI einer abfallenden Zirkulation folgt.
- Es treten bei den Durchflußkurven
periodische Wellen von 90 Sekunden auf, die keinerlei vergleichbare
Periodizität mit denen der Atemwege oder des Herzrhythmus haben.
- “Sobald eine Stimulation in einem
Punkt stattfindet, in dem eine Injektion erfolgte, überträgt sich die Reaktion
auf der Durchflußkurve nicht nur in Form einer zusätzlichen Welle, sondern auch
in Form einer Unterbrechung der Grundperiodizität. (Hier haben die neuen Wellen
eine 45-Sekunden-Periodizität.)” (DARRAS 1992, 14).
- - Es erfolgt eine sofortige
Übertragung einer einseitigen Stimulation in einem Akupunkturpunkt auf die
Gegenseite selbst bei Blockierung der Blut- und Lymphzirkulation durch Abbinden
des Armes. Dies läßt darauf schließen, daß ein Schnellübertragungsmechanismus
verwandt wird durch Veränderung der Membranpotentialisierung und durch
Einschalten von neurologischen Mittlern, d.h. physiobiochemischen Substanzen
(vgl. DARRAS 1992, 15).
Weiterhin
scheinen die “Geschwindigkeitsveränderungen der isotopischen Verlagerung ab
einem Akupunkturpunkt, in den injiziert wurde, entlang eines spezifischen
Verlaufwegs, der der Topographie einer Akupunkturlinie entspricht, ... mit pathologischen
Anzeichen in Zusammenhang zu stehen ... (es) scheint, daß:
- eine bemerkenswerte Beschleunigung
der Geschwindigkeit der isotopischen Veränderung darauf zu schließen scheint,
daß eine pathologische Art von Entzündung in den Zell- und Organgeweben
(Eingeweide) je nach geprüftem Meridian vorliegt.
- eine bemerkenswerte Verlangsamung
der Geschwindigkeit der isotopischen Veränderung darauf zu schließen scheint,
daß eine pathologische Art der Degeneration der Zell- und Organgewebe
(Eingeweide) je nach geprüftem Meridian vorliegt.” (DARRAS 1992, 4)
These
17:
In
der Pulsationsarbeit werden Stimulationen unterschiedlicher Intensität an den
Akupunktur-Punkten gesetzt, wodurch Einfluß genommen wird auf
Energie-Zirkulationen innerhalb der Meridiane.
Zusammenfassung
“Abschließend
scheint es, daß mit dem genialen Konzept, alle Phänomene in einem Energieplan
zusammenzuführen, wie dies die orientalische Tradition getan hat, es möglich
machen müßte, in offenkundiger Art und Weise die fundamentale Einheit der unterschiedlichen
Mechanismen in einem Spiel zusammenzubringen ...” (DARRAS 1992, 4).
Die
Wirkweise des Akupunktursystems scheint sich nicht auf die neurophysiologische
Ebene eingrenzen und schon gar nicht befriedigend erklären zu lassen. Vielmehr
bestätigt sich hier die Sicht der Systemtheorie und Kybernetik. Es geht nicht
an, Teile aus einer Gesamtheit zu isolieren und gesondert zu betrachten, ohne
ihr Zusammenspiel zu berücksichtigen. Dies trifft besonders für den
menschlichen Organismus zu, der als ein mehr oder weniger offenes System
betrachtet werden muß, das Materie, Energie und Informationen mit seiner Umwelt
auszutauschen pflegt (vgl. BISCHOF 1995, 36). So sollten auch die
Akupunkturpunkte nicht isoliert betrachtet werden, sondern in ihrer Funktion als
Tore zu einem System, das ihnen immateriell zugrunde liegt.
52.
Organismische Umschaltung
Der
tiefere Prozeß, der durch die Pulsationsarbeit angeregt werden soll, besteht
beispielsweise in der Beeinflussung des vegetativen und endokrinen Systems (organismischen
Umschaltung), wie es bereits im Zusammenhang mit dem muskulären System bei der
Erwähnung der Formatio Reticularis und der Zunahme der organismischen
Gesamterregung angedeutet wurde. Neben der Anspannung wurde auch die
Entspannung als eine Phase der Pulsationsarbeit benannt. Gerade hinsichtlich
dieser beiden Phasen möchte ich noch kurz auf zwei thearpeutische Methoden
eingehen, die bereits seit Jahren vor allem im Bereich der Psychosomatik
angewendet werden: die Progressive Muskelrelaxation (PMR) und das Autogene
Training (AT).
53.
Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach JACOBSON
Der
Wechsel zwischen muskulärer Anspannung und Entspannung ist von der PMR nach
JACOBSON (1938) her bekannt. Einer der Unterschiede besteht jedoch darin, daß
in der PMR einzelne Muskeln oder Muskelgruppen mehrmals willkürlich angespannt
und wieder losgelassen werden. Zum Zwecke der Wahrnehmung und Sensibilisierung
kann das Anspannungsniveau
beispielsweise auch in Intervallen von 0 - 100% variiert werden.
In
der Pulsationsarbeit dagegen wird am Anfang auf eine möglichst maximale
Anspannung in den Extremitäten geachtet. Diese Daueranspannung dient einerseits
als Schutz vor überschießenden energetischen Impulsen und ermöglicht
andererseits das Entstehen von autonomen Körperbewegungen, die in der PMR nicht
oder bei kurzzeitiger maximaler Anstregung nur als leichtes Zittern zu
beobachten sind.
54.
Das Autogene Training (AT) nach SCHULTZ
Das
AT ist eine Methode der konzentrativen Selbstentspannung und zeigt in seiner
beabsichtigten Wirkrichtung - der organismischen Umschaltung - einige
Parallelen zur Pulsationsarbeit:
- Bewußtseinseinengung auf Körperebene
- vertiefte Atmung
- statische Muskelanspannung und
Entspannung
- Unterstützung der parasympathischen
Funktion (=Entspannung)
- organismische Umschaltung (Eutonie)
- vegetative Begleiterscheinungen
- Symptomverschiebungen
- Veränderungen auf psychischer Ebene
- Veränderungen auf den Ebenen der
Wahrnehmung
Im
Gegensatz zum AT sind in der Pulsationsarbeit Vorstellungen von körperlichen
Veränderungen, die sich in Wahrnehmung von körperlichen Veränderungen umsetzen,
nicht gefordert. Es ist allerdings denkbar, daß die Vorstellung von
Körperschwingungen und -pulsationen (ähnlich wie die Vorstellung von Schwere
und Wärme) in Analogie zum AT durchaus mit dazu beitragen kann, daß ein solcher
Zustand tatsächlich auch erreicht wird. Hier könnte sich die Auswirkung des
Bewußtseins des Behandelten auf den durch die Behandlung ausgelösten Prozeß
ansatzweise bemerkbar machen.
Eine
weitere Parallele zwischen AT und Pulsationsarbeit besteht darin, daß bei
großer Unruhe im AT mehrfache Muskelanspannungen und Seufzeratmung als
Konzentrationsübungen möglich sind. Während diese Hilfsmaßnahmen zur
Konzentration im AT nur gelegentlich und kurz eingesetzt werden können, gehört
kontinuierliche Muskelanspannung und vertiefte Atmung zum obligatorischen Teil
der Pulsationsarbeit. Atmung und Muskelanspannung dienen der
Energiemobilisierung und sind nicht nur als Konzentrationshilfe gedacht. Man könnte
die beiden Methoden als sanft (AT) bzw. mächtig (Pulsationsarbeit)
unterscheiden.
Auch
wenn sich die Herangehensweise beider Methoden in ihrer “Stärke” unterscheiden,
so ist doch jeweils eine organismische Umschaltung angestrebt. Sie zielt nicht
nur auf einen vegetativen Funktionswandel, wie etwa die Umschaltung vom
ergotropen Leistungszustand zum tropotropen Erholungszustand. Auf körperlicher
Ebene führt der Funktionswandel nicht nur zu einer Veränderung der vegetativen
Funktionen zugunsten des Parasympathikus, sondern darüber hinaus zu einem
gesamtorganismischen Funktionsausgleich. Aus dem Zustand des vegetativen
Ungleichgewichts, der Dystonie, kommt es zur Wiederherstellung des
homöostatischen Gleichgewichts, der Eutonie. Das AT fördert “die jedem
Organismus innewohnenden Selbstheilungskräfte” (BINDER 1989, 23) und wirkt über
die Wiederherstellung des homöostatischen Gleichgewichts auf körperliche und
psychische Prozesse (Leib-Seele-Einheit).
Die
Anwendungsmöglichkeiten des AT belaufen sich nach einer Literaturauswertung des
Institus für Medizinische Information und Dokumentation (DIMIDI) auf die
Bereiche der Gesundheitsvorsorge, der Rehabilitation sowie auf die Bereiche der
Therapie somatischer und psychischer Krankheiten (vgl. BINDER 1989, 122, Tabelle
9-1). Da das AT bei verschiedenen Störungen und verschiedenen Schweregraden
dieser Störungen sowie bei unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen
hinsichtlich Intelligenz, Differenziertheit und kulturellem Hintergrund
angewendet werden kann, hält BINDER (1962, nach BINDER 1989, 121) die
Bezeichnung des AT als “Basistherapeutikum” für berechtigt. IVERSEN (1984, nach
BINDER 1989, 121) weist auf die Bedeutung des Autogenen Trainings als
“Basispsychotherapeutikum” im Sinne einer pragmatisch orientierten Methode der
Psychotherapie hin. Von BINDER (1989, 129) wird es als Bindeglied zwischen
Verhaltenstherapie und Psychoanalyse/Tiefenpsychologie angesehen, das wichtig
ist für die ganzheitliche Psychotherapie und die “Körperbeseelung”.
These
18:
Die
Pulsationsarbeit kann ihre Anwendung als eine Art “Basistherapeutikum” für ein
sehr breites Spektrum biopathischer Erkrankungen zur Förderung der
Selbstheilungskräfte und zur Wiederherstellung des vegetativen Gleichgewichts
finden.
55.
Zusammenfassung der Diskussion zu den möglichen Wirkmechanismen
Einige
Modelle hinsichtlich möglicher Wirkmechanismen, die bei der Pulsationsarbeit
eine Rolle spielen könnten, sind diskutiert worden. Sie haben thesenhaften
Charakter und basieren nicht mehr ausschließlich auf den Erfahrungen der
Behandelten. Ich möchte die relevanten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen:
Aus
den bisherigen Ausführungen zum neuro-muskulären System lassen sich folgende
Schritte hinsichtlich der Aktivierungsphase (Streßpositionen) und hinsichtlich der
körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf der Basis der oben aufgestellten Thesen
beschreiben:
Das
Einnehmen und kontinuierliche Halten einer Streßposition führt zu einer
erhöhten Muskelaktivität.
- Die Muskelaktivität wird als
Anstrengung wahrgenommen; afferente Informationen werden dabei an das ZNS
geleitet. Um die konstante Spannung aufrechtzuerhalten, müssen zentral
zunehmend mehr efferente motorische Befehle generiert werden, womit die
wahrgenommene Anstrengung weiter wächst. - Die FR wird durch alle afferenten
Impulse zunehmend aktiviert; diese Aktivierung kann durch verschiedene
Interventionen noch weiter erhöht werden. Gleichzeitig steigt die organismische
Gesamterregung (energy mobilisation). Damit einher gehen Desynchronisation des
EEG im ZNS, Erhöhung der Sympathikusaktivität im VNS, Erhöhung der
Muskelspannung, des Tremors sowie der Mikrovibrationsamplitude und -frequenz im
muskulären System, erhöhter Grundumsatz des Stoffwechsels sowie erhöhte
Ausscheidung von Catecholaminen und Corticoiden im endokrinen System; es kommt
beispielsweise zur erhöhten Handlungsbereitschaft für vegetativ-motorische
Regulationsaufgaben. - Mikrovibrationen und Mikrotremor als
Korrekturbewegungen des Streckreflexsystems werden unter extremer
Muskelanspannung in Frequenz und Amplitude verstärkt; sie werden bei der
willkürlichen Verhinderung von Ausgleichsbewegungen zunehmend als Vibrationen
spürbar und mit der Zeit auch als Zittern sichtbar. - Die chronischen Muskelspannungen
(synonym: Muskelmehrarbeit, Blockaden, Panzerung) wirken der Ausbreitung von
Korrekturbewegungen und damit dem selbstregulativen System entgegen;
Anstrengung und Schmerz werden weiter verstärkt. - Mit dem Auftreten von Zittern und
dem Wahrnehmen von Parästhesien beginnen sich die Muskelspannungen zu lösen.
Die Bewegungen werden zunehmend stärker. Sie breiten sich von den unteren
Extremitäten über den ganzen Körper aus und verändern sich in ihrem Charakter
(Amplitude, Frequenz, Intensität) in Richtung von ruhigen Ganzkörperwellen und
inneren Pulsierens.
Eine
der möglichen Interventionen, die sich über die FR aktivierend auf die
organismische Gesamterregung auszuwirken scheint, besteht in der Stimulation
der Punkte des Meridiansystems. Eine Einwirkung auf das Meridiansystem selbst
scheint dabei nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich. Dafür sprechen
folgende Erkenntnisse:
-Die entsprechenden Punkte und
Energiekanäle stehen in Verbindung mit dem vegetativen und zentralen
Nervensystem und damit auch mit psychischen und somatischen Vorgängen im
Organismus. -Die (Akupunktur-) Punkte haben
besondere elektrophysiologische und morphologische Eigenschaften. Ihre
Stimulation hat mitunter sogar meßbare Auswirkungen auf den Organismus. - Die Weiterleitung der Impulse
scheint eigenen Gesetzmäßigkeiten zu folgen, z.T. gebunden an physiologische
Strukturen (“Schnellübertragungsmechanismen”), z.T. unabhängig von vorgegebenen
physiologischen Strukturen (immateriell). -Das Ohr scheint als “Treffpunkt
aller Meridiane” eine besondere Stellung innerhalb des Meridiansystems
einzunehmen. Diese Sonderstellung wird ergänzt durch die besondere Morphologie
des Ohres (z.B. sind die in den Ohren befindlichen Kollagenkörperchen besondere
Biosensoren, die u.a. über die Eigenschaft zur mechanisch-elektrischen
Energietransformation verfügen). - Durch inadäquate
Stoffwechselprodukte und durch Glykosilierung mit zunehmendem Alter besteht die
Möglichkeit der “Verschlackung”. Aus diesem Grund kann beispielsweise eine
Kombination der Akupunktur mit verschiedenen Ausschwemm- und
Umstimmungstherapien nahegelegt werden. Genau aus diesem Grund könnte auch das
“Kanäleputzen” bei der Pulsationsarbeit nahegelegt werden. Ob und inwieweit die
Pulsationsarbeit tatsächlich dieser “Verschlackung” entgegenzuwirken vermag,
kann nicht mit Bestimmtheit gesagt, wohl aber angenommen werden.
Diese
teilweise hypothetische und auf zusammengetragene Untersuchungen begründete
Konstruktion soll ein Bild von den möglichen neuro-muskulären Vorgängen während
der Aktivierungsphase in der Pulsationsarbeit in Verbindung mit der
zusätzlichen Stimulation des Organismus über das Meridiansystem geben. Hinzu
kommt die Anreicherung des Organismus mit Energie über die vertiefte Atmung und
beispielsweise der unter 5.2. aufgelisteten Interventionsmöglichkeiten.
Der
durch die Interventionen herbeigeführte hochaktivierte Zustand des Organismus
scheint für selbstregulatorische Prozesse äußerst sensibel zu sein. Diese
Prozesse scheinen unter Beteiligung der FR und allem Anschein nach auch unter
dem Einfluß des Meridiansystems in alle Bereiche des Organismus hinein wirksam
werden zu können.
Die
Methoden der Progressiven Muskelrelaxation oder des Autogenen Trainings
erinnern aufgrund der Mechanismen der abwechselnden muskulären Anspannung und
Entspannung und der angestrebten organismischen Umschaltung an die Vorgänge
während der Pulsationsarbeit. Im Unterschied zu den beiden angeführten
Methoden, die nach einem Einführungskurs selbständig absolviert werden können,
bedarf es jedoch bei der Behandlung mit der Pulsationsarbeit der Anwesenheit
des Therapeuten. Einerseits sollte er durch seine Interventionen die Sicherheit
der Behandelten gewährleisten, zum anderen zu dem beschriebenen hohen
Aktivierungsgrad des Gesamtorganismus beitragen, der beispielsweise durch PMR
oder AT nicht erreicht werden kann. Analog zum AT könnte die Anwendung der
Pulsationsarbeit als ein “Basistherapeutikum” gesehen werden. Die bisher
dokumentierten Anwendungen besonders im Bereich schwerer psychosomatischer
Erkrankungen bis hin zur Behandlung von Krebs legen diese Analogie nahe (vgl.
LASSEK 1994).
Als
letzter Punkt sei noch einmal das Modell der therapeutischen Tiefung erwähnt.
Die Wirkrichtung der Pulsationsarbeit richtet sich im Unterschied zu anderen
körperorientierten (Psycho-) Therapien vorwiegend auf die organismische Ebene
der plasmatischen Reaktionen, weniger auf mögliche Gefühls- und
Entspannungsreaktionen auf der Ebene der autonomen Körperreaktionen.
56.
Diskussion der Konsequenzen und Ausblick
Fragt
man nach der Effektivität der Pulsationsarbeit, so zeigt sich, daß sich nach
zwanzig Behandlungsstunden unabhängig von der Entwicklung des
Ausdrucksverhaltens auch eine Veränderung in den ursprünglichen Beschwerden
zeigt. Dabei kommt es nicht nur zur Verbesserung, sondern zeitweise auch zur
Verschlechterung bzw. zur Verstärkung vorhandener Symptome. Verschiedene
Symptome (Ausscheidungsfunktionen) sind über einen bestimmten Zeitraum neu
hinzugetreten.
Die
Erwartungen der Behandelten lassen sich nicht auf die drei, von GRAWE (1994)
genannten therapeutisch relevanten Perspektiven (Klärung, Problemlösung,
Beziehung) beschränken, sondern richten sich deutlich auch auf körperliche und
energetische Prozesse. Damit unterscheidet sich Pulsationsarbeit als
Therapieform von anderen Psychotherapieformen. Gängige Bewertungskriterien in
der Psychotherapieforschung zur Bewertung der Wirksamkeit der Pulsationsarbeit
müßten aus diesem Grunde modifiziert werden.
In
der vorliegenden Arbeit sind vor allem die Anfangsprozesse der
Pulsationsarbeit, die “Mobilisierung der Pulsation” und die “Kanalisierung des
Energieflusses” dokumentiert und diskutiert worden. Aufgrund der von allen
Behandelten beschriebenen muskulären Anstrengung standen in der Diskussion
zunächst auch die neuro-muskulären Vorgänge im Vordergrund, die ergänzt wurden
durch die Vorgänge am System der Meridiane. Über die aus dem Autogenen Training
bekannte organismische Umschaltung konnten Parallelen in der beabsichtigten
Tiefenwirkung der Pulsationsarbeit aufgezeigt werden, die sich beispielsweise
in der Beeinflussung des Vegetativen Nervensystems zeigen.
Wir
konnten schlußfolgern, daß in der Behandlung selbst durch vertiefte Atmung,
angespannte Muskulatur und durch die Arbeit an den Energiebahnen eine
hochaktivierte organismische Gesamterregung hergestellt wird. Dieser Zustand
vermag sich aller Erkenntnis nach positiv auf die Auslösung selbstregulativer
Prozesse in den verschiedenen Subsystemen des Organismus auszuwirken. Im
Zusammenhang mit dem System der Energiebahnen und unter Verwendung des
REICHschen Paradigmas der Orgonomie sprechen wir auch von der Beeinflussung des
in jedem Organismus zirkulierenden Energieflusses. Über die Wiederherstellung
der Schwingungsfähigkeit des Organismus (Pulsationsfähigkeit des Vegetativums,
bzw. plasmatische Reagibilität) beeinflußt dieser Energiefluß auch die
Symptomatik biopathischer Erkrankungen.
Zum
heutigen Zeitpunkt und aus den vorliegenden Ergebnissen läßt sich noch nicht
abschätzen, für welche Symptomatik die
Pulsationsarbeit besonders geeignet ist und bei welcher Symptomatik eine
Kontraindikation bestehen könnte. Sollte sich die Wirksamkeit dieser
Behandlungsform, die sich in den Interviews ansatzweise angedeutet hat, in
weiteren differenzierten Kontrollstudien bestätigen, dann bestünde durchaus die
Möglichkeit, daß die Pulsationsarbeit als hochwirksames “Basistherapeutikum”
einen festen Platz auch bei der Behandlung schwer chronisch erkrankter Menschen
einzunehmen vermag.
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Heiko Lassek und Antonin Svoboda im Gespräch mit Kevin Hin-chey, Co-Direktor des Wilhelm Reich-Museums in Orgonon, am 9. November 2007 im Rahmen einer WRI-Veranstaltung in der „Schule des Theaters“ in Wien.
„30 Jahre brauchen wir...“
Übersetzung aus dem Englischen: Tina Lindemann
Heiko Lassek: Es gibt eine Menge an Gerüchten um Reichs Tod und seinen Nachlass. Kannst Du uns etwas über Reichs Letzten Willen und darüber, was nach seinem Tod passiert ist, erzählen?
Kevin Hinchey: Ich möchte zunächst Regina Hochmair und Heiko Lassek dafür danken, dass sie mich eingeladen haben. Dies ist mein erster Besuch in Wien, und es ist mir ein großes Vergnügen hier zu sein. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Heiko versucht, Missverständnisse bezüglich Reichs Ideen und Konzepte aufzuklären und die Fakten über das Vermächtnis, das Archiv und den „Wilhelm Reich Infant Trust“ bekannt zu machen. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen schon unsere Webseite besucht haben, aber Reichs Testament kann dort vollinhaltlich nachgelesen werden; ebenso das Inhaltsverzeichnis des Archivs. Und während wir hier sprechen, sieht sich Peter Reich gerade im Archiv die Materialien an. Wir fanden es richtig, dass die Familienmitglieder Reichs als erste Zugang dazu bekommen sollten. In seinem Letzten Willen ruft Reich auch den „Trust“ ins Leben und nennt ihn den „Wilhelm Reich Infant Trust Fund“, der später in „Wilhelm Reich Infant Trust“ umbenannt wurde. Reich war überzeugt, dass die einzige Möglichkeit zur Prävention von Neurosen die Verhinderung der Panzerung von Kindern wäre. Die Idee der Prävention hat er den ganzen Weg - von seinen Wurzeln in der Psychoanalyse bis zur orgontherapeutischen Behandlung von Patienten - mit sich getragen. Alles, was das Archiv und das Museum betrifft, geht auf Reichs Testament zurück, das er im März 1957 aufgesetzt hat. Es ist ein langes Dokument, und ich will nur zwei Passagen daraus vorlesen. Ich zitiere:
Im Vollbesitz meiner Urteilsfähigkeit in Bezug auf Menschen und soziale Umstände und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, machte ich meine Überlegungen zur sicheren Weitergabe einer gewaltigen Menge wissenschaftlicher Erkenntnisse an künftige Generationen zum Leitfaden meiner letzten Verfügung. Die größte Herausforderung war für mich, die Wahrheit über mein Leben und meine Arbeit gegen Verzerrungen und Verleumdung nach meinem Tode zu schüt-zen.
Eine Anführung im Testament bezieht sich auf sein Archiv, das zur Zeit der Unterzeichnung an zwei verschiedenen Orten im Observatorium in Orgonon untergebracht war. Reich bewahrte einen Teil davon in der Dunkelkammer im ersten Stock - und einen anderen Teil in einem großen Schrank in seinem Büro, im zweiten Stock, auf. Er weist den Trust wie folgt an:
Um den zukünftigen Studenten der Lebensenergie, des primordialen kosmischen Energie-Ozeans, der von mir entdeckt wurde, zu ermöglichen, sich ein wahres Bild meiner Erkenntnisse, Fehler, falschen Schlüsse, wegbereitenden Grundannahmen, meines Privatlebens, meiner Kindheit etc. zu machen, verfüge ich hiermit, dass unter keinen Umständen und unter keinem Vorwand irgendeines der Dokumente, Manuskripte oder Tagebücher, die in meiner Bibliothek in den Archiven oder irgendwo sonst gefunden werden, auf irgendeine denkbare Weise verändert, gekürzt, zerstört, ergänzt oder sonst wie verfälscht werden dürfen. Die aus Angst geborene Tendenz der Menschen, um jeden Preis mit dem Mitmenschen auszukommen und unangenehme Dinge zu verstecken ist überwältigend stark. Um sich gegen dieses Verhalten zu schützen, das auf historische Wahrheit einen zerstörerischen Einfluss hat, verfüge ich, dass mein Arbeitszimmer, die Bibliothek und die Archive nach meinem Tod sofort durch die zuständigen Behörden verschlossen werden sollen, und niemandem soll erlaubt werden meine Papiere einzusehen, bis der Treuhänder, der weiter unten benannt wird, gebührend berufen und befähigt wurde und die Kontrolle und Verwaltung übernommen hat. Diese Dokumente sind von entscheidender Wichtigkeit für die Zukunft der folgenden Generationen. Es gibt viele emotional kranke Menschen, die versuchen werden meine Reputation zu beschädigen, ungeachtet dessen was den Nachkommen geschieht, wenn nur ihre eigenen Leben im Dunkel eines verlassenen Zeitalters der Stalins und Hitlers bleiben. Daher weise ich meinen Treuhänder und seine Nachfolger an, dass nichts an den Dokumenten jemals geändert werden darf, und dass sie für 50 Jahre verschlossen gelagert werden sollen, um sie vor Zerstörung und Verfälschung durch Jedermann der ein Interesse an der Verfälschung der historischen Wahrheit hat, zu bewahren.
Nach Reichs Ableben wurde seine Tochter, Eva Reich, zur Treuhänderin benannt. Wie Sie sich vorstellen können, haben all diese Ereignisse Eva emotional sehr mitgenommen. Sie war ehrlich und selbstbewusst genug, um für sich zu erkennen, dass sie emotional zu belastet war, um Treuhänderin sein zu können.
Heiko: Darf ich eine Zwischenfrage stellen?
Kevin: Sicher.
Heiko: Nachdem Reich ja ins Gefängnis musste und all seine Schriften und Unterlagen zerstört worden sind: Wie hat er es denn geschafft die Archiv-Materialien zu sichern?
Kevin: Die Materialien blieben im Observatorium. Er beschrieb in seinem Letzten Willen diese zwei Stellen und trat dann seine Haft-strafe an. Er wusste nicht, dass er sterben würde, aber er tat es für den Fall, dass ihm etwas geschehen sollte. So blieben die Materialien wo sie waren. Dann starb Reich am 3. November 1957 an Herzversagen. Einige Tage später fand die Beerdigung statt. Und dann, irgendwann im Jahr 1958 geschah Folgendes: Die letzte Frau in Reichs Leben, Aurora Karrer, entfernt die Unterlagen aus dem Observatorium, lädt sie in ein Auto und verbringt sie in das Haus ihrer Mutter, hunderte von Meilen entfernt, außerhalb von Washington. Als nun Eva verbreitet, dass sie einen Treuhänder sucht und keiner der Ärzte und Wissenschaftler, die mit Reich zusammengearbeitet haben, diesen Job übernehmen will, hört Mary Boyd-Higgins, eine Patientin von Dr. Chester Raphael, die damals 33 Jahre alt war und Reich nie persönlich kennengelernt hatte, aber offensichtlich von Reichs Arbeit sehr beeindruckt war, davon. Sie sagt zu Dr. Raphael: „Wenn sie niemanden finden, dann gerät das alles in Vergessenheit. Und was geschieht dann?“ Und so bietet sie sich an, selbst Treuhänderin zu werden und trifft Eva Reich und ihren Ehemann, Bill Moise.
Heiko: Ist es in Ordnung kurz zu unterbrechen?
Kevin: Natürlich.
Heiko: Es gibt nur wenige Menschen - und Du bist einer davon, die etwas über die Geschichte von Aurora Karrer und Wilhelm Reich erzählen können. Sie waren sich sehr nahe und wollten heiraten.- Aurora brachte dann alle Archivunterlagen nach Washington. Geschah dies mit irgendjemandes Zustimmung?
Kevin: Nein, dies erfolgte ohne irgendeine Zustimmung. Was ge- schah war Folgendes: Nachdem im März 1959 all die Bürokratie erledigt war, um Mary zur Treuhänderin zu machen, trifft sie sich mit Bill und Eva, und sie fahren alle gemeinsam nach Rangeley. Dazu muss man wissen, dass Orgonon zu dieser Zeit seit Jahren verlassen und die Gebäude alle verschlossen waren. Mary und Eva gehen in das verrammelte Observatorium, und Mary stellt als erste fest, dass die zwei Archive verschwunden waren. Mary kann diese Geschichte weit besser erzählen als ich. Jedenfalls fährt Mary kurz danach zu Karrer, die aber bestreitet, überhaupt etwas damit zu tun zu haben, sie bestreitet alles, auch noch 1960 vor Gericht. Nachdem keine Kooperation mit Karrer möglich war, strengte der Trust 1960 ein Verfahren gegen sie an. Im späteren Verlauf der Verhandlungen kommt auf einmal Karrers Anwalt zu Mary und dem Trust-Anwalt und meint, dass er ihnen etwas mitzuteilen habe. Sie begeben sich in einen separaten Raum, und daraufhin kommt Aurora Karrer mit einem Koffer, mit noch einem Koffer, und noch einem, und noch einem...., herein, die all das Material enthielten, das sie sich angeeignet hatte. Also resultierte dieses gerichtliche Verfahren doch noch in der Rückgabe eines Großteils der Archive an den Trust.
Heiko: Ich weiß von Eva Reich, dass sie Aurora Karrer bat, die Archive auf Mikrofilm zu bringen, und soweit ich weiß, verschwand sie mit den Mikrofilmen; kannst Du uns etwas darüber erzählen?
Kevin: Ich weiß nicht so viel über die Mikrofilme. Es gab einen Versuch, etwas auf Mikrofilm zu archivieren, als Eva noch Treuhänderin war, aber ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht vielleicht noch zu Reichs Lebzeiten geschah.
Heiko: Soweit ich weiß, war es nach Reichs Tod.
Kevin: Das weiß ich nicht.
Heiko: Eva hat mir erzählt, dass einige Teile des Archivs trotzdem verschwunden blieben; darunter ein Teil der Tagebücher und ein Teil der Dokumentation über Reichs Pendel-Experimente, die mit Anti-gravitation zu tun haben.
Kevin: Es fehlen in der Tat einige Teile des Archivs. Reichs Tagebücher von 1922 bis 1934, also bis zum Kongress der IPV in Luzern, fehlen. Sie sind auf Deutsch geschrieben; Aurora Karrer war aber der deutschen Sprache nicht mächtig. Wir wissen nicht, was damit passiert ist. Die Gebäude wurden verschlossen, als Reich ins Gefängnis ging, und es gab Vandalismus, bevor das Archiv ausgelagert wurde. Das Gelände ist sehr abgelegen, und es wurde eingebrochen, die Schlösser an allen Türen waren aufgebrochen, aber ob damals schon etwas aus dem Archiv gestohlen wurde, weiß ich nicht. In Reichs Buch „Beyond Psychology“ hat Mary Higgins im Vorwort auf das Fehlen der Tagebuchaufzeichnungen, die 12 Jahre von Reichs psychoanalytischer Tätigkeit dokumentieren, hingewiesen. Über die Unterlagen zu den Pendel-Experimenten weiß ich nichts. Mary Higgins ist die einzige, die Archivierungsarbeit geleistet hat. Wenn auch die medizinische Bibliothek in Harvard, in der sich das Archiv befindet, eine der besten und größten der Welt ist, ist es nicht so, dass das Personal dort daran interessiert ist, unsere Materialien zu bearbeiten. Für jegliche archivarische Tätigkeit müssen wir bezahlen; für jede Kopie, für das Überspielen von alten Filmen auf Video, etc.- Wir kennen zwar die Namen aller Ordner und die Inhaltsverzeichnis-se, aber den detaillierten Inhalt all dieser Papiere kennen wir nicht. Die Antwort wird im Laufe der Zeit erfolgen, wenn alle Unterlagen durchgearbeitet sein werden. Es gibt eine Menge Ordner mit orgonomischem Forschungsmaterial, und es wird eine Weile dauern, bis man weiß, welches Material fehlt. Diese Dokumente sind sicherlich außerordentlich interessant.
Heiko: Eine letzte Frage zu Reichs Tagebüchern: Fehlt die letzte Sequenz ebenfalls? Und weshalb wurde „American Odyssee“ nie ins Deutsche übersetzt?
Kevin: Der Grund dafür, dass „American Odyssee“ nicht übersetzt wurde ist der, dass der Buchverkauf nicht gut lief. Und so war es nicht nur die Entscheidung des Trusts, sondern insbesondere auch des Verlags, es nicht übersetzten zu lassen. Zur anderen Frage: In den letzten Jahren entdeckten wir weiteres Material von Aurora Karrer, und wir hofften, dass es Reichs vollständige Journale und Tagebücher aus den 50er Jahren wären; aber es sind nur Teile davon, andere Teile fehlen.
Heiko: Meinst Du, dass noch weiteres Material zu erwarten ist?
Kevin: Mary und ich haben darüber gesprochen, aber wir sind uns sicher, dass nichts mehr dazukommen wird. Sicherlich nicht von Karrer. Die verschwundenen Teile sind nirgendwo aufgetaucht, auch nicht bei eBay. Sie sind einfach weg. Tagebücher aus 12 Jahren! Ich kann es mir wirklich nicht erklären. Reich war sehr organisiert und hatte sein Archiv sorgfältigst geordnet. Das Archiv ist riesengroß; es umfasst mehr als 2,5 Kubikmeter; allein das Inhaltsverzeichnis ist 141 Seiten lang.
Heiko: Mary hat den Trust übernommen und all diese Arbeit geleistet. Wie finanziert der Trust diesen riesigen Komplex von Häusern und Land und das Archiv? Ich weiß, dass die Finanzierung einmal weggebrochen ist, es gab Probleme mit dem Dach und mit der Heizung. Mary hat es lange Zeit mit Hilfe von Freunden aus New York geschafft, jetzt ist sie 82 Jahre alt, und Du übernimmst diese Aufgabe. Wie willst Du das machen?
Kevin: Die finanzielle Lage ist keine wirklich gute. Besucher des Museums meinen oft, dass Reich eine Menge Geld hinterlassen haben muss, weil das Gelände so weitläufig und schön ist. Die Wirklichkeit sieht so aus: Nach Reichs Tod ging ein wenig Geld an seine Kinder, und für das Museum und den Trust blieben ganze 823 Dollar übrig. Das war 1959. Hochgerechnet wären das heutzutage etwa 5700 Dollar. Aber es gab über die Jahre hinweg Tantiemen aus dem Bücherverkauf, Privatleute und eine Organisation namens „The Friends“, die spendeten, und es gab einige wenige Erbschaften von Freunden Reichs. Aber das Geld reichte nie lange. Ich weiß nicht in allen Einzelheiten wie das war. Es ist mir ein Rätsel, wie Mary das geschafft hat, insbesondere wenn man Bilder sieht, in welchem Zustand Orgonon war, als Mary es übernahm. Ein Wunder eigentlich, nach all dem Vandalismus, die Gebäude komplett zugewuchert und heruntergekommen. Es kommen weiterhin Spenden, wenn auch wenige, und Einnahmen aus dem Bücherverkauf, aber das reicht auf Dauer nicht. Unser Problem ist, dass Reich eine so schlechte Reputation in Amerika hat. „Scharlatan, Spinner, Orgon existiert nicht“, all das. Es hat keinen Sinn für wissenschaftliche Arbeit um Förderung anzusuchen. Wir haben es wiederholt versucht, aber sobald der Name „Reich“ aufscheint, ist es vorbei. Wir kommen da nicht rein, bekommen oft nicht einmal eine Antwort. Ich meine, dass das Weiterbestehen Orgonons wirklich gefährdet ist. Wenn wir in unserer Lebensspanne dieses Image nicht ändern kön-nen, wird es diese Einrichtung nicht mehr geben. Als Mary ihre Tä-tigkeit aufnahm, gab es wenigstens noch genug Bekannte und Ärzte, die mit Reich gearbeitet haben und ein persönliches Interesse an seinem Werk hatten und Unterstützung leisteten. Aber wie wird das in 30, 40 Jahren aussehen? Die alte Generation ist heute fast ausge-storben. In den Medien wird noch immer der gleiche Unsinn über Reich wie zum Zeitpunkt seines Todes verbreitet. Im November gab es über die Nachrichtenagentur „Associated Press“ einen Artikel über Reich, der von vielen Medien übernommen wurde. Wir haben mit dem Journalisten kooperiert und ihn ersucht, uns den Artikel - Fakten betreffend - gegenlesen zu lassen. Er meinte nur: „Ich bin der Journalist, das geht nicht!“ Und dann war in den Zeitungen der großen Städte nach-zulesen: „Der Sammler angeblicher kosmischer Orgasmus-Energie starb im Gefängnis....“ und so weiter. Wir kämpfen also, kämpfen recht hart. Die Buchverkäufe gehen zurück und die Verlagswelt hat sich verändert. Als Mr. Straus, unser Verleger, starb, ging sein Verlag in einem riesigen Verlagskonzern auf, und wir wissen nicht, wie interessiert dieser daran ist, unsere Bücher weiterhin zu verlegen, denn sie verkaufen sich nicht besonders gut. Finanziell gesehen ist es also eine wirkliche Herausforderung für uns.
Heiko: Aber Du hast einen Traum, wir beide haben einen Traum. Und in gewisser Weise teilen wir diesen Traum, und er könnte einen Lösungsweg eröffnen. Bevor ich also an Antonin Svoboda übergebe, habe ich eine letzte persönliche Frage: Wie bist Du zu diesem Job als Co-Direktor gekommen? Ich weiß, dass Du ein ganz normales Leben führst und hart arbeitest.
Kevin: Orgonon gehört zum Gemeindegebiet der Kleinstadt Range-ley in Maine. Rangeley war das bevorzugte Urlaubsziel meiner Eltern, die mich schon in meinem ersten Lebensjahr dorthin mitnahmen. Als Kind erfuhr ich bereits von dem Museum, aber da will man lieber schwimmen, fischen und campen und all dies. Als Student war ich dann mit meinen Brüdern in Rangeley zum Campen, und damals besuchte ich erstmals das Museum - und hatte keine Ahnung, worum es hier ging. Aber danach fing ich an, Reichs Bücher zu lesen und mich mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Und was ich las, wurde sehr wichtig für mich und hatte großen Einfluss auf mein Leben. Ich hatte im College nie etwas über Reich gehört, und ich bezweifle, dass ich je etwas über Reich erfahren hätte, wenn meine Eltern mit uns nicht immer nach Rangeley auf Urlaub gefahren wären. Ich liebe Rangeley sehr und habe dort vor vielen Jahren ein Häuschen gekauft. Dass Rangeley meine zweite Heimat ist und ich jetzt Co-Direktor des Museums und des Trusts wurde, ist sehr hilfreich. Es gibt viele Leute dort, die ich als Teenager kennen gelernt habe und die mich schon seit mehr als 30 Jahren kennen; ich habe mich immer als Mitglied der Gemeinde gefühlt. Es ist für unsere Arbeit sehr wichtig, dass wir in unserer Umgebung akzeptiert werden. Aber es war nicht Teil meines Lebensplans, Co-Direktor des Museums zu werden, das hätte ich mir nie im Leben gedacht. Es passierte einfach.
Heiko: Vielen Dank, ich übergebe an Antonin Svoboda.
Antonin Svoboda: Sie sagten, Sie haben da einen Traum, aber da ist auch ein Alptraum: Ich spreche von Reichs Image in den USA. Als wir uns gestern unterhielten, erzählten Sie, dass unter hunderten Ar-tikeln über Reich nicht ein einziger mit einem positiven Zugang dabei war.
Kevin: Ich glaube, dass das wenig mit Reich selbst zu tun hat. Das kommt vor allem von einer Art intellektueller Faulheit. Ich denke, dass sich der Durchschnittsbürger leichter damit tut, Artikel über etwas zu lesen, als die Primärliteratur zu studieren. Insbesondere Journalisten. Wenn also jemand einen Artikel verfassen möchte, recherchiert er einfach, was es alles schon gibt und macht etwas Neues daraus. Artikel nehmen - auch wenn sie schon vor Jahrzehnten erschienen sind, eine Art Eigenleben an. Seit es das Internet gibt, ist das noch extremer geworden. Es sind zu Reichs Lebzeiten und nach seinem Tod sehr viele Artikel gegen ihn und seine Arbeit erschienen. Und das wird leider wohl auch weiterhin so bleiben, denn beim Recherchieren stoßen die Leute darauf und schreiben einfach davon ab. Man findet auch immer wieder genau dieselben Formulierungen. Jedes Mal, wenn jemand einen verdrehten Artikel über Reich schreibt, bleibt das für immer im Internet stehen. Es ist nicht so wie mit einer Zeitung, die man einfach wegwirft. Ich glaube, dass es einfach Unehrlichkeit und intellektuelle Faulheit ist, sich nicht mit der Primärliteratur auseinander zu setzen. Es ist in Ordnung im Internet nachzusehen und Sekundärliteratur zu verwenden, aber eben nicht ausschließlich. An einem Buch kann man jahrelang herumfeilen, beim Verfassen eines Artikels aber steht man unter Zeitdruck. Es gibt eine Deadline. Und oft meint man, dass es eine einfache Geschichte werden wird, aber wenn man erst einmal drinnen steckt, beginnt die Sache immer größer zu werden. Wir sagen stets: „Wenn Sie Fragen haben, kontaktieren Sie uns bitte. Wir sind Ihnen bei der Recherche gerne behilflich. Wir wollen auch nicht Ihren Artikel verändern, aber sicherstellen, dass die Fakten stimmen.“ Aber das passiert so gut wie nie. Es gibt Journalisten, die es ernst meinen und sich Zeit nehmen und zuhören, aber das ist selten. Über Reich zu schreiben ist etwas, was man nicht unter dem Druck einer Deadline tun kann. Dafür ist das Werk zu groß, zu komplex. Alle die hier anwesend sind, haben etwas von Reich gelesen und wissen, wie viel Zeit und innere Auseinandersetzung das in Anspruch nimmt. Das gilt natürlich nicht nur für Reich, und es macht auch keinen Sinn, das persönlich zu nehmen, aber es ist ein großes Problem.
Antonin: Worin liegt die Hoffnung?
Kevin: (lacht) Mein Hintergrund ist die Filmbranche. Ich habe in Hollywood als Drehbuchautor gearbeitet. So wie es neunzig Prozent der Drehbuchautoren dort ergeht, bekam ich einmal einen Job, dann wieder nicht und einmal wird man bezahlt und ein anderes Mal wird der Film nicht gedreht, und es gibt kein Geld. Nach ein paar Jahren hatte ich davon genug. Ich wollte so nicht mehr leben. Wir haben schon darüber gesprochen, dass es sinnvoll wäre, einen Film, einen guten, ehrlichen Film über Wilhelm Reich zu machen. Eine Dokumentation, die sich nicht nur den Menschen erschließt, die schon viel über Reich wissen, sondern Menschen im Fokus hat, die noch gar nichts über ihn und seine Arbeit wissen. Und außerdem einen Spielfilm, der sich an die Tatsachen hält. Die Geschichte gibt genug her, um einen spannenden Film daraus zu machen. Ich habe wirklich Sorge, dass irgendjemand einen schlechten Film macht und darunter schreibt: „Dieser Film beruht auf einer wahren Begeben-heit“. Ich bin dabei, ein Drehbuch zu schreiben und ich bin auch daran interessiert, dass unsere kurze Dokumentation „Man´s Right to Know“, ausführlicher gestaltet wird. Auch Antonin und Heiko sind hierorts aktiv, um einen Spielfilm und eine Dokumentation über Reich auf die Beine zu stellen. Alle reden über das Reich-Archiv und was dort nicht alles über fünf-zig Jahre lang verschlossen lag. Das stimmt schon, aber seit 1960, als das erste Buch „Ausgewählte Schriften“ durch den Trust und den Verlag herausgegeben wurde, hat der Trust mehr als 7000 Seiten von Reichs Schriften in Buchform veröffentlicht. Es gibt also schon eine Menge an zugänglichem Material, aber was hat das bewirkt? Über Reichs Arbeiten wissen vielleicht ein paar tausend Leute auf der ganzen Welt Bescheid, und das wird sich so schnell nicht ändern. Ich glaube es ist eine Herausforderung im „Geschichtenerzählen“. Reichs Geschichte und die seiner Arbeit ist sehr bewegend, und sie muss auf die richtige Weise erzählt werden, so dass sie für alle Menschen zugänglich wird. Wenn mich Leute fragen, wie ich zu meiner Aufgabe gekommen bin und was ich mitbringe, dann ist es mein Leben als Geschichtenerzähler: Das Schreiben und das Filme machen. Ich hatte immer das Gefühl, dass Reichs Leben und Werk eine großartige Geschichte ist, die wir uns nicht immer nur gegenseitig erzählen sollten. Wir müssen neue Leute erreichen. Das könnte auch eine Veränderung in der Wahrnehmung von Medizinern, Physikern, Biologen, etc. herbeiführen, die wirklich etwas bewegen können. Uns kontaktieren ständig Leute, die eine Dokumentation machen wollen. Kürzlich rief mich eine Kunststudentin an, die einen Film über Reich drehen wollte. Als wir dann zusammen saßen, fragte ich sie als erstes, was sie denn von Reich gelesen hätte. Sie antwortete: „Listen Little Man“, und das war alles. Ich sagte: „Sie haben `Listen Little Man´ gelesen und wollen mit Ihrer Kamera nach Orgonon kommen und Interviews machen? `Listen Little Man´ hat 138 Seiten, 34 davon sind Zeichnungen, also haben Sie 94 Seiten von 7000 verfügbaren Seiten von Reichs Schriften gelesen Und Sie wollen einen Dokumentarfilm machen!“ Ich empfand das in meinem Selbstverständnis als Filmemacher beleidigend und beleidigend in der Hinsicht, dass jemand meint, man könne einen Dokumentarfilm drehen, auch wenn man nur einen winzigen Bruchteil des Werkes kennt.
Antonin: Ich habe das Gefühl, dass Reich ein Kosmos für sich ist, und dass man sich, wenn man erst einmal einen Schritt hinein gemacht hat, auf gewisse Weise darin verliert. Denn 7000 Seiten nur von Reich zu lesen schafft man wahrscheinlich nicht in einem Leben, und mit der Öffnung des Archivs wird das Ganze noch größer. Ich frage mich, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, das Werk zur Vermittlung so zu vereinfachen bzw. einzugrenzen, dass es auch für Laien verstehbar wird. Ich bin nicht davon überzeugt, dass sich die Wahrnehmung Reichs in der Welt durch einen einzelnen Film massiv verändern wird. Sie haben von Physikern, Biologen, Medizinern, etc. gesprochen. Ich bezweifle aber, dass diese Leute eifrige Kinogeher sind. In der Zeitung „Der Standard“ erschien kürzlich ein Artikel über Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Karriere zu machen, und dass diese ganz selten ins Kino gehen, weil sie aus Filmen wenig darüber lernen können. Wir können also nicht nur auf Filme setzen.
Kevin: Wir müssen über „Ausbildungsmaterial“ nachdenken. Als ich im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen für Wien noch einmal viele von Reichs wissenschaftlichen Aussagen gelesen habe, kam mir der Gedanke, dass es großartig wäre, eine Serie von Ausbildungsmaterialien herauszugeben, in der die Ideen und Erkenntnisse Reichs in seinen eigenen Worten, aber vereinfacht so dargestellt werden, dass alle Aspekte seines Werkes leicht verstehbar sind. Es geht grundsätzlich darum, eine Brücke zwischen dem Werk und dem Publikum herzustellen. Wir müssen alle Bereiche abdecken. 30 Jahre brauchen wir, denke ich, um all das zu schaffen. Es gibt keine Garantie, aber ich bin voller Hoffnung.
Kontaktadresse:
Kevin Hinchey (Associate Director) „The Wilhelm Reich Museum“, Orgonon – Dodge Pond Road, P.O. Box 687, Rangeley, Maine 04970, USA. Telefon: ++207-864-3443 E-Mail: wreich@rangeley.org Homepage: www.wilhelmreichmuseum.org
Zur Erinnerung:
„Reich Andenken“
Die lange Nacht für Wilhelm Reich
am 3. November 2007 im 3raum Anatomietheater in 1030 Wien
Mit Beiträgen von Hubsi Kramar, Ingrid Sturm, Tania Golden, Rena-te Wieser, Peter Bolen, Beatrix Teichmann-Wirth, Regina Hochmair, Christian Bartuska, Elfriede Kastenberger, Wolfram Ratz
Jetzt auf DVD
Zu bestellen unter: WRI@blackbox.net zum Unkostenbeitrag von 10.- € (+Versand 2.- €)
„Wilhelm Reich und die Mysterien des Organismus“ von Lore Reich-Rubin
Vorspann:
In den USA ist Reich hauptsächlich für die „orgone-box“ bekannt. In Europa jedoch gibt es eine größere Wertschätzung für sein gesamtes Werk, insbesondere für sein frühes Engagement in der Politik und für seine Entwicklung der Körpertherapie. Reich stieß 1919 während seines Medizinstudiums auf die Psychoanalyse. Er idealisierte Freud und war besonders von Freuds Theorien über die Libido-Energie, der Entwicklung der menschlichen Sexualität und der Rolle der Sexualität zur Entstehung von Neurosen, fasziniert. Ich glaube, dass er nie aufgehört hat, Freud zu idealisieren, trotz ihrer späteren Dispute. Sich auf Freud beziehend, entwickelte Reich die Theorie, dass ein psychischer Konflikt rund um das Thema Sexualität zu Abwehrhaltungen führt, die sich in der Charakterstruktur ausdrücken. Dann postulierte er, über Freud hinausgehend, dass die sexuelle Energie, die im Konflikt unterdrückt wurde, in der Muskulatur gebunden sein würde. Er nannte diese gebundene Energie „Körperpanzer“. Des weiteren stellte er die Theorie auf, dass ein gesundes Sexualleben mit einem ganzheitlichen Orgasmus diese Bindung von Energie verhindern würde - und damit auch die Bildung von Neurosen und Persön-lichkeitsstörungen. Obwohl Freud - nachzulesen in einem Brief an Wilhelm Fließ - ähnliche Vorstellungen bezüglich eines gesunden Sexuallebens zur Neurosenverhütung hatte, äußerte er sich um 1920 diesen Ideen gegenüber äußerst ablehnend.
Wenig später ging Reich sogar noch einen Schritt weiter und behauptete, dass man die Panzerung aufheben und die Sexualenergie freiset-zen könne, indem man die Muskulatur dazu bringt, sich zu entspan-nen. Lange Zeit später erweiterte Reich Freuds energetische Libidotheorie in eine universelle Energie, die er „Orgonenergie“ nannte. Reich wurde in den späten 1920er Jahren, als Österreich die zivilen Freiheiten aufgab, immer radikaler. Da seine Ideen mit einer sexuel-en Befreiung der Gesellschaft verbunden waren, um neurotisch-faschistische Entwicklungen der Gesellschaft zu verhindern, begann er in Arbeitervierteln mobile Sexualberatungsstellen einzurichten. In der Hauptsache gab es Sexualerziehung, insbesondere zur Verhütung, da dies den Jugendlichen ermögliche, sich sexuell auszudrücken und Neurosen verhindern würde. Zur gleichen Zeit war er ein prominenter Aktivist der Sozialistischen Partei. All diese Aktivitäten waren für Freud zu radikal; er befürchtete, dass sie die psychoanalytische Bewegung in einen schlechten Ruf bringen würden. Es kam zu einer Abkühlung in der Beziehung dieser beiden Männer, was schließlich dazu führte, dass Reich 1930 Wien verließ und sich in Berlin ansiedelte. Dort begannen die Nazis eine Bedrohung für die Demokratie zu werden. Sobald sich Reich in der neuen Stadt niedergelassen hatte, wurde er - während er sich weiterhin den psychoanalytischen Forschungen widmete - Mitglied der Kommunis-tischen Partei und verschrieb sich dem Kampf gegen die Nazis. Zu dieser Zeit idealisierte Reich die Russische Revolution, von der er annahm, dass sie aufgrund ihrer radikalen sexuellen Freiheiten zu einer neurosenfreien Gesellschaft führen würde. Aber just in der Zeit, in der er auf Freud stieß und Freud sich gerade von seinem Interesse an Sexualität zurückzog, realisierte er, dass der Kommunismus durch die Stalinisten genauso reaktionär wurde und sich von seinen liberalen Standpunkten der sexuellen Rechte verabschiedete. Wie auch immer: Reich war sich dessen nicht gleich bewusst. In Berlin dehnte er seine Ideen von Sexualberatungsstellen zu einer riesigen Organisation aus, genannt „Sex-Pol“, die Stasi-Akten zufol-ge zwischen 10.000 bis 40.000 Mitglieder hatte. Damit war er eine stimmgewaltige und prominente Person in Berlin. Sex-Pol war of-fensichtlich eine kommunistische Frontorganisation, und die Kom-munistische Partei versuchte Reich und seine Aktivitäten zu kontrol-lieren. Er war kein guter Parteigänger und weigerte sich, der Parteilinie zu folgen. Er trat für Verhütung und für das Recht auf Abtrei-bung ein - und auf einmal waren sie gegen beides. Sie verlangten die Kotrolle über seinen Verlag, was er aber verweigerte. Seine letztendliche Enttäuschung über die Partei erlebte er bei den Wahlen 1933 wo es hieß: „Die Sozialisten sind unser Hauptfeind“ und „Nach Hitler kommen wir“. Reich begann die Kommunisten als „Rote Faschisten“ zu bezeichnen. 1934 haben sowohl die Kommunistische Partei als auch die Internationale Psychoanalytische Vereinigung Reich die Mitgliedschaft entzogen. Die Psychoanalytiker, die einen Verstoß gegen die Statu-ten anführten, waren besorgt, dass man die Psychoanalyse als eine kommunistische Organisation ansehen könnte; außerdem wollten sie mit einem Kompromiss die Nazi-Regierung in Deutschland be-schwichtigen. In der Zwischenzeit hatte Reich eine Anzahl von wichtigen Büchern veröffentlicht, und Makavejev hat die daraus resultierenden Ideen in seinen Film eingearbeitet. Diese Bücher sind die Originalausgaben von: „Die Funktion des Orgasmus“, „Die sexuelle Revolution“, „Charakteranalyse“ und „Die Massenpsychologie des Faschismus“. Vielleicht ist für unsere heutige Gesellschaft das Konzept des Fa-schismus am relevantesten. In diesem Buch geht Reich davon aus, dass alle autoritären Organisationen wie der Staat, die Religion, die Familie, ihre Mitglieder durch Unterdrückung der Sexualität in Abhängigkeit halten. Das erfolgt entweder durch Gesetze oder moralische Normen, oder durch das Schaffen einer Atmosphäre, die Sexualität beschämend oder schlecht macht. Dies schaffe eine neurotische breite Masse, die ihre sexuelle Energie unterdrückend, einen Führer bewundert und sich ihm unterwirft. Diese unterdrückte Sexualität aber sucht sich Umwege und äußert sich in Pornografie und Sadismus. Gleichzeitig nehmen sich die Führer heraus, die Sexualität für sich selbst in Anspruch zu nehmen.
Indes hatte die „Sexuelle Revolution“ das Ziel, Jugendlichen sexuel-le Freiheit zuzugestehen. Wie auch immer: Reichs Konzept einer sexuellen Revolution war harmlos, verglichen mit der tatsächlichen „Revolution der Sitten“, die in den späten 60er und frühen 70er Jah-ren stattgefunden hat. Er wäre entsetzt gewesen, was hier von ihm durchgedrungen ist und hätte vieles als Pornografie abgetan. Er war nie mit den Schwangerschaftsraten von Teenagern, mit der AIDS-Epidemie konfrontiert, und die Schwulenbewegung, das Konzept der Transsexualität oder Operationen zur Geschlechtsumwandlung waren ihm unbekannt. Trotzdem wird Reich in bestimmten Kreisen für diese Ereignisse verantwortlich gemacht, insbesondere, weil ihn die Studentenrevolution in Frankreich 1968 als Held hoch hielt. 1938 entfloh Reich der deutschen Invasion Norwegens und kam mit dem letzten Schiff in die USA. Er war jetzt ein vehementer Anti-Kommunist, und er verabscheute die Psychoanalytiker, die ihn derart zurückgestoßen hatten. Aber hier fand von ihm wieder eine Idealisierung in Form einer Bewunderung der US-Verfassung, der Demokratie und auch für Eisenhower statt. Wie für sein Leben typisch, erreichte seine Bewunderung den Höhepunkt, als gerade die McCarthy Ära mit ihren antidemokratischren Zielen über das Land schwappte. Es besteht der Verdacht, dass es das Stalin-Regime in der Sowjetunion war, das ihre Feinde im Ausland zu eliminieren ver-suchte, was hier durch den Artikel von Mildred Brady in der Zeit-schrift New Republic „The Strange Case of Wilhelm Reich“ eingeleitet wurde und sogleich die Aufmerksamkeit der FDA auf die Ex-perimente Reichs zur Heilung von Krebspatienten mit dem Orgonak-kumulator lenkte. Der Film dokumentiert die Verfolgung durch die FDA, die Bücherverbrennung, die richterliche Verfügung gegen den Transport von Orgonakkumulatoren über die Landesgrenze hinaus, die Missachtung von Gerichtsladungen, die zu einer unüblich langen Haftstrafe von zwei Jahren führte, und darauffolgend den Tod im Gefängnis.
Der Film:
Um nun zum Film zu kommen: Ich persönlich schätze den Film trotz etlicher gravierender Verdrehungen der Reichschen Ideen. In dieser erfundenen, in Jugoslawien handelnden Geschichte von Vladimir und Milena, verdeutlicht Makavejev sowohl Reichs Konzepte zur Charaktertypologie, als auch seine Vorstellung, dass es in autoritären Staaten durch Unterdrückung der Sexualität zu einer Unterwerfung und Idealisierung des Staates kommt. Vladimir, der große russische Eislaufstar und Sex-Symbol, kann Milenas sexuelle Avancen nur abwehren, indem er leere stalinistische Propaganda verkündet. Obwohl auf dem Eis sehr gelenkig, bewegt er sich im realen Leben mit einer körperlichen Steifheit, die seinen massiven Körperpanzer wi-derspiegelt. Erst nachdem er von Milenas Ex-Freund Radmilovic angegriffen und gedemütigt wurde, zeigt er sich beruhigt und wirk-lich menschlich. Als Milena ihn schließlich unverhohlen zu verführen versucht, überkommt ihn sein sexueller Drang, der sich dann aber in gewalttätige Aggression verkehrt und mit Mord endet. Dies illust-riert Reichs Aussage, dass sich durch Panzerung und Unterdrückung die Sexualität Umwege sucht und sich - hier als Sadismus und Maso-chismus - verzerrt äußert. Letztlich aber, nach dem Mord, sehen wir den wahren, den bedauernswerten Vladimir, der klagt: „Und was ist mit mir?“. Hier zeigt sich das ursprüngliche Kind, das unterdrückt, zerstört und zu einer Marionette gemacht wurde. Im Gegensatz dazu repräsentiert Milena den von Reich idealisierten genitalen Charakter: offen und wahrhaftig in Beziehungen zu ande-ren und offen für eine tiefe sexuelle Beziehung. Es gibt weitere, weniger bedeutende Darsteller in diesem fiktionalen Teil des Films, die andere von Reich beschriebene Charaktere dar-stellen. Jagoda, Milenas Zimmergenossin, ebenso wie ihr Freund, der Soldat Ljuba. Er repräsentiert den krankhaften phallisch-narzißtischen Charaktertyp. Sie haben zwanghaften Sex, jedoch ohne tiefen, befriedigenden Orgasmus. Radmilovic hingegen stellt den impulsiven Charakter dar, der innere Bedürfnisse ausleben muss und sich auf andere nicht wirklich einlassen kann. Sowohl in den politischen Diskussionen im fiktionalen Teil des Films, als auch in den Szenen, in denen Milena sexuelle Freiheit und ganzheitlichen Orgasmus in dem, von ihren Nachbarn belagerten Hof predigt, kann man sehen, dass Makavejev Reichs sexualpolitische Einstellung idealisierte und daran glaubte, dass ein „guter“ Sozialis-mus möglich sei.
Ein anderer Part des Films, der mich beeindruckte, war die großartige Darstellung der Korrumpierung von Idealen. Vielleicht war das meine eigene zynischer Betrachtung des 20. Jahrhunderts.
1) Die kommunistische Revolution, ursprünglich sicher idealistisch, wird als in den unechten Pomp Stalins, der in einem alten Zarenpa-last unter funkelnden Kristalllustern herumstolziert, entartet dargestellt. Gleichzeitig wird der inhumane Umgang mit Häftlingen der Marter von geisteskranken Patienten gegenübergestellt. Während die gleichfalls idealistische kommunistische Revolution in China als in eine, den Sexualtrieb unterdrückende, antisexuelle Gesellschaft zur Heldenverehrung eines Mannes verkommen, dargestellt wird. 2) Die von Tully Kupferberg durch seinen pseudomilitärischen Marsch dargestellte Friedensbewegung gegen den Vietnam-Krieg mitten durch Manhatten ist von eigener Komik, besonders die einge-übte Ignoranz gegenüber des bizarren Auftretens aller möglichen New Yorker Typen, wie von vornehmen alten Damen, Geschäftsleu-ten und Polizisten. Aber sie veranschaulicht auch mit eigenartiger Belustigung das Verkommen des Friedensideals zu einem revolutio-nären Aufruf nach mehr Kampf, nur revolutionären Kampf. 3) Die Reichsche Therapie - das Lösen des Muskelpanzers mit tiefem Atmen und anderen Übungen - wird in Alexander Lowens Bioener-getik-Therapie in Hyperventilation und Übungen in Stresspositionen umgewandelt, bis Muskelzuckungen und Schüttelkrämpfe erfolgen, was das Ideal, den Panzer zu lösen, anstatt noch mehr Spannung aufzubauen, verfälscht. Während sich die Gruppensitzungen in ein Schreien, Stampfen und in einen aggressiven Tumult kehren, was bestenfalls Sadomasochisten ertragen würden. (Reich hat einmal zu seinem Sohn gemeint, dass er diese Art von Behandlung verabscheue.)
Wenn wir aber auf das Thema Sexualität zu sprechen kommen, erkennen wir, dass Makavejev selbst die Ideale entstellt. In einem In-terview bezeichnete er Reichs sexuelle Revolution als zahm. Er ver-herrlicht die Revolution der 60er und 70er Jahre mit allen ihren Ex-tremen. Ein paar Beispiele:
1) Gleich in der ersten Szene des Films wird der Geschlechtsakt ei-nes Paares gezeigt und ist als Original-Filmmaterial aus der Sex-Pol-Zeit deklariert. Durch die unmittelbare Nähe zu anderen Szenen ist damit der Geschlechtsakt meiner Eltern, Wilhelm und Annie Reich, gemeint. Reich hätte diese Szene aber niemals gefilmt. Er glaubte an die Intimität des sexuellen Aktes. Tatsächlich wurde dieser Filmab-schnitt 1969 beim Hippie-Musikfestival in Woodstock aufgenommen. Wollte sich hier Makavejev über Reich, sein bewundertes Idol, lustig machen? 2) Im fiktionalen Teil des Films verteidigt Milena - meiner Meinung nach Makavejevs Sprachrohr - die zur Schau gestellten und ausgedehnten Sex-Szenen zwischen Jaguda und Ljuba gegenüber einer offensichtlich sexuell frustrierten Nachbarin. Dies steht im Gegensatz zu dem von Reich gemeinten ganzheitlichen Sex mit einem Verschmelzen der Partner und einer vollen orgastischen Erfahrung. Makavejev verteidigt trotzig und herausfordernd die sexuelle Freiheit. Gleichzeitig aber portraitiert er in einer Szene Ljubic in zwanghafter sexueller Kühnheit, als er erstmals Jagoda trifft. Makavejev zeichnet damit den von Reich beschriebenen phallisch-narzißtischen Charak-ter nach. Ich glaube, dass das ein Beispiel für Makavejevs Ambivalenz gegenüber Reich ist - einerseits erfasst er Reichs Aussagen als Ganzes und gleichzeitig legt er sein eigenes Anliegen darüber. Makavejev wuchs im kommunistischen Jugoslawien auf und war immer ein antiautoritärer Rebell - vielleicht gleichzeitig die Autorität bewundernd. Seine größte Rebellion galt der Sexualität. 3) Am Balkon ihres Wohnhauses verkündet Milena in einem Rede-schwall die wahre Revolution und Sexualität. Aber diese Prahlerei ist eine Parodie auf die Sex-Pol-Propaganda. 4) Im Dokumentarteil des Films zeigt Makavejev eine Bildhauerin, die einen Gipsabdruck eines errigierten Penis anfertigt. In einer anderen Szene zeichnet eine Malerin hingebungsvoll Bilder von mastur-bierenden Menschen. Nochmals: Ich glaube, dass das Makavejevs Auflehnung gegen Reichs „zahme“ sexuelle Revolution ist. Reich hätte beide dieser Szenen für pornografisch gehalten, da sie den Wert wahrhafter orgastischer Sexualität herabmindern.
5) Dann gibt es eine Szene, in der Leute halbnackt mit herausfor-derndem Gesichtsausdruck in den Büroräumen der Zeitschrift „Screw“ aufmarschieren. Auch dies hätte Reich missbilligt, da es direkt gegen Reichs Idealvorstellung von der Ernsthaftigkeit der Arbeit geht. Er war von Freuds Diktum überzeugt, dass Liebe und Arbeit die Grundlage für seelische Gesundheit waren. Reich verherrlichte die Arbeit, niemals hätte er die Vermischung von Arbeit und Sexualität gut geheissen. 6) Es ist nicht klar, ob Makavejev vorsätzlich und ambivalent Reichs Konzepte des Energieflusses verdreht, oder ob er seine Konzepte falsch verstanden hat. Es gibt viele Beispiele davon in diesem Film: Der wogende Massenaufmarsch der Roten Garden auf dem Tianan-men Platz, die Muskelzuckungen in Lowens bioenergetischen Behandlungen; die Schüttelkrämpfe während der Gruppensitzungen, die er mit Konvulsionen einer Elektroschockbehandlung nebeneinander stellt. Er hebt diese Beispiele hervor, wohingegen Reich sie als von negativer, destruktiver Bedeutung gehalten hätte. 7) Gegen Ende des Films beginnt Makavejev seinen so bewunderten Reich zu attackieren. Zum Beispiel hat er von einem Schauspieler ein Tonband besprechen lassen und sie als Originalstimme Reichs präsentiert - grammatikalisch schlecht und mit einem sehr starkem Akzent. Aber Reich sprach ein grammatikalisch perfektes Englisch, das er sich in der Schulzeit über Jahre hinweg angeeignet hat, sein Akzent war minimal. An einer anderen Stelle wird er zitiert, dass er die Vermutung habe, von einem anderen Stern zu kommen und seine Nachkommenschaft tatsächlich Außerirdische seien. Diese Aussage ist aus dem Kontext herausgenommen; sie fiel unter der extremen Belastung Reichs, als er vor Gericht stand und von seiner Haftstrafe erfuhr. Ebenso unnötig ist die Anmerkung des ortsansässigen Fri-seurs, dass er sein Haar auf merkwürdige Weise getragen habe, nämlich nach oben gekämmt. Es stimmt, dass er das für sich so wollte - und auch für seine Familie so wollte. Wenn das aber ohne Reichs Ideen dazu so behauptet wird, dann klingt das äußerst merkwürdig. Es war tatsächlich Teil seines Verständnisses, dass die Augen offen und ehrlich erscheinen und nicht von Haaren bedeckt sein sollten.
Aber warum verdreht Makavejev Reichs Ideale? Warum geschieht es so oft, dass wir Ideale entstellen und sie ins Gegenteil kehren? Wir können das persönlich über ihn nicht wissen, abgesehen von den Aussagen, die er im Interview tätigt. Es ist wirklich unmoralisch, ohne irgendeinen Nachweis Vermutungen über das Unbewusste an-derer Menschen anzustellen. Dazu möchte ich aber allgemein etwas anmerken: Ich spreche hier nicht von zynischen Politikern, die den Idealismus der Bürger für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. Denn gerade Politiker können psychologische Bedürftigkeiten haben. Man kann sagen, dass z. B. Stalin, der so viel Macht ausgeübt hat und so viele Menschen ermorden ließ, niemandem mehr trauen konnte. Dies verstärkt sein Bedürfnis nach noch mehr Macht, was sich derart äußert, dass er von den Massen anstelle von einzelnen Menschen geliebt wird. Hier ersetzt der Narzißmus die realen Objekt-Beziehungen. Aber warum werden Ideale von Einzelnen korrumpiert? Der Aufbau von Idealen erfordert häufig die Unterdrückung eines Konflikts, der mit Aggression zu tun hat. Ideale sind edel, gut und altruistisch; dagegenstehende, negative Tendenzen müssen in das Unbewusste verdrängt werden. Freud bezeichnete dies als „Reakti-onsbildung“. Übertriebene Güte steht dafür, übermäßige Schlechtheit zu verleugnen. Aber dann kommt es zu einer „Rückkehr des Unterdrückten“. Das Unterdrückte kann das Unbewusste nicht zurückhalten und die Aggression verschafft sich einen Ausweg. So tritt die Aggression jetzt als Sadismus zutage. Die Idealisierung ist nun von Ambivalenz gegenüber dem idealisier-ten Objekt geprägt. Als Beispiel können wir uns das in den Begriffen des von Freud beschriebenen Ödipuskomplexes vorstellen. Der Sohn liebt den Vater, gleichzeitig ist er aber sein Rivale. Er möchte die Stellung seines Vaters einnehmen. Aber um das tun zu können, muss er zuerst den Vater „töten“, infolgedessen er das Objekt seiner Liebe verliert. Den Ruhm für sich selbst beanspruchen zu wollen, kann man auch als ein narzißtisches Bemühen sehen, aus Neid auf den berühmten Mann, um besser zu sein als er.
So können wir sagen, dass Makavejev Reich bewundert, sich für seine Vorstellungen und Theorien einsetzt und uns für seine ungerechte Inhaftierung trauern lässt. Gleichzeitig aber fühlt er sich als Rivale und möchte selbst ein berühmter Mann sein. Das gipfelt darin, dass er sich über Reich und seine Theorien lustig zu machen beginnt, obwohl er gerade in seinem Film aufgezeigt hat, wie großartig und einzigartig er die Theorien findet.
Trotzdem: Als Ganzes gesehen ist „Wilhelm Reich und die Mysterien des Organismus“ ein starker und bewegender Film, zeitweise brillant, Einblicke gewährend, manchmal schockierend und manch-mal amüsant. Er ist auch eine wunderbare Erinnerung an das Ethos der 1970er Jahre und eine eindringliche Warnung vor bedrohlichen Zeiten, in denen wir uns gegenwärtig befinden. ______________________________________
WR - Mysteries of the Organism. Film. Yugoslavia / West Germany. 1971. Director, Producer, Screenwriter: Dusan Makavejev. Stars: Miodrag Andric, Jim Buckley, Jackie Curtis, Betty Dodson, Milena Dravic, Nancy Godfrey, Dragoljub Ivkov, Milan Jelic, Jagoda Kalo-per, Tuli Kupferberg, Zivka Matic, Nikola Milic, Zoran Radmilovic, Wilhelm Reich and Ivica Vidovic.
Weiterführende Literatur: Durgnat, Raymond: WR - Mysteries of the Organism. Indiana University Press, 1999.
Übersetzung aus dem Englischen: Wolfram Ratz
Anmerkung zur Autorin: Lore Reich-Rubin promovierte an der NYU/College of Medicine und schloss ihre Fachausbildung als Psychiaterin am Albert Einstein Medical Center Bronx, ab. Sie graduierte am New York Psychoanalytic Institute und ist Mitglied der American Psychoanalytic Association und der Psychoanalytischen Gesellschaft in Pittsburgh und im dortigen Institut Lehrbeauftragte. Vor kurzem hat sie ihre Arbeit als klinische Assistenzprofessorin für Psychiatrie an der Medical School der University of Pittsburgh zurückgelegt.
WILHELM REICH – the scientist of life energy
DOCUMENTARY BY NICOLAS DABELSTEIN AND ANTONIN SVOBODA
Consultant: Dr. Heiko Lassek, President, Wilhelm Reich Society
Sendetermin ist wahrscheinlich Anfang September 2009 im ORF.
Introduction
Central to Reichs work as a scientist is his wholistic concept of one energy flowing in and interlinking body and mind, individual and society, civilisation and nature. This is knowledge of ancient cultures like the Chinese and Greeks. To them it was a philosophy, to Reich it was also a scientific reality. He was the first in recent Western culture to prove as fact in experiments what our culture feels is right for thousands of years, but has long since forgotten and denied in the light of modern natural science, which has segmented our knowledge and thereby deprived us of our greatest and most important asset: our sense of wholeness in us and with nature.
Outline and story structure elements: The content of the film
1. Reichs foundation: from Psyche to physical aspects
Reich studied medicine at Vienna and founded the „Sexuologisches Seminar“. The film closely examines Reichs early influences, especially his connections to the teachings of the French philosopher Bergson. Reich becomes a member of the Psychoanalytic organisation. The film shows how he is influenced by the works of Freud and the psychoanalysis. Reich lives and practices in the Berggasse at first, then he experiences the different treatment of patients in the psychiatric-neurological hospital under Wagner-Jauregg. The film concentrates on his work at the „Psychoanalytic Ambulatorium for the poor“ and examines what practical proof he finds for Freuds theories and shows the process how his practical work influences his work on the solution of the Neurosis question. Finally he is convinced: no neurosis without sexual conflict. Reich saw the neurosis as a direct disorder of the genital system and not only as one of sexuality as a whole. He was sure that the problem lay in the ability to sexually „love“ and really conflate with the sexual partner. He called this ability „orgastic potency“ and his therapy was to bring patients to an „erotic sense of reality“, to enable them to arrive at their full orgastic ability. According to Reich a fulfilling love life was the key to the healing of neurotical disorders. This lead to the conflict and eventual break-up with Freud and finally his expulsion from the International Psychoanalytical federation. The latter was also linked to his political activities. The film will lay great emphasis on the development and split of Reich`s relationship with Freud. His cases at the Ambulatorium showed Reich that social supression and deprivation directly lead to neurotical illness. So he arrived at the conviction that social change by political means was necessary. He became a member of the communist party, also in direct reaction to the scenes of civil war related to the fire at the palace of justice in Vienna in 1927, which he witnessed at first hand. He moved to Berlin, where he was very active in the SEXPOL-movement, the social-political education of the German communist party, which he founded. He wrote about the rising fascism in „Massenpsychologie des Faschismus“. Reich also developed his concept of „characteranalysis“ and found the phenomenon of the „emotional pest“ as an illness evoked by the genital frustration, that manifests itself in the plating in body and character. This plating destroys the ability to live with a balanced emotional and energetic state. Reich sees „emotional pest“ in all organisations and institutions, that force moral and authoritarian behaviour on the people, instead of enabling them to live their lifes in self-regulation. Reich was proven right by the political events in Germany and the rise of Hitler and the Nazis, who burned his books and put Reich on top of their most wanted list.
The film shows the original sites of his work in Vienna and Berlin and presents interviews with experts on this time.
2. Energy in time: the background story
Note: This is material that will be used throughout the film only in relation to our main story „Reich“ and only as far as it helps to clarify, contrast, stress and underline certain elements of Reich`s work.
Anaximander (610-546 B.C.) called the preexisting and indestructible main substance of life Apeiron, for Thales of Milet it was water, for Heraklit fire. Parmenides describes the secrets of the principle of „being one“ in a poem about his dreamy descend to the underworld. For Anixamenes the magical source of all cosmic energy was air or breath. He was of the opinion that the whole cosmos and the human soul is made up of this pneuma.
In the school of the stoics pneuma received its full comprehensive meaning: it was the substance of gods, the individual human soul and the universal world soul. Everything was created out of this divine substance, sprung from the creative fire. According to this ancient concept the world as a whole and every human body is held together by pneuma through tonos (tension) and hexis (cohesiveness). All human physical states and characteristics are thought of as a direct effect of pneuma, even human perception, movement, coherence and coordination of the organism were explained on the basis of psychological pneuma. Pneumatic currents are flowing from a central steering element in the soul to the periphery of the body and vice versa. This current takes care of the cohesion of the organism. The sensory perceptions evolve through differences in tension within the field of pneuma between the perceived object and the perceiving subject. A train of thought similar to Reichs orgon energy.
Since the 6th century B.C. the Greek doctor Hippocrates introduced the term physis to the Greek philosophy of nature and ethics. Physis describes the peculiarity and nature of every object and living being and its process of growth. The prerogative of every being to stay true to its nature and fulfill and preserve its way of life developed in Hippocratism into the concept of self-healing, organisational and preserving powers of the organism. Again something that Reich touches with his concept of self-regulation.
In the early Renaissance period Paracelsus, the doctor, philosopher of nature and alchemist, saw the whole universe as a living entity. He believed that all things and creatures shared an elementary power called Archäus. Paracelsus describes it as an immaterial principle and a spiritual essence: ethereal in nature, present everywhere, but invisible. Something that creates all forms of matter and regulates them. In an organism Archäus is a field of energy surrounding the body with an aura of a „glowing sphere“. This most noble part of the body regulates growth, development and decay of the physical body, is responsible for health and illness as well as for transformation and assimilation of food. In a state of health Archäus is spread equally throughout the body.
In the late 18th and 19th century energy science would develop further.
Franz Anton Mesmer, who studied Medicine at Vienna university, was convinced – after studying ancient enthnological and medical writings and observing nature and patients – that an invisible power or what he called a potentia exists in nature. He believed this vis (power, ability) to be the source as well as the well for illnesses. He called this power, which he deemed responsible for Newtons gravity and the inner processes of living organisms, in general gravitas universalis and gravitas animalis within the human body. For Mesmer this power was a medium with which the heavenly bodies, especially moon and sun, are able to influence the ocean, the atmosphere, the solid and liquid components of all living matter. The human organism was influenced through this special fluidum and would be healthy or ill according to the position of the stars. We know now that the above content, which Mesmer layed out in his thesis, was a plagiarism of a book by the English doctor Richard Mead. But nonetheless that was also Mesmer`s theory and he was convinced that steel magnets could restore the balance of these fluids within the body by emulating tidal waves. All illnesses and cures are solely based on the effects of magnetism according to Mesmer. He defined health as a certain relationship between movement and calmness. When this relationship was out of balance and the flood of the animal magnetism in the body was restricted, illness began, because the body was slowly getting rigid and could no longer react to the impulses of the magnetic flood.
Mesmer moved to Paris in 1778, where he practised as a doctor and was very successful with his therapies for which he used magnetic tubs filled with sand, stones, iron dross or glass. Iron bars would stick out of these buckets bent in an right angle. The patients would touch these bars and all patients were connected through a magnetic tightrope. That way Mesmer wanted to build a unified body, in which the magnetic flood could circulate freely. Mesmer`s healing technique was to walk around, approach patients and increase the circulation of their fluidum by moving his hands around the body of the patient without touching and by looking into the patient`s eyes.
Between 1860 and 1880 magnetism and hypnosis had become a popular attraction. All over Europe hypnotists were practising on large stages in front of hundreds of people. But in medical and scientific circles their reputation was so bad that every doctor practising these methods was risking his professional career. This was the case especially in France where Mesmerism had been left to laymen and was never officially accepted by the medical community. But in 1880 a number of doctors and neurologists in Paris began to rethink their attitude towards hypnosis. Among them were Richet, Charcot, Liebault and Bernheim, whose research lead to the foundation of two schools of hypnosis, which had a great deal of influence on further developments. Charcot and his school of the Salpétrière hospital were of the opinion that an illness based on the activity of the imagination was as real as any other illness and could be healed through the imagination by way of suggestion. Bernheim and the school of Nancy believed that the hypnotic condition and all hypnotic and magnetic phenomenona were the product of suggestion. In contrast to Charcot Bernheim thought the hypnotic condition to be completely normal. To him it was just a progression of the human ability to concentrate and not an illness. In 1885 Sigmund Freud was one of the students of Charcot learning hypnosis from him. Charcot`s use of hypnosis in order to find an organic basis for hysteria lead to the development of the cathartic method of remembrance and release of suppressed traumatic expierence by Breuer and Freud. Freud thought hypnosis to be an unreliable method and instead invented „free associativity“.
So there is a direct link between Mesmer and the schools of hypnosis in Paris and Nancy to Freud`s psychoanalysis and ultimately Reich`s orgontherapy.
3. The biological energy
Reich settled in Kopenhagen and then Oslo in 1934. He started a series of bio-electric experiments in which he wanted to fathom Libido and the functional dichotomy between sexuality and fear. The film will focus on these experiments in this period. Orgasm meant an electrophysiological release of arousal. Reich calls his „4 step formula of orgasm“ separated into tension, charge, discharge and relaxation his formula of life and it is the center of his sexualeconomical theory. Without the feeling of lust there is no charge and flowing of energy. In order to free this „Bio-electricity“ and work against the disorder of the genital system he developed the Vegetotherapy, later the Orgonenergytherapy. It worked with specific breathing techniques and massages on the whole body to release the stored tension. The climax of the therapy is the „orgasm reflex“, the feeling of „vegetative aliveness“, the orgastic virility In Oslo Reich starts with his scientific experiments in his laboratory: the Bion experiments In his lab he studies the Protoplasma current, the autonomous movement of all living matter. He notices that under strong mikroscops monads shows movements of contraction and expansion. Reich named these pulsating bubbles „Bions“.they were an intermediate state between non- living and living matter. These bions are charged with what Reich now calls Orgon energy and develop into protozoen and bacteria. Orgon energy is biological energy in the living organism and also cosmic energy.
Excursion: Taoism and Chi
Taoist theology focuses on doctrines of wu wei ("non-action"), spontaneity, humanism, relativism and emptiness. This philosophical aspect of Taoism emphasizes various themes found in the Tao Te Ching such as naturalness, vitality, peace, "non-action" (wu wei), emptiness (refinement), detachment, the strength of softness (or flexibility), and in the Zhuangzi such as receptiveness, spontaneity, the relativism of human ways of life, ways of speaking and guiding behavior. Tao can be roughly stated to be the flow of the universe, or the force behind the natural order. Tao is believed to be the influence that keeps the universe balanced and ordered. Tao is associated with nature, due to a belief that nature demonstrates the Tao. The flow of Chi, as the essential energy of action and existence, is compared to the universal order of Tao. It is often considered to be the source of both existence and non-existence. Chi and its therapeutic methods will also be shown.
The film focuses on a comparison between Taoist philosophy and similarities and differences to Reich theories. Taoist masters explain the concept of Tao and Chi.
4. Orgon energy is cosmic energy
This is the part realised under the expert guidance of Kevin Hinchey!
After having left Norway on the last boat before WWII, Reich settles in Maine. In his last years he studies orgon energy, which he had discovered through his bion experiments, in the fight against cancer - Excursion: Orgontherapy today in the fight against cancer today. Reich discovers negative orgon in radiation and the atmosphere. His work is under attack: the trial, burning of his books by the FDA and his last period in prison.
5. Reich – an energetic legacy
The film will deal with the following topics:
Reich was rediscovered by the 68movement in the name of free love. Soft birth became an issue. At the end of the 1970s the experimental rediscovery of Reich starts, in Germany through Heiko Lassek and others. Successes in treating cancer patients and the double blind studies on Orac will be in the focus of the film as well as blood diagnostics and bionexperiments. Further development of the orgontherapy with the support of Reich`s students will be in the focus of the film as well as the transmaterial catalysts that can achieve the worldwide revitalisation of waters. The project will also focus on the education of orgon therapists in Berlin, Hamburg, Vienna and Helsinki. Today Orgon therapy is on the European list of natural healing methods.
The film will also show the foundation of the Wilhelm Reich society with Eva Reich and numerous doctors and professors in 1986, worldwide conferences in the 1980`s and 90`s and focus on the work of the Wilhelm Reich infant trust in Rangeley over the past decades.
To commemorate Reich`s death 50 years ago the film will deal with the past and present in the form of indications for his growing importance and the renaissance of his thinking today in conferences and exhibitions like the one at the Jewish Museum in Vienna at present.
Finally the scientists following in Reich`s footsteps today as Prof. Bechmann, with his concept of post-materialistic natural science, will be portrayed and interviewed in the film.